Ludwig van Beethoven: Sinfonien Nr 1-9 Vol III- Welcher Zyklus ist der Beste mit Originalinstrumenten - ab 1985

  • Wie schon angekündigt ist dies der neue Thread, welcher sich mit Beethoven Zyklen, die der HIP-Bewegung zuzuzählen sind, befasst. Es dürfen hier die letzten 26 Jahre mit eingebunden werden, somit auch die Aufnahmen von Hogwood und Gardiner, die - ich habe es erst im Zuge meiner Recherchen für diesen Thread gesehen - beide zu einem enorm günstigen Komplettpreis zu haben sind.

    Aber es soll hier nicht nur um die Aufzählung vorhandener HIP - bzw Originalinstrumente Zyklen gehen, sondern auch um die Frage ob ein genereller Wandel in der Auffassung feststellbar ist, ob sich das "Historische" Beethoven-Bild gewandelt hat, bzw ob die HIP-Bewegung, vielleicht durch die neuesten NON-HIP Aufnahmen in den Hintergrund gedrängt wurde, die ja jetzt wieder verstärkt auf den Markt kommen....


    Zudem kann hier artikuliert werden was den einzelnen User an HIP-Aufnahmen begeistert - und was ihn enttäuscht hat.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred Schmidt

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich denke, der Mechanismus, der hier abläuft bzw abgelaufen
    ist, ist der gleiche wie er auch in der Wirtschaft im jedem klassischen Produktlebenszyklus
    zu finden ist: Ein Produkt kommt auf den Markt, ist – da neu – erfolgreich. Es
    weckt dann bei der Konkurrenz Begehrlichkeiten, weitere Produkte mit den
    gleichen Features überschwemmen den Markt und es wird abgesahnt und Geld verdient.
    Dann kommen neue – oft branchenfremde - Firmen mit Produkten, die dem ursprünglichen
    nur noch ähnlich sind und die die Kern-Benefits dieser besonders herausstellen
    wollen. Und es wird – meist üblich – kräftig übers Ziel hinausgeschossen und alle
    Möglichkeiten werden ausgelotet. Der Markt ist groß, unersättlich, willig und dadurch
    ergiebig. Alle wollen was vom Kuchen haben. Irgendwann gibt’s dann einen Relaunch
    des ursprünglichen Produkts, dieses zeigt dann quasi noch mal die Messlatte auf – meist
    zum angepassten Preis - und nach und nach relativiert sich der gesamte Markt, bis man –
    auf einem anderen Qualitäts- und Preis-Level – quasi wieder beim „Ursprungsprodukt“
    angelangt ist.


    Genauso läuft/ lief es auch in unserem Fall ab: Ein paar
    Musikspezialisten (Harnoncourt, Hogwood, Gardiner uvm…) bringen ein
    revolutionär neues Produkt auf den Markt – nämlich (zB) eine Beethoven-Sinfonie
    in HIP-Manier. Die Hörer und die Szene sind begeistert und stürzen sich auf das
    neue ungeheuerliche Produkt. Mit der Zeit erscheinen weitere vergleichbare
    Einspielungen auf dem Markt; alle in leicht unterschiedlicher Auffassung und Sichtweise,
    aber alle mit dem Anspruch, dem Original noch n Stück näher zu sein. Die Szene
    spielt irgendwann verrückt und es drücken immer neue, bis dato völlig unbekannte Musiker
    (Orchester und Dirigenten) auf den Markt; viele sind vielleicht gerade aus diesem
    Marktsog heraus erst gegründet worden und bieten ihre musikalische Sichtweise –
    die meist immer radikaler wurde (reduzierte Klangkörper, extreme Tempi, ,
    fremdartige Stimmung, maniriertes Musizieren) dar … oft bis hin zur (je nach
    persönlichem standing) Unkenntlichkeit oder Persiflage des Werkes.


    Parallel dazu setzt eine Art Back-to-the-Roots-Bewegung ein … klassisch moderne Orchester
    machen sich die Erkenntnisse der Pioniere zunutze und produzieren Einspielungen, die beide
    Welten zu vereinen versuchen(Norrington als erstes genannt). Inzwischen spielen wieder
    sehr viele altehrwürdige klassische Orchester - erst die kleineren, dann zunehmend auch
    die etablierten Großen - ihren Beethoven, wie sie ihn vor 20 oder 30 Jahren gespielt haben.
    Klassisch, aber halt mit dem „neuen“ Wissen im Hinterkopf. Entstaubt, weniger verzopft und
    irgendwie „frischer“. Gut, ein Thielemann geht dann doch gleich zwei Schritte zurück und
    frönt einem ganz anderen Ideal.


