Beethovens "Neunte" in HIP-Aufnahmen - warum gibt es keine wirklich guten?


  • In eine ähnliche Richtung geht die Harnoncourtsche Knödeltheorie: Man kann auf der einen Seiten des Knödels etwas draufpacken, muss es aber von der anderen Seite wegnehmen. Der Knödel nimmt verschiedene Formen an, aber die Masse bleibt gleich. Mit anderen Worten: Ein Interpret kann nicht alle Aspekte eines wirklichen Meisterwerks beleuchten. Vieles wird im Dunkeln bleiben. Wenn er das Werk nach 10 Jahren wieder spielt, dann kann es sein, dass andere "Formationen" zu Tage treten, um im ersten Bild zu bleiben.


    Meiner Ansicht nach muss man aber auch zugestehen, dass es schlicht Interpreten gibt, die erheblich mehr aus einem Werk "herausholen" als andere. Ein außerordentlich vielschichtiges Stück wie Beethovens 9. wird auch in "einseitigen" Interpretationen einiges bieten. Demgegenüber zeigen viele "traditionelle" Interpretationen etwa von den Sinfonien Mozarts m.E. lange nicht so viele verschiedene Aspekte wie das die besten HIP-Lesarten tun. Das ist allerdings ein Unterschied der quer zu HIP/Nicht-HIP liegt.


    Zitat


    Nun konkret zur Neunten:
    Meinem Eindruck nach wollte Beethoven mit diesem Werk wie mit keinem anderen die konventionellen Grenzen sprengen, mit denen er auswuchs.
    Sein Ausdruckswille war hier so unbedingt, dass er sowohl der Tradition der sprechenden Instrumentalmusik (Klangrede) als auch der etablierten Symphonieform (Sonatensatz wie Allegro, Adagio, Menuetto, Presto-Finale) offensichtlich gar nicht mehr zutraute, diesem gerecht werden zu können.


    Das ist m.E. irreführend formuliert. Erstens hat Beethoven schon vorher konventionelle Grenzen in ähnlicher Weise gesprengt. (Die Dimensionen der Eroica sind fast 20 Jahre vorher näher an denen der 9. als an den Sinfonien Haydns oder Mozarts; ähnliches gilt für die ersten beiden Rasumovsky-Quartette u.ä.). Zweitens verwendet Beethoven ja bei allen diesen revolutionären Werken nach wie vor die traditionelle Sinfonie-Form. Die Erweiterungen sind da, aber sie sind formtechnisch gesehen behutsam gegenüber der sinf. Dichtung später. Der Chor im Finalsatz ist neu, gewiss. Aber die erweiterte Variationenform findet sich ja schon im Eroica-Finale und ist kein völliger Fremdkörper in der Klassik. (Immerhin schließen zwei wichtige Konzerte von Mozart und sehr viele bedeutende Kammermusikwerke mit Variationen, wenn auch nur wenige und keine gewichtigen Sinfonien.). Die ersten drei Sätze der 9. sind m.E. eher Musterbeispiele für die jeweiligen Satztypen, als dass sie etwas mit der Tradition Unvereinbares brächten. Erweiterung und außerordentliche Steigerung, ja. Aber kein Bruch.


    Zitat


    Deshalb konnte er sich sozusagen nicht anders helfen, als mit einem skandierenden Schlusschor abzuschliessen. Dessen Thema appeliert in seiner Einfachheit und der "wir Menschen sind doch alle Brüder" -Aussage für mich tatsächlich an die Massen und nicht mehr nur an eine gebildete, dünne Oberschicht, die den feinen, in der Klangrede versteckten Humor in Stellen einer Haydn-Symphonie vielleicht im Gegensatz zu Bauern und Handwerkern, die mit dieser Kunst überhaupt nicht in Kontakt kamen, heraushören konnten.


    Der Stand der Forschung ist hier nicht eindeutig, Es scheint allerdings, dass die endgültige Entscheidung für ein vokales Finale erst sehr spät gefallen ist, so schwer auch die Vorstellung eines alternativen instrumentalen Finales fallen mag.
    Einfachheit der Themen ist bei Beethoven (und teils auch schon bei Haydn und Mozart) häufig Programm und etwas anderes als Einfachheit des Satzes. Vielleicht sollte das Finale der 9. (wie das 5. u.a. Sinfonien) tatsächlich wie eine mächtig aufrüttelnde Volksrede wirken. Aber Bauern dürften im Publikum doch in der Minderheit gewesen sein und warum die eher das Raffinement einer massiven Doppelfuge schätzen sollten als den (oft nicht besonders versteckten) Humor einer Haydn-Sinfonie leuchtet mir nicht ein. Rosen zieht m.E. sehr zu recht Parallelen zwischen dem Finale der 9., den beiden späten Oratorien Haydns und Mozarts Zauberflöte. Zum aufklärerischen Programm aller dieser Werke scheint zu gehören, dass die Unterschiede zwischen "volkstümlicher" und "hoher" oder gar hermetischer Kunst ignorieren, sondern diese Bereiche, oft kaum vermittelt, nebeneinanderstellen oder fusionieren. Die Diabelli-Variationen und anderes beim späten Beethoven (op.130: komplexer Sonatensatz, Scherzo, Divertimeno-Satz, Deutscher Tanz, Cavatine, Fuge (oder "volkstümliches" Rondo)) sind weitere Beispiele für solch scheinbare stilistische Heterogenität.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Meiner Ansicht nach muss man aber auch zugestehen, dass es schlicht Interpreten gibt, die erheblich mehr aus einem Werk "herausholen" als andere.

