Wer geht eigentlich in die Oper - und warum ?

  • Was bildet sich der Dirigent - oder besser Kapellmeister? - eigentlich ein, in den musikalischen Ablauf der Ouvertüre einzugreifen und Teile daraus irgendwann zu bringen? Ihn als Ignoranten zu bezeichnen, wäre wohl eine Beleidgung, weshalb ich es sein lasse und ihm auch dadurch zuviel Aufmerksamkeit zukäme.
    Aber Rossini hat seine Ouvertüre wohl nicht in einem Anfall geistiger Umnachtung (wer den wohl hatte?) geschrieben, sondern gewiss ein Konzept verfolgt. Welches Interpretenduo käme z. B. auf die abstruse Idee, die "Nebensonnen" aus Schuberts "Winterreise" bei Aufführungen an 2. Stelle im Zyklus einzureihen?



    Nur das schlimme ist , das so ein Eingriff nicht nur der Dirigent, sondern auch der Regisseur mitverantwortlich ist. Und der Intendant muss dann alles absegnen. Die drei werden sich wohl gedacht haben: Wie können wir soviel Presse wie möglich bekommen ? Und machen mal was ganz verrücktes. Zumindestens der Dirigent hat dafür seine Quittung am Schluss bekommen , indem er ausgebuht worden ist. Ich verstehe sowieso nicht, warum Herr Theiler nicht die Tell Inszenierung aus Gelsenkirchen mit nach Nürnberg gebracht hat. Die war zwar auch nicht das Gelbe vom Ei aber einigermaßen erträglich und die Overtüre war nicht verstümmelt.

  • Lieber Hans,

    Zitat

    Gestern sah ich den Mord im Dom von Pizzetti. Da wurde ein modernes Werk in eindrucksvoller Einfachheit inszeniert, was half, eine schwerzugängliche Musik verständlich zu machen.

    Ich kenne diese Aufnahme schon eine Weile und habe auch die Inhaltsangabe dazu in den Tamino-Opernführer gesetzt. Mich hat die Inszenierung in ihrer Einfachheit, allerdings in der eindrucksvollen Kirchenkulisse und mit Ruggero Raimondi als Becket ungeheuer fasziniert, so dass ich mir sie erst vor kurzem erneut angesehen habe. Die Inszenierung zeigte - wie du zu Recht feststellst, dass die nicht ganz einfache Musik sich in einer solchen Inszenierung ohne regietheaterliches Brimborium und ohne dessen Entstellungen sehr viel mehr erschließt. Aufführungen wie in Nürnberg hingegen erschweren auch das Verständnis leichter fassbarer Musik.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Deinen Unmut kann ich gut nachvollziehen, lieber zweiterbass. Der Nürnberger "Wilhelm Tell" ist ein weiterer Schritt in eine Richtung, an deren Ende Eingriffe in die Musik zur Norm werden dürften. Das begann bereits vor einigen Jahren in Berlin mit einer "Meistersinger"-Inszenierung, in der einfach grundlos der Schlußmonolog des Hans Sachs unterbrochen und dadurch die Grundaussage "Erhaltet gefälligst Kunst und Kultur!" ins Absurde gezogen wurde. Bei den Kritikern der Systempresse kam der "geniale Einfall" des Regisseurs natürlich größtenteils sehr gut an. Schon früher zeigte sich diese Tendenz an, indem während der Ouvertüre bzw. des Vorspiels gewisser Opern völlig unnötigerweise bereits auf der Bühne hantiert wurde.


    Ich sehe da eine bedenkliche Entwicklung auf uns zurollen. Irgendwann werden wir uns damit abfinden müssen, daß Tannhäusers Erlösung gestrichen, Wotans Abschied entfallen und Kalafs Sieg nicht zustande kommen wird. Dann wird es an der Zeit sein, das zu tun, was Pierre Boulez bereits 1967 forderte: "Sprengt die Opernhäuser in die Luft!"


