Ensemblemitglieder der Wiener Staatsoper - ZORYANA KUSHPLER

  • Ich melde mich nach meiner sommerlichen Klassikpause wieder zurück. In unregelmäßigen Abständen werde ich Ensemblemitglieder der Wiener Staatsoper vorstellen. Ich beginne mit Zoryana Kushpler, eine Mezzosopranistin aus der Ukraine. Ich habe sie privat getroffen und dabei dieses Gespräch geführt -


    Ihre Interpretation der „Lola“ in der letzten Aufführungsserie der Cavalleria Rusticana war eine der großen, positiven Überraschungen der letzten Saison. Ein weiterer Schritt ihrer Karriere war somit getan – und die ukrainische Mezzosopranistin hat noch viel vor.


    KV – Frau Kushpler, Sie wurden in Lemberg in der Ukraine geboren. Welchen Stellenwert hatte dort die musikalische Ausbildung für Kinder im Allgemeinen und für Sie im Speziellen?


    ZK – Die Ausbildung war für mich sehr wichtig, da ich aus einer Familie stamme, die sehr musikalisch ist. Mein Vater ist als Opernsänger und Gesangslehrer noch immer aktiv und auch meine Mutter ist eine Musikpädagogin. Somit war es von Anfang aus klar, dass meine um 10 Minuten ältere Zwillingsschwester Olena und ich musikalisch ausgebildet werden. Mit sechs Jahren machten wir beide die Aufnahmsprüfung für eine Spezialschule für musisch begabte Kinder. Diese Schule wurde auch als Internat geführt, damit Kinder, die vom Land kamen, dort wohnen konnten. Andere Schulen in der Ukraine haben Musikunterricht nicht in dem Ausmaß wie diese Spezialschule, allerdings war es zumindest in der Zeit, als ich ein Kind war, noch üblich, dass jedes Kind zumindest ein Instrument lernt.


    KV – Ihre Schwester Olena hat Karriere als Pianistin gemacht, Ihrer Biographie entnehme ich, dass Sie 13 Jahre lang Geige (und Klavier) studiert haben. Wie kam es zur Auswahl der Instrumente?


    ZK – Das war eine Entscheidung unserer Eltern. Sie meinten, dass das Klavier besser zu Olena passte.


    KV – Sie haben sich dann aber später entschieden Sängerin zu werden.


    ZK – Mein Vater schickte mich zu seiner Gesangslehrerin,. Er war nämlich nicht begeistert, dass ich diesen Beruf ergreife. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass dies ein „hartes Brot“ ist.


    KV – Allerdings haben Sie dann bei ihm Gesang studiert. War es schwierig, den eigenen Vater zum Lehrer zu haben?


    ZK – Ja, es war nicht leicht. Ich war erst 18 Jahre alt, die anderen KollegInnen in meiner Klasse waren alle zwischen 23 und 25 Jahre alt, hatten teilweise schon Kinder und eigene Familien. Mein Vater hat mich auch härter angegriffen als die anderen Schüler. Es gibt in der Ukraine ein Sprichwort, das unser Verhältnis gut beschreibt – „Ich liebe Dich wie die eigene Seele und ich schüttle Dich wie einen Birnbaum“. Allerdings muss ich sagen, dass dies für mich sehr wichtig war – und meine Karriere hat sich besser entwickelt als die meiner Klassenkameraden.


    KV – Sie sprechen auch mehrere Sprachen.


    ZK – Ja. Aufgewachsen bin ich natürlich mit Ukrainisch und Russisch. Dann hatte ich Privatunterricht in Englisch, ein wenig Französisch. Auf der Musikhochschule kam dann Italienisch dazu. Zu dieser Sprache habe ich eine besondere Beziehung – und schon nach einem Jahr konnte ich mir durch Übersetzungsarbeiten ein Taschengeld dazuverdienen – an die 100 Dollar pro Woche, für diese Zeiten in der Ukraine sehr viel Geld! Da meine Heimatstadt Lemberg nur 60 km von der polnischen Grenze liegt habe ich irgendwann einmal auch noch polnisch gelernt. Deutsch kam dann hinzu, als ich nach Hamburg gegangen bin. Also kann ich mich in sieben verschiedenen Sprachen verständigen.


    KV – Sie haben Hamburg erwähnt. Sie sind mit 23 Jahren dorthin übersiedelt. Wie kam es dazu?


    ZK – Ein Klavierprofessor aus Deutschland hörte einmal meine Schwester war begeistert und überredete sie nach Hamburg zum Studium zu kommen. Sie müssen wissen, dass Olena nicht nur meine Zwillingsschwester, sondern auch meine beste Freundin ist. Und es war uns beiden von Anfang an klar, dass, wenn eine von uns in den Westen geht, die andere auch mitziehen wird. Ich habe dann in Hamburg mein Gesangsstudium bei Prof. Judith Beckmann fortgesetzt.