    Ja klar, 100% einverstanden.

    Demgegenüber zeigen viele "traditionelle" Interpretationen etwa von den Sinfonien Mozarts m.E. lange nicht so viele verschiedene Aspekte wie das die besten HIP-Lesarten tun.

    Auch sehr einverstanden. Ich meine nicht, dass alte Instrumente hierzu nötig sind, aber sie stören mich auch genausowenig wie die "neuen", was bei Barockmusik und noch älterer Musik der Fall sein kann. Die sprechende, atmende und gestische Spielweise hingegen ist mir für diese Musik immer enorm wichtig, was ja schon bei der Einzeltondynamik anfängt. Wenn jeder Ton gerade wie ein Sinuston gespielt und ausgehalten wird, dann ergibt das ein entstelltes Bild. Manche mögen es schön finden, weil die Musik bei Meisterwerken ja auch so gut klingt und viele hörenswerte Aspekte hat.
    Wenn ich jedoch höre, dass ein Interpret wirklich die Klangrede versteht und sie mir dementsprechend verständlich machen kann, dann ist das Hörvergnügen für mich grösser, denn bei wachsendem Verständnis wächst meistens auch die Hörfreude mit. Aus meiner Sicht erfordert jedoch die Barockmusik wie auch die Musik Mozarts und Haydn ein höhere Bereitschaft vom Hörer, eigene Schritte zum besseren Verständnis zu unternehmen, wenn er sie denn möglichst ergreifend und mitreissend erleben will. Es ist etwas Schönes, wenn man sich auf die Parameter einer solchen Musik auch als Hörer beginnt, Schicht für Schicht einzulassen, finde ich.


    Das ist m.E. irreführend formuliert. Erstens hat Beethoven schon vorher konventionelle Grenzen in ähnlicher Weise gesprengt.

    Ich hatte beim Schreiben schon mit dieser Reaktion gerechnet und stimme in gewisser Weise zu. Viele Stücke Beethovens sind nämlich genau von diesem Bestreben gekennzeichnet, aus den etablierten Konventionen irgendwie ausbrechen zu wollen. Allerdings finde ich schon, dass der 9. hier eine Sonderstellung zukommt. Ich habe sie immer als den "Durchbruch" in Beethovens dahingehenden Bestrebungen angesehen.


    Erweiterung und außerordentliche Steigerung, ja. Aber kein Bruch.

    Da bin ich mir jetzt nicht so ganz sicher. Nehmen wir z.B. den Beginn von Satz 1.
    Ein klassisches Allegro einer Symphonie beginnt in der Exposition doch oft so: Ein "männliches" Thema wird im Tutti-Forte vorgetragen, dann kommt vielleicht im Piano von den Streichern oder nur einigen Bläsern ein "weiblicher" weicher Einwand. Aus diesem Kontrast entsteht ein Dialog, der z.B. in der Durchführung durchaus chaotische Ausmasse annehmen kann, dann wieder in der Reprise aufgenommen und der Coda noch im Sinne eines Fazits verstärkt wird.
    Bem ersten Satz der 9. hingegen hören wir nur die in (8-tel?, habe nicht die Partitur)-Triolen einiger Streicher auf einem schwebenden Quintklang (Grundton-Quinte) vibrieren. Die Bässe fehlen zunächst. Über diesem Klang kommt dann das bekannte 8 -5 -Motiv (meine mit Zahlen die Intervalle), dass von "oben nach unten" durchs Orchester huscht. Aus diesem rudimentären Vibrieren und diesen Streiflichtern entsteht dann über einem Quintklang , der an eine Ursuppe erinnert ein Crescendo, und danach erst kommt das eigentliche Tutti-Thema wuchtig daher.
    Das ist doch ein erstaunlicher Vorgriff aufs "Wagnersche Wabern" um es einmal salopp zu formulieren und ein Bruch mit dem, was vorher "normal" für einen ersten Satz war. Die Hörer der Uraufführung waren sicher sehr erstaunt, kann ich mir denken.


    Eine ähnliche "Waberstelle" gibt es auch im 4. Satz. Der Chor sind im pp sozusagen "stehend" auf einem Akkord etwas von "überm Sternenzelt muss er wohnen...". Dazu "wabern" Streicher einen impressionistischen Klangteppich, einige Bläser halten auf langen Tönen (Pedalnoten) den Akkord. Ich glaube es kommt im Orchester erst ein verminderter Akkord, dann ein anderer, den ich aus dem Kopf jetzt nicht hören kann....oder war es nicht nur ein Dominantsept...?
    Allein diese Stelle sprengt aus meiner Sicht die Türen in spätere Musik geradezu auf und stellt schon einen Bruch mit der musikalischen Grammatik der vor Beethoven gewachsenen Musik dar.
    Ein stehender, wabernder Klang ist m.E. keine Klangrede mehr, denn wo sind die aus dem Barock gewachsenen Figuren?
    Verglichen mit viel späterer Musik ist die 9. natürlich kein kompletter Bruch mit dem Vorhergehenden. Aber ich finde schon, dass sie eine an die Masse appellierende Abkehr vom Althergebrachten sein soll.