    Beste Grüße nach Franken
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wer geht eigentlich in die Oper - und warum ?
    Aus gegebenem persönlichem Anlaß möchte ich dieses Thema mal aus der Gegenwart in die Vergangenheit verlegen und dazu einige Gedanken äußern.
    Warum ging man, in diesem Falle ich, also früher in die Oper? Eigentlich ganz einfach, weil es Aufführungen waren, die in der Regel den eigenen Erwartungen entsprachen. Es waren Aufführungen die weder von der Regie, dem Bühnenbild, den Kostümen, der Gesamtausstattung der Musik und der Handlung widersprachen. Ich bin in diese Opern feierlich und erwartungsfroh gestimmt gegangen und wußte, ich werde ganz sicher nicht von irgendwelchem Klamauk und Neudeutungen überrascht werden. Mag es für einige billig und naiv klingen, aber ich hatte nie, auch nur ansatzweise das Bedürfnis, hier irgendetwas zu analysieren oder mich vom Regisseur belehren lassen zu wollen mit einer neuen Sichtweise. Von mir aus mag man mich Staubi oder ewig Gestriger, oder auch Nostalgiker mit verklärtem Blick nennen. Ist mir egal, ich stehe dazu. Ich wollte das Gesamtwerk wie ein Gourmet genießen und mich verzaubern lassen, mal die Realität ringsumher vergessen. Dies durfte ich glücklicher- und dankbarerweise oftmals erleben.
    Heute ist für mich, Opernaufführungen betreffend, ein besonderer und denkwürdiger Tag und meine Stimmung ist ein wenig sentimental. Der liebe Herrgott hat uns Menschen neben vielen anderen guten Eigenschaften, auch die Gabe des Erinnerns, unser Gedächtnis, gegeben. Ich durfte in meinem Leben bisher viele gute Opernaufführungen erleben, aber ganz bestimmte beeindruckende bleiben unauslöschlich manifestiert im Gedächtnis haften. So eine Opernaufführung, ich nenne es einmalige Sternstunde, war für mich heute vor 36 Jahren...
    Es war der 6. März 1976, ein frühlingshafter milder Sonnabend. Drei Tage vorher, am 3. März, war die Premiere zur Oper Tosca in der Berliner Staatsoper. Inszenierung von Prof. Carl Riha. Für die zweite Vorstellung, also heute, hatten wir Karten bekommen. Gemeinsam mit meinen Eltern und einem Freund sind wir hingefahren. Das Haus war natürlich ausverkauft bis auf den letzten Platz und irgendwie war eine besondere erwartungsvolle Stimmung, eine Spannung zu spüren. Als sich der Vorhang hob, begann eine musikalische Sternstunde, wie man sie wahrscheinlich nur einmal im Leben erlebt. Alle Künstler, alle Akteure waren an diesem Abend gleichzeitig auf ihrem absoluten möglichen Höhepunkt. Der Funke sprang sofort von der Bühne auf das Publikum über und diese gaben ihn mit Szenen und Pausenapplaus zurück und stachelten dadurch die Künstler weiter zu unglaublichen Höchstleistungen an. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen und es wurde eine Aufführung, die an jedem Opernhaus der Welt gefeiert worden wäre. Am Schluß wurden alle, insbesondere natürlich die Hauptakteure "Tomowa-Sintow, Orofino, Adam" frenetisch und euphorisch mit nicht enden wollendem Beifall und Vorhängen gefeiert. Ich weiß noch, mein Freund Manfred auf dem Platz neben mir, irgendwann ließ er total erschöpft vom Klatschen für eine Zeit die Hände sinken und sagte überglücklich zu mir "Ich kann nicht mehr..." Für mich war es eine Aufführung, die ich unendlich dankbar und glücklich, mein ganzes Leben lang niemals vergessen werde. Die Presse überschlug sich ins Nachhinein überschwenglich in Lobeshymnen. Eine große Schlagzeile weiß ich noch "Orofino genügt das pure Gold in der Kehle". Das war für mich als ganz großer Fan und Verehrer nicht nur eine Bestätigung, sondern honigsüßer Balsam.
    Warum schreibe ich diesen Beitrag. Zum einen weil ich Euch ein klein wenig an meiner Begeisterung teilhaben lassen möchte und es heute, an diesem Tag einfach raus muß, und zum anderen, vielleicht können diejenigen mich (uns), für die wir Staubis und ewig Gestrige sind, ein wenig besser verstehen. Wenn man solche einmaligen Opernabende erlebt hat, hat man andere Ansprüche und Wünsche. Da bleibt für Klamauk und Spektakel kein Raum. Laßt uns einfach unsere Vergangenheit und unsere Erlebnisse.
    Ruggiero Orofino hat mir vor ein paar Jahren mal eine DVD persönlich zur Erinnerung geschenkt. Darauf ist auch ein Originalmitschnitt der Tosca aus der Staatsoper, allerdings von 1985. Diesen werde ich mir heute abend in dankbarer Erinnerung anschauen.
    Einige von Euch haben auch diese DVD. Sie werden mich bestimmt ein wenig verstehen, was ich mit meinem Beitrag ausdrücken wollte und warum ich Orofino so sehr mag und ihn verehre.
    Danke für Eure Geduld und Aufmerksamkeit und herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Hallo,