    Ich denke, in weiteren sagen wir mal 20 Jahren hat sich die HIP-Bewegung selber entbehrlich
    gemacht und es wird kaum noch neue Ensembles und Einspielungen dieser Art geben. Wenn,
    dann loten sie weitere Epochen aus – in Sachen Beethoven (um beim Beispiel zu bleiben)
    wird wohl nichts „neues“ kommen. Moderne Orchester werden hier wieder das Sagen haben.
    Wie in meinem Produktzyklus-Beispiel oben wird man auch hier wieder zum „Ursprünglichen“
    zurückkehren – auf einem anderen Niveau. Davon bin ich fest überzeugt.


    Interessant ist m. E. auch, dass alle Einspielung der HIP-Pioniere schon gut oder knapp dreißig
    Jahre auf dem Buckel haben und – auch wenn es diese Orchester teilweise noch geben mag –
    man im Laufe der Jahre keine neuen Einspielungen zu hören bekam. Es waren „Eintagsfliegen“
    (ist gar nicht abwertend gemeint), die zur richtigen Zeit das richtige getan haben. Moderne
    Orchester bemühen sich alle paar Jahre um einen neuen Zyklus. Schade, dass man von Ensembles
    wie der Academy of Ancient Music, den London Classical Players, den English Baroque Soloists,
    The English Concert oder – mein großer Favorite – der Hanover Band heute nichts mehr Aktuelles
    hören kann. Hätten sie heute noch was (neues, aktuelles) zu sagen? Spannende Frage…


    Die vielleicht spannendste aller Fragen für mich ist:
    Waren sie – langfristig gedacht - vielleicht nur eine (notwendige) Episode?


    Edit: Ich wurde seinerzeit mit Aufnahmen von Hogwood, Norrington, Gardiner und Pinnock „klassisch“
    sozialisiert. Viele der bis dato erhältlichen Aufnahmen waren mir – obwohl ich ja gar keine Ahnung hatte –
    zu betulich und zu maniriert. Die Frischzellenkur der HIP-Päpste wirkte wie ein Türaufschlagen auf
    mich – als Purist war mir sofort klar, das klingt ja alles viel „lebensechter“ und „näher an der Sache“.
    Passender einfach (Mozart war damals noch mein musikalischer Hausgott). Das hat mich begeistert und
    so bin ich, bis heute was klassische Musik angeht, hiervon geprägt. Auch wenn ich natürlich mittlerweile
    (zu 100% Dank Tamino übrigens) auch Herren wie Böhm und Karajan sehr viel abgewinnen kann – sie
    sogar momentan vielleicht sogar ganz oben anstelle – so freue ich mich immer wieder, wenn ein HIP-
    orientiertes Orchester eine neue Einspielung vorlegt. Von „besser“ oder „näher dran“ oder einer Wertung
    überhaupt rede ich dann allerdings nicht mehr. Ich genieße beide Pole.

  • Zitat

    Wenigstens ist Hogwood hier ganz oben mit einem großen Bild vertreten.


    Ja natürlich. Es gab zu Beginn der Bewegung auch die Wiener Klassiker mit Originalinstrumenten aufzuführen, eigentlich DREI* Vertreter dieser Richtung, wobei jeder seinen eigenen individuellen Stil einbrachte.
    Nikolaus Harnoncourt - Christopher Hogwood und John Eliot Gardiner.
    Hogwood hatte das Unglück für das (von seiner Mutter DECCA) ungeliebte Label L´Oiseau -Lyre aufzunehmen, das nach einiger Zeit aufgleöst wurde. Ansonst war Hogwood nicht nur als Dirigent, sondern auch als Cembalist eine anerkannte Kapazität in seinem Fach. Er besaß einen eigenen Walter -Nachbau - der sogar zeitweise von der Konkurrenz für Aufnahmen entlehnt wurde.
    Die Academy of Ancient Musik wurde von ihm 1973 gegründet - Sie existiert noch heute


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred





    *Wesentlich früher versuchte sich das Collegium aurem an dieser Sparte - mit (aus heutiger Sicht) durchwachsenen Ergebnissen

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Anima Eterna, Immerseel


    Age of Enlightenment Orchestra, Brüggen


    Orchestre Revolutionnaire & Romantique, Gardiner


    London Classical Players, Norrington


    Academy of Ancient Music, Hogwood


    The Hanover Band, Goodman


    Le Chambre Philharmonique, Krivine



    :hello: LT

  • Sagitt meint.


    na, bei Norrington mit den london classical players den Kopf schütteln führt bei mir nur zu Kopfschütteln.