    Aus diesem Grund empfinde ich eben den romantisch subjektiven Ansatz solcher Dirigenten wie Furtwängler, Bernstein oder eben Karajan für dieses Werk als durchaus legitim. Vielleicht geht es wenigstens ein bisschen in eine Richtung, die sich auch Beethoven vorgestellt haben mag.


    Es wird ja zurecht angemerkt, dass bei manchen "konventionellen" Aufführungen die Chorparts einer nahezu unkultivierten Brüllerei gleichkämen.
    Dem will ich nicht einmal widersprechen. Vielleicht wollte Beethoven wenigstens im Chorbereich diesen rohen "Und jetzt alle" -Eindruck hervorrufen.
    Wenn - wie ich es neulich bei Thielemann hörte- die Solisten allerdings höchstens noch zwischen ff und fff differenzieren, dann glaube ich angesichts meiner Hörerfahrung mit anderen Aufnahmen (u.a. auch Karajan), dass die Musik für die Solisten hier aber doch einen musikalischeren, ausgearbeiteren Zugang erfordert.


    Am Schluss der Symphonie drehen ja sowohl Chor und Orchester im Freudentaumel komplett durch, was ja einer der Gründe darstellt, dass ich dieses Werk nicht so oft im Jahr hören möchte (weil ich nicht immer zu solchen wilden Emotionen bereit bin) und manche Musikerkollegen gerade den Schlusschor ablehnen, weil sie diesen in Teilen als geschmacklos und unkultiviert ablehnen, eine Meinung die verstehen kann, jedoch keineswegs teile. Wie gesagt, es könnte also sein, dass Beethoven hier tatsächlich so eine Art "Stadionsgesang" vorschwebte ("we are the champions..." ;) ) und gerade nicht ein hochkultivierter und hochdifferenzierter Gesang eines HIP-gewohnten Chores.


    Wie es nun der Einzelne Hörer das Werk lieber "zu sich nimmt", ist ja eine Frage des Geschmacks und der allgemeinen Befindlichkeit, für den Fall, dass er über Aufnahmen mit sehr unterschiedlichen Interpretationen verfügt.


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Zitat von glockenton: Am Schluss der Symphonie treten ja sowohl Chor und Orchester im Freudentaumel komplett durch, was ja einen der Gründe darstellt, dass ich diese Symphonie nicht so oft im Jahre hören möchte (weil ich nicht immer zu so wilden Emotionen bereit bin) und manche Musikerkollegen gerade den Schlosschor ablehnen, weil sie diesen in Teilen als geschmacklos und unkultiviert ablehnen...Wie gesagt, es könnte also sein dass Beethoven hier so eine Art "Stadionsgesang" vorschwebte .... und nicht gerade ein hochkultivierter und hochdifferenzierter Gesang eines HIP-gewohnten Chores.

    Ich gäbe was drum, wenn ich jeden Monat eine derart mitreißende Aufführung der Neunten erleben könnte, dann könnte ich mich öfter solchen wilden Emotionen hingeben. Und frage doch mal deine Musikerkollegen, lieber glockenton, ob sie was Besseres komponiert haben.
    Ich für meinen Teil halte das Chorfinale für hochkultivierten und hochdifferenzierten Gesang. Wenn ein Chor nicht extrem differenzieren könnte und keinen hochkultivierten Gesangsstil hätte, wäre er auch nicht nur im Entferntesten in der Lage, dieses Werk aufzuführen.
    Wenn der Schlusschor nicht hochkultiviert und hochdifferenziert wäre im Umkehrschluss, würden dann so viele HIP-Orchester und HIP-Chöre das Werk aufführen? Unter den HIP-Chören befinden sich mit einige der besten der Welt wie der Monteverdi Choir (Gardiner), der Schütz Choir of London (Norrington) und der Arnold Schoenberg Chor (Harnoncourt).


    Womit wir wieder beim Thema wären.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Unter den HIP-Chören befinden sich mit einige der besten der Welt


    Off topic: "HIP-Chor" ist eine interessante Vokabel. Also ein Chor bestehend aus historischen Instrumenten aus der Zeit der Komposition der Musik - oder zumindest aus guten Nachbauten ... solche Chöre kenne ich, meine zumindest, solche schon gesehen und gehört zu haben ... :stumm::hello::hahahaha:

  • Und frage doch mal deine Musikerkollegen, lieber glockenton, ob sie was Besseres komponiert haben.

    Natürlich haben sie das nicht.
    Es ist jedoch irrelevant, denn solche Totschlagsargumente möchte ich nicht akzeptieren.
    Mit einer ähnlichen tabuisierenden Argumentation könnte man hier jede Diskussion über verschiedene Interpretationen ebenso zum Schweigen bringen....oder Threads wie "Ist Mozart überschätzt" ganz verbieten.
    Wer es dann wagt, einen Dirigenten zu kritisieren, der solle es doch bitteschön selbst erst einmal besser machen.
    Wer es wagt, den Schlusschor der 9. zu kritisieren, solle erst einmal etwas Vergleichbares schreiben....
    In diesem Forum würde ich dann z.B. Leute wie J.S.Bach als kompetent genug einschätzen, sich über andere Kompositionen auszulassen, wenn er denn aus dem Himmel heraus posten könnte.