    Zu ihr habe ich bis Heute ein sehr inniges Verhältniss.


    KV – Und dann kamen auch noch Meisterklassen bei Berganza, Scotto und Moll hinzu?


    ZK – Ja, und ich muss sagen, dass ich von jedem meiner Lehrer wichtige Dinge gelernt habe. Mein Vater war 1982 in den Vereinigten Staaten an einigen kleineren Häusern engagiert und hat in dieser Zeit die Radioübertragungen aus der Met gehört und mitgeschnitten. Diese haben wir dann zu Hause immer wieder gehört. Daher war mir zum Beispiel Teresa Berganza ein Begriff und es war für mich eine große Ehre mit ihr zu arbeiten. Kurt Moll hat mir einiges über den deutschen Liedgesang beigebracht. Und Renata Scotto habe ich kennen gelernt, als sie dann in Bern Regie führte. Sie hat mich da ins Herz geschlossen und oft nach den Proben noch mit mir geübt.


    KV – Ein bedeutender Schritt für Ihre Karriere war der Gewinn des 1.Preises beim ARD-Wettbewerb in München im Jahr 2000. Wie kam es dazu?


    ZK – Das ist eigentlich eine recht witzige Geschichte. Ich fand durch Zufall einen Flyer für diesen Wettbewerb am Boden der Musikhochschule in Hamburg herumliegen. Da München nicht so weit weg war meldete ich mich an. Es waren dann 4 Runden zu überstehen, 20 Werke davon 12 Opernarien mussten studiert werden. Ich gewann den Wettbewerb und habe danach auch niemals mehr an so einer Veranstaltung teilgenommen. Was interessant ist – vor mir hatte es 20 Jahre keinen Gewinner des 1.Preises aus dem Fach Oper mehr gegeben. Die letzte Gewinnerin damals war eine gewisse Jessye Norman… Dieser Sieg bedeutete für mich natürlich einen Riesenschub und ich erhielt Einladungen für viele Auftritte.


    KV – In dieser Zeit haben Sie einige Mozart- und Barockopern gesungen, auch eine Uraufführung von Lera Auerbach. Ist Barockmusik für Sie noch interessant und wie stehen Sie zu moderner Musik?


    ZK – Was Mozart und Barock betrifft – da kann ich in der nächsten Zeit vielleicht den einen oder anderen überraschen. Ich liebe die moderne Musik sehr und stehe zu ihr positiv und neugierig. In der Reimannschen Medea war ich zweite Besetzung für Gora und liebte diese Oper sehr. Auch die zusammenarbeit mit Lera Auerbach habe ich sehr genossen. Brillante Komponistin!


    KV – Zu Beginn dieses Jahrtausends haben Sie verschiedene Rollen in verschiedenen Genres gesungen. Nimmt man, wenn die Karriere erst am Beginn steht, automatisch jedes Angebot an bzw. sollte man da jedes Angebot annehmen?


    ZK – Ich hatte mit den Angeboten, die ich zwischen 2000 und 2004 erhielt, sehr viel Glück, da ich ausschließlich Partien singen durfte, die meiner aktuellen Stimmlage entsprachen. Und ich habe fast jedes Angebot angenommen wenn es Zeitlich sich nicht überkreuzte. Lustigerweise bekomme ich heutzutage viel mehr „unmoralische Angebote“ und lehne so manches interessantes Projekt ab, weil das meiner Stimme schaden könnte und eine langfristige Kariere mir wichtig ist.


    KV – 2004 kam dann das erste Fixengagement am Stadttheater Bern.


    ZK – Ja, das war eine gute Schule und eine Zeit, in der ich vielleicht nicht so glücklich war. Es gab da nur vier fix engagierte Mitglieder und ich hatte nicht mehr als drei Partien pro Saison zu singen. Nach dem Ende des Vertrages entschloss ich mich einmal freischaffend zu werden. Für mich war unter anderem frustrierend dass ich – nach einem Vorsingen – ein Angebot hatte, am Covent Garden in „Il Re Pastore“ zu singen, allerdings erhielt ich von Bern keine Freigabe bzw. hätte ich mich für die Zeit der Produktion freikaufen müssen, was meine finanziellen Mittel überstieg.


    KV – An welchen Häusern waren Sie dann tätig?


    ZK – Ich hatte Engagements unter anderem in Prag, Innsbruck, Köln und Valencia.


    KV – Wie wichtig sind Ihre Agenten für Sie?