  • es gibt ja noch zwei andere köpfchen...


    bei Norrington trifft eher Köpfchen eins zu: wie man Beethoven so leichtgewichtig spielen kann, ist für mich mehr als fragwürdig.


    :hello: LT

  • Ich kann mich erinnern, daß auch ich ein wenig irritiert war, als ich Beethoven so gar nicht wuchtig interpretiert hörte.
    Aber mann muß sagen, wo Norrington Beethoven auf der einen Seite etwas wegnahm, da gab er es ihm auf der anderen Seite wieder zurück. Will sagen, gewisse Details, die ich nie zuvor gehört hatte, traten in Norringtons Lesart zutage. Auch wenn Norrington vielleich nicht "mein" Beethoven ist - so kann ich ihm eine gewisse Hochachtung nicht versagen. Er hat eine gewisse Vorstellung von den Sinfonien realisiert - und das Ergebnis ist - wenn auch nicht in allen Details begeisternd oder überzeugend, so doch zumindest bemerkenswert.
    Norrington regte zumindest zum Nachdenken an - und jeder Dirigent nach ihm stand am Scheideweg, ihm zu folgen oder nicht.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    die meist immer radikaler wurde (reduzierte Klangkörper, extreme Tempi, ,
    fremdartige Stimmung, maniriertes Musizieren) dar … oft bis hin zur (je nach
    persönlichem standing) Unkenntlichkeit oder Persiflage des Werkes.


    Wieso erinnert mich dieser Vorwurf nur an Furtwängler oder Celibidache? Und das obwohl ich Furtwängler sehr interessant finde und schätze, immer eingedenk aber, daß seine Lesart außer den Noten nicht mehr viel mit Beethovens Partitur zu tun hat.
    Ganz sicher war ein Zugang zur Beethovens Sinfonik unter Beachtung seiner Tempoangaben, unter Beachtung der Artikulation und unter Beachtung aufführungspraktischer Informationen seiner Zeit im wahrsten Sinne revolutionär. Wie sehr, kann man schon daran sehen, wie viele Dirigenten aus dem "traditionellen" Lager über ihre Interpretationen nachgedacht haben und gerade in artikulatorischen Hinsicht und in Fragen der Balance Anregungen aufgegriffen habe.


    Zitat

    Aber es soll hier nicht nur um die Aufzählung vorhandener HIP - bzw Originalinstrumente Zyklen gehen, sondern auch um die Frage ob ein genereller Wandel in der Auffassung feststellbar ist, ob sich das "Historische" Beethoven-Bild gewandelt hat, bzw ob die HIP-Bewegung, vielleicht durch die neuesten NON-HIP Aufnahmen in den Hintergrund gedrängt wurde, die ja jetzt wieder verstärkt auf den Markt kommen....


    Hand aufs Herz, wieviele Interpretationen nach Norrington, Harnoncourt und Gardiner gibt es, die von einer historisch informierten Aufführungspraxis nicht beeinflußt sind? Es ist doch eher andersherum! Vielleicht müßte man auch einmal darüber nachdenken, was historisch informierte Aufführungspraxis bedeutet. Jedenfalls erschöpft sie sich nicht in der Wahl alter Instrumente oder ihrer Nachbauten!