    Ein gebildeter Hörer, ein studierter Musiker allzumal hat m.E. sehr wohl eine Berechtigung, gewisse Werke für sich selbst als "geschmacklos" einzusortieren, selbst wenn er nie und nimmer an die Grösse der Begabung eines Überkomponisten wie Beethoven heranreichen wird.
    Gould hatte z.B. diese Einstellung gegenüber dem Belcanto, Chopin, und auch dem "hohlen Pathos" den er bei manchen Stellen bei Beethoven kritisierte.
    Auch wenn ich vor allem seine Aussagen über Beethoven nicht teile, kann ich sie doch von seinem Standpunkt aus nachvollziehen, vor allem wenn man nur, so wie er, einige Takte herausgreift.


    Ich für meinen Teil halte das Chorfinale für hochkultivierten und hochdifferenzierten Gesang. Wenn ein Chor nicht extrem differenzieren könnte und keinen hochkultivierten Gesangsstil hätte, wäre er auch nicht nur im Entferntesten in der Lage, dieses Werk aufzuführen.

    Ich habe ganz sicher nichts dagegen, wenn Du das meinst.
    Was die Sänger bei diesem Stück vor allem leisten müssen, sind -gerade bei heutigem Kammerton- sehr hohe Töne und grosse Lautstärken zu stemmen.
    Dass Beethoven mit diesem Werk geradezu der menschlichen Stimme schmeicheln würde, kann man wohl nicht direkt behaupten.
    Ich kenne sehr anspruchsvolle Chorliteratur, die den Sängern abverlangt, "extrem differenzieren zu können", wie Du es formulierst. Eine wirkliche gelungene Interpretation der Bachschen Motetten erfordert dies zum Beispiel.
    Beim Schlusschor der 9. gibt es sicher starke dynamische Kontraste. Das aber jeder Einzelton "sein Licht und Schatten in sich habe" wie es ein Musiktheoretiker des Barocks ausdrücken würde, dass dort es auf feinste Ausprache, Vibrato- oder Phrasierungsnuancen ankäme, kann ich aus meiner Sicht nicht bestätigen. Technisch gesehen ist es jedoch sicherlich sehr schwer zu singen.


    Wenn der Schlusschor nicht hochkultiviert und hochdifferenziert wäre im Umkehrschluss, würden dann so viele HIP-Orchester und HIP-Chöre das Werk aufführen? Unter den HIP-Chören befinden sich mit einige der besten der Welt wie der Monteverdi Choir (Gardiner), der Schütz Choir of London (Norrington) und der Arnold Schoenberg Chor (Harnoncourt).

    Die konstruierte Logik dieser Aussage steht m.E. auf wackeligem Fundament. Es kann alle möglichen anderen Gründe geben, die sie dazu bewegen, sich auch dieses Standardrepertoires anzunehmen.
    Im Übrigen schliesse ich mich Wolframs Anmerkung an: Wären es HIP(S)-Chöre, dann müssten deren Mitglieder ein ausserordentlich hohes Durchschnittsalter aufweisen....


    Ich gäbe was drum, wenn ich jeden Monat eine derart mitreißende Aufführung der Neunten erleben könnte, dann könnte ich mich öfter solchen wilden Emotionen hingeben.


    Ich könnte sogar ganz ausgezeichnet mit dem Wissen leben, dass jemand dieses Werk täglich 3 x pro Tag ( jeweils vor dem Essen) "einnimmt", solange ich nicht jedes Mal dabei sein muss. Der Schlusschor der 9. will den Hörer in einen Freudentaumel, eine Ekstase mitnehmen. Es ist hörerseitig legitim, hierzu nicht ständig aufgelegt sein zu müssen.
    Auch wenn ich z.B. die Matthäus-Passion für vielleicht eines der grössten Kunstwerke überhaupt halte, kann ich sie dennoch - und gerade deswegen nicht- täglich hören.


    Selbstverständlich kann und soll das aber jeder halten wie er will.


    Andere Werke als die 9. rufen ganz andere emotionale Wirkungen hervor, die keineswegs geringer sein müssen.
    Welche man nun gerade erleben will ( nur ein Hörer hat die Wahl, der ausübende Musiker nicht) hängt von vielen Faktoren ab, wie z.B. der Tagesform.


    Dass die 9. zum Grossartigsten zählt, was die Musikgeschichte überhaupt hervorgebracht hat, steht für mich ausser Zweifel.
    Den Standpunkt, sich dieses Werk gerade deshalb nicht selbst durch zu häufiges Hören abnutzen zu wollen, finde ich jedoch sehr legitim, und ich teile ihn.
    Aus meiner Sicht stellt das Liegenlassens eines bekannten Werkes oft eine wichtige Massnahme zum besseren Verständnis und zu einem später dann noch tieferem emotionalen Erleben dar.
    Frau Harnoncourt erzählte mir einmal, dass sie an einem Stück extrem intensiv und mit langem Vorlauf arbeiten, es dann aufführen/aufnehmen, und es dann mindestens zehn Jahre weglegen, also weder hören noch sehen wollen, eben um den Effekt des Einfahrens und Sich-Abnutzens möglichst zu vermeiden.
    Ich kann diese Vorgehensweise gut verstehen.


    Wenn ich ein Stück 5 Jahre lang nicht gesehen und gespielt habe, dann kommt es nicht selten vor, dass ich vom ersten Augenblick des Notendurchlesens an feststelle, dass es sich im Unterbewusstsein weiterentwickelt hat, d.h. dass ich mit einer ganz anderen Klarheit an die Interpretation eines Stückes herangehen kann. Ähnlich ergeht es mir beim Hören dieser Symphonie: Man stellt fest, dass es sich in den Wochen und Monaten des Liegenlassens "Hinterkopf" weiterentwickelt hat, und man nun mit einer grösseren Klarheit und Übersicht das Werk hören kann.