    ich habe die Beiträge Nr. 149, Absatz 3 bis Ende, Nr. 151, Absatz 2 und Nr. 153, ohne 1. Satz (alle nat. ohne Nicknamen usw.) , an die Nürnberger Intendanz per E-Mail, unter allgemeiner Quellenangabe, weitergeleitet.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo allerseits,


    alle nat. ohne Nicknamen usw.


    es spielt zwar hier keine Rolle, aber jeder, der hier schreibt, sollte sich im klaren darüber sein, dass ich nur den entsprechenden Text in das Suchfeld z.B. bei Google einzugeben brauche um den Nickname herauszufinden.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber Crissy,


    auch für meine Frau und mich war es immer ein besonderes Ereignis, wenn wir in die Oper gehen konnten. Eine Abwechslung vom Alltag, in die wir in gehobener Stimmung gingen und aus der wir früher auch immer in gehobener Stimmung nach Hause kamen, bis es mit den Verunstaltungen begann und wir enttäuscht das Opernhaus verließen. Schließlich haben wir dann unser Abonnement gekündigt und gehen nur noch sehr selten in die Oper, wenn wir uns zweifelsfrei darauf verlassen können, dass diese weder ge"loy"tert, noch "marthalerisiert", "gestöpplert","beitorrerisiert" öder etwas Ähnliches ist. Schade, dass man als normaler Opernfreund von solchen Typen aus dem Opernhaus geekelt wird. Als Ersatz muss uns heute in der Regel die DVD dienen, auf der man von den meisten Opern noch in der Regel auch eine gescheidte Fassung findet. Ab und zu bietet ja auch das Fernsehen noch eine anschaubare Inszenierung. Leider findet sich bei dem Sender, der sich großspurig ZDF-Kultur bezeichnet, und von uns mitfinanziert wird, von Kultur keine Spur mehr.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Chrissy,


    habe soeben Deinen Beitrag 154 gelesen. Ich freue mich, daß auch Du dazu stehst, zu bestimmten Aufführungen nicht nur in Erinnerungen zu schwelgen, sondern diese auch im Tamino öffentlich zu machen. Ich hatte ja ähnliches mit meinem Rosvaenge 1957 geschildert.


    Solche Augenblicke, ja ganze Aufführungen und Konzerte, in denen man meint, die Bodenhaftung zu verlieren, die begleiten einen ein ganzes Leben. Es werden immer solche Momente sein, wo man im Publikum das Gefühl hat, daß auch die oben auf der Bühne merken "heute läuft etwas ganz Besonderes". Davon lebt die Musik. Deshalb gehe ich in die Oper oder ins Konzert.