    Mir ist nicht klar, welchen Sinn es macht, wenn alle Orchester alle 5 Jahre neue Aufnahmen möglichst noch mit dem gleichen Dirigenten auf den Markt werfen! Wo liegt denn ein grundlegender Unterschied in den drei Karajan-Einspielungen mit den Berlinern aus den 60ern, 70ern und 80ern? Man könnte grob sagen, daß der Fokus immer mehr auf den Klang gerichtet wurde, immer mehr Kanten und Ecken geglättet wurden. Der wahre Grund laut Katajan selbst war aber doch wohl, daß er seine Sicht in der immer aktuell besten Klangqualität bewahrt haben wollte. Ehrliche Frage, rechtfertigt das eine Neuaufnahme? Ich denke nicht! Eine Neuaufnahme sollte einfach eine neue Sichtweise dokumentieren! Davon abgesehen spielen die Ensembles in Konzerten durchaus auch die Beethoven-Sinfonien nicht allzu selten, nur entstehen halt keine neuen Platteneinspielungen, weil keine grundlegend neue Einsichten gewonnen wurden. Ich würde das konsequent nennen!

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  • Schade, dass man von Ensembles
    wie der Academy of Ancient Music, den London Classical Players, den English Baroque Soloists,
    The English Concert oder – mein großer Favorite – der Hanover Band heute nichts mehr Aktuelles
    hören kann. Hätten sie heute noch was (neues, aktuelles) zu sagen? Spannende Frage…

    Das würde ich vorbehaltlos bejahen. Beim Hören der Aufnahmen mit den im Zitat Genannten kommt bei mir heute noch große Freude auf. Weil es besser klingt, wohl kaum, weil es anders klingt und trotzdem Beethoven ist, sehr wahrscheinlich.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Pflichte Liebestraum bei: Hogwood und Immerseel sind auch meine Favoriten. Krivine kenne ich noch nicht.


    Übrigens ist Hogwood im 4. Satz der 9. nur konsequent, wenn er den türkischen Marsch mit dem Tenorsolo so langsam spielen läßt. Absolut richtig!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Joseph II: Pflichte Liebestraum bei: Hogwood und Immerseel sind auch meine Favoriten. Krivine kenn ich noch nicht. Übrigens ist Hogwood nur konsequent, wenn er den türkischen Marsch mit dem Tenorsolo so langsam spielen lässt. Absolut richtig!


    Ich pflichte Liebestraum nicht bei, was das Kopfschütteln betrifft, Hogwood wäre auch einer meiner Favoriten und ist es auch bis auf diese ominöse Stelle (Alla marcia). Wie kann man eine Stelle, die "Allegro assai vivace" überschrieben ist, nur derartig langsam spielen. Da ist nichts Konsequentes dran. Das macht den ganzen Gesamteindruck kaputt. Und insofern pflichte ich auch dir nicht bei, lieber Joseph. Ich habe in einem anderen Thread diese Stelle in Hogwoods Lesart mit vielen anderen Lesarten verglichen. Er ist der Einzige, der diese Stelle so unorganisch spielt. Bei allen anderen fügt sich die Stelle organisch in das temporale Gesamtschema ein. Das ist doch ein Freudenmarsch, kein Trauermarsch. Wie der geht, sieht man doch bestens in der Eroica oder in diversen Beethovenschen Klaviersonaten.
    Insofern pflichte ich Sagitt bei, wenn er sagt:

    Zitat

    na, bei Norrington mit den london classical players den Kopf schütteln führt bei mir nur zum Kopfschütteln.


    Bei mir auch, desgleichen, wenn man über Gardiner den Kopf schüttelt.


    Liebe Grüße


    Willi :no:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    das Problem ist, das bei dir irgendwie alles Favoriten sind.


    Ich habe eben meine feste Meinung zu der Interpretation von Beethoven-Sinfonien. Norringtons und Gardiners Einspielungen sind mir zu leicht, des kraftvollen Beethovens beraubt. Daher haben sie auch keine Chance bei mir.


    Das magst du nun akzeptieren wollen oder auch nicht.


    Krivine bietet dir keinen Beethoven a la Norrington oder Gardiner...


    Aber ach, ich vergaß ja, bei dir sind das ja alles Favoriten, nur eben der nicht, der "alla marcia" für dich zu langsam spielt... - oder nun doch ??? ?(


    :hello: LT

  • Da hast du mich wohl missverstanden, lieber Liebstraum. Nicht alle sind bei mir Favoriten, sondern von meinen Aufnahmen eben Norrington und Gardiner. Hogwood gehört nur dazu, was die Instrumental-Sinfonien betrifft, was die Neunte betrifft, nicht, da die Neunte aber irgendwie doch zum Zyklus gehört (oder nicht?), hat er keine von mir favorisierte Gesamtaufnahme vorgelegt.


    Das magst du nun akzeptieren wollen oder nicht.