    ZK – Sehr wichtig! Ich erinnere mich noch an mein Vorsingen im Konzerthaus bei Kurt Schober am 11.12.2006. Ich hatte die Agentur angeschrieben und wurde eingeladen. Ich wurde sofort angenommen und schon einen Monat später erhielt ich einen Anruf, dass ein Vorsingen an der Wiener Staatsoper organisiert sei. Und zwar in 3 Tage. Also ab ins Flugzeug und nach Wien. Ich sang dort die „Erda“ und „Preziosilla“ und sofort hat mir Direktor Holender einen Vertrag angeboten, der mit Saisonbeginn 2007/08 in Kraft treten sollte. Ich möchte auch noch erwähnen, dass ich später noch mit einen zweiten Agentur angefangen habe zu arbeiten, nämlich die Agentur Hollaender Calix.


    KV – Wie hat Ihr Vater auf das Engagement an der Wiener Staatsoper reagiert?


    ZK – Ich war so überglücklich. Ich rief ihn natürlich sofort an. Es war der 25.1.2007 zu Mittag und ich war am Stephansplatz. Ich brüllte vor Glück ins Telefon, so dass sich alle nach mir umdrehten. Mein Vater war absolut sprachlos und meinte, er wird an diesem Abend vor Aufregung sicherlich nicht ordentlich singen können (er hatte nämlich einen Auftritt).


    KV – Allerdings war dann ihr Debüt an der Staatsoper schon viel früher!


    ZK – Ja, 2 Wochen nach dem Vorsingen an der Staatsoper läutete bei mir das Telefon, es war mein Agent Kurt Schober. Er meinte das wenn ich möchte, kann ich einen Vertrag an der Staatsoper per sofort bekommen, allerdings müsste ich in 10 Tagen zu den Proben für „Arabella“ erscheinen und die Partie der Adelaide können. Obwohl ich die Partie erst lernen musste und in der Zwischenzeit noch die Uraufführung des Werkes von Lera Auerbach (immerhin 40 Minuten lang) singen musste, sagte ich zu. Franz Welser-Möst hörte mich an, war zufrieden und schlussendlich wurde ich dann quasi ins kalte Wasser geworfen. Keine Orchesterprobe, keine Bühnenprobe. Nur 5 Tage im Probenraum.


    KV – Sie traten aber nicht nur an der Staatsoper, sondern auch an der Volksoper auf.


    ZK – Ja, zufälligerweise war bei meinem Vorsingen auch die Direktion der Volksoper anwesend und ich habe augenscheinlich auch bei diesen Herren einen guten Eindruck hinterlassen. Seitdem hat sich ein sehr gutes Verhältnis entwickelt und die Direktion gibt mir die Möglichkeit immer wieder größere Partien wie z.B. die Carmen zu singen. Ich war auch als Orlofsky zu hören. Vielleicht auch dadurch debütiere ich jetzt bei der diesjährigen Sylvestervorstellung in dieser Rolle in der Staatsoper. Worauf ich mich unglaublich freue!


    KV – Sie haben in diesem Jahr 41 Vorstellungen an der Staatsoper und 5 Abende an der Volksoper gesungen. Wie kann man sich den Alltag eines Ensemblemitglieds der Wiener Staatsoper vorstellen?


    ZK –Der Tagesablauf ist wie folgt – Vormittagsprobe von 10–13 oder 11-14 Uhr, Abendprobe entweder von 17-20 oder 18-21 Uhr. Wenn man eine Vorstellung singt, hat man manchmal den Vormittag frei. Zusätzlich besteht die Möglichkeit nach Absprache mit den Studienleitern mit den Korrepetitoren an den aktuellen Rollen zu arbeiten. Da gibt es keine Limit nach oben. Ich möchte noch sagen, wie toll das Zusammengehörigkeitsgefühl des Ensembles ist. Es sind nicht nur großartige Künstler, sondern auch tolle Menschen! Das muss einmal gesagt sein!


    KV – Apropos Proben – am 9.Oktober findet die Premiere von La Traviata statt, wo Sie die Flora verkörpern werden. Die Produktion wurde schon in Aix en Provence gezeigt – wie gefällt Ihnen die Inszenierung?


    ZK – Ehrlich gesagt habe ich mir die Übertragung nicht angeschaut. Die Proben haben am 5. September begonnen, die Stimmung ist gut, wir arbeiten sehr intensiv. Dirigent und Regisseur sind sehr kompetent, die Sichtweisen des Regisseurs sind allesamt stimmig und logisch nachvollziehbar.


    KV – Eine Frage, die unweigerlich kommen muss – wie stehen Sie zum „Regietheater“? Ist es für Sie in Ordnung, dass Sie sich in der „Manon“ wenig bekleidet am Boden räkeln müssen? Gibt es da Hemmschwellen?