    Wenn ich ein Theater mit der Faust in der Hosentasche verlasse, bleibt das natürlich auch im Gedächtnis. Aber deshalb war ich ja nicht hingegangen! Leider bleibt festzustellen, daß es auch in der Oper "Fans" gibt, die nur wegen eines zu erwartenden Skandals hingehen, oder bezahlt werden (die Claque läßt grüßen!!) Stücke zu bejubeln, die ansonsten gnadenlos durchgefallen wären. Leider ist die Presse oft auch einseitig. Ein Eduard Hanslick ist leider nicht in Sicht!!


    Viele Grüße von La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • (...) Ein Eduard Hanslick ist leider nicht in Sicht!!

    Das kommt auf den Standpunkt an. Es gibt doch genügend Beispiele für schriftstellerische Höhenflüge der schreibenden Zunft (ohne das ich jetzt bestimmte Namen nennen könnte), die althergebrachtes verteufeln und den "neumodischen Tüddelkram" andererseits bis in den Himmel loben. Das wäre dann der Eduard Hanslick, nur andersherum... :thumbdown:


    denkt sich der

    .


    MUSIKWANDERER

  • Das kommt auf den Standpunkt an. Es gibt doch genügend Beispiele für schriftstellerische Höhenflüge der schreibenden Zunft (ohne das ich jetzt bestimmte Namen nennen könnte), die althergebrachtes verteufeln und den "neumodischen Tüddelkram" andererseits bis in den Himmel loben. Das wäre dann der Eduard Hanslick, nur andersherum...


    Lieber Musikwanderer. Ich zitiere La Roche aus Capriccio über Theaterschaffende schon vor ca. 80 Jahren: "Sie höhnen das Alte, aber sie schaffen nichts Neues."


    Auch Goethe hat sich im Vorspiel auf dem Theater über Theaterschaffende ausgelassen.


    Und unterschiedliche Standpunkte wird es immer geben. Kaiser Wilhelm - Gott hab ihn selig (grins) - hat auch nach der Salome geglaubt, R. Strauß hat damit seinen Untergnag besiegelt. Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich bei Salome und Elektra beim ersten Mal totales Unverständnis hatte. Inzwischen mag ich sie nicht nur, sondern suche krampfhaft nach einem Opernhaus, wo man diese Opern wieder einmal ohne idiotische Regieeinfälle sehen kann!


    Viele Grüße von La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Echt?
    Elektra?
    Ich kenne das Werk nur von einer DVD.
    Stern Edition.
    Ich liebe Oper, aber das?
    Kann man lieben?
    Warum?
    (Ich meine diese Frage wirklich ganz ernsthaft - Es ist dieselbe Frage, die ich mir stellte, als ich auf 3Sat dieser Tage das Trompetenkonzert von Wallin (?) hörte. Warum will man sowas hören?).
    Oder liegt es nur an genau dieser Aufnahme?
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Wie gesagt kenne ich nur die eine Aufführung. Es ist die Musik, es ist vor allem der Gesang, bzw. die vokale Tonerzeugung.
    In diesem Fall auch die Ausstattung. Alles.
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Lieber Klaus,


    wenn es an der Musik liegt, ist der Fall schwierig. Ich möchte jedenfall dazu raten, erst den Text genau zu studieren. Wenn Dich dann das Drama kalt läßt, hast Du Pech.
    Wenn nicht, dann erwartet Dich eine spannende Entdeckungsreise. Erwarte keine großangelegten Arien, sondern konzentriere Dich einfach nur darauf, zu ergründen, ob die Musik die Handlung erklärt.


    Eigentlich dürfte ich hier nicht ´ob´sagen, sondern ´wie´.


