Der Sänger im Lied

  • Wenn man seine Liedsammlung überschaut, bemerkt man eine Menge Lieder, deren Titel sich mit dem Sänger oder mehreren Sängern befassen. Alleine bei Franz Schubert finden sich mehr als ein halbes Dutzend Lieder, die sich mit dem Sänger in unterschiedlichen Situationen auseinandersetzen.
    Da gibt es den zürnenden Barden, den Sänger am Felsen, gefangene Sänger und vieles mehr...


    Der Goethe-Text: "Was hör´ ich draußen vor dem Tor", mit dem Titel Der Sänger überschrieben, hat wohl in der Schubert-Vertonung (D149) die weiteste Verbreitung gefunden. Die Vertonungen von Carl Loewe oder Hugo Wolf und anderen Komponisten sind weniger bekannt.


    Dieses Gedicht beleuchtet das Verhältnis von Macht und Kunst. Stolz weist der Künstler die goldene Kette zurück und bittet stattdessen um einen Becher besten Weines - im puren Golde ...
    Es steht eher der Selbstzweck der Kunst im Mittelpunkt und weniger der materielle Wert der Entlohnung - es ist mehr symbolischer Lohn, der erbeten wird. Der Künstler wird hier sowohl als bescheidene als auch selbstbewusste Persönlichkeit dargestellt.


    Weit dramatischer geht es in Ludwig Uhlands Ballade Des Sängers Fluch zu - Conradin Kreutzer hat diesen Text wunderbar mit Musik verbunden ( auch Robert Schumann, jedoch nicht als Sololied)
    Auch hier steht der Künstler am Ende über dem Herrscher - versunken und vergessen ...
    Als CD-Aufnahme kenne ich das Stück nur von dem Tenor Christian Elsner - empfehlenswert, wenn man sich dafür interessiert.


    Als Einstimmung zu diesem Thema sei der Goethe-Text hier angeboten:

    Der Sänger

    "Was hör' ich draußen vor dem Tor,
    Was auf der Brücke schallen?
    Laß den Gesang vor unserm Ohr
    Im Saale widerhallen!"
    Der König sprach's, der Page lief;
    Der Knabe kam, der König rief:
    "Laßt mir herein den Alten!"


    "Gegrüßet seid mir, edle Herrn,
    Gegrüßt ihr, schöne Damen!
    Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!
    Wer kennet ihre Namen?
    Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit
    Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit,
    Sich staunend zu ergötzen."


    Der Sänger drückt die Augen ein
    Und schlug in vollen Tönen;
    Die Ritter schauten mutig drein,
    Und in den Schoß die Schönen.
    Der König, dem das Lied gefiel,
    Ließ ihm zu ehren für sein Spiel,
    Eine goldne Kette reichen.


    "Die goldne Kette gib mir nicht,
    Die Kette gib den Rittern,
    Vor deren kühnem Angesicht
    Der Feinde Lanzen splittern.
    Gib sie dem Kanzler, den du hast,
    Und laß ihn noch die goldne Last
    Zu andern Lasten tragen.


    Ich singe, wie der Vogel singt,
    Der in den Zweigen wohnet;
    Das Lied, das aus der Kehle dringt,
    Ist Lohn, der reichlich lohnet!
    Doch darf ich bitten, bitt' ich eins:
    Laß mir den besten Becher Weins
    In purem Golde reichen."


    Er setzt' ihn an, er trank ihn aus.
    "O Trank voll süßer Labe!
    O wohl dem hochbeglückten Haus,
    Wo das ist kleine Gabe!
    Ergeht's euch wohl, so denkt an mich
    Und danket Gott so warm, als ich
    Für diesen Trunk euch danke."


    von Johann Wolfgang von Goethe


    Im Folgenden sollten hier möglicht viele Kunstlieder, die die Person des Sängers besonders herausstellen, genannt werden. Sicher wird einiges erscheinen, was für den einen oder anderen Leser eine Bereicherung darstellen kann.

  • In der Raucheisenserie historischer Liedaufnahmen sucht man den Autor vergebens; dort wo die Autoren der Lieder abgedruckt sind, steht (unbekannt).


    Sängers Trost ist wohl eines der schönsten Lieder, die Robert Schumann geschrieben hat. Bei neueren CD-Produktionen wird auch Justinius Kerner als Textautor genannt.


    Peter Anders hat dieses etwas sentimentale Lied schön gesungen und es ist erfreulich, dass der bereits 1954 verstorbene Sänger auch heute noch unvergessen ist - der Text:"Die ich sang, vergessen ihres Sängers nicht", ist in diesem Falle zutreffend.


    Sängers Trost
    Weint auch einst kein Liebchen
    Tränen auf mein Grab,
    Träufeln doch die Blumen
    Milden Tau hinab;


    Weilt an ihm kein Wandrer
    Im Vorüberlauf,
    Blickt auf seiner Reise
    Doch der Mond darauf.


    Denkt auf diesen Fluren
    Bald kein Erdner mein,
    Denkt doch mein die Aue
    Und der stille Hain.


    Blumen, Hain und Aue,
    Stern und Mondenlicht,
    Die ich sang, vergessen
    Ihres Sängers nicht.

  • Carl Loewe hat sich dieses Textes von Oskar von Redwitz (1823-1891) angenommen und komponierte diese Hymne im Jahre 1852.


    Wie bei dem im vorigen Beitrag vorgestellten Lied "Sängers Trost" handelt es sich um ein - nach meiner Einschätzung - etwas sentimentales Lied, das jedoch eine recht eingängige Melodie hat.
    Wenn man nach diesem Lied sucht, finden sich kaum Interpretationen; ich kenne nur die Aufnahme mit Christoph Prégardien aus der cpo-Serie. Es ist ein wahrlich schönes Lied und von der musikalischen Struktur her weit entfernt von den zum Teil hochdramatischen Balladen Loewes.


    Sängers Gebet (Oskar von Redwitz)


    Du, der Du bist der Geister Hort,
    was hab' ich Grosses noch getan,
    dass Du mir gabst des Liedes Wort?
    Ich habe keinen Teil daran.


    O Herr! wie säng' ich ohne Dich?


    Für all' die Stunden, da mein Lied
    mich auf zu Deinen Himmeln zieht,
    für all die Lust, die mir's beschied,
    wie kann ich danken Dir genug?


    O Herr! wie säng' ich ohne Dich?


    Ein einzig Wort aus Deinem Mund,
    und ewig hin ist all' mein Sang,
    wie voll auch sei mein Herzensgrund,
    wie ich auch spannt der Harfe Strang.


    O Herr! wie säng ich ohne Dich?


    Ich trag' die Lieb' in voller Brust,
    ich seh' die Welt in Frühlingslicht,
    werd' fast erdrückt von Liebeslust,
    doch ach! ich find' die Worte nicht!


    O Herr! wie säng' ich ohne Dich?


    Nimm drum den eitlen Stolz von mir,
    lass mir nicht kommen Neid noch Hass,
    gieb mir der Demut Sängerzier,
    lass singen mich ohn' Unterlass!


    O Herr! wie säng' ich ohne Dich?


    Mein lied ertön' nur Dir zur Ehr';
    Du gabst es mir, es ist ja Dein,
    und sing' auf Erden ich nicht mehr,
    lass mich auch dort Dein Sänger sein!

