Alexander Borodin ( 1833 - 1887 )
Fürst Igor
Oper in vier Akten, vollendet von Nikolai Rimski-Korsakow und Alexander Glasunow
Libretto: Alexander Borodin
Originalsprache: Russisch
Uraufführung: 1890 in St. Petersburg
PERSONEN DER HANDLUNG
Igor, Fürst von Nowgorod-Sewersk, Bariton
Jaroslawna, seine zweite Frau, Sopran
Wladimir Igorewitsch, sein Sohn aus erster Ehe, Tenor
Wladimir Fürst Galitzki, Bruder Jaroslawnas, Bariton
Kontschak, Polowzer Khan 1), Bass
Kontschakowna, seine Tochter, Alt
Owlur, ein getaufter Polowzer, Tenor
Skula, Gudokspieler 2), Bass
Jeroschka, Gudokspieler, Tenor
Jaroslawnas Amme, Sopran oder Alt
Ein Polowzer Mädchen, Mezzosopran
Gzak, Polowzer Khan, stumme Rolle
Polowzer Mädchen, Bojaren 3), Volk
Ort und Zeit der Handlung: Putiwl 4) und Lager der Polowzer, 1185
PROLOG
Platz in der Stadt Putiwl
Das Volk singt ein Loblied auf Fürst Igor und andere Fürsten Russlands, die sich im Aufbruch zu einem Feldzug gegen die Horden der Polowzer Khane befinden.
Da verfinstert sich die Sonne, was als böses Zeichen gedeutet wird. Die beiden Gudokspieler Skula und Jeroschka verdrücken sich heimlich.
Das Volk und Igors Frau Jaroslawna bitten Igor, nicht ins Feld zu ziehen. Doch Igor und sein Sohn Wladimir nehmen Abschied. Igor bittet seinen Schwager, den Fürsten Galitzki, Jaroslawna in der Regentschaft beizustehen. Dieser versichert ihn seiner Treue.
Das Heer zieht davon.
ERSTER AKT
1. Bild: In Hof des Fürsten Galitzki
Der Fürst gibt ein großes Zechgelage. Das Volk preist den Fürsten. Auch Skula und Jaroschka sind darunter und spotten über ein Mädchen, das Galitzki entführen ließ.
Galitzki tritt auf und gibt offen zu erkennen, dass er Fürst von Putiwl werden wolle und seine Schwester Jaroslawa in ein Kloster schicken werde.
Mädchen drängen in den Hof und fordern ihre geraubte Freundin zurück. Der Fürst verjagt sie.
Nach Abgang des Fürsten geht das Gelage weiter. Skula und Jaroschka wiegeln das Volk zum Aufruhr gegen Jaroslawa, zur Absetzung Igors und Wahl Galitzkis zum Fürsten von Putiwl auf.
2. Bild: In Jaroslawas Gemächern
Jaroslawa trauert, weil schon so lange Zeit ohne eine Nachricht von Igor vergangen ist, und bangt um ihr Schicksal.
Die Mädchen bitten Jaroslawa um Hilfe für die von Galitzki geraubte Freundin. Galitzki kommt hinzu und wirft die Mädchen hinaus. Er tadelt Jaroslawa verlangt die Herrschaft, erreicht aber bei Jaroslawa nichts. Da lässt er sich umstimmen und sagt zu, das von ihm entführte Mädchen frei zu lassen und sich ein anderes zu nehmen.
Bojaren kommen und berichten, dass das Heer vernichtet und Fürst Igor und sein Sohn gefangen genommen worden seien.
Glocken verkünden das Eindringen der Polowzer. Man sieht Feuerschein und hört Menschen schreien. Die Bojaren bereiten sich zur Abwehr vor.
ZWEITER AKT
Im Polowzer Lager
Am Abend singen und tanzen die Polowzer Mädchen. Kontschakowna, die Tochter des Khans Kontschak hat sich in Wladimir, den Sohn Igors, verliebt und sehnt die Nacht herbei, in der sie sich mit dem Geliebten treffen kann.
Die russischen Gefangenen kommen von der Arbeit, die Polowzer Mädchen bewirten sie und singen ihnen Lieder. Nachdem alle – auch die Wachen, die das Lager inspiziert haben - gegangen sind, steht nur noch Owlur, ein bekehrter Polowzer, im Hintergrund Wache.
Wladimir tritt auf. Auch er liebt Kontschakowna und sucht ihre Nähe. Sie kommt und beide singen ein Liebesduett.
Fürst Igor, der keine Ruhe findet, erscheint und klagt über seine verlorene Ehre und Freiheit. Vorsichtig nähert sich Owlur und bietet an, ihm zur Flucht zu verhelfen. Igor weist das zunächst zurück, will aber darüber nachdenken.