    Wenn Dir auch der Anfang schwerfällt, warte auf das Erscheinen des Orest und höre, was da im Orchster geschieht. Bist Du dann noch dabei, wenn Elektra ihren Bruder erkennt,
    hast Du gerade einen der absoluten Höhepunkte der gesamten Opernliteratur erlebt.


    Doch wie der alte Geheimrat schon sagte: wenn ihr´s nicht fühlt, ihr werdet´s nie erjagen.


    Waidmans Heil
    hami1799

  • Mein lieber Klaus2,


    bitte glaube mir, man kann (und soll/muss) dieses Werk lieben. Als ich diese Oper in meinen jungen Tagen ohne Vorbereitung erlebt habe, war ich wie auf den Kopf geschlagen. Unter dem Dirigat von Karl Böhm sangen Birgit Nilson und Leonie Rysanek. Es war ein Stimmen- und Orchesterorkan ohnegleichen. Ich habe so etwas nachher nie mehr gehört. Ich hörte nachher noch etliche Elektras - schöne, dramatische, laute - aber nie mehr so intensive.


    Daher sage ich: man kann !!!


    Ein Tipp zum vielleicht leichteren musikalischen Zugang: Christa Ludwig und Walter Berry in der "Erkennungsszene" kann zum Einhören bzw. Annähern an dieses nicht so leicht zu fassende Werk helfen.



    Liebe Grüße aus Wien -


    Erich

  • Lieber Erich,


    jetzt bist Du mir schon zum zweiten Mal bei Klaus begegnet und gibst mir Schützenhilfe. Freut mich ungemein.


    Man müßte glauben, die Elektra würden jeden gleich in Ekstase versetzten, aber ich hatte als junger Mensch auch keinen unmittelbaren Zugang zu ihr gefunden. Jetzt ist sie für mich das non plus ultra aller Strauss-Opern, fürs Gemüt nehme ich mir aber doch Die Frau ohne Schatten vor.


    Viele Grüße aus Stockholm
    hami1799

  • fürs Gemüt nehme ich mir aber doch Die Frau ohne Schatten vor.


    Hallo hami1799,


    ich habe eine Decca-Kassette mit 4 LPs (schon Stereo) mit den Wiener Phil. unter Karl Böhm usw.
    Wenn ich das Projekt franz. Orgelmusik zu Ende gebracht habe, dann kommt "Die Frau ohne Schatten". Für die 1. Seite der 1. LP habe ich vor vielen Jahren eine sehr ins Detail gehende Beschreibung (3 DIN A4 Schreibmaschinenseiten) gemacht, aber nicht fortgeführt - ich muss das stark kürzen, indem ich die Anzahl der Musikbeispiele drastisch verringere und eben dann "weiter mache". (Durch diese "Ankündigung" bringe ich mich selber in Zugzwang, es zu tun, die Faulheit zu überlisten - es gibt so unendlich viele Musik, bei der es sich lohnt, ins Detail zu gehen.)


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Allen anderen Meinungen zum Trotz - es ist eine fürchterliche, schreckliche, angsteinflößende Musik, aber aufwühlend, emotional ansprechend, begeisternd. Ganz wie man will. Die Begrüßungsszene des Orest - wie schon angegeben, ist eine zarte, berührende Musik. Immer steht die Frage, ob ich die Musik verstehe oder nicht verstehen (will). Gerade in der Elektra kann einen die Wucht der Musik, sowohl in den Orchesterpassagen als auch bei Gesangspassagen umhauen. Aber sie steht immer im Einklang zur Handlung, zum Text von Hoffmannsthal.