  • Die Bemerkung von hart, "Sängers Gebet" sei ( nach seiner Einschätzung) ein "etwas sentimentales Lied", hat mich neugierig gemacht, aber ich konnte das Lied leider nicht in meiner Sammlung finden. Deshalb möchte ich etwas zu dem davor vorgestellten Lied sagen, Robert Schumanns "Sängers Trost".


    Hart meint: "Sängers Trost ist wohl eines der schönsten Lieder, die Robert Schumann geschrieben hat." -


    Dem würde ich zustimmen, wenn man unter "schön" "melodiös" versteht. Das ist in der Tat ein Lied mit für Schumann ungewöhnlich schlicht angelegten, weit gespannten Kantilenen. Jede Strophe bildet eine musikalische Einheit, die aus zwei, über jeweils zwei Verse sich spannenden, Melodiezeilen besteht.


    Und die haben es in sich. Sie sind nämlich von einer fast volksliedhaften, innigen Kantabilität Schumann hat ganz aus der Aussage des lyrischen Textes, der von Justinus Kerner stammt, heraus komponiert. In diesem Gedicht herrscht ein wehmütiger Grundton, der sich aus der Situation des einsamen "Vor-sich-Hinsingens" ergibt. Der Sänger ist sich dessen bewusst, dass er in dem, was Inhalt seines Lebens ist, ein im Grunde einsamer Mensch ist, auf dessen Grab "kein Liebchen" Tränen weinen wird. Aber er tröstet sich mit dem Wissen um die tiefe innere Bindung an die Natur und die heimatliche Geborgenheit, die er in ihr finden wird.


    Robert Schumann hat diesen aus dem tiefen Innenraum der Seele sich artiklulierenden lyrischen Text in wahrhaft eindringlicher und eindrucksvoller Weise aufgegriffen und musikalisch gestaltet. Ich habe das Lied übrigens in einer Interpretation von Thomas Hampson gehört (begleitet von Geoffrey Parsons, Warner Classsics), die mir sehr gelungen erscheint. Mit seinem fließenden Legato trifft er den innigen Ton des Liedes sehr genau. Außerdem kommt sein Timbre diesem Ton entgegen.

  • Lieber Helmut Hofmann,
    das von mir angesprochene Lied Sängers Gebet ist auf der hier abgebildeten CD zu finden. Die CD-Hülle weist eine Co-Produktion cpo/Süddeutscher Rundfunk aus und wurde im April1997 produziert.
    Die cpo-Reihe hat das Erscheinungsdatum 10.12.2009. Wie ich nun erstaunt feststelle, werden diese 21 CDs für 49,99 Euro angeboten. Der Preis ist natürlich für Musikliebhaber erfreulich, aber es macht mich auch nachdenklich, wenn ich sehe, dass große Kunst so verscherbelt wird ...



    Die Reihenfolge der Stücke auf dieser Prégardien-CD ist folgende:


    Hochzeitslied op.20,1
    Alles ist eitel op. 4,4
    Der Asra op. 133
    Edward op. 1,1
    Erlkönig op. 1,3
    Sängers Gebet op. 123,1
    Drei Lieder des Turmwächters Lynceus
    Findlay
    Nachtlied
    Wanderers Nachtlied 1 & II op. 9
    Die Begegnung am Meeresstrande op. 120
    Der Bergmann op. 39

  • Danke für diesen Hinweis, lieber hart. Ich werde mir dieses CD-Paket so schnell wie möglich zulegen. Was den Aspekt "verscherbeln" anbelangt: So ist eben der Markt. Das, was nicht von der breiten Masse nachgefragt wird, hat keinen Preis mehr. Über die Qualität der Sache sagt das aber überhaupt nichts.


    Was Prégardien betrifft: Ich schätze diesen Interpreten schon lange und halte ihn für einen Sänger, der Maßstäbe in Sachen Liedinterpretation gesetzt hat. In der letzten Zeit gibt er mir aber mehr und mehr Rätsel auf.


    Gestern habe ich einen Mitschnitt eines Liederabends gehört, der vom Hessischen Rundfunk gesendet wurde: "Die Schöne Müllerin", interpretiert von Christoph Prégarien und Michael Gees, 20. Augsut 2010, Klosterkirche Santa Maria in Vilabertran.


    Mir hat sich das klangliche Bild dieses Liederzyklus von den Liederabenden und Lp-Produktionen eines Fischer-Dieskau und Hermann Prey tief eingeprägt. Was ich hier jetzt hörte, war von einer theatralischen Expressivität, die mich regelrecht verblüfft, teilweise sogar befremdet hat.


    Ist das noch Schubert?, habe ich mich gefragt. Und jetzt denke ich darüber nach, ob das jetzt der neue Trend in Sachen Liedgesang ist.


    Aber die Fragen, über die ich nachdenke, gehen noch weiter. Das eine ist das Lied, das in den Noten steht. Das andere: Das, was man gesungen hört. Letzteres ist aber doch eigentlich das wirklich Reale.


    Wenn wir nun hier im Forum immer mehr über das reden, was in den Noten steht, - ich meine insbsondere die Art und Weise, wie zur Zeit im Thread "Winterreise in liedanalytischer Betrachtung" mit dem Lied umgegangen wird - , könnte es vielleicht so sein, dass wir mit dieser Art des Blicks auf das Kunstlied hier im Forum sozusagen neben der Realität liegen? Zumindest teilweise? Weil der ganze Blick irgendwie perspektivisch verkürzt ist?


    Das sind so meine Gedanken im Augenblick. Sie sind ganz konkret und direkt auch an mich selber gerichtet, denn ich zeichne in Sachen Liedanalyse in gewisser Wesie hier ja verantwortlich.


    Mag sein, dass diese Gedanken noch nicht so ganz ausgegoren sind. Aber ich denke, man darf hier im Forum ja mal auch so einfach ins Blaue hinein denken.

  • Lieber Helmut,


    verwechselst Du nicht einfach die Bezugsebenen?


    Die Analayse von Text und Notentext und die Betrachtung unter den Auspizien eines Vortrags erfordern grundverschiedene Hinsichten und Methoden, und ebenso heterogen sind die Resultate.


    Ich will Dir ein Beispiel aus dem Winterreise-Thread geben, wo ja nach Deinem Urteil so unangemessen mit dem Liedgut "umgegangen" wird.


    Das Lied "Im Dorfe" unterlegt den Worten "... [es] rasseln die Ketten, es schlafen Menschen in ihren Betten" die Tonfolge a-fis-d-e. Die Analyse ergibt einen Bezug zum Vokaleinsatz im "Lindenbaum", h-gis-e-fis, nur daß "Im Dorfe", statt des schlicht abwärts gebrochen Tonika-Dreiklangs und anschließender großer Sekunde aufwärts, von der Terz fis her erst einen Sextsprung nach oben und dann einen Septimensprung nach unten bietet.


    Verzeih bitte diese Ausführlichkeit. Denn es ist ja jedem einsichtig, daß man die betreffende Zeile aus "Im Dorfe" niemals so singen könnte, daß dieser verfremdete Bezug auf eine Lindenbaum-Tonfolge als Chiffre hörbar würde.


    Da aber der "Umgang" mit den Liedern der Winterreise in unserem analytischen Thread zutage gefördert hat, daß solche Beziehungen zwischen den einzelnen Stücken nicht nur existieren, sondern auf eine geradezu "literarische" Weise sinnstiftend wirken im musikalischen Text und Subtext, ist der analytische Ansatz nur allzu berechtigt. Denn der große Bogen vom "so manchen süßen Traum" in Nr. 5 zu "ich bin zu Ende mit allen Träumen" in Nr. 17 wird so auch von Schubert bewußt nachvollzogen. Das hat dann Konsequenzen für die musikalische Faktur in Nr 17, etwa die Lindenbaum-Reminiszenzen in der Klavierbegleitung zu "sie haben ihr Teil genossen" usw., die sogar hörbar sind.


