BOITO, Arrigo: MEFISTOFELE

  • Arrigo Boito
    Mefistofele


    Oper in 4 Akten mit Prolog und Epilog
    Libretto: Arrigo Boito nach Goethes Faust I und II
    Originalsprache: Italienisch

    Uraufführung: Bologna 1875

    PERSONEN DER HANDLUNG

    Mefistofeles, der Teufel, Bass
    Faust, ein Gelehrter, Tenor
    Margarete, eine junge Frau, Sopran
    Marthe, ihre Nachbarin, Alt
    Wagner, Schüler Fausts, Tenor
    Helena, Prinzessin von Troja, Sopran
    Pantalis, Helenas Begleiterin, Alt
    Nereus, Meergott, Tenor
    Chorus mysticus, himmlische Heerscharen, Cherubime, Büßerinnen, Studenten, Handwerksburschen, Volk, Hexen und Zauberer, Nymphen

    Ort und Zeit der Handlung: Himmel, Frankfurt, Brocken, Griechenland, Mittelalter und Antike

    PROLOG
    In nebelartigen Regionen des Weltalls
    Nach dem Vorspiel singen unsichtbare himmlische Heerscharen einen Choral.
    Mefistofeles erscheint auf der Bühne und spricht verächtlich über die Schöpfung und die armselige Menschheit, bei der es ihm nicht mehr wert erscheint, sie zu verführen.
    Gott spricht durch den Chorus mysticus (Geisterchor) zu ihm und macht ihn auf Faust aufmerksam. Mefistofeles wettet, dass er diesen Toren, der Gott auf besondere Weise diene, verführen werde.
    Man hört einen Chor Cherubime. Mefistofeles empfindet das als schrillen Misston und verschwindet.
    In den Chor der Cherubime mischt sich der Chor der himmlischen Heerscharen und ein Chor der Büßerinnen, die auf einem gemeinsamen Chor zur Ehre Gottes enden.

    ERSTER AKT
    1. Bild: Vor den Stadtmauern Frankfurts. Ostersonntag.
    Studenten, Handwerksburschen und viel Volk führen fröhliche Gespräche. Ein grauer Mönch schleicht durch die Menge. Das Volk bewundert den vorbeiziehenden Tross des Kurfürsten und folgt ihm.
    Als der Tross verschwunden ist, treten Faust und Wagner auf. Während Faust den Frühlingsbeginn begrüßt, empfindet Wagner die Menge als rohen Pöbel und möchte lieber nach Hause.
    Die Volksmenge kehrt zurück, singt und tanzt.
    Es wird langsam dunkel und die Bühne leert sich. Faust, der mit Wagner allein zurückbleibt, entdeckt den grauen Mönch. Er schreckt zurück und sieht gar Feuerspuren unter dessen Schritten, während Wagner nichts Unnatürliches erkennt. Sie gehen nach Hause.

    2. Bild: Fausts Studierzimmer
    Faust tritt ein, bemerkt aber nicht, dass der graue Mönch ihm gefolgt ist und sich im Zimmer versteckt. Als Faust in der Bibel liest, wird er durch einen schrillen Schrei aufgeschreckt.
    Der Mönch tritt hervor und verwandelt sich in Mefistofeles in der Kleidung eines Scholaren 1). Auf die Frage Fausts, wer er sei, bezeichnet er sich als „Geist, der stets verneint“. Er bietet Faust seine Dienste auf Erden an, dafür müsse dieser ihm dann in der Hölle dienen.
    Faust geht die Wette ein unter der Bedingung, dass Mefistofeles nur dann über ihn verfügen könne, wenn er zum Augenblicke sagen werde: „Verweile doch, du bist so schön“. Mefistofeles nimmt an und beide eilen davon.

    ZWEITER AKT
    1. Bild: Ein Garten
    Der verjüngte Faust ist von Margarete entzückt, die sich als armes Kind vom Lande seiner nicht würdig hält. Unterdessen flirtet Mefistofeles mit Marthe. Beide Paare lustwandeln abwechselnd über die Bühne.
    Während Mefistofeles erklärt, dass er für Liebe und Ehe nicht geschaffen sei, fragt Margarete Faust nach seiner Haltung zur Religion. Fausts Antwort verwirrt sie so, dass sie sich schnell verabschieden möchte. Als Faust sich erkundigt, ob er sie besuchen dürfe, erklärt sie, dass sie nicht allein lebe und ihre Mutter nur einen leichten Schlaf habe. Daraufhin übergibt er ihr einen Trank, der ihre Mutter vorübergehend in tieferen Schlaf versetzen soll.

