Lieber farinelli,
von deinen beiden letzten Einträgen bin ich ungemein beeindruckt. Du eröffnest Sichtweisen, die fraglos in Wagners Werk immanent sind. Dennoch sträubt es sich in mir, jüdische oder andersrassische Archetypen zu akzeptieren, wiewohl Wagner dies zweifellos so sah. Man muß aber - ohne Wagners perfide Gehässigkeiten exkulpieren zu wollen - bedenken, dass das ganze sogenannte "Abendland" durch die unheilvolle Wirkung des Christentums (von Severus Augustinus über Thomas von Aquin bis herauf zu Martin Luther und darüber hinaus) den Boden für einen kollektiven Antijudaismus bereitet hat. So gesehen befand sich Wagners Einstellung im Einklang mit der gesellschaftlich praktizierten Majorität.
Eine kleine Korrektur darf mir gestattet sein: Karajan dirigierte in Wien leider, leider niemals eine Elektra, vielmehr vermute ich, dass du die grandiose Produktion bei den Salzburger Festspielen 1964 (mit Varnay, Mödl, Hillebrecht) meintest.
Im selben Jahr brachte Karajan bei den Wiener Festwochen im Juni die "Frau ohne Schatten" heraus, die nicht unproblematisch war, denn neben seinem hinreißenden Dirigat darf man nicht verschweigen, dass er zwei Szenen umstellte sowie arge Striche besonders bei der Färberin vornahm, da er um jeden Preis Christa Ludwig in dieser Rolle haben wollte, der die Tessitura ansonsten zu hoch gewesen wäre.
Grüße aus Wien
von Fritz