    Um ein Stück wirklich aus vollem Herzen zu lieben, muss man es also nicht zwangsläufig allzu oft im Jahre hören, vorausgesetzt, man kennt es ohnehin in- und auswendig. Wenn man sehr intensiv als Dirigent mit der Partitur arbeitet, dann dürfen die Abstände, in denen man Kontakt mit dieser Musik hat, manchmal sogar 5 oder 10 Jahre betragen, wenn man es sich denn aussuchen kann.


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Nun, diese Aufforderung war auch nicht ganz ernst gemeint, ich habe mich nur an dem Wort "geschmacklos" gestoßen, weil ich das nicht verstehen kann. Und mit HIP-Chor meinte ich natürlich einen Chor, der mit der historisch informierten Aufführungspraxis vertraut ist, denn das heißt HIP doch, wenn ich mich recht erinnere, oder? Und das sind doch auch die von mir genannten Chöre, oder nicht? Und das hat nichts mit dem Alter des einzelnen Chorsängers zu tun.
    Natürlich hat Beethoven mit diesem Chorfinale einem Chor eine Leistung abverlangt, die nur von ganz guten Chören adäquat erbracht werden kann, aber da wird doch beileibe nicht , auch, wenn ff oder fff verlangt wird, gebrüllt, was wir in unserem Chor bei entsprechenden Werken (Lobgesang-Sinfonie, Carmina Burana) auch versucht haben, was uns aber zugegebenermaßen nicht immer gelungen ist.


    Viele Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wer es wagt, den Schlusschor der 9. zu kritisieren, solle erst einmal etwas Vergleichbares schreiben....

    Genau. Die heutigen Kritiker werden dazu wohl kaum in der Lage sein. Es gibt hervorragende Aufnahmen der Neunten, Chor und Solisten halten dieses Niveau nicht immer. Für mich sind nach wie vor die Wiener die besten Chöre.



    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ein stehender, wabernder Klang ist m.E. keine Klangrede mehr, denn wo sind die aus dem Barock gewachsenen Figuren?


    Vielleicht könnte man diese wabernden Beethoven-Anfänge mit den "Mannheimer Walzen" vergleichen? Dort gibt es Steigerungen von Orchesterklang, ohne dass Figuren besonderes Gewicht hätten ... aber ich müsste mal nach Beispielen suchen.
    :hello:

  • Zitat von »Glockenton« Wer es wagt, den Schlusschor der 9. zu kritisieren, solle erst einmal etwas Vergleichbares schreiben....


    Genau. Die heutigen Kritiker werden dazu wohl kaum in der Lage sein


    Ich muss nicht kochen können, um bemerken zu dürfen, dass die Suppe versalzen ist. Aber das hatten wir schon in mehreren Threads ... :hello:


    ... womit ich nicht den Schlusschor der 9. mit einer versalzenen Suppe verglichen haben möchte!

  • Genau. Die heutigen Kritiker werden dazu wohl kaum in der Lage sein. Es gibt hervorragende Aufnahmen der Neunten, Chor und Solisten halten dieses Niveau nicht immer. Für mich sind nach wie vor die Wiener die besten Chöre.



    LG, Bernward


    Richtig aus dem Zusammenhang gerissen zitiert ist dennoch inhaltlich falsch zitiert. Meinem Beitrag oben ist zu entnehmen, dass ich eben nicht dieser Meinung bin und warum.


    Ich habe mir nun aus gegebenem Anlass in Auszügen Järvis Version des Schlusschores angehört. Es klingt für mich schlanker, schneller, heller, federnd, kleiner, immer perfektioniert und durchsichtiger als sonst. Für einen Chor aus Haydns Schöpfung ist so ein Klangbild für mich in der Tat ein Gewinn. Für dieses hier besprochene Werk hingegen legt es m.E. nach Dinge frei, die durch die Klangfülle und Wärme eines "herkömmlichen" Gesamtensembles kompensiert werden. Beim Chorteil z.B. "Seid umschlungen..." bei dem die Soprane regelrecht auf eine liegende Quinte hochgejagt werden während das Horn die Melodie intoniert, fällt umso mehr der Beethovensche Satz auf, der den Stimmen nicht gerade menschlich schmeichelt, selbst wenn der Deutsche Kammerchor diese Stelle perfekt meistert.


    Was man als Hörer bevorzugt, bleibt eine Sache von "smak og behag" ,wie wir in Norwegen zu sagen pflegen.


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • ...Da bin ich mir jetzt nicht so ganz sicher. Nehmen wir z.B. den Beginn von Satz 1.
    Ein klassisches Allegro einer Symphonie beginnt in der Exposition doch oft so: Ein "männliches" Thema wird im Tutti-Forte vorgetragen, dann kommt vielleicht im Piano von den Streichern oder nur einigen Bläsern ein "weiblicher" weicher Einwand. Aus diesem Kontrast entsteht ein Dialog, der z.B. in der Durchführung durchaus chaotische Ausmasse annehmen kann, dann wieder in der Reprise aufgenommen und der Coda noch im Sinne eines Fazits verstärkt wird.