    2. Bild: Auf dem Brocken. Walpurgisnacht.
    Man hört aus der Tiefe Mefistofeles, der Faust den Berg hinauftreibt. Irrlichter erscheinen und schließlich Faust und Mefistofeles. Mefistofeles beschreibt das Herannahen der Hexen und Zauberer, deren Chor bereits hinter der Bühne erschallt.
    Dann brechen diese wild herein. Mefistofeles als ihr König gebietet Ordnung und sie fallen vor ihm nieder und beten ihn an. Er verlangt nach Herrscherstab, Königsgewand und erhebt sich zum Gebieter über die Welt.
    Die Geister schleppen einen Kessel herbei und überreichen Mefistofeles einen Globus. Dieser bekundet seine Verachtung für die Welt und wirft den Globus weg, so dass er zersplittert. Der Geisterchor triumphiert.
    Faust sieht in einer Vision Margarete, aber Mefistofeles überzeugt ihn, dass das nur ein Trugbild sei. Die Szene endet mit einem wilden Hexentanz.

    DRITTER AKT
    Kerker
    Margarete wird für den Tod ihrer Mutter, die aus dem Tiefschlaf nicht mehr aufgewacht ist und ihres Kindes, das sie ertränkt hat, verantwortlich gemacht. Ihre Sinne sind verwirrt.
    Vor der Kerkertür fleht Faust Mefistofeles an, Margarete zu retten. Dieser gibt ihm die Schlüssel.
    Margarete scheint Faust zwar zu erkennen, hält ihn aber zunächst für den Gefängniswärter. Sie legt ein Geständnis ab und beschreibt ihm, wo er sie, ihre Mutter und das Kind begraben soll. Als Faust sie drängt, mit ihm zu fliehen, zögert sie zunächst, weil sie nicht betteln gehen will und auch mit dem schlechten Gewissen nicht leben könne. Schließlich aber willigt sie ein. Beide träumen von einem neuen Leben.
    Aus dem Hintergrund mahnt Mefistofeles zur Eile. Margarete erkennt den Teufel und wendet sich voll Grauen von Faust ab. Sie bittet Gott um Vergebung und stirbt.
    Als Mefistofeles ausruft: „Sie ist gerichtet!“ tönt von oben eine Stimme: „Ist gerettet!“
    Mefistofeles verschwindet mit Faust.

    VIERTER AKT
    Felsbucht im ägäischen Meer.
    Helena und Pantalis in einem Boot besingen den Mond. Aus der Ferne hört man Faust voller Sehnsucht nach Helena rufen. Das Boot gleitet langsam davon.
    Mefistofeles tritt auf und erklärt, dies sei die klassische Walpurgisnacht, während man im Hintergrund weiterhin Faust singen hört. Mefistofeles fühlt sich hier jedoch nicht recht wohl und wäre lieber auf dem Brocken.
    Helena tritt mit Nymphen auf. In einer Vision erlebt sie noch einmal den Untergang Trojas.
    Dann erscheint hinter einem Zug von Knappen Faust in ritterlicher Kleidung. Er verneigt sich vor Helena und gesteht ihr seine Liebe, während Mefistofeles, Pantalis und der Meeresgott Nereus erstaunt zuschauen.
    Nachdem alle anderen verschwunden sind, singen Faust und Helena ein Liebesduett und verlieren sich langsam im Gebüsch.


    EPILOG
    Fausts Studierzimmer
    Faust ist wieder ein alter Mann und lässt sein Leben an sich vorbeiziehen. Er träumt von einer neuen Weltordnung.
    Mefistofeles versucht, ihn noch einmal zu überreden, mit dem bisherigen Leben weiterzumachen, denn der entscheidende Satz ist noch nicht ausgesprochen. Faust ruft den Himmel an und man hört die himmlischen Heerscharen.
    Mefistofeles versucht verzweifelt ein letztes Mittel und ruft Sirenen herbei, Faust zu betören. Doch die Erscheinung der Seligen wird stärker und vertreibt die Sirenen. Faust betet, spricht während der Erscheinung: „Verweile“ und stirbt.

