Wer geht eigentlich in die Oper - und warum ?

  • Na ich zum Beispiel!“ … möchte ich ganz schlicht auf die
    Frage von Alfred – einige Jahre nach Eröffnung dieses threads –
    antworten.


    Es wurde viel Kluges geschrieben hier, dennoch möchte ich eine
    ganz schlichte, aktuelle Beobachtung von gestern in die Debatte werfen.


    Der 2. Teil von Alfreds Frage lautete: „Warum?“ … Nun, nach einigen
    Jahren Abstinenz war ich gestern (Sa.) mal wieder in der Oper, denn ich wollte
    nach vielen Jahren „Tamino“ wieder live erleben.


    In Bonn wird mit großem Erfolg seit dem vergangenen Jahr als
    Wiederaufnahme die „Zauberflöte“ geboten. Obwohl ich daheim eine wunderbare
    Anlage habe, inzwischen dazu noch diesen Smart-TV auf höchstem Bildniveau, mit
    dem ich via "youtube" in erstaunlicher Qualität viele Opernhäuser und Konzertsäle
    ansteuern kann, wann immer es mir beliebt, ^^ … checke ich gern hin und wieder, ob
    meine Ohren nicht schon zu sehr verbildet sind, von all dem hightech, mit dem
    ich mich umgeben habe. Und „live“ ist es halt auch immer wieder mal schön.


    Ich will hier nicht über die schöne, durchaus sehens- und
    hörenswerte Aufführung sprechen, sondern über das Publikum: der Altersschnitt
    im vollbesetzen Opernhaus am Rhein reichte vom Grundschulalter bis in die
    höchsten Altersgruppen und das erstaunlich ausgewogen. Neben zahlreichen anderen,
    eher „klassischen“ OperngängerInnen (Abo-Freunde etc.) war die Generation „facebook“
    breit vertreten! Ich schätze den Anteil von ZuschauerInnen unter 30 auf mehr
    als ein Drittel! Im Parkett, Reihe 3(!) nahm gar eine ganze Schulklasse
    (5-Klässler?) Platz … und lauschte mit andächtigem Vergnügen :rolleyes: , sicher erst noch auf
    dem Weg zur Bildung des „Organ(s) zur Apperzeption kontraillusionistischer
    Tableaus“
    ?( :hail: … aber wie man den Gesichtern und Kommentaren in der Pause entnehmen
    konnte, sehr zufrieden.
    :thumbup:


    Also noch mal kurz geantwortet: „Wer geht eigentlich in die
    Oper - und warum?“
    Es gibt in der Welt von "playstation" und vermittelter Cyber-Realität offensichtlich
    noch immer genug junge Menschen, die bereit sind den Kulturbetrieb lebendig + sinnlich zu erleben
    (!) … und dadurch mithelfen, ihn am Leben zu halten.


    Wie schön! :jubel:


    Liebe Grüße
    Niko :hello:


    P.S. ... eine persönliche Erkenntnis/Bestätigung von gestern: mein Klangerlebnis daheim ist anders ... und - ganz subjektiv beurteilt :untertauch: - "besser" als in der Live-Oper ... aber das soll jetzt keine (Ab-)Wertung sein! Werde das an anderer Stelle noch "nacharbeiten".

    "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." - Nietzsche

  • Also noch mal kurz geantwortet: „Wer geht eigentlich in die Oper - und warum?“ Es gibt in der Welt von "playstation" und vermittelter Cyber-Realität offensichtlich noch immer genug junge Menschen, die bereit sind den Kulturbetrieb lebendig + sinnlich zu erleben (!) … und dadurch mithelfen, ihn am Leben zu halten.


    Dein (Kultur-)Optimismus in allen Ehren, aber ich fürchte - und erlebe es selber auch so bei meinen eigenen Opernbesuchen - eine Zauberflöte am Samstagabend ist kaum signifikant für das Durchschnittspublikum, welches sich unter der Woche selbst bei Verdi und Puccini einfindet; dort selbst Besucher unter 50 in kaum homöopathisch warnehmbaren Dosen ... :(

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Mit mir befreundete MusiklehrerInnen werden Dir da recht geben, Michael, und ja ich gebe gern zu, es ist etwas (zu) optimistisch.
    Orgelkonzerte, die ich recht oft besuche, spiegeln da schon ein anders Bild ... aber auch dort gibt es sie, die Kinder, die - liebevoll angeleitet - den unermesslichen Reichtum der Klassik kennen + schätzen lernen. Es gab/gibt sicher immer upps+downs im Kulturbetrieb. Bin gespannt auf die Zukunft.
    Wir müssen optimistisch bleiben! :pfeif:
    Mal sehen, heut´werde ich in Bonn das Requiem von Fauré live erleben (kostenlose :yes: Aufführung in einer Kirche). Werde auch da mal genau hinschauen, wieviel Youngster anwesend sein werden.
    LG Niko

    "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." - Nietzsche

  • Lieber vivelamusic,


    das muss ich Michael Schenk recht geben. Du hast den Altersdurchschnitt an einer Oper dargestellt, die sicherlich zu den "Reißern" gehört. Die "Zauberflöte" ist statistisch wohl die beliebteste und meistgespielte Oper und auch das Fernsehen macht damit noch Quote, denn hier ist sie auch nach meinem Eindruck die am häufigsten gezeigte Oper. Für jüngere Leute mag noch "Hänsel und Gretel" hinzu kommen. Aber schon bei Puccini und Verdi ist der Zuspruch in dieser Generation wesentlich dünner und der Altersdurchschnitt höher. Bei weniger bekannten Komponisten und Opern (ich habe es z.B. schon bei Giordano "Andrea Chenier" erlebt) wird der Zuspruch auch in der älteren Generation schon dünner.
    Ich z.B. konnte mir als junger Mensch einen Opernbesuch nicht leisten, habe aber, damals noch auf Mittelwelle im Radio, viele Opern angehört, vor allem liebte ich damals schon fast alles von Wagner und mein erster Opernbesuch, denn ich mir mühsam zusammengespart hatte, war auch "Tannhäuser" von Wagner.
    Das besagt aber nichts über die jüngere Generation. Ich glaube auch heute noch, dass Jugendliche durchaus für die Oper zu begeistern sind, wenn sie vom Elternhaus und von der Schule dazu angeregt werden und es ihnen entsprechend schmackhaft gemacht wird. Meine Enkelin, die Grundschullehrerin geworden ist, kämpft ein wenig gegen die Ansichten ihrer Kolleginnen, die nichts davon halten, Grundschulkinder an die klassische Musik heranzuführen, indem sie ihnen vorhält, dass sie von ihren Großeltern auch schon früh mit in die Oper genommen worden sei. Ich habe ihr erst kürzlich aus dem, was ich besitze, einiges zusammengestellt, was sie auch bei Kindern verwenden kann, u.a. auch aus der Zauberflöte.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)