    Zum "klassischen Beginn" bei Beethoven:


    1. Sinfonie: Adagio molto (fp) - Allegro con brio
    2. Sinfonie: Adagio molto (ff) - Allegro con brio
    4. Sinfonie: Adagio (pp) - Allegro vivace
    6. Sinfonie: Allegro m.n.tr, aber "p"


    Bem ersten Satz der 9. hingegen hören wir nur die in (8-tel?, habe nicht die Partitur)-Triolen einiger Streicher auf einem schwebenden Quintklang (Grundton-Quinte) vibrieren. Die Bässe fehlen zunächst. Über diesem Klang kommt dann das bekannte 8 -5 -Motiv (meine mit Zahlen die Intervalle), dass von "oben nach unten" durchs Orchester huscht....


    Es sind Sextolen (sechs Sechzehntel im 2/4-Takt, im Quintabstand) - Celli und Bässe sind von Anfang an dabei (ab Takt 1, bzw. 4/5).


    Die Intervalle von "oben nach unten" sind: Quinte-Quarte / Quarte-Quinte (Violien); 2x Quinte (Violas + KB)


    [Im rhythmischen Detail sind v.a. Sechzehntel und Zweiunddreißigstel zu unterscheiden - wenn es denn gelingt... ;)]

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Accuphan:


    Danke für die Hinweise, auch die aus der Partitur, die ich mir dann wohl einmal downloaden muss. Zwar habe ich mir sie einmal geliehen, aber das ist nun auch schon wieder lange her. Ich beschrieb den Anfang nur aus dem Gedächtnis, ohne eine CD aufzulegen, woraus sich einige Ungenauigkeiten erklären - sorry.


    Natürlich ist es richtig, dass der Verstoss gegen bis dahin gültige Konventionen sich bei Beethoven durch sehr viele seiner Kompositionen zieht.
    Allein schon der Anfang der 1. (C-Dur) beginnt ja mit einem Dominantsept-Vorhalt, und auch nicht im Forte. Aus der historischen Perspektive muss das schon etwas gewesen sein, was man "eigentlich nicht machen darf".
    Ich denke auch an so manches Werk aus den Klaviersonaten....


    Die These, dass die 9. den beethovenschen Willen, sich vom althergebrachten Konventionen zu befreien besonders nachhaltig zum Ausdruck bringt, meine ich jedoch auch im Vergleich zu anderen Werken Beethovens aufrechterhalten zu können.


    Die völlige Abkehr von der musikalischen Rhetorik und der Klangrede stellt die Symphonie jedoch keineswegs dar.
    Ich sprach zwar von den pulsierenden Klangflächen ( den "Waberstellen"), die m.E. mit aus dem Barock herkommenden Figuren (wie z.B. Seufzern) nichts mehr zu tun haben und damit die Tür für Neues öffneten.
    Trotzdem ist es ja längst noch nicht ein Stück wie "La mer", sondern die Instrumentalmusik enthält schon noch unglaublich viele rhetorische Elemente, die allerdings verglichen mit der Musik vor Beethoven derart an die Grenzen der Ausdrucksfähigkeit getrieben werden, dass es für einen damaligen Hörer "unerhört" im wahrsten Sinne des Wortes gewirkt haben könnte. Für mich klingt Vieles nach Agitation, was -zugegeben- auch für vielen Stellen etwa der Eroica gilt.


    Und im Chor geschehen rhetorisch gesehen auch recht "heftige" Dinge, wie z.B. geradezu atemlose Wiederholungen, die an einen Redner erinnern, der sich in in seinem Freudentaumel mittlerweile schon in Rage oder Ekstase geredet hat, dabei vielleicht durch eine Menschenmasse rennt und wahllos auf irgendwelche Leute zeigt, während er die Worte "alle Menschen " wiederholt. Hierzu das Beispiel ( ich hoffe, die Stelle ist so bekannt, dass die meisten sich die Musik aus dem Gedächtnis hervorholen können) :


    Chor (schnell aufeinander folgend) : "alle Menschen, alle Menschen, alle Menschen, alle Menschen -> (Solistenquartett): alle Meeeeeeeeeeeeeeeenschen .....wer-den Brü--der, wo ......."
    Danach kommt eine der für mich schönsten vokalen Stellen der Symphonie, bei denen nämlich jeder Solist kurzfristig aus dem Quartettklang aufblühend etwas hervortritt...( eine musikalische Darstellung des "sanften Flügels", möchte ich es nennen...)


    Hoffentlich habe ich nun die Anzahl der "alle Menschen" - Wiederholungen aus dem Gedächtnis richtig zitiert...


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Danach kommt eine der für mich schönsten vokalen Stellen der Symphonie, bei denen nämlich jeder Solist kurzfristig aus dem Quartettklang aufblühend etwas hervortritt...( eine musikalische Darstellung des "sanften Flügels", möchte ich es nennen...)


    Ja, toll! Das finde ich auch immer wieder klasse! :)


    Hoffentlich habe ich nun die Anzahl der "alle Menschen" - Wiederholungen aus dem Gedächtnis richtig zitiert...


    Nicht ganz... ;) Na, nix für ungut, wie man so sagt - also hier ein Blick in die Partitur, ich konnt's ja nun doch nicht lassen:
    S= Soli, C= Chor


    C: alle Menschen, alle Menschen, alle Menschen
    S: alle Menschen
    S+C: alle Menschen, dabei C: "alle Menschen" parallel zu S: "alle, alle"
    S: Menschen werden Brüder, wo... -> hier "blüht" dann das Quartett in der beschriebenen Weise auf, jeder darf (S - A+T - B), bis zu "Flügel weeeeeeilt" - Fermate - Poco allegro mit Accelerando zum Prestissimo-Finale, bumm, peng, aus.