    Man hört die Chöre der himmlischen Heerscharen und Engel. Mefistofeles hat verloren und versinkt im Boden.

    Anmerkungen: Boito ist bekannt als Librettist von Opern wie Ponchiellis „La Gioconda“ und Verdis „Otello“ und „Falstaff“. In seiner Oper „Mefistofele“ hält er sich eng an die Texte aus Goethes Faust I und II. Die Urfassung, die 5½ Stunden dauerte, kam bei der Uraufführung in der Mailänder Scala 1868 und bei der Kritik – auch unter Boitos Kollegen – schlecht an. Bei der zweiten Vorstellung verhielt sich das Publikum so feindselig, dass sogar die Polizei einschreiten musste und die Oper abgesetzt wurde. Boito zog die Partitur zurück, verbrannte den größten Teil und begann mit einer Neufassung, die sich über sieben Jahre hinzog, wobei er den größten Teil der ursprünglichen Szenen verwarf.
    Die heutige Fassung (Spieldauer etwa 2½ Stunden) uraufgeführt 1875 in Bologna wurde dagegen ein großartiger Erfolg – auch später an der Mailänder Scala. Weil viele Szenen gestrichen sind, wirkt die Oper daher eher episodenhaft.
    Eine weitere Oper „Nerone“, deren Textbuch er 1901 veröffentlichte, blieb unvollendet und wurde später von Toscanini, Smaraglia und Tommasini ergänzt.


    1) fahrender Schüler oder Student

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

    3 Mal editiert, zuletzt von Gerhard Wischniewski ()

  • Hallo, Gerhard!



    Diese wunderschöne Aufnahme dieser Oper besitze ich. Mit dem unvergessenen Norman Treigle als Mefistofele. Sehr empfehlenswert!



    W.S.

  • Hallo zusammen,


    ich möchte an dieser Stelle auch auf die u. a. Einspielung verweisen (1954). Die Oper ist exzellent besetzt: der "düstere" Giulio Neri, die souveräne Marcella Pobbe und Ferruccio Tagliavini - erinnert hier noch stärker an Gigli als sonst - passen wunderbar zusammen:



    Gruß
    Manfred

    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • Hallo Wolfgang, hallo Manfred,


    vielen Dank für euer Interesse an den von mir eingestellten Operninhalten. Die Inhaltsangabe ist auf der Grundlage der Aufnahme, die Wolfgang hier gezeigt hat, entstanden, die ich auch besitze; und ich stimme mit dem Kommentar von Wolfgang völlig überein. Das Textbuch dazu ist leider nur in Italienisch und Englisch gehalten. Da ich aber Italienisch so leidlich verstehe (Ich fahre seit ca. 20 Jahren einmal jährlich in verschiedene Regionen Italiens und habe vor dem ersten Urlaub dort begonnen, die Sprache zu lernen, frische sie aber immer wieder auf), und Englisch in der Schule gelernt habe, konnte ich anhand des Textbuchs und Goethes Faust I und II diese Inhaltsangabe entwickeln. Wie mir Musikwanderer kürzlich (nach dem "Fürst Igor" von Borodin) mitteilte ist es wohl nicht erwünscht, Anregungen und Kommentare zu den einzelnen Operninhalten direkt an die Inhaltangabe anzuhängen. Solche Anregungen und Hinweise sind aber, glaube ich, nicht nur dem Autoren, sondern auch anderen Lesern sehr willkommen. Ich werde daher versuchen, ein neues Thema "Anregungen, Kommentare und Hinweise zu einzelnen Inhaltangaben" im Kopf des Opernführers aufzumachen, damit diese wertvollen Hinweise nicht verloren gehen. Ich bin selbst - und ich denke auch ihr - damit einverstanden, dass die Antworten zu den einzelnen Inhaltsangaben dorthin verschoben werden.


    Liebe Grüße
    Gerhard :hello:

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • 5. März 1868:
    In Mailand wird die Oper in einem Prolog, 4 Akten und einem Epilog
    Mefistofele von Arrigo Boito
    nach Goethes Faust I und Faust II uraufgeführt
    mit Mélanie-Charlotte Reboux Ribelli • Geronimo Spallazzi • Marcel Junca • Giuseppina Flory;
    - und erhält harsche Kritiken.