    Es gibt aber auch dafür keine Vortragsweise, die das Heraushören solcher Bezüge deutlicher machte; vielmehr hat Schubert ja alles getan, um derartige Allusionen und intermusikalischen Verweise zu verschleiern. In der Tiefe der musikalischen Strukturen bilden derartige Bezüge eher das Material, aus dem eine ausdrucksvolle Melodie oder Harmonie erst entwickelt wird. Aber bei aller Sinnfälligkeit der anschaulichen musikalischen Erfindung ruht das Gebäude der "Winterreise" auf einem Fundus von Motiven, Tonfolgen, Harmonien usw., die im Zuge ihrer konstitutiven Funktion für verschiedene Stück auch sinntragend werden.


    Das Dechiffrieren dieser Strukturelemente ist eine Leistung für sich, da sie ja nicht überall offen zutage liegen. Man ist schlecht beraten, dieser Leistung ihre Daseinsberechtigung abzusprechen, sie gar als selbstreferentiellen "verbalen Hickhack" hinzustellen, wie Du es, zu meinem größten Bedauern, wiederholt getan hast.


    Man muß sich, scheint mir, der Arbeit dieser Analyse unterziehen, da sie von der Komplexität des Werks selbst eingefordert wird. Sie in ihren Voraussetzungen oder Ergebnissen schlicht zu verleugnen, ist ein meinem Kunstverständnis indiskutables Unterfangen.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Ich möchte, damit ich mich hier in diesem Thread nicht in abstrakte Gedankengänge verliere (mit denen ich ohnehin nichts bewirken werde), auch einen Beitrag zum Thema dieses Threads liefern. In dem Lied "Nachtstück" geht es ja auch um einen Sänger, und Schubert hat den zugrundliegenden Text von Mayrhofer wohl auch deshalb aufgegriffen, weil in diesem Gedicht das Them Tod berührt wird, das für Schubert von existenzieller Bedeutung war. Vielleicht hat ihn aber auch zusätzlich das Bild des Geborgenseins in einer den Menschen von den Qualen der Individuation erlösenden Natur angezogen. Das ist eine urromantische Vorstellung!


    NACHTSTÜCK (Johann Mayrhofer, von Schubert 1819 in ein Lied verwandelt)
    Wenn über Berge sich der Nebel breitet,
    Und Luna mit Gewölken kämpft,
    So nimmt der Alte seine Harfe, und schreitet,
    Und singt waldeinwärts und gedämpft:


    Du heilge Nacht!
    Bald ist´s vollbracht.
    Bald schlaf ich ihn, den langen Schlummer,
    Der mich erlöst von allem Kummer.


    Die grünen Bäume rauschen dann:
    Schlaf süß, du guter alter Mann;
    Die Gräser lispeln wankend fort:
    Wir decken seinen Ruheort;


    Und mancher liebe Vogel ruft:
    "O laßt ihn ruhn in Rasengruft!"
    Der Alte horch, der Alte schweigt,
    Der Tod hat sich zu ihm geneigt.


    Dieses Lied soll hier nicht in seiner Schönheit von einer liedanalytischen Betrachtung zerstückelt werden. Ich möchte nur darauf hinweisen, wie Schubert die lyrischen Bilder und die Atmosphäre dieses Gedichts einfängt: Er setzt hier chromatisch eingefärbte Harmonien und punktierte Rhythmen ein. Wunderbar ist der sich wie eine Erlösung anhörende Ausklang, bei dem die melodische Linie mit weiter Dehnung in einem reinen C-Dur ausklingt: "Der Tod hat sich zu ihm geneigt"

  • Schön, dass wir nochmals auf dieses Schubert-Lied zurück kommen. Liedfreund Hofmann hat sich zu diesem Mayrhofer-Gedicht u. a. am 18. Mai 2010 wie folgt geäußert:

    Johann Mayrhofer: NACHTSTÜCK
    Ein schlechtes Gedicht. Es lügt. Luna kämpft mit Gewölken, grüne Bäume rauschen nicht nur, sie flüstern ein "schlaf süß", Gräser lispeln wankend fort, Vögel rufen einem etwas zu, und zwar, dass man doch bitte in Rasengruft ruhen möge. Kitsch, dass sich die Balken biegen.

    Und ich zitiere Helmut Hofmann weitermit dem Schubert-Lob:


    "Nachtstück" ist wohl wieder ein Beleg für seine Intention als Liedkomponist. Er "vertont" die Texte nicht. Dieses schlechte Gedicht von Mayrhofer muss wohl eine Imagination in ihm ausgelöst haben, die er kompositorisch dann zum Ausdruck bringt.
    Das ist Schubert! Dieses Genie bringt es fertig, aus einem Text, der sich vor lyrischem Kitsch biegt, ein musikalisches Meisterwerk zu machen!


    Diesen Betrachtungen möchte ich nichts hinzufügen, aber für Mitleser, die den anderen Thread nicht kennen, ist das bestimmt eine informative Ergänzung.

  • Für mich steht natürlich immer das Live-Erlebnis an erster Stelle - und ich habe den Künstler schon sehr oft "hautnah" erlebt; seine Liederabende sind einfach beeindruckend!
    Allerdings sind auch Tonträger von so guter Qualität, dass man sich durchaus auch auf dieser Basis ein Urteil erlauben kann, das ist keine Frage.


    Soweit mir bekannt ist, besteht seit einiger Zeit eine Zusammenarbeit von Prégardien und dem Label Challenge Classics. Die Einspielung der "Schönen Müllerin" weisen hier zahlreiche Verzierungen auf.


    In Kritiken wird dann schon einmal die Frage aufgeworfen "Sollte Schubert ein Rokokozöpfchen angehängt oder überhaupt ins 18. Jahrhundert zurückversetzt werden?"


    Soweit mir bekannt wurde, soll es historische Gründe geben, die solches rechtfertigen, aber ich bin diesbezüglich kein Experte ...


    Kritiker befürchten, dass sich die Sitte des "Mitkomponierens" einschleicht ...


    Ich wollte jedoch nur auf den Beitrag von Helmut Hofmann kurz antworten, vielleicht sollte man das Thema in einem entsprechend geeigneten Thread etwas vertiefen.

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  • Ich sehe, - ich habe schon sehr viel geschrieben hier im Tamino-Forum. Und jetzt weiß ich nicht, worauf hart hinauswill, wenn er alte Beiträge von mir hier zitiert. Ist das kritisch gemeint?


    Wenn ich so durchgehe, was hart zitiert hat: Ich habe nichts davon zurückzunehmen oder als irrtümliche Feststellung zu bedauern. Mayrhofers Gedicht lügt. Ich würde heute nicht mehr so forsch formulieren und sagen: "Kitsch, dass sich die Balken biegen". Man wird älter und übt Nachsicht! Aber ich bleibe dabei: Das ist schlechte Lyrik.


    Und ich bleibe bei der anderen Feststellung: Schubert hat daraus ein wunderbares Lied gemacht. Was zeigt: Er vertont lyrische Texte nicht. Er schafft aus lyrischer Struktur musikalische Struktur. Es entsteht eine neues, ein musikalisches Kunstwerk.