    Obwohl die Oper einen grausamen Hintergrund hat, passiert im Prinzip auf der Bühne kein Mord, es wird nur darüber geredet oder man hört im Hintergrund Klythemnestra schreien, wenn Orest sie tötet. Und Elektra hat keinen anderen Gedanken, als daß sie vergessen hat, ihm das Beil zu geben, mit welchem ihr Vater getötet wurde. Und wenn Elektra ihre Rachegedanken hat, wenn sie mit Ihrer Mutter spricht und deren schlechte Träume ausnutzt, das alles ist für mich tolle Musik. Ich muß gestehen, daß ich auch etwa 20 Jahre gebraucht habe, bis ich überhaupt zu Richard Strauß gefunden habe. er ist nunmal nicht so eingängig wie Verdi, die Verismo-Komponisten oder die Belcanto-Erzeuger. Deshalb werden sich die Geister immer wieder scheiden an R. Strauß.


    Als ich einmal einer Bekannten sagte, daß ich in die Semperoper zu einer Oper von R. Strauß fahre, meinte sie:"Schön, herrlich diese Walzer, ich mag Strauß." Sie war richtig enttäuscht, daß ich nicht den Johann meinte. Den Richard kannte sie gar nicht. Er ist eben etwas für Menschen, denen sich seine Musik erschlossen hat. Sonst steht man vielleicht doch daneben. Aber man muß sich bemühen, ihn zu verstehen, und das kann durchaus Zeit in Anspruch nehmen


    Viele Grüße von La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber Zweiterbass,


    da bin ich bass erstaunt. Viel Sopran :no: . Nun muß ich zugeben, dass ich wenig analytisch an die Musik rangehe und daher zwangsläufig weniger kritisch. Was mich bei Der Frau ohne Schatten,
    abgesehen natürlich von der Musik, so fasziniert, ist eben die Tatsache, dass ich die Handlung nicht ganz begreife. Deswegen wird es mir dabei nie langweilig. Strauss ist für mich großes Orchester
    in allen seinen schillernden Farben und in seiner Vielfalt des Ausdrucks, wenn auch manchmal der (Edel) Kitsch hinter der Hecke lauert, wie in der Arabella.


    Wir werden uns vielleicht über diesem Gebiet hoffentlich noch öfter treffen.


    Viele Grüße
    hami1799

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Man müßte glauben, die Elektra würden jeden gleich in Ekstase versetzten, aber ich hatte als junger Mensch auch keinen unmittelbaren Zugang zu ihr gefunden. Jetzt ist sie für mich das non plus ultra aller Strauss-Opern, fürs Gemüt nehme ich mir aber doch Die Frau ohne Schatten vor.


    Lieber Hami1799,


    ich gebe Dir völlig recht. Musikalisch steht die Frau ohne Schatten ganz vorne. Leider ist sie infolge der immensen Aufwendungen an Solisten (5 Hauptrollen!!) und für das riesengroße Orchester nur eine Oper für die großen Opernhäuser.


    Viele Grüße La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    Du hast ganz recht, leider wird sie allzu selten gespielt.
    Ich selbst habe sie aber schon dreimal auf der Bühne erlebt. Zweimal in Stockholm mit Nilsson als Färberin, Siv Wennberg als Kaiserin und Walter Berry als Barak.


    Dann noch in München, ich glaube es war 1972. Leider ist mir die Besetzung nicht mehr in Erinnerung, ich glaube zwar Hans Hopf sang den Kaiser, doch der war da schon über Sechzig.
    (ach, ich seh´s jetzt, erst 56 war er)


    Davon schwärme ich immer noch. Und Hans Hopf, war er nicht der beste Kaiser überhaupt?


    Gebt mir bitte Bescheid, ob ihr das abspielen könnt. In Schweden gelten anscheinend etwas andere Rechte.



    Viele Grüße
    hami1799

  • Lieber Hans


    Ich habe das von dir eingestellte Video abspielen können. Einfach wunderbar, diese Stimme. Hast du den Artikel gelesen, den ich gestern unter "Wege aus der Regietheaterkrise" eingestellt habe? Dort befasst sich der Rezensent mit der derzeitigen Stimmenmisere und versucht den Gründen nachzugehen. Alles Argumente, die wir hier im Forum schon mehrfach gebracht haben.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich habe die Frau ohne Schatten schon einige Male an der Rheinoper und am Aalto Theater in Essen gesehen. Im April und Juni steht die Frau ohne Schatten , mit sehr guter Besetzung, wieder auf dem Spielplan der Rheinoper ( diesmal in Düsseldorf ).