    ZK – Ja, die Rolleninterpretation der Rosette ist für mich teilweise schon ziemlich knapp an dem, was ich mir selbst zumuten möchte. Aber ich bin der Ansicht, dass ich meine persönliche Grenze noch nicht überschreiten musste. Obwohl ich ein extrovertierter Mensch bin will ich nicht alles tun müssen. Allgemein zum Regietheater – ich denke, dass man nur dann wirklich was dazu sagen kann, wenn man mit dem Regisseur gemeinsam die Produktion erarbeitet hat und so seine Sichtweise und das „Warum“ gut kennt.


    KV – Sie geben öfters in ein Fitnesscenter und haben erst kürzlich ihre Ernährung umgestellt – warum das?


    ZK – In meinem Beruf ist es wichtig fit zu sein. Mein Beruf hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt und es genügt nicht mehr, vorne an der Rampe zu stehen und zu singen. Schauspielerisch wird immer mehr verlangt. Und dazu ist es wichtig, dass man eine entsprechende Kondition hat. Außerdem trete ich jeden Abend vor 2500 Menschen auf – mit der Videoübertragung am Herbert-von-Karajan-Platz mögen es jetzt sogar 3000 Leute sein – und zumindest ich möchte da auch eine gute Figur machen.


    KV – Ihr Vertrag wurde erst kürzlich verlängert. Gibt es Unterschiede zwischen der alten und neuen Direktion?


    ZK – Natürlich werden Dinge teilweise anders geregelt, allerdings fühle ich mich jetzt genau so wohl wie vorher. Beide Direktoren sind absolut professionell und sie schätzen Menschen, die gut arbeiten. Und wer gut arbeitet, sprich immer vorbereitet auf Proben kommt, pünktlich ist, der hatte und hat keine Probleme!


    KV – Mit welchen Dirigenten haben Sie besonders gern zusammengearbeitet?


    ZK – Ich schätze Franz Welser-Möst sehr, er ist ein sehr seriöser Musiker der weiß, was er will. Für einen Sänger ist es außerdem sehr beruhigend, dass live die gleichen Tempi gewählt werden wie bei den Proben. Das ist sehr geregelt und man braucht sich nicht vor Überraschungen fürchten. Außerdem war ich wirklich angetan von Ulf Schirmer, Seiji Ozawa und von den jüngeren Dirigenten Altinoglu und Nelssons.


    Zum Abschluss noch 10 Fragen, die seinerzeit der französische Fernsehredakteur Bernard Pivot zusammengestellt hat –


    1) Was ist Ihr Lieblingswort?


    Liebe


    2) Welches Wort mögen Sie am wenigsten?


    Unmöglich


    3) Was gibt Ihnen ein gutes Gefühl?


    Wenn meine Lieben alle gesund und glücklich sind.


    4) Was gibt Ihnen ein schlechtes Gefühl?


    Wenn meine Stimme mal streikt.


    5) Welches Geräusch oder welchen Lärm mögen Sie?


    Wenn ich die Schritte von meine Eltern, meiner Schwester oder meinem Freund höre, die nach Hause kommen. Und ich erkenne sofort nach dem Geräusch wer genau kommt :-)


    6) Welches Geräusch oder welchen Lärm mögen Sie nicht?


    Den Lärm vom Bauarbeiter bei den Nachbarn um 7:00 Uhr in der Früh :-)


    7) Was ist Ihr Lieblings-Schimpfwort?


    Ich schimpfe nicht gerne


    8. Welchen Beruf außer Ihrem jetzigen hätten Sie sonst ergriffen?


    Keine Ahnung...ich wollte immer nur Opernsängerin werden.


    9) Welchen Beruf mögen Sie überhaupt nicht ausüben?


    Jeder Beruf ist gut so lange es die Menschheit im guten Sinne dient.


    10) Wenn der Himmel existieren sollte, was würden Sie gerne von Gott hören, wenn er Sie am Himmelstor empfängt?


    Ich würde dem Lieben Gott unendlich Danken für alles, was er mir gegeben hat und wenn Er für mich noch ein paar Worte übrig hätte wäre ich, wie Arabella in Richard Strauss gleichnamiger Oper sagt, "gehorsam wie ein Kind"....


    KV – Liebe Frau Kushpler, vielen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben und wir wünschen Ihnen viel Erfolg!

    Hear Me Roar!

  • Am 24. April ist der Vater (und Lehrer) der Sängerin, der berühmte ukrainische Bariton und Gesangspädagoge Ihor Kushpler, im Alter von 63 Jahren gestorben.



    Auftrichtiges Beileid der Tochter zum Verlust des Vaters!


    R. I. P.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)