Nach Owlurs Abgang kommt Kontschak, der Igor wie einen Gastfreund behandelt. Er bietet ihm ein Bündnis an, was Igor jedoch ablehnt. Der Khan möchte ihn dennoch für seinen Plan gewinnen und befiehlt Tanz und Gesang.
DRITTER AKT
Im Polowzer Lager
Die Polowzer begrüßen das Heer des unerbittlichen Khans Gsak, das von einem Raubzug mit reicher Beute zurückkehrt und weitere russische Gefangene mitbringt. Kontschak begrüßt den Khan. Die Soldaten berichten, dass sie Putiwl ausgebrannt hätten.
Kontschak lässt Beute und Gefangene aufteilen, befiehlt, die Gefangenen scharf zu bewachen, und lädt die Chane zu einer Beratung über das weitere Vorgehen ein.
Die russischen Gefangenen bleiben zurück. Sie und Wladimir bedrängen Igor, zu fliehen und Hilfe zu holen. Sie bestürmen ihn noch stärker, als die Polowzer ihre umfangreiche Beute vor ihnen ausbreiten.
Während die Polowzer Wachen den Sieg feiern, zechen und tanzen, gibt Owlur, der die Getränke bringt, Igor heimlich ein Zeichen, dass die Flucht vorbereitet sei. Kontschakowna, die alles mitgehört hat, eilt herbei und fleht Wladimir an, sie nicht zu verlassen. Als er es dennoch für seine Pflicht hält, mit seinem Vater zu gehen, droht sie, das Lager zu wecken. Trotzdem möchte er sie noch ein letztes Mal umarmen. Igor ist bereits geflohen. Kontschakowna weckt das Lager und Wladimir wird gefangen genommen. Die Polowzer wollen ihn töten, aber sie bittet um sein Leben.
Kontschak kommt hinzu und als er erfährt, was geschehen ist, bekennt er, dass er an Igors Stelle genauso gehandelt hätte. Er befiehlt, die Wachen zu töten, aber Wladimir nicht anzurühren. Er will ihn als Schwiegersohn an sich binden und führt ihn Kontschakowna zu.
VIERTER AKT
Im zerstörten Putiwl
Jaroslawna und das Volk beklagen ihr Schicksal. Plötzlich entdeckt Jaroslawna in der Ferne zwei Reiter und erkennt bei deren Näherkommen ihren Gatten. Igor und Owlur treffen ein und die Eheleute fallen sich in die Arme.
Skula und Jeroschka treten auf und singen ein Spottlied auf den Fürsten Igor. Da erkennen sie den Fürsten, der mit Jaroslawna auf die Zitadelle zugeht. Nach kurzem Nachdenken, wie sie ihre Köpfe retten können, läuten sie die Glocken, rufen die Leute herbei, verkünden die Rückkehr Igors und bestreiten, jemals etwas mit den Untaten Galitzkis zu tun gehabt zu haben. Das Volk verzeiht ihnen und eilt freudig, den Fürsten zu begrüßen, von dem es sich Rettung erhofft.
1) Herrscher, Anführer, staatlicher Würdenträger
2) russisches Streichinstrument mit drei Saiten
3) Adlige unterhalb des Ranges von Fürsten oder Zaren
4) Stadt im Norden der Ukraine
Anmerkungen: Die Oper beruht auf dem „Lied von der Heerfahrt Igors“, dessen Dichter unbekannt ist. Das russische Reich war damals in viele, untereinander uneinige Teilfürstentümer (Khanate) gespalten, was auch die Dichtung beklagt. Igor unternahm im Alleingang einen Feldzug gegen die Polowzer, wurde gefangen genommen, entkam aber.
Borodin war von Beruf Chemiker und gehörte zur Gruppe der fünf Komponisten, die unter dem Namen „Das Mächtige Häuflein“ bekannt sind, sich selbst aber die „Novatoren“ nannten. Neben ihm gehörten Balakirew, Cui, Mussorgski und Rimski-Korsakow dazu. Sie hatten sich zum Ziel gesetzt, die russische Nationaloper im Sinne Glinkas zu schaffen
Borodin hinterließ nur wenige Werke, darunter die „Steppenskizze aus Mittelasien“ und diese einzige Oper, die unvollendet blieb.
Heute wird diese Oper (Spieldauer etwa 3½ Stunden) häufig mit erheblichen Kürzungen gespielt. Auch gibt es Versuche von Neufassungen ohne die Zusätze von Rimski-Korsakow und Glasunow. Die „Polowzer Tänze“ (meist "Polowetzer Tänze" genannt) haben sich verselbständigt und werden häufiger unabhängig von der Oper konzertant oder als Ballett aufgeführt.