    Und bitte nicht wie bei Böhm (?? - alte LP meines Vaters) als Coda für Triangel und obligates Orchester... :P

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Tja, die "Neunte" in HIP-Aufnahmen. Irgendwie scheint die niemand aus der Ecke richtig hinbekommen zu haben. Norrington, Hogwood und Goodman nicht, aber auch nicht Harnoncourt, Gardiner e tutti quanti. Auch im hochgelobten Paavo-Järvi-Zyklus gehört die "Neunte" zu den weniger gelungenen.


    Woran liegt das? …


    Oder gibt es doch ein Beispiel für eine rundum gelungene Einspielung der Neunten durch einen Vertreter der HIP-Fraktion …


    Jawohl. Es gibt eine neue – m.E. gelungene – Einspielung, und zwar diese hier:



    Man höre … und staune … :hello:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Ich habe Masaaki Suzuki in meinem diesjährigen Konzertkalender asm 15. 3. 2020, allesdings mit Bachs wunderbarer Johannespassion. Da werde ich mal hören und staunen.^^


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Bach Collegium Japan / Masaaki Suzuki (BIS, 2019)

    Jawohl. Es gibt eine neue – m.E. gelungene – Einspielung, und zwar diese hier:



    Man höre … und staune … :hello:

    D'accord! Soeben ging sie hier zu Ende und ich bin absolut begeistert. Das fängt bei der extrem plastischen Klangqualität an. Besser wurde das wohl bisher nicht eingefangen (Aufnahme: Tokyo Opera City Concert Hall, Jänner 2019). Noch viel wichtiger aber die Interpretation von Masaaki Suzuki, bisher eher als (exzellenter) Interpret von Alter Musik bekannt geworden. Da ist nichts verhetzt, verschleppt oder beiläufig heruntergespielt (Spielzeiten: 14:26 - 14:08 - 14:31 - 22:38 = 66:28). Das Bach Collegium Japan, das Chor und auch Orchester stellt, bringt eine phänomenale Transparenz und Klarheit mit sehr schönen Akzenten. Vorbehalte gegenüber Originalklang kommen hier m. E. nicht zum Tragen. Das Revolutionäre dieser Partitur wird sehr gut vermittelt. Ich zumindest könnte mich an keine gelungenere HIP-Interpretation erinnern, obwohl einige wirklich nicht schlecht sind (besonders Frans Brüggen). Was die Einspielung nochmal besonders hervorhebt, ist diese splendide Artikulation des Chores und auch der Solisten, womit der Schwachpunkt vieler (auch Nicht-HIP-)Aufnahmen, der Finalsatz, entfällt. Wortdeutlicher und verständlicher habe ich das selten gehört. Das Solistenquartett – zwei Norwegerinnen, die Sopranistin Ann-Helen Moen und die Altistin Marianne Beate Kielland, und zwei Briten, der englische Tenor Allan Clayton und der walisische Bassbariton Neal Davies (etwas an Theo Adam erinnernd) – ist sensationell, verkörpert ein echtes Miteinander und veranstaltet kein Wettsingen. Eine wirklich ergreifende Neueinspielung. Absolut empfehlenswert!


    "An exceptional release" (David A. McConnell, The Classical Review)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Bach Collegium Japan / Masaaki Suzuki (BIS, 2019)

    D'accord! Soeben ging sie hier zu Ende und ich bin absolut begeistert. … Eine wirklich ergreifende Neueinspielung. Absolut empfehlenswert!


    "An exceptional release" (David A. McConnell, The Classical Review)


    @ Joseph II.: Schön zu lesen – wenigstens noch jemand meiner Meinung … :hello:


    jedoch: David Hurwitz … leider … überhaupt nicht:


    https://www.classicstoday.com/…eethovens-ninth/?search=1

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Okay, Maurice und Joseph, ihr habt mich überzeugt (was bei meinem schwachen Willen nicht schwer fällt ;) ). Ich habe mir die Aufnahme gerade bestellt und bin schon gespannt...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Maurice,


    wie es der Zufall will, stieß ich auf diese Rezension vorhin auch. Das ist einer der berüchtigten Ausfälle von Hurwitz (den ich tlw. durchaus schätze), die er in hübscher Regelmäßigkeit fabriziert. Ein Verriss ohne Maß und Ziel, den man so eigentlich nicht ernst nehmen kann. Vielleicht hatte er einen schlechten Tag beim Abhören der Aufnahme ...


    Lieber Norbert,


    ich bin mir ziemlich sicher, dass dies kein Fehlkauf werden wird. Schon mal Glückwunsch zu der Entscheidung. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Danke, lieber Joseph.


    Ich werde berichten...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Das hört sich ja interessant an.....


    Und das obwohl ich die Neunte garnicht so mag.....aber ist trotzdem verlockend......