    Am 6. Oktober 1875 in Bologna, Teatro Comunale, erfolgt die erneute Uraufführung einer gekürzten und überarbeiteten Version mit Romano Nanetti • Adelaide Borghi-Mamo • Italo Campanini • Antonietta Mazucco • Carlo Casarini,
    Dirig. Emilio Uiglio


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich hatte das große Glück diese , zumindestens in Deutschland , selten aufgeführte Oper in Gelsenkirchen und an der MEt live zu sehen. Beim Prolog und Epilog , wenn der Chor der die Engel darsgtellt singt, bekomme ich jedesmal Gänsehaut. Vor allem das Finale ist phänomenal.

  • Ich hatte das große Glück diese , zumindestens in Deutschland , selten aufgeführte Oper in Gelsenkirchen und an der MEt live zu sehen. Beim Prolog und Epilog , wenn der Chor der die Engel darsgtellt singt, bekomme ich jedesmal Gänsehaut. Vor allem das Finale ist phänomenal.


    Ich bin nicht so ein großer Freund der italienischen Oper. Aber der Mefistofele in Gelsenkirchen hat mich auch begeistert.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)


  • Am 31. Oktober sendet ZDFKultur diese Aufzeichnung der Oper aus dem Teatro Massimo in Palermo von 2008:


    Do, 31. Oktober, 22:15 Uhr - zdf.kultur
    Mefistofele
    Oper von Arrigo Boito
    Mit Ferruccio Furlanetto, Giuseppe Filianoti, Dimitra Theodossiou.
    Musikalische Leitung: Stefano Ranzani


    Die Inszenierung von Giancarlo Del Monaco setzt den Kampf zwischen Gut und Böse in einer provokanten optischen Mischung aus Expressionismus und glitzerndem Las-Vegas-Look um. Die Opern-Faust-Adaption von 2008 aus dem Teatro Massimo wurde in der Presse als absorbierendes Theatererlebnis und musikalisch wie szenisch dichte Produktion hoch gelobt.


    (Wiederholung am So, 3. November, 12:45 Uhr - zdf.kultur)


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Die Inszenierung von Giancarlo Del Monaco setzt den Kampf zwischen Gut und Böse in einer provokanten optischen Mischung aus Expressionismus und glitzerndem Las-Vegas-Look um.

    Die Inszenierung läßt nichts Gutes erahnen, obwohl ich Giancarlo DelMonaco von Bonn her in guter Erinnerung habe. Wahrscheinlich werde ich mal einschalten.

    W.S.

  • Lieber Harald,


    ich habe diese Aufnahme auf DVD und kann unbedingt empfehlen, sich die Sendung anzusehen. Ganz besonders fesselt mich in dieser Aufnahme der Prolog sowohl durch den Engelsgesang als auch durch die dazu durch Furlanetto so wunderbar dargestellten Verkrampfungen des Mefistofele, dem diese Musik Ohrenschmerzen bereitet. Die von Harald angesprochenen, im Las Vegas-Look inszenierten Szene der Walpurgisnacht und der klassischen Walpurgisnacht sind Beispiele von Modernisierungen, die durchaus akzeptabel sind und die Handlung nicht verfälschen. Szenisch besonders packend finde ich vor allem die erste Walpurgisnacht. So kann modernisierte Oper durchaus begeistern.
    Für mich ist übrigens ein Wunder geschehen. Der Sender ZDF kultur bringt seit Jahren auch mal wieder etwas, was unbedingt zur Kultur gehört. Hoffentlich ist das nicht wieder eine Eintagsfliege und danach kommt dann wieder mehrere Jahre nur Seichtes.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Auch ich kann diesen Mefistofele durchaus empfehlen. Strenggenommen ist es nicht absolut klassisch, der Regisseur hat schon eigene Ideen beigebracht, die nicht von Boito stammen.


    Aber wer das Werk erstmalig sieht, wird durchaus ohne Vorerwartungen das Stück ansehen. In meinen Augen ist diese Inszenierung besonders anhörenswert, die Bilder stören nicht allzu sehr. Denn die Ensembleleistung im Prolog und im Epilog (der durchaus mahlerähnliche Züge trägt) sowie die hervorragenden gesanglichen Leistungen besonders von Furlanetto (der sich gewaltig steigert) und auch von Filianoti sind vom Feinsten. Im Epilog ist noch eine Sängerin zu hören, deren Name ich nicht weiß - sie war umwerfend gut!!


    Alles in Allem sehr erlebenswert. Viel Spaß wünscht


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.