  • Einfach wunderbar, diese Stimme.


    Lieber Gerhard,


    von der Musik sagst Du nichts?


    Ich habe den Artikel gelesen. Die Regisseure als Stimmenmörder. Ja, wenn´s nur die Regisseure wären.
    Da gab es doch einmal einen gewissen Georg Solti, der die Kundry alias Christa Ludwig, so lange den berühmten Schrei wiederholen ließ, bis ihre Stimmbänder im Eimer waren.


    Liebe Grüße
    hami1799

  • Die Begeisterung geht mit mir durch.


    Hier noch das jubelnde Finale, der versteinerte Kaiser darf wieder leben, gerettet durch den Verzicht der Kaiserin, sich ihr Glück durch das Unglück anderer zu erkaufen.



    Die gleiche Aufführung von 1955 mit Böhm am Pult und Rysanek als Kaiserin.


    Ich kann mich noch gut erinnern, nach dem Finale wollte ich nicht mehr nach Hause gehen sondern alles noch einmal hören.

  • Ich werde sie mir demnächst noch mal anschauen/anhören. Versprochen!
    Wenn Ihr Euch schon zusammenrottet, um mich zu überzeugen ;)
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Lieber Hans,


    was soll ich noch zur Musik sagen? Ich liebe gerade die Frau ohne Schatten von allen Strauss- Opern mit am meisten. Ich habe vor Jahren eine wundervolle Aufführung gesehen und habe mir auch in diesem Jahr die Salzburger Inszenierung angehört, aber nur angehört, weil das, was da auf der Bühne geschah, nicht mit anzusehen war. Dazu habe ich damals auch schon einiges gesagt, aber das war noch vor deinem Eintritt ins Forum. Obwohl der Sänger des Kaisers in Salzburg nicht unbedingt schlecht zu nennen war, übertrifft ihn Hans Hopf bei weitem.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Gebt mir bitte Bescheid, ob ihr das abspielen könnt. In Schweden gelten anscheinend etwas andere Rechte.



    Lieber Hami1799,


    kein Problem, Deine Youtube auf meinem Computer abzuspielen.


    Live habe ich "Die Frau ohne Schatten" leider auch nur in Dresden erleben können, vor etwa 10-12 Jahren. Vom Bühnenbild war ich enttäuscht - es war nichts märchenhaftes, alles quadratisch-praktisch-gut.


    Aber die Musik!!!! John Tomlinson war der Färber, Luana de Vol sein Weib. Johan Botha machte den Kaiser (ich glaube nicht, daß es einen besseren zu dieser Zeit gab) und Cheryl Studer seine Kaiserin (die war damals auch noch recht gut). Und Hanna Schwartz war die Ammen. Selbst der Geisterbote war mi Ketelsen überdurchschnittlich gut besetzt. Dazu die wunderbare Dresdner Staatskapelle (sie war ja das Lieblingsorchester von Richard Strauß, seine Wunderharfe) unter Giuseppe Sinopoli. Vier Stunden Euphorie. Ich bin dann ca. 6 Monate später nochmals reingegangen.


    Was man jetzt im Fernsehen aus Salzburg sehen konnte, war die Zeit nicht wert.


    Aber es ist ja alles Ansichtssache!!


    Freundliche Grüße ins Schwedische aus Gera in Thüringen von La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    da hatte ich mehr Glück.


    Sowohl in München wie auch in Stockholm wurden die Märchenfassungen gegeben. Dafür danke ich dem Himmel.


    Viele Grüße
    hami1799

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose