Konservative Opernaufführung - was bedeutet das? (2. Versuch)

  • Liebe Taminoianerinnen und Taminoianer,


    der erste (von Alfred gestartete) Versuch dieses Threads ist leider in einen ähnlichen Zustand geraten wie manch anderer Thread, in dem über das sog. Regietheater diskutiert wird. Ich finde das schade, weil ich die Leitfrage des Threads für sehr interessant halte.


    Zwar war die Diskussion im ersten Thread - so man sie eine solche nennen will - sehr rege und hat sich positiv auf die Anzahl der Postings in diesem Forum ausgewirkt, doch liegt mir in letzter Zeit viel mehr am Wiegen als am Zählen. Ich würde mich freuen, wenn es uns gemeinsam gelänge, hier einige sachliche Beiträge zum Thema zusammentragen zu können.


    Konservative Opernaufführung - was bedeutet das? Wie jede und jeder in diesem Forum weiß, kommt "konservativ" von "conservare", was in etwa so viel wie "erhalten, bewahren" bedeutet.


    Manche Aspekte kann oder will man ja heute nicht mehr erhalten (Kastraten, Kerzenlicht, originaler Stimmton), andere Dinge wie die Musik wurden kaum angetastet (sieht man von den teilweise verheerenden Kürzungen ab, die manches Meisterwerk erleiden musste). Also muss man diskutieren, was erhalten werden soll, was erhalten werden muss, und wo man eventuell auch bereit ist, abzuweichen.


    So lade ich ein, gemeinsam einen 1. Schritt zu gehen und miteinander hier festzuhalten, welche Aspekte des Librettos, der Partitur und der dort enthaltenen Regieanweisungen bewahrt werden sollen. Bitte also nicht gleich in eine Negativabgrenzung verfallen à la "eine Verlegung ins 20. Jhd. ist unstatthaft", sondern positiv: "Zu Bewahren ist die Zeit der Handlung". Bitte auch nicht gleich mit Beispielen oder Negativbeispielen aufwarten ("Verdis Maskenball zeigt, dass der Ort der Handlung nebensächlich ist"), sondern dies einer späteren Phase der Diskussion vorbehalten.


    Was also soll bei einer konservativen Opernaufführung erhalten werden? Vielleicht ist es gut, mit einfachen Dingen zu beginnen wie Text, Musik, Opernhaus, Zuhörer usw.

  • Manche Aspekte kann oder will man ja heute nicht mehr erhalten (Kastraten, Kerzenlicht, originaler Stimmton)


    Ich stimme Dir nur bei den Kastraten zu - Kerzenlicht und originaler Stimmton werden in der HIP-Szene mitunter berücksichtigt. Das Kerzenlicht zwar nur sehr selten, aber immerhin. Mein Ideal einer Barockoper findet natürlich bei Kerzenlicht statt.


    Ich wünsche mir eine Wiederbelebung der historischen Aufführungspraxis auch auf der Bühne. Ansätze dazu gibt es ja, aber so richtig durchgesetzt hat es sich noch nicht.

  • Hallo kurzstückmeister,


    welche Aspekte für mich wichtig sind, habe ich schon im ersten Versuch gesagt und will sie hier nicht wiederholen. Leider - und da hast du Recht - gibt es immer wieder Leute, die völlig vom Thema abweichen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • So lade ich ein, gemeinsam einen 1. Schritt zu gehen und miteinander hier festzuhalten, welche Aspekte des Librettos, der Partitur und der dort enthaltenen Regieanweisungen bewahrt werden sollen
    Die Partitur bildet den dichtesten und strengsten Teil einer Oper. Eingriffe in derselben sind kaum vorstellbar z.B. durch Kürzungen oder Umbau der Reinfolge (obwohl diese Felsenstein in der Hochzeit des Figaros im 4. Akt unternahm). Ob das auch für Barockopern gilt, sei erstmal ausgeklammert.


    Jetzt zur Frage welche Aspekte des Librettos, der Partitur und der dort enthaltenen Regieanweisungen bewahrt werden sollen.
    Die Antwort auf die Frage ist im Einzelfall leichter zu diskutieren.
    Allgemein:
    Vor allem die lebendige Auseinandersetzung mit dem Werk soll vor allem bewahrt also „konserviert“ werden, indem die Regie Partitur, Text und enthaltener Regieanweisung durch ihre Interpretation gewichtet.


    Konkreter:
    Wenn wir beim Beispiel des Otellos bleiben; indem also die Oper Otello sich nicht erschöpft zur bloßen Story eines schwarzen Feldherrns, „der nach dem Sieg über die Türken auf Zypern seine Gattin wegen vermeintlichem Ehebruch umbrachte und sich, als er seinen Irrtum erkannte, selber richtete“
    Sondern weitere Schichten durch die Gewichtung der Regie zwischen Partitur, Text und Regieanweisung zum Einstand gebracht werden z.B. mit dem Ziel musikalische Zusammenhänge neu erfahrbar werden zu lassen..


    z.B. zu gestalten, wie im Laufe des Musik-Dramas das „Glück“ Otellos und Desdemonas sich nach und nach in einem Sog verflüchtigt, die Musik vergeblich versucht sich dem entgegenzustemmen;
    z.B. mit scheinbar so schlichten Akkorde nach dem Ave Maria vor Einsatz der Kontrabässe, die Echos des Englisch Horns und dem dritten fehlenden des Weidelieds.
    Die Oper Otello geriete dann zum „Memento“ des Zerfalls von Beziehungen, im extrem auch des Zerfalls von Zeit (darin nicht ganz unähnlich zuweilen der doch anders gestrickten Oper Falstaff) .... oder z.B. eine „philosophische“ Dimension (versehen mit manchmal typischen Größenwahn aus dieser Sphäre), die musikalisch und textlich in der Gestalt des Jagos – nicht nur im Credo – gezeichnet ist. Auch die politische Dimensionen des Stücks.


    Das soll nicht als einzige Lesart des Otellos ausgewiesen werden.


    Und vor allem Zusammenhänge, die dem Hörer bisher noch verborgen geblieben sind.


    Um diese Schichten in einer Regie zu vermitteln, ist es vorstellbar, sich der vorgegebenen zeitlichen Fixierung zu verweigern (also bestimmte "enthaltenen Regieanweisungen "zu ignorieren), um die Aufmerksamkeit auf ganz bestimmte Aspekte und Zusammenhänge der Partitur und des Textes zu fokussieren, die bei Versteifung auf enthaltene Regieanweisungen unterm Tisch fielen, aber gleichfalls zur Substanz des Werkes als zugehörig anzusehen sind. Im ganz extremen Momenten könnte Regie sich zu Weilen sogar selbst auf eine Grenzwert zurücknehmen, indem Regieanweisungen erst gar nicht umgesetzt werden, um sich nicht zwischen von Vermittlung von Musik/Text zu stellen.


    (Übrings würde ich vermutlich die Vorbehalte M. Johos gegen die Castorfsche Otelloregie, bei Kenntnis derselben teilen. Aber nicht ausschließlich mit der Begründung "Verweigerung des Gefühls."
    Sondern weil sie vermutlich (!) das sehr komplexe Werk unzulässig banalisiert bzw. verkleinert und zum möglicherweise schlechteren Reversbild mancher unsäglicher sog. „traditioneller“ Inszenierungen gerät..)
    :hello:


  • Vor allem die lebendige Auseinandersetzung mit dem Werk soll vor allem bewahrt also „konserviert“ werden, indem die Regie Partitur, Text und enthaltener Regieanweisung durch ihre Interpretation gewichtet.
    [...]
    Im ganz extremen Momenten könnte Regie sich zu Weilen sogar selbst auf eine Grenzwert zurücknehmen, indem Regieanweisungen erst gar nicht umgesetzt werden, um sich nicht zwischen von Vermittlung von Musik/Text zu stellen.


    Zu den Regieanweisungen:
    "Gewichtung" ist ja ein lustiger Euphemismus für "nicht-Beachtung".
    Wer stellt sich jetzt zwischen von von was?
    ;)

  • Natürlich, Amfortas, spielen im Otello noch viele weitere Aspekte eine Rolle, die bisher nicht genannt wurden.


    So könnte man die Beweggründe der eigentlichen Hauptfigur Jago des Nihillisten verdeutlichen, man könnte die Problematik der Beziehung des älteren Mannes zur wesentlich jüngeren Frau, die daraus bei ihm enstandenen Komplexe herausarbeiten usw., usw..


    Warum aber all dieses bei entsprechender Personenführung in den, zumindest mich, aesthetisch wesentlich mehr ansprechenden durch das Libretto und den Stoff vorgegebenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen nicht möglich sein soll, ist eine für mich unbeantwortete Frage. Als einzigen Grund würde ich sehen, dass man dem Zuschauer die notwenige Abstraktionsfähigkeit und Phantasie abspricht oder dass eventuell der Regisseur zu bequem ist, die entsprechenden architektonischen Studien, das Studium der Kleidung der damaligen Epoche usw. vorzunehmen.


    Es wird ja wohl (wenn man von bewusster Provokation absieht) kaum darum gehen, etwas Neues um des Neuen willen auf die Bühne zu stellen (wobei die Veränderung von Ort und Zeit nun wahrlich nichts mehr Neues ist). :?:

  • Lieber Amfortas09, lieber m.joho,


    so sehr ich Eure Beiträge schätze, so sehr würde ich in diesem Thread gerne eng beim Thema bleiben und noch keine Beispiele diskutieren wollen. Lasst uns erst einmal die Thesen fixieren, bevor wir sie an Beispielen durchdeklinieren.


    So lade ich ein, gemeinsam einen 1. Schritt zu gehen und miteinander hier festzuhalten, welche Aspekte des Librettos, der Partitur und der dort enthaltenen Regieanweisungen bewahrt werden sollen. Bitte also nicht gleich in eine Negativabgrenzung verfallen à la "eine Verlegung ins 20. Jhd. ist unstatthaft", sondern positiv: "Zu Bewahren ist die Zeit der Handlung". Bitte auch nicht gleich mit Beispielen oder Negativbeispielen aufwarten ("Verdis Maskenball zeigt, dass der Ort der Handlung nebensächlich ist"), sondern dies einer späteren Phase der Diskussion vorbehalten.


    Was also soll bei einer konservativen Opernaufführung erhalten werden? Vielleicht ist es gut, mit einfachen Dingen zu beginnen wie Text, Musik, Opernhaus, Zuhörer usw.


    Danke für Euer Verständnis.

  • Zitat

    Warum aber all dieses bei entsprechender Personenführung in den, zumindest mich, aesthetisch wesentlich mehr ansprechenden durch das Libretto und den Stoff vorgegebenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen nicht möglich sein soll, ist eine für mich unbeantwortete Frage. Als einzigen Grund würde ich sehen, dass man dem Zuschauer die notwenige
    Abstraktionsfähigkeit und Phantasie abspricht oder dass eventuell der Regisseur zu bequem ist, die entsprechenden architektonischen Studien, das Studium der Kleidung der damaligen Epoche usw. vorzunehmen.

    Das hat nichts mit mangelnder Fantasie der Besucher zu tun. Denn:


    1. Die Gewichtung und die von dir erwähnten Realien, überlagern bereits erfahrungsgemäß optisch viel zu stark, was außerhalb dieser Oberfläche im Otello zu gestalten wäre.
    2. Die praktische Efahrung zeigt, dass historische Kostüme oft den Charakter von "faulen Zauber" anehmen. Unfreiwillig komisch in einem Florenzer Trubadors aus den 70gern. Verstärkt durch konventionelle Operngesten gearät das zur Satire. Dazu ist mir das Werk Otello zu schade und auch das geniale frühere Werk Trubador.
    3. Der Otello ist in der Perspektive des 19. Jahrhunderts entstanden und nicht aus der des elisabethanischen Theaters.

    Zitat

    Es wird ja wohl (wenn man von bewusster Provokation absieht) kaum darum gehen, etwas Neues um des Neuen willen auf die Bühne zu stellen (wobei die Veränderung von Ort und Zeit nun wahrlich nichts mehr Neues ist). :?:

    Ja, natürlich nicht, sondern was in der Oper Otello noch zu "entdecken" wäre z.B. "man könnte die Problematik der Beziehung des älteren Mannes zur wesentlich jüngeren Frau, die daraus bei ihm enstandenen Komplexe herausarbeiten oder So könnte man die Beweggründe der eigentlichen Hauptfigur Jago des Nihillisten verdeutlichen" und noch eine ganze Menge mehr, was ich nicht weiss (nebenbei, für mich ist Jago nicht die Hauptfigur) und warum sollte es nicht möglich sein, das auch aus der Perspektive der Gegenwart zu zeichnen, ohne das damit gefordert wäre es ausschließlich in dieser Weise in Szene zu setzen..


    Zitat

    Zu den Regieanweisungen:
    "Gewichtung" ist ja ein lustiger Euphemismus für "nicht-Beachtung".
    Wer stellt sich jetzt zwischen von von was?;)

    diese Anmerkung zeugt vom Desinteresse an ernsthafter Diskussion.


    Zitat

    Lasst uns erst einmal die Thesen fixieren, bevor wir sie an Beispielen durchdeklinieren.

    Momentan denke ich, Berücksichtigung oder auch die Distanz von Thesen erweist sich am konkreten Fall. Die Fixierung von Thesen ohne konkreten Bezug zum deren Gegenstand birgt - für mich - sehr die Gefahr von Pauschalisierungen.



    :hello:

  • diese Anmerkung zeugt vom Desinteresse an ernsthafter Diskussion.
    :hello:


    Also den Satz
    "Im ganz extremen Momenten könnte Regie sich zu Weilen sogar selbst auf eine Grenzwert zurücknehmen, indem Regieanweisungen erst gar nicht umgesetzt werden, um sich nicht zwischen von Vermittlung von Musik/Text zu stellen."
    habe ich tatsächlich nicht verstanden. Was soll sich nicht zwischen was stellen?


    Und die "Gewichtung" ist tatsächlich ein Euphemismus, wenn die Angaben darüber, wie ein Werk auf der Bühne aussehen soll, ignoriert werden.
    :hello:

  • Sorry. :)
    habe ich tatsächlich nicht verstanden. Was soll sich nicht zwischen was stellen?;
    das Bild, die Aktion stellt sich zwischen Musik/Text.
    Und die "Gewichtung" ist tatsächlich ein Euphemismus, wenn die Angaben darüber, wie ein Werk auf der Bühne aussehen soll, ignoriert werden.
    Ja Ignorierung zu Gunsten der Gewichtung von Musik oder Text, wenn es die Vermittlung bzw. die Bedeutung der Partitur und des Text erfordern bzw. im extrem zu Gunsten der Musikdramas im ganzen. Und es wurde auch nirgends gefordert, dass Anweisungen per se zu ignorieren seien.
    :hello:

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  • habe ich tatsächlich nicht verstanden. Was soll sich nicht zwischen was stellen?;
    das Bild, die Aktion stellt sich zwischen Musik/Text.


    Also das im Libretto geforderte Bild soll sich nicht zwischen Musik und Text stellen?
    In "konservativer Auffassung" hat an dem geforderten Bild aber nicht gezweifelt zu werden.
    Das gehört dazu.
    Nach meinem Verständnis von der "konservativen Opernaufführung", nach der im Thread gefragt wird.


    Um zu verstehen, was der Librettist meinte, als er seine Anweisung schrieb, ist wohl ein Studium der Gepflogenheiten des Theaterbetriebes zur Zeit des Librettisten sinnvoll. Womit dann die Argumente, dass man das nicht alles genauso machen kann, wie es manchmal im Libretto steht, sich erübrigen sollten.


    Dass unter "Interpretation" der Regieanweisungen nicht "Neudeutung des Stoffes" gemeint ist, wäre dann noch eine Konkretisierung des Begriffes von der "konservativen Opernaufführung". Dass hier niemand eine unanfechtbare Definition gebären wird, sollte aber auch klar sein.

  • Also das im Libretto geforderte Bild soll sich nicht zwischen Musik und Text stellen?
    ja, wenn es die spezifische Szene erfordert. Bitte das nicht als globale These meinerseits misszuverstehen.


    In "konservativer Auffassung" hat an dem geforderten Bild aber nicht gezweifelt zu werden.
    Es kommt darauf an was davon eher zu bewahren gilt in den Abschnitten der Realisierung eines Musikdramas: Musik oder Bild oder Text oder "Sinn" oder " Message" des Artefaktes ?


    Das gehört dazu.Nach meinem Verständnis von der "konservativen Opernaufführung", nach der im Thread gefragt wird.
    Gehört dazu, bildet aber nicht den einzigen Bestandteil einer Oper und steht zur Musik und Text zuweilen konträr.

    Um zu verstehen, was der Librettist meinte, als er seine Anweisung schrieb, ist wohl ein Studium der Gepflogenheiten des Theaterbetriebes zur Zeit des Librettisten sinnvoll. Womit dann die Argumente, dass man das nicht alles genauso machen kann, wie es manchmal im Libretto steht, sich erübrigen sollten.

    ist sicherlich sinnvoll. Es geht aber weniger um die Frage was Komponist/Librettist wollten, sondern was das Werk zu "sagen" hat.


    Dass unter "Interpretation" der Regieanweisungen nicht "Neudeutung des Stoffes" gemeint ist, wäre dann noch eine Konkretisierung des Begriffes von der "konservativen Opernaufführung". Dass hier niemand eine unanfechtbare Definition gebären wird, sollte aber auch klar sein.
    Ja unanfechtbar sicherlich nicht. Es geht nicht um die Interpretation von Regieanweisungen, sondern um die Interpretation des Werkes, das aus Noten, Text und Regieanweisungen sich zusammensetzt.
    :hello:

  • Es kommt darauf an was davon eher zu bewahren gilt in den Abschnitten der Realisierung eines Musikdramas: Musik oder Bild oder Text oder "Sinn" oder " Message" des Artefaktes ?


    Da aber bei dem Versuch, die Message eines Kunstwerkes zwecks schärferen Einschlages in eine Verwandte zu transformieren, für den Freund der konservativen Opernaufführung schon zuviel zerstört wird, was für bewahrenswert ohne die Message unverständlich werden zu lassen erachtet wird, kommt für den Freund der konservativen Opernaufführung die Opferung des Bildes nicht in Betracht. Der Freund der konservativen Opernaufführung nimmt als Grundlage seiner Konzeption den Betrachter, der nach Belieben selbst denken kann oder sich informieren, weshalb die Message im originalen Bild immer als verständlich angenommen wird.

  • Zitat

    Da aber bei dem Versuch, die Message eines Kunstwerkes zwecks schärferen Einschlages in eine Verwandte zu transformieren,

    Es geht nicht um Transformation, sondern zunächst um Herausarbeitung der Message. Die Herausarbeitung einer "unverwandten", "fremden" Message kann möglicherweise einen wesentlich stärkeren Einschlag erfordern.

    Zitat

    Der Freund der konservativen Opernaufführung nimmt als Grundlage seiner Konzeption den Betrachter, der nach Belieben selbst denken kann oder sich informieren, weshalb die Message im originalen Bild immer als verständlich angenommen wird.

    Das unterstellt, das im Kunstwerk sinnliche Erscheinung und Message immer identisch wären bzw. sich ständig im Einklang befänden. Das Gegenteil ist der Fall.
    :hello:

  • Es geht nicht um Transformation, sondern zunächst um Herausarbeitung der Message.

    Was für den einen die "Herausarbeitung der Message" ist für den anderen die "Veränderung der Message".


    Zitat

    Das unterstellt, das im Kunstwerk sinnliche Erscheinung und Message immer identisch wären bzw. sich ständig im Einklang befänden. Das Gegenteil ist der Fall.

    Es unterstellt nur, dass der angenommene Betrachter die Message auch in ihrem vorgesehenen Bilde erkennen kann. Ob das Kunstwerk selbst in sich stimmig ist, ist eine andere Frage, das Bild als Bestandteil des Kunstwerks aber schlicht gegeben und hinzunehmen. Die Vorstellung von Identität der Erscheinung und der Botschaft ist zunächst völlig unsinnig - was soll das heißen?

  • Was für den einen die "Herausarbeitung der Message" ist für den anderen die "Veränderung der Message".
    Ich denke da wurde genügend Beispiele dokumentiert (z.B. von Wolfram), die diese Beliebigkeit in Frage stellen.


    genau die ist unsinnig. Das hatte ich ja betont. Deshalb handelt es bei "die Message im originalen Bild immer als verständlich angenommen wird." um eine Selbsttäuschung seitens des "Freunds der konservativen Opernaufführungen"


    Sie kann gar nicht immer "verständlich" sein, wenn keine unmittelbare "Identität von Erscheinung und der Botschaft" im Kunstwerk existiert.


    "Ob das Kunstwerk selbst in sich stimmig ist, ist eine andere Frage"
    Nein, sondern das ist eine ganz wichtige Frage, die auch in diesem Thread zu berücksichtigen wäre und deshalb gilt auch nicht automatisch dass" das Bild als Bestandteil des Kunstwerks aber schlicht gegeben und hinzunehmen." wäre.
    :hello:

  • genau die ist unsinnig. Das hatte ich ja betont. Deshalb handelt es bei "die Message im originalen Bild immer als verständlich angenommen wird." um eine Selbsttäuschung seitens des "Freunds der konservativen Opernaufführungen"


    Sie kann gar nicht immer verständlich sein, wenn es keine unmittelbare Identität der Erscheinung und der Botschaft im Kunstwerk existiert.


    Diesen Schluss kann ich nicht nachvollziehen. Dein Schluss würde ja bedeuten, dass eine Botschaft nur dann verstanden werden könnte, wenn sie unverschlüsselt, ungestaltet, quasi "rein" verabreicht wird. Das kannst Du aber eigentlich auch nicht meinen, dann würde Opernregie der modernen Sorte ja gar keinen Sinn mehr machen.


    Dein letzter Satz ist leider wieder grammatikalisch so falsch, dass ich raten muss, was gemeint ist. Ein bisschen mehr Zeit beim Verfassen der Beiträge könntest Du Dir schon nehmen.


    Warum ist es "Selbsttäuschung", wenn der Freund der konservativen Opernaufführungen meint, dass die Botschaft auch im vorgesehenen Bild wahrgenommen werden kann? (Unter Voraussetzung eines denken- und nachlesen-könnenden Betrachters)?

  • Zitat

    Diesen Schluss kann ich nicht nachvollziehen. Dein Schluss würde ja bedeuten, dass eine Botschaft nur dann verstanden werden könnte, wenn sie unverschlüsselt, ungestaltet, quasi "rein" verabreicht wird. Das kannst Du aber eigentlich auch nicht meinen, dann würde Opernregie der modernen Sorte ja gar keinen Sinn mehr machen.

    eben, das wäre ein Missverständnis. Die Pointe besteht doch darin, dass "Botschaft" eines Kunstwerkes in mehr oder weniger "verschlüsselter" Form in der sinnlichen Erscheinung des Kunstwerkes (Ton, Sprache, Bild) sich gestaltet. Das hast du selbst betont mit dem Satz :

    Zitat

    Die Vorstellung von Identität der Erscheinung und der Botschaft ist zunächst völlig unsinnig

    dem ich 100 % zustimme.
    :hello:

  • OK, dann zu dem Teil davor:

    Was für den einen die "Herausarbeitung der Message" ist für den anderen die "Veränderung der Message".
    Ich denke da wurde genügend Beispiele dokumentiert (z.B. von Wolfram), die diese Beliebigkeit in Frage stellen.


    Von "Beliebigkeit" habe ich nichts geschrieben. Über die Kunstfertigkeit und Stringenz der Veränderungen der Messages durch die Vertreter des "Regietheaters" ist hier aber nicht zu verhandeln, da hier die Fragestellung die der konservativen Opernaufführung ist. In der konservativen Opernaufführung hat die Herausarbeitung der Message, sofern überhaupt notwendig oder wünschenswert, innerhalb des vorgesehenen Bildes zu erfolgen. Dies mein Verständnis der "konservativen Opernaufführung" in Zusammenhang mit den Anweisungen, die das Optische betreffen.

  • Zitat

    Von "Beliebigkeit" habe ich nichts geschrieben.

    das finde ich jetzt ungerecht. Denn hast folgendes geschrieben: Was für den einen die "Herausarbeitung der Message" ist für den anderen die "Veränderung der Message".


    Zitat

    Über die Kunstfertigkeit und Stringenz der Veränderungen der Messages durch die Vertreter des "Regietheaters" ist hier aber nicht zu verhandeln, da hier die Fragestellung die der konservativen Opernaufführung ist. In der konservativen Opernaufführung hat die Herausarbeitung der Message, sofern überhaupt notwendig oder wünschenswert, innerhalb des vorgesehenen Bildes zu erfolgen. Dies mein Verständnis der "konservativen Opernaufführung" in Zusammenhang mit den Anweisungen, die das Optische betreffen.

    es geht doch nicht um die Vertreter des sog. Regietheaters. Die sind mir momentan etwas schnuppe.
    ich behaupte auch nicht, das mein Verständnis von konservativen Opernaufführungen unanfechtbar wäre.


    Aber dein Verständnis von konservativer Opernaufführung ist - nach meinen Dafürhalten - sehr einseitig, "buchstaben"-bezogen. Es berücksichtigt nämlich nicht z.B. die - von dir indirekt konzedierte - Unstimmigkeit von Kunstwerken.
    :hello:

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  • das finde ich jetzt ungerecht. Denn hast folgendes geschrieben: Was für den einen die "Herausarbeitung der Message" ist für den anderen die "Veränderung der Message".

    Obwohl dieser Satz mir womöglich das Wichtigste zu verdeutlichen scheint, impliziert er dennoch keine Beliebigkeit in der Vorgangsweise der Vertreter des "Regietheaters" (was letzteres jetzt alles andere als das "konventionelle Operntheater" bedeuten möge).


    Zitat

    dein Verständnis von konservativer Opernaufführung ist - nach meinen Dafürhalten - sehr einseitig, "buchstaben"-bezogen. Es berücksichtigt nämlich nicht z.B. die - von dir indirekt konzedierte - Unstimmigkeit von Kunstwerken.

    Es berücksichtigt etwaige Unstimmigkeiten, indem diese erhalten bleiben, insofern auch dem Betrachter erlebbar, was durch eine Ersetzung verlorenginge.

  • Zitat

    Obwohl dieser Satz mir womöglich das Wichtigste zu verdeutlichen scheint, impliziert er dennoch keine Beliebigkeit in der Vorgangsweise der Vertreter des "Regietheaters" (was letzteres jetzt alles andere als das "konventionelle Operntheater" bedeuten möge).

    da bin ich anderer Meinung. Aber lassen wiir mal das so im Dissenz stehen.

    Zitat

    Es berücksichtigt etwaige Unstimmigkeiten, indem diese erhalten bleiben,

    da würde ich deiner Auffassung folgen.. nur ..

    Zitat

    insofern auch dem Betrachter erlebbar, was durch eine Ersetzung verlorenginge.

    was verstehst du mit Ersetzung ?
    :hello:

  • Danke, lieber Kurzstückmeister, für die treffliche Ausarbeitung der ersten Praemisse einer konservativen Opernaufführung:


    In der konservativen Opernaufführung hat die Herausarbeitung der Message, sofern überhaupt notwendig oder wünschenswert, innerhalb des vorgesehenen Bildes zu erfolgen.


    Um einen Schritt weiterzukommen, nachdem ja wohl von niemandem bestritten wird, dass bei der Partitur keine Veränderungen vorgenommen dürfen, möchte ich auf das Stichwort "Natürlichkeit" zu sprechen kommen.


    Ich meine damit, dass die Sängerdarsteller (wenn man schon bereit ist zu akzeptieren, dass die Agierenden singen anstatt zu sprechen) über eine gewisse Natürlichkeit der Körperbewegung verfügen sollten. Dies hat sichin den letzten Jahrzehnten genüber früher, als die stereotypen Operngesten gang und gäbe waren, gewaltig verbessert. Ein wunderschönes Gegenbeispiel, um auch hier wieder konkret zu werden und beim genannten Otello zu bleiben, ist die m.E. verunglückte Verfilmung durch Karajan, in welcher Vickers z.B. mit derart verlangsamten Bewegungen agieren muss, dass jede Natürlichkeit auf der Strecke bleibt und ein verteiftes Eintauchen ins Geschehen zumindest mir verunmöglicht wird.

  • Zitat

    Die Ersetzung der vorhandenen Unstimmigkeit durch eine andere (Un-)Stimmigkeit, die aus der Interpretation des modernen Regisseurs entsteht.

    Die Herausarbeitung vorhandener Unstimmigkeit ist bereits Teil der Interpretation.
    Unstimmigkeiten im Kunstwerk (z.B. zwischen Noten, Text und Regieanweisungen) treten nämlich meistens nicht unmittelbar auf in sinnlicher Erscheinung.
    Außerdem unterstellt diese Behauptung, dass ein (moderner) Regissseur vorhandene Unstimmigkeiten automatisch durch andere Unstimmigkeiten seiner Interpretation ersetzt. Aber er vermag diese auch herausarbeiten und nicht durch andere ersetzen.
    In sog. traditionllen Inszenierungen herrrscht - nach meiner Erfahrung - eher die Tendenz, Unstimmigkeiten in den Werken zuzukleistern ..
    :hello:

  • Zitat

    ist die m.E. verunglückte Verfilmung durch Karajan, in welcher Vickers z.B. mit derart verlangsamten Bewegungen agieren muss, dass jede Natürlichkeit auf der Strecke bleibt und ein verteiftes Eintauchen ins Geschehen zumindest mir verunmöglicht wird.

    da ist sogar der Schwarzweiß-Youtube-String choreographisch werkgerechter geraten. Felsensteins Arbeit ist in dieser Hinsicht geglückter.
    :hello:

  • Ich meine damit, dass die Sängerdarsteller (wenn man schon bereit ist zu akzeptieren, dass die Agierenden singen anstatt zu sprechen) über eine gewisse Natürlichkeit der Körperbewegung verfügen sollten.


    Wenn ich über meine persönlichen Wünsche an die Inszenierung einer alten Oper reden darf ;) würde ich mich bezüglich solcher Forderungen als allgemeingültige etwas zurückhalten. Wie gesagt wünsche ich mir eine "historische Aufführungspraxis" auch auf der Bühne - was im Barock auch die barocke Gestik bedeutet, etwa, dass "sospiro" durch Öffnen der Hände und Schütteln der Schultern dargestellt wird, sicher nicht sehr leicht als natürliche Körperbewegung umsetzbar. Zum barocken "Regiekonzept" gehört womöglich auch die Freiheit des Sängers gegenüber dem Regisseur, da die Gesten zwar ein festes Repertoire darstellen, aber keine fixen Bewegungssequenzen vom Regisseur vorgeschrieben werden. (Leider habe ich noch keine derartige Aufführung gesehen, die Wiederbelebung barocker Bühnenkunst findet aber statt.)

  • Zitat

    Danke, lieber Kurzstückmeister, für die treffliche Ausarbeitung der ersten Praemisse einer konservativen Opernaufführung:
    In der konservativen Opernaufführung hat die Herausarbeitung der Message, sofern überhaupt notwendig oder wünschenswert, innerhalb des vorgesehenen Bildes zu erfolgen.

    Das ist deine und Kurszstückmeisters Prämisse. Wenn das vorhergesehene Bild andere, zum Bild im Kontrapunkt stehnde, wichtigere Elemente der Musikdramas zurückdrängt, also diese nicht bewahrt, würde dieser Tatbestand die Pämisse anfechten.
    :hello:

  • Die Herausarbeitung vorhandener Unstimmigkeit ist bereits Teil der Interpretation.

    Dass das "Herausarbeiten" mitunter als "Verändern" empfunden wird, haben wir jetzt schon ein paar mal in den Editor gesetzt.


    Zitat

    Unstimmigkeiten im Kunstwerk (z.B. zwischen Noten, Text und Regieanweisungen) treten nämlich meistens nicht unmittelbar auf in sinnlicher Erscheinung.

    Wenn eine Unstimmigkeit nicht unmittelbar auftritt, so ist das auch als Bestandteil des Kunstwerks zu akzeptieren aus der Sicht des Freundes der konservativen Opernaufführung.


    Zitat

    Außerdem unterstellt diese Behauptung, dass ein (moderner) Regissseur vorhandene Unstimmigkeiten automatisch durch andere Unstimmigkeiten seiner Interpretation ersetzt. Aber er vermag diese auch herausarbeiten und nicht durch andere ersetzen.

    Das ist eben Auslegungssache.

  • Wenn das vorhergesehene Bild andere, zum Bild im Kontrapunkt stehnde, wichtigere Elemente der Musikdramas zurückdrängt, also diese nicht bewahrt, würde dieser Tatbestand diese Pämisse anfechten.


    Nein, denn der Zustand des Zurückgedrängten möge ebenso bewahrt bleiben, wie die anderen Elemente des Musikdramas. Bei der Bewertung der Wichtigkeit der verschiedenen Elemente des Musikdramas wünscht sich der Freund der konservativen Opernaufführung große Behutsamkeit von Seiten des Regisseurs, dessen Aufgabe nicht ist, die Gewichtung aus der Hand des Komponisten und Librettisten zu revidieren.

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