    Kalli

  • Bach Collegium Japan / Masaaki Suzuki (BIS, 2019)

    D'accord! Soeben ging sie hier zu Ende und ich bin absolut begeistert. Das fängt bei der extrem plastischen Klangqualität an. Besser wurde das wohl bisher nicht eingefangen (Aufnahme: Tokyo Opera City Concert Hall, Jänner 2019). Noch viel wichtiger aber die Interpretation von Masaaki Suzuki, bisher eher als (exzellenter) Interpret von Alter Musik bekannt geworden. Da ist nichts verhetzt, verschleppt oder beiläufig heruntergespielt (Spielzeiten: 14:26 - 14:08 - 14:31 - 22:38 = 66:28). Das Bach Collegium Japan, das Chor und auch Orchester stellt, bringt eine phänomenale Transparenz und Klarheit mit sehr schönen Akzenten. Vorbehalte gegenüber Originalklang kommen hier m. E. nicht zum Tragen. Das Revolutionäre dieser Partitur wird sehr gut vermittelt. Ich zumindest könnte mich an keine gelungenere HIP-Interpretation erinnern, obwohl einige wirklich nicht schlecht sind (besonders Frans Brüggen). Was die Einspielung nochmal besonders hervorhebt, ist diese splendide Artikulation des Chores und auch der Solisten, womit der Schwachpunkt vieler (auch Nicht-HIP-)Aufnahmen, der Finalsatz, entfällt. Wortdeutlicher und verständlicher habe ich das selten gehört. Das Solistenquartett – zwei Norwegerinnen, die Sopranistin Ann-Helen Moen und die Altistin Marianne Beate Kielland, und zwei Briten, der englische Tenor Allan Clayton und der walisische Bassbariton Neal Davies (etwas an Theo Adam erinnernd) – ist sensationell, verkörpert ein echtes Miteinander und veranstaltet kein Wettsingen. Eine wirklich ergreifende Neueinspielung. Absolut empfehlenswert!


    "An exceptional release" (David A. McConnell, The Classical Review)

    Lieber Joseph,


    nachdem ich mir die Aufnahme zweimal angehört habe, stimme ich Deinem Urteil und Deiner gelungenen Beschreibung der Interpretation vollinhaltlich zu. :thumbup: Es macht Freude, diese Aufnahme zu hören und es gibt, was ganz selten bei "hippen Aufnahmen" der 9. Sinfonie vor kommt, nichts gravierendes zu bemängeln.


    Allen Beteiligten ist deutlich anzumerken, dass sie mit Freude und Engagement mitgewirkt haben. Was mag Herr Hurwitz bloß gehört haben, dass er die Streicher in den schnellen Passagen als "anämisch" meint beschreiben zu müssen?


    Im Übrigen habe ich mir kürzlich auch die neuen Aufnahmen mit Philippe Jordan und Bernard Haitink gegönnt. Da ich auch von diesen CDs sehr angetan bin, bietet sich ein Direktvergleich im entsprechenden Thread schier an...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Habe mir die Aufnahme mal auf meine spotify-Liste gelegt; insbesondere da ich den Tenor Allan Clayton erst vor wenigen Tagen zusammen mit Emöke Barath, Andreas Wolf und dem Concerto Köln unter Ivar Bolten live erlebt habe. Zu hören waren Händels Ode for St. Cecilia's day und Alexander's Feast in der Hamburger Laeiszhalle - ein toller Abend!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Jawohl. Es gibt eine neue – m.E. gelungene – Einspielung, und zwar diese hier:

    D'accord! Soeben ging sie hier zu Ende und ich bin absolut begeistert.

    Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen und bedanke mich bei ihnen dafür, hier für diese Aufnahme geworben zu haben. Ich gebe zu, dass ich gegenüber japanischen Interpreten gewisse Vorbehalte habe, wenn es um europäisches Kernrepertoire geht, aber diese sensationell gut gelungene Aufnahme zeigt, dass man sich davon freimachen sollte. Auch aufnahmetechnisch exzellent (ich hörte die SACD-5.1-Spur). Die erste HIP-Einspielung der 9., die mich wirklich begeistert hat. Ich bin jetzt sehr neugierig auf Suzukis Missa solemnis-Aufnahme, die ich mir demnächst zulegen werde.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich bin jetzt sehr neugierig auf Suzukis Missa solemnis-Aufnahme, die ich mir demnächst zulegen werde.

    Lieber Bertarido,


    die ist genauso gut...:thumbup:

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Der Titel dieses threads ist nicht gerade zur Diskussion geeignet, weil er die endgültige Lösung schon vorwegnimmt. Analog könnte ich fragen: Die Chöre in den konventionellen Aufführungen- warum klingen sie alle so altbacken?

    Es gibt zwei HIP-Aufnahmen, die besser sind als die meisten 9. - und das nicht nur im 4.Satz (da sind einfach die Chöre besser), sondern auch inden Sätzen 1-3: Gardiner und Herreweghe. Punkt.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich habe die Kritik heute morgen auch gelesen.


    Liest sich nett, ein paar schicke Zitate werden eingebaut, aber ich erwarte schon von einem "Fachkritiker", dass er weiß, warum die Spielzeiten von Karl Böhm und Herbert von Karajan im Scherzo kürzer sind als die von Masaaki Suzuki, nämlich schlichtweg deswegen, weil Böhm und Karajan nicht alle Wiederholungen spielen ließen, sich insofern Tempovergleiche verbieten.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ja,


    Das ist schon fast peinlich - und dumpf klingend finde ich die SACD auch nicht. Von mir hätte sie wo mehr Punkte bekommen - aber ich bin ja nicht vom Fach......


    Kalli

  • Stimmt, lieber Kalli, einen "dumpfen Klang" habe ich auch nicht vernehmen können, eher einen wunderbar räumlichen, natürlichen, transparenten.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

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