    Wenn ich bei meiner Besprechung dieses Liedes hier sagte: "Dieses Lied soll hier nicht in seiner Schönheit von einer liedanalytischen Betrachtung zerstückelt werden", so hatte ich dafür einen guten Grund. Ich hätte mich dann nämlich auf den lyrischen Text einlassen müssen. Und dann wäre ich zu dem obigen Ergebnis gekommen. Liedanalytische Betrachtung ist nicht immer sinnvoll, - vor allem dann nicht, wenn sie falsch praktiziert wird.


    Was wiederum - und nun geht mein Blick auf mein ausgenblickliches Problem - bedeutet: Vom lyrischen Text her kommt man an kein Lied und damit zum Beispiel auch nicht an die "Winterreise" heran. Und schon gar nicht, wenn man sich dabei eifrig unter anderem mit Matthäus 26, den Briefen im neuen Testament und der Komplexität der Traum-Metaphorik beschäftigt. Man dringt auf diesem Weg überhaupt nicht zur zentralen Aussage eines Gebildes vor, das ein musikalisches Kunstwerk ist.


    Heute, als ich beim Betrachten der DVD miterlebte, wie Fischer-Dieskau und Alfred Brendel um das interpretatorische Verständnis der "Winterreise" im wahrsten Sinne des Wortes rangen, wurde mir das endgültig klar.

  • Jetzt, eine Nacht darüber hingebracht, denke ich: Ich hätte es in meinem letzten Beitrag bei dem Kurzkommentar zu dem Lied "Nachtstück" belassen und mich nicht wieder auf das Thema "Liedanalyse" einlassen sollen. Langsam komme ich mir dabei selbst lächerlich vor. Zwar ist mir die Sache wirklich ein Problem, aber darüber muss ich mich ja nicht permanent öffentlich äußern, zumal man dabei, wie ich jetzt sehe, in Gefahr gerät, zum Stänkerer zu werden.


    Also -, jetzt ist Schluss! Ich möchte eigentlich am liebsten Lieder singen. Aber da ich das - leider! - nicht kann, muss ich darüber reden. Und dieses - und nur dieses! - werde ich auch künftig tun.

  • Lieber Helmut Hofmann,
    meine "Ausgrabung" war wirklich nur als ein Service für Mitleser gedacht, denn wir beide waren uns ja seinerzeit in der Beurteilung von Nachtstück weitgehend einig.


    Egal aus welchem Blickwinkel man ein Lied betrachtet, es lohnt sich immer dann, wenn Leute ein bestimmtes Lied noch nicht kennen, daran Interesse finden und sich das Stück beschaffen und vielleicht den Rest ihres Lebens damit bereichern. Ein "missionarischer" Eifer des Schreibers ist da nicht zu bekritteln, denn nur wer von einer Sache wirklich durchdrungen ist, kann auch andere begeistern.

  • Lieber Helmut, Lieber Hart,


    man könnte allerdings auch darauf hinweisen, in welche Tradition Mayrhofer sich hier stellt. Dann sähe man vielleicht, daß es der Dichter gut mit Goethes Harfner meint; und daß erst der Umweg über den Wilhelm Meister die Künstlerfigur ins Archetypische erhebt. Ohne die Nobilitierung solcher Abstammung würde Schubert vielleicht nicht zu dieser Tiefe des Ausdrucks gefunden und gegriffen haben, würde über die anachronistische mythologische Einkleidung der Eingangsstrophe nicht so nobel hinweggegangen, als stünden dort Mondscheinverse in Caspar-David-Friedrichscher Manier.


    Die Anrufung der "Heilgen Nacht", das Rauschen der Bäume, die Todesnähe von Schlummer und Erlösung mögen der textlichen Anreize genug gewesen sein zu einem Lied, dessen Stoff ja nicht allein epigonal ist und trotz damals leidlich aktueller literarischer Bezüge weltfremd (der Bettelmusiker, geadelt durch sein Instrument). Schubert inszeniert hier noch ein weiteres Mal seine Kunst als ein vollgriffig-ätherisches Verklingen ihrer selbst. Der so unverkennbare Schubert-Ton dieses Liedes findet sich in der ganzen Winterreise nicht. Vielleicht war er Schubert inzwischen allzu vertraut geworden, um den Komponisten dort noch auf ihn bauen zu lassen. - Hier darf die Musik sich noch selbst erlösen "von allem Kummer", erklingt als tröstendes Wiegenlied ("schlaf süß") am Scheidewege.


    Ich denke, daß mit Beiträgen wie diesem hier auch etwas gesagt ist (über den Befund hinaus, daß das Gedicht kitschig und die Musik vollkommen sei).


    :hello:

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  • Eigentlich ist hier ja nicht der Ort, sich über Chr. Prégardiens Sangeskunst auszulassen, andererseits geht es doch um den Sänger im Lied, und das ist auch immer der Sänger des Liedes.


    Hart weist darauf hin, dass es sich bei der Art und Weise, wie Prégardien die „Schöne Müllerin“ singt, um eine historische Aufführungspraxis handelt. Das ist richtig, reicht mir aber als Rechtfertigung dafür nicht aus, diesen Liederzyklus heutzutage mit derlei vielen Verzierungen zu versehen, wie Prégardien dies tut.


    Nicht alles, was „historisch“ ist, war sinnvoll damals und dem musikalischen Werk jeweils gemäß und dienlich. „Historisch“ ist auch der Liederabend mit den größten „Highlights“ aus der heiteren Welt des Liedes. Kein ernsthafter Interpret lässt sich heutzutage auf so etwas ein. Dieser Vergleich ist keineswegs an den Haaren herbeigezogen. Denn auch hinter der Praxis, Lieder mit „Verzierungen“ zu versehen, die sich nicht in den Noten finden und dort auch keinen musikalischen Sinn erfüllen würden, steht dieselbe Grundhaltung: Man zielt auf Effekthascherei beim Publikum ab.


    Prégardien beruft sich auf Michael Vogl. Dieser wurde – nach Schuberts Tod – von Diabelli gebeten, die Singstimme der „Schönen Müllerin“ so zu gestalten, dass sie dem Publikum besonders gut gefällt. Das tat der gerne, weil er selbst ja die Müllerin, noch zu Schuberts Lebzeiten, so gesungen hatte: Mit jeweils frei improvisierten Verzierungen in der melodischen Linie. Ich weiß nicht, wie Schubert darüber gedacht hat. Jedenfalls kenne ich keine Quelle dazu.


    Die Neuausgabe der „Schönen Müllerin“ hatte solchen Erfolg, dass sie die Erstausgabe mit Schuberts Originaltext rasch verdrängte. Mit dem Aufkommen der auf Originaltreue der Notentexte ausgerichteten Schubertforschung, begann man diese Vogl/Diabelli-Ausgabe kritisch zu sehen und verurteilte sie als Fälschung. Friedländer tat das unter anderen.


    Warum man jetzt wieder auf diese alten Geschichten zurückgreift, ist mir nicht so recht verständlich. Es sei denn, man will mal „was Neues“ probieren. Diesen Trend kenne ich von Prégardien. Er hat sich in dieser Richtung mehrfach geäußert und die Haltung des Liedhörers in Frage gestellt, der alles immer so hören will, er es kennt und gewohnt ist.


    Dabei sollte sich aber die Frage stellen, ob man mit diesen „Experimenten“ dem musikalischen Werk jeweils dient oder ob man ihm Schaden zufügt. Hätte Schubert Verzierungen an bestimmten Stellen der melodischen Linie in der „Schönen Müllerin“ gewollt, weil sie musikalisches Ausdrucksmittel für das sind, was er dort sagen will, - er hätte sie in die Noten geschrieben. Wenn er das nicht getan hat, sollte man das respektieren. Schließlich wusste er ganz genau, was er musikalisch sagen wollte und verfügte über alle Mittel dazu.

  • Lieber farinelli,
    "Kitsch" ist ein etwas heikler Begriff und sicher gibt es auch Nahtstellen, wo sich nicht exakt sagen lässt - hier beginnt der Kitsch. Das liegt dann eher beim ästhetischen Niveau des Betrachters, Lesers oder Hörers, ist also individuell.
    Man wird sich schnell darauf einigen können, dass der klassische Gartenzwerg dem Kitsch zuzuordnen ist, aber nicht immer ist es so einfach.


    In WIKIPEDIA kann man zum Beispiel folgendes lesen:
    <Als subtileres Beispiel für Verkitschung könnte auch die Vereinfachung des Schubert'schen Liedes Der Lindenbaum durch Friedrich Silcher angegeben werden>


    Bei Friedrich Silcher würde ich das Prädikat "Kitsch" nicht benutzen, bei Jeff Koons dagegen, kommt es mir ganz leicht über die Lippen.

  • Lieber Hart,


    ich habe mit "Kitsch" nur Helmut paraphrasiert und bin mir über die Problematik des Begriffs durchaus im Klaren.


    Zu Jeff Koons wäre von meiner Seite aus anzumerken, daß das in Oberammergau geschnitzte monumentale Liebespaar, das seinerzeit im Museum Ludwig zu Aachen zu sehen war, eben deswegen nicht Kitsch ist, weil die zur Oberammergauer Heiligenschnitzerei gehörigen penetranten Inkarnattöne hier in den Dienst einer expliziten Erotik gestellt werden, die alle Verbrämungstendenzen im Kitsch unterläuft und durchkreuzt. Die fraglose Provokanz der Skulptur ist Teil ihres ästhetischen Programms und Kalküls; sie formuliert eine Position innerhalb heutiger Kunstdebatten (und nur nebenbei ein post-barockes Statement).


    Aber das war, bitte sehr, o.t.


    :hello:

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  • Hart meint:


    "Bei Friedrich Silcher würde ich das Prädikat "Kitsch" nicht benutzen, ..."


    Und das durchaus mit gutem Grund. Schuberts" Lindenbaum" in der Fassung von Silcher ist mit dem Begriff "Kitsch" nicht präzise beurteilt und in seiner musikalischen Struktur erfasst. Es handelt sich hier um eine musikalische Simplifizierung, die das Lied einer wesentlichen Dimension seiner Aussage beraubt. Das macht dieses Lied aber noch nicht zu musikalischem "Kitsch".


    Der Begriff "Kitsch" wurde im Zuge der sog. "Demokratisierung" der Literatur und der ihr zugrundeliegenden Beurteilungskategorien im Zuge der Achundsechzigerbewegung problematisiert und ist inzwischen in Verruf geraten. Gleichwohl gibt es das Phänomen, das mit diesem Begriff zu fassen versucht wurde. Der Germanist Walther Killy hat dies in einem Buch 1964 versucht, und das, was da an Merkmalen des sog. "Kitschs" anhand vieler Beispiele sorgfältig untersucht und aufgelistet wurde, behält meines Erachtens nach wie vor seine Gültigkeit.


    Fragwürdig wird jede Art von Kunst, wenn sie auf eine Kumulation von Reizeffekten abzielt, hinter denen keine irgendwie fassbare künsterische Aussage steht. Wenn man so will, ist das das zentrale Wesensmerkmal all jener "Kunstprodukte", die man unter den Begriff "Kitsch" subsumieren kann. Das Gedicht "Nachtstück" gehört, wenn man es genau unter die Lupe nimmt, nicht dazu. Deshalb habe ich mich auch von meiner früheren Beurteilung teilweise distanziert. Es enthält lyrische Bilder, die "kitschverdächtig" sind, weist aber in seiner Gesamtheit als lyrisches Gedicht eine durchaus fassbare Aussage auf.


    Schubert fühlte sich von ihr ansgesprochen, und die einzelnen lyrischen Bilder wandelte er in eine Musik um, die fraglos himmelweit entfernt von dem ist, was man mit dem Wort "Kitsch" belegen würde.

  • Die Neuausgabe der „Schönen Müllerin“ hatte solchen Erfolg, dass sie die Erstausgabe mit Schuberts Originaltext rasch verdrängte. Mit dem Aufkommen der auf Originaltreue der Notentexte ausgerichteten Schubertforschung, begann man diese Vogl/Diabelli-Ausgabe kritisch zu sehen und verurteilte sie als Fälschung. Friedländer tat das unter anderen.


    Danke für diesen Hinweis; irgendwann hatte ich das bestimmt auch schon mal gelesen, aber mit "Diabelli" kann ich spontan nichts anfangen, also ist Nachsitzen und Nachlesen angesagt!
    Und diese (verzierte) "neue Müllerin" besorgen und hören, denn bisher kenne ich nur "normale" Aufnahmen - kann also eigentlich nicht mitreden ...


    Danach werde ich versuchen, meine Erkenntnisse in einem "Schöne Müllerin-Thread" zu thematisieren ...

  • Zitat hart:


    "Danach werde ich versuchen, meine Erkenntnisse in einem "Schöne Müllerin-Thread" zu thematisieren ... "


    ...worüber ich mich sehr freuen würde. Wie Prégardien die "Schöne Müllerin" neuerdings singt, kann man auf folgender CD hören: "Christoph Prégardien / Michael Gees; Franz Schubert, Die Schöne Müllerin, Challenge Classics, 2008". Ist hübsch und sehr solide in schwarzen Karton verpackt, diese CD.


    Zum Stichwort "Diabelli": Im Wiener "Allgemeinen Musikalischen Anzeiger" erschien am 6. Februar 1830 folgende Notiz:


    "Die hiesige Kunsthandlung Diabelli et Comp. hat den gesammten Nachlass der Franz Schubertschen Compositionen an sich gekauft. In diesem Nachlasse sollen, dem Vernehmen nach, noch gegen 300 Lieder von verschiedenem Umfange sich befinden."


    In Wirklichkeit waren es über vierhundert. Kurios finde ich die Formulierung "an sich gekauft". Sie wirkt, wenn man im Hinterkopf hat, welch ein armer Schlucker dieser Franz Schubert war, irgendwie ein wenig geschäftsmäßig obszön. So empfinde ich das jedenfalls.


    Eigentlich gehört das alles ja gar nicht in diesen Thread. Und doch denke ich: In einem tieferen Sinne tut es das. Es geht um das Lied und seinen "Sänger".


    Wie gesagt: Ich würde mich freuen!

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  • Fast vor einem Jahr habe ich diesen Thread aus der Taufe gehoben; die Überschrift lautet: Der Sänger im Lied. Inzwischen ist aber „Der Sänger im Lied“ hier schon lange nicht mehr Gegenstand der Betrachtungen.


    Das Lied mit dem Titel Der Sänger sollte natürlich hier erwähnt werden. Im Thread Heinrich Marschner und seine Lieder ist es zwar genannt, aber erst jetzt ist mir der volle Liedtext bekannt. Beim Textdichter ergeben sich Ungereimtheiten dergestalt, dass in einer Publikation Fr.Gleich und bei der CD F. Gleichen angegeben wird. Dieses Lied ist ein Juwel und besitzt Exklusivität (nach meinem Wissensstand), weil es nur eine von Peter Anders gesungene Aufnahme gibt.


    Weder bei den 7 Marschner-Liedern, die Olaf Bär auf CD eingespielt hat, noch auf der Marschner-CD von Steven Kimbrough (26 Lieder) ist es drauf.


    Der Sänger


    Zu dem Grab der Lieb und Schmerzen,
    zu dem heil'gen Grabe hin,
    zog Astolph mit warmem Herzen
    mit der Kindheit frommem Sinn.


    Durch des Meeres weite Ferne,
    durch der Wüste dürren Sand
    leuchten freundlich ihm die Sterne
    nach dem unbekannten Land.


    Und ihn fasst ein tiefes Sehnen,
    eine nie geahnte Lust.
    Aus den Augen quellen Tränen,
    Seufzer aus der jungen Brust.


    Leise von den Höhn hernieder,
    wo der Silberschatten rauscht,
    schwebten zarte Klänge nieder
    von dem Sänger nur belauscht.


    Hohes Kreuz, du ew'ger Freudenbronnen
    flammend standst du in der Sternennacht
    und da leuchtet, bar von tausend Sonnen
    in verklärter wunderbarer Pracht


    aller Himmel blau gewölbte Tiefen
    und der Erde lichtumgrünte Flur
    und des Lebens niedere Stürme schliefen
    und es lebte ein Gedanke nur.


    Ein Gedanke jener Zeitenschauer,
    wo noch Fried und Ruhe bei uns weilt,
    wo noch nicht genaht in ernster Trauer
    sich der Schmerz, die Blüte nicht zerteilt


    von Verlangen, unerschlossen still
    und kindlich noch die Knospe trägt.
    Wo von bittern Tränen nicht begossen
    harmlos froh das junge Herz noch schlägt.


    Da erfasste Begeisterung sein klopfendes Herz,
    Wie auf der Winde eilenden Flügel entfloh der Schmerz.
    Die Leiden der Erde, der Gram den er jahrelang trug,
    sie waren entschwunden mit eilendem Flug.


    O seid gegrüßt, ihr heil'gen Morgentöne,
    ihr schöner Kindheit Liederklang.
    Willkommen mir, du tröstend fromme Träne,
    du Waldeslispeln und du Lerchensang.


    An deinen Busen will ich wieder sinken,
    geliebte ewig heilige Natur.
    An deinen Brüsten mir Genesung trinken,
    ein harmlos Kind der ländlich stillen Flur.


    In deinem Tau will ich gesund mich baden,
    ein Kind mit Kindern fröhlich mich erfreun.
    Von meinem Herzen sie die Last geladen
    der alte Gram, die ew'ge Sehnsuchtspein.


    Verstummt im Leben sei fortan das Klagen.
    Was ich gefühlt, gelitten und getragen
    in zarte Liederweisen will ich' s bringen
    Und Ruh damit in andre Herzen singen.


    Und er griff in seine Saiten,
    sang der Liebe Schmerz und Glück,
    wie sie beide sie begleiten,
    sang sein eigenes Geschick.


    So durchzog er viele Länder,
    rastlos ruhend nimmer aus,
    bis er unbewußt sich selber,
    stand am kleinen Vaterhaus.


    Und er legt die Leier nieder,
    seines Lebens Trost und Ruh,
    auf der Lippe süße Lieder,
    schlossen sich die Augen zu.

  • Das ist ein wunderbares Lied, das ich aber auch nur in der Interpretation von Peter Anders aus der Rauscheisen-Edition kenne. Was Liedtexte angeht, hatte jemand (leider weiß ich jetzt nicht mehr, wer das war - vielleicht sogar du, lieber hart?) in einem anderen Thread einen ganz fabelhaften Link eingestellt. Hier leite ich mal zu den Texten von Marschner-Kompositionen weiter:


    http://www.recmusic.org/lieder/m/marschner.html


    Aber vielleicht renne ich ja auch offene Türen ein.


    Gruß Rheingold (ständiger Lied-Hörer)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ja, lieber Rheingold, die Türen waren bereits offen ... es ist eine ganz wunderbare Seite, wenn man Liedtexte braucht, aber schau mal, wie die erste Strophe dort aussieht:


    Zu dem Grab der Lieb und Schmerzen,
    zu dem heil'gen Grabe hin,
    zog Castolf mit warmem Herzen
    mit der Kindheit frommem Sinn.


    Ich habe hier das Notenblatt vor mir liegen und da steht eindeutig: Astolph und nicht Castolf - gewiss keine dramatische Sache, aber ich wollte darauf hinweisen, sonst wird irgendwann noch Adolf draus gemacht ...

  • Lieber hart, da danke ich aber sehr für die Aufklärung. Mir ist das nicht aufgefallen. Und dazu hätte es nicht einmal des Notenblattes bedurft. Peter Anders sing den Astolph ganz klar und deutlich.


    Nur nicht Adolf...


    Grüße zum Abend von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Der Sänger am FelsenGTTexterman


    Klage, meine Flöte, klage
    Die entschwundnen schönen Tage
    Und des Frühlings schnelle Flucht,
    Hier auf den verwelkten Fluren,
    Wo mein Geist umsonst die Spuren
    Süß gewohnter Freuden sucht.


    Klage, meine Flöte, klage!
    Einsam rufest du dem Tage,
    Der dem Schmerz zu spät erwacht.
    Einsam schallen meine Lieder;
    Nur das Echo hallt sie wieder
    Durch die Schatten stiller Nacht.


    Klage, meine Flöte, klage!
    Die entflohnen schönen Tage,
    Wo ein Herz, das mir nur schlug,
    Deinen sanften Liedern lauschte,
    Zürnend, wenn ein Zephyr rauschte,
    Und den kleinsten Laut vertrug.


    Klag', o meine Flöte klage!
    Nimmer kehren diese Tage
    Ungerührt hört Delia
    Meiner Lieder banges Sehnen,
    Sie, die ich bei deinen Tönen
    Oft in Lust verloren sah!


    Klag', o meine Flöte! klage!
    Kürzt den Faden meiner Tage
    Bald der strengen Parze Stahl;
    Klage dann auf Lethe's Matten
    Irgend einem guten Schatten
    Meine Lieb' und meine Qual!


    Dieses im Jahre 1816 von Franz Schubert komponierte Strophenlied (veröffentlicht 1895) gehört zwar nicht zu den herausragenden Schubert-Liedern, aber es ist ein schönes Lied, dem man einen gewissen Wohlklang mit Flötenassoziationen bestätigen kann.
    Dietrich Fischer-Dieskau bemerkt dazu: „kompositorisch unbedeutend“. Ulrich Eisenlohr (Pianist der NAXOS Schubert Lied-Edition) spricht von den „seichteren Bereichen des Biedermeier“.
    Sängerische Höhepunkte sind nicht vorhanden, aber es wird ein wohlklingendes Vorspiel und ebensolche Zwischenspiele zwischen den Strophen geboten. Die Singstimme wiederholt stets die letzte Strophenzeile (hier rot dargestellt).
    Je nach Interpretation (Fischer-Dieskau singt zum Beispiel nur zwei Strophen), werden in der Regel zwei oder drei Strophen dargeboten, im Original hat das Gedicht fünf Strophen (die vierte und fünfte Strophe ist in kleinerer Schrifttype angehängt).
    Der Text stammt von *Caroline Pichler (1769-1843), die Schubert überschwänglich verehrte und sowohl durch die Veranstaltung literarischer Salons als auch mit historischen Romanen einen gewissen Bekanntheitsgrad zur damaligen Zeit hatte. *(manchmal auch Karoline Pichler)

  • Des Sängers Habe Text: Franz Xaver Freiherr von Schlechta (1796-1875)


    Schlagt mein ganzes Glück in Splitter,
    Nehmt mir alle Habe gleich,
    Lasset mir nur meine Zither,
    Und ich bleibe froh und reich.


    Wenn des Grames Wolken ziehen,
    Haucht sie Trost in meine Brust,
    Und aus ihrem Golde blühen
    Alle Blumen meiner Lust.


    Will die Liebe nicht gewähren,
    Freundschaft brechen ihre Pflicht,
    Kann ich beide stolz entbehren,
    Aber meine Zither nicht.


    Reißet meines Lebens Sehne,
    Wird sie mir ein Kissen sein,
    lullen mich die süßen Töne
    In den letzten Schlummer ein.


    In den Grund des Tannenhaines
    Senkt mich leise dann hinab;
    Und statt eines Leichensteines
    Stellt die Zither auf mein Grab,


    Daß ich, wenn zum stillen Reigen,
    Aus des Todes dunklem Bann,
    Mitternachts die Geister steigen,
    Ihre Saiten rühren kann.


    Das waren noch Zeiten, als Staatsbeamte Gedichte schrieben ...zwischen 1815 und 1828 vertonte Schubert sieben Gedichte Schlechtas, der zum Freundeskreis um Schubert Verbindungen hatte. Der Textdichter überlebte Franz Schubert weit und nahm noch 1872 an den Feierlichkeiten der Enthüllung des Schubert-Denkmals in Wien teil.


    Das Notenblatt zu diesem Lied ist mit »Etwas geschwind« überschrieben und nach einem kraftvollen Klaviereinsatz und kurzem Vorspiel, beginnt die Singstimme gemäß dieser Anweisung des Komponisten, wobei die letzte Zeile sowohl in der ersten als auch in der dritten Strophe wiederholt wird. In der vierten Strophe wird die Singstimme sehr verhalten geführt und die letzte Strophe wird wiederholt, wobei diese Wiederholung vom Text her relativ schwer zu verstehen ist; zumindest in der Aufnahme mit Dietrich Fischer-Dieskau, die auf YouTube zur Verfügung steht.

  • Des Sängers Fluch - Ludwig Uhland (1787-1862)


    Es stand in alten Zeiten ein Schloß so hoch und hehr,
    Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer,
    Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
    D'rin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.


    Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich.
    Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
    Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
    Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.


    Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar:
    Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
    Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmucken Roß,
    Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.


    Der Alte sprach zum Jungen: "Nun sei bereit, mein Sohn!
    Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton,
    Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz;
    Es gilt uns heut' zu rühren des Königs steinern Herz."


    Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
    Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl;
    Der König furchtbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein,
    Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.


    Da schlug der Greis die Seiten, er schlug sie wundervoll,
    Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll.
    Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
    Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.


    Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger, goldner Zeit,
    Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit;
    Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
    Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.


    Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
    Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott,
    Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
    Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.


    "Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?"
    Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib.
    Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
    Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstrahl hoch aufspringt.


    Und wie vom Sturm zerstoben ist all' der Hörer Schwarm;
    Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,
    Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
    Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.


    Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis,
    Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
    An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,
    Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:


    "Weh' euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
    Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
    Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
    Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!


    "Weh' euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
    Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
    Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiecht,
    Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.


    "Weh' dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
    Umsonst sei all' dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms;
    Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
    Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!"


    Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört;
    Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
    Noch eine hohe Säule zeugt von verschwund'ner Pracht,
    Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.


    Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Heideland:
    Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand;
    Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch:
    Versunken und vergessen! - das ist des Sängers Fluch.


    Verschiedene Komponisten haben sich daran versucht, zum Beispiel auch Schumann und Hans von Bülow (op. 16 für großes Orchester). Aber das, was man so unter einer Ballade mit Klavier und Singstimme versteht, ist wohl Conradin Kreutzer am besten gelungen.
    Nach den mir zugänglichen Daten soll Kreutzer mindestens 177 Lieder komponiert haben, man vermutet, dass einiges noch im Verborgenen blüht.


    »Des Sängers Fluch« beeindruckt nicht nur durch die Quantität der 16 Strophen, sondern auch durch die Qualität der Musik. Der Text ist mitreißend, mag auch Heine über die schwäbischen Dichter gespottet haben, Uhland war sehr populär - natürlich ganz besonders in Süddeutschland.


    Die hier dargestellte Sängergeneration, die von Hof zu Hof zog, hatte schon eine gewisse Macht den Ruhm eines Herrschers zu befördern oder auch nicht...
    Während beispielsweise bei Goethes Sänger der kunstvolle Vortrag mit einer goldenen Kette bedacht werden sollte (siehe Beitrag Nr. 1), sieht die Sache bei Uhlands Musikern schlecht aus. Der alte, erfahrene Musiker war sich der Schwere der Aufgabe bewusst, denn in der vierten Strophe weist er seinen jungen Gefährten eindringlich darauf hin, dass das kein leichter Job sein wird, des Königs »steinern Herz« zu rühren. Sie hatten sich zu viel vorgenommen... wie man hört, ist die Sache schief gegangen.


    Leider genießen die Lieder von Conradin Kreutzer heutzutage keine besonders herausragende Stellung, wenn man das an Verkaufszahlen misst. Wer aber nur wenige dieser im Handel befindlichen Lieder und Balladen kennt (ORFEO), wird sie schätzen, insbesondere wenn man Melodik mag.


    »Des Sängers Fluch« ist eine Geschichte, die der Sänger in mehr als 17 Minuten erzählt; in dem von mir gehörten Beispiel mit dem Tenor Christian Elsner, der das Stück ausdruckstark interpretiert.
    Aber zunächst schweigt die Singstimme noch und überlässt dem Klavier für 23 Sekunden den Vortritt, bis der Sänger in getragener Melodie seinen Vortrag beginnt. In der zweiten Strophe geht es dann etwas weniger zart zu, denn der König wird in Wort und Musik drastisch als Schreckensherrscher dargestellt.


    Wunderschön sind die Zwischenspiele zwischen den Strophen. Wollte man die ganze Ballade beschreiben, kämen da locker einige Seiten zusammen - Musik sollte man jedoch hören, sie zu beschreiben ist stets unzulänglich.
    Aber man kann darauf aufmerksam machen, dass es da etwas Schönes zu hören gibt; dies mag zwar eine subjektive Aussage sein, aber bei Kunst geht es eben nicht anders.
    Diese alten Balladen gelten ja heutzutage allgemein als megaout, vorbei sind die Zeiten, wo bei Familienfeiern fast jede der Schule entwachsene Person etwas aus der »Glocke«, »Belsazar«, »Bürgschaft« usw. zitieren konnte.
    - Versunken und vergessen! - Ob sich gerade der Fluch erfüllt?


    Es sieht fast danach aus, wie ein hochaktuelles Beispiel zeigt. Die traditionsreiche Hochschule für Musik in Mannheim soll platt gemacht werden »Mit blankem Entsetzen« nehmen Rektorat und Hochschulrat zur Kenntnis, dass dort alle Studienplätze in Klassik und Schulmusik entfallen sollen; es verblieben dann nur noch Jazz, Pop und Tanz...
    Im übertragenen Sinne sehe ich hier das prophezeite »öde Heideland« entstehen. Dem Kurfürsten Karl-Theodor kann der Fluch nicht gegolten haben, er war ein Freund der Künste. Früher, im ausgehenden Barock, war am Hofe des Kurfürsten die hochgeachtete »Mannheimer Schule« (Stamitz), die sogar Mozart aus dem fernen Salzburg anlockte.

  • »Sängerfahrt«? Was verbirgt sich dahinter? Nun, es ist kein Lied, es ist eine Folge von Liedern, die Franz Lachner komponierte, der heute im Schatten seiner Zeitgenossen Schubert und Schumann steht. Neben »Sängerfahrt op. 33« existiert noch eine »Sängerfahrt op. 96«


    Es ist schön, dass Lieder von Franz Lachner auch in unseren Tagen noch bei Liederabenden gehört werden können; erst im Juni dieses Jahres hatte Christoph Prégardien die Lieder 5 / 8 / und 12 aus Sängerfahrt op. 33 bei seinem Konzert in Schwarzenberg vorgetragen.
    Lachner hatte ja in seiner Wiener Zeit, das waren etwa zehn Jahre, wo er zunächst als Organist und später als Kapellmeister wirkte, Zugang zum Schubertkreis.
    Bei Leseabenden wurden beide mit Heines Lyrik vertraut. Lachner kannte Schuberts Heine-Vertonungen als er seinen Zyklus »Sängerfahrt«, der insgesamt 16 Lieder umfasst, komponierte.


    »Sängerfahrt« erschien 1831/32 im Druck und man kann sagen, dass dies der erste veröffentlichte Heinezyklus ist. Natürlich taucht dann sofort die Frage auf - ist es ein Zyklus?
    Es ist immerhin eine Folge von Gefühlen wie Sehnsucht, Liebe, Liebesleid und Liebespein und die Damen erscheinen in den Texten als Mädchen, Meerfrau, Elfe und Fischermädchen.
    Lachner war ja ein hochgeachteter Musiker seiner Zeit, wurde jedoch dann eher als Bewahrer des alten Musikstils bekannt und weniger als Liedkomponist wahrgenommen.
    Die zeitgenössische Kritik (Allgemeine musikalische Zeitung) sah das damals so:


    »Der erste Sang ist eine Schauerballade, die der Traum gebar, der ein kaltblasses Lieb mit glühendem Verlangen brachte und mit dem Morgenruf des Hahnes verscheuchte. Sie ist dem Zeitgeschmacke sehr entsprechend durchcomponirt. "Die einsame Thräne", ganz Heine´s u. der Zeit gemodelt verzweifelter Weise, wird sehr gefallen. Die Sextolen sind darin so zu nehmen, das 2 und 2 Theile zusammengehören, es sind unterabgetheilte Triolen, welche Schreibart wir nicht billigen. "Ihr Bildniss", ein neuschöner Florgesang. "Mein Traum" ist etwas länger u. die blasse Miene innerer Zerrissenheit noch magischer umschleiert. "Die Liebesboten" bilden den tragischen Epilog. Das Ganze ist in seiner zeitgemässen Weise getroffen und anziehend«


    Aus meiner Sicht sind das schön komponierte Lieder, die durchaus hörenswert sind. Eine Eigenart Lachners fällt auf, das sind die Textwiederholungen, wobei das durchaus Sinn macht und nicht etwa kritisiert werden soll.
    Einen simultanen Kontrast hat man natürlich bei dem Lied »Ihr Bildnis«, wo die geniale Vertonung Schuberts allgegenwärtig ist.
    Und welche Sänger nehmen sich heute dieser Lieder an?
    Ich kenne natürlich nicht alle Liederabende, die auf der Welt angeboten werden, aber auf CD sind meines Wissens nur die Herren Tenöre Rufus Müller, Mark Padmore und Christoph Prégardien mit Liedern von Lachner zu hören.


    Mark Padmore: Im Mai / Die Meerfrau / Das Fischermädchen / Ein Traumbild / Die einsame Träne


    Christoph Prégardien: Die badende Elfe / An den Mond / Die Bergstimme / Der wunde Ritter / Im Mai / Eine Liebe / Die Meerfrau / Wasserfahrt / Die einsame Träne / Ein Traumbild


    Rofus Müller singt alle 16 Lieder des Opus 33.


    Die badende Elfe
    An den Mond
    Der Winterabend
    Die Bergstimme
    Der wunde Ritter
    Im Mai
    Eine Liebe
    Die Meerfrau
    Wasserfahrt
    Das Fischermädchen
    Liebessehnen
    Ein Traumbild
    Die einsame Träne
    Ihr Bildnis
    Mein Traum
    Die Liebesboten


  • Lieder von Carl Maria von Weber sind nicht besonders populär, aber er hat während seines gesamten Komponistendaseins immer wieder Lieder geschrieben. Dieses Strophen-Lied hat Weber am 5. Juli 1809 komponiert und 1810 für den Druck umgearbeitet; demnach gehört es zu seinen frühen Liedern und ist viele Jahre vor seiner berühmten Oper »Freischütz« entstanden.
    Im Konzertsaal habe ich noch nie ein Lied von Carl Maria von Weber gehört und bei meinen CDs finde ich nur drei Aufnahmen dieses Liedes:
    Hans Hotter / Michael Raucheisen - Hermann Prey / Michael Krist - Dietrich Fischer-Dieskau / Hartmut Höll


    Es ist ein recht einfaches, aber anrührendes Lied, wo der Sänger Rückschau über sein Sängerleben hält und darüber nachdenkt, was wohl von seinem Engagement über all die vielen Jahre bleiben wird. Der Mythos des Nachruhms spielte in dieser Zeit noch eine große Rolle.


    »Große Sänger sind geschieden ...« Dietrich Fischer Dieskau hat sich am 18. Mai 2012 von uns verabschiedet, ich nehme dieses Datum zum Anlass gerade heute dieses Lied in diesen Thread einzustellen.
    In einem Zeitungsinterview sagte der Sänger einmal: »Ich habe nichts getan als gesungen.«
    Laut Booklet hat Fischer-Dieskau diese Aufnahme Ende März 1991 gesungen. Er hat ja jeden Text nur nach gründlicher Vorarbeit zu Gehör gebracht, aber man darf wohl annehmen, dass hier eine natürliche Wehmut mitschwang, denn er konnte deutlich sehen was noch zu seinen Lebzeiten alles entschwunden ist ...


    Die Laufzeit des Liedes beträgt 2:31


    Meine Lieder, meine Sänge - Textdichter: Wilhelm Graf von Löwenstein-Wertheim


    Meine Lieder, meine Sänge
    sind dem Augenblick geweiht,
    ihre Töne, ihre Klänge
    schwinden mit der flücht´gen Zeit.


    Große Sänger sind geschieden,
    die kein Mund jetzt mehr erwähnt;
    o wie töricht, wenn hienieden
    ich den Nachruhm mir ersehnt?.


    Tönen meine kleinen Lieder,
    die ein fühlend Herz erschuf,
    nur in einem Herzen wieder,
    dann erfüllt ist ihr Beruf.


    Ewig mögen sie verhallen,
    wenn die Leier mir entsinkt,
    und zu dunklen Grabeshallen
    mir der Todesengel winkt.