    Viele Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich glaube, du hast da etwas falsch verstanden: Ausgangspunkt war von dir und anderen, wie man Norrington und Gardiner hinsichtlich Beethoven kopfschüttelnd gegenüber stehen kann. Und das durch die Bank durch: leichtfüßiger Beethoven - Beethoven light.


    :hello: LT

  • Jetzt hast du schon 4 verschiedene Bezeichnungen für Norringtons Beethoven gefunden, zuerst "leichtgewichtig" (Posting Nr. 8 ), dann "zu leicht" (Posting Nr. 15), und jetzt "leichtfüßig" und "light". Ja, was denn nun?
    Ich habe mich für den Kauf dieser GA von Norrington entschieden, als ich diese Kritik in Fono Forum (12/1989) gelesen habe:

    Zitat

    P. Kerbusk: Sicher ist,, dass beide Aufnahmen (auch die Hannover Band für Nimbus) die wohl bedeutendsten Anstöße zur Beethoven-Rezeption seit dem legendären Leibowitz-Zyklus geben. Mein ganz persönlicher Favorit ist dabei die ungeheuer präzise Norrington-Version, die zudem die wohl größtmögliche Annäherung an Beethovens Tempovorstellungen bietet. Alle traditionell-romantischen Interpretationen wirken dagegen hausbacken.

    Mit der Aufnahme der Hannover Band, die ungefähr gleichzeitig erschien, meinte er natürlich die unter dem Dirigat von Roy Goodman.
    Den Tipp des Kritikers habe ich bis heute nicht bereut. Übrigens trat einige Jahre darauf Norrington anlässlich des 50jährigen Jubiläums unseres Konzertrings mit den Bamberger Sinfonikern auf und gab vor der Pause die Leonore III, das 3. Klavierkonzert Beethovens mit Zacharias und nach der Pause die Eroica. Das war alles ungeheuer schwungvoll und energiegeladen, aber weder leicht, noch leichtgewichtig oder "light", und das lag bestimmt nicht daran, dass er hier ein "modernes" Sinfonieorchester vor sich hatte.


    Viele Grüße


    Willi ;)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es ist doch letztlich egal, welche Wortvariante: der Zyklus ist für mich nicht kraftvoll genug. Und von irgendwelchen Kritikern habe ich mich noch nie beeindrucken lassen, die schreiben viel, wenn der Tag lang ist.


    Bei den Einspielungen mit der Hanoverband bin ich mit der Aufnahmequalität nicht zufrieden und wird von mir dadurch kopfschüttelnd beurteilt und dadurch letztendlich abgelehnt.


    Mir ist völlig egal, wie Herr Norrington später irgendwie seinen Beethoven interpretiert hat. Die Aufnahmen des Zyklusses mit den London Classical Players sind definitiv nicht mein Beethoven.


    Mir muss die Interpretation gefallen, sie muss mir etwas geben, sie muss meinen Intentionen entsprechen.


    :hello: LT

  • Wenn du deinen letzten Satz zuerst ausgesprochen hättest, wären wir uns viel eher einig geworden. Mir geht es nämlich genau so.
    Was übrigens die Kritiker betrifft, habe ich erst einen Kauf bereut, nämlich den der letzten drei Klaviersonaten Beethovens in der Interpretation durch Glenn Gould. Ich will nicht OT geraten, deshalb nur so viel, auch da ging es um das m.E. völlig verfehlte Tempo Goulds.


    Viele Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Also ich habe heute nachgeschaut: Die Metronomzahl, die Beethoven an besagter Stelle "Alla Marcia" im 4. Satz vorschreibt, ist tatsächlich M.M. punktierte Viertel = 84 (vgl. u. a. Breitkopf & Härtel, 1863).
    Ist Hogwood einfach der einzige, der das konsequent so langsam spielen läßt? Liegt nicht die "Schuld" als beim Meister selbst, wenn er es so vorgibt, nicht beim Dirigenten, der sich dran hält?


    LG
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also, ich habe leider keine Partitur vorliegen, weder die herkömmliche (Breitkopf & Härtel?) noch die neue Bärenreiter-Ausgabe, deshalb kann ich überhaupt nichts darüber sagen, welche Metronomangaben dort gemacht sind und vor allem, welche Metronom-Tempi alle anderen Dirigenten (außer Hogwood) spielen. Für mich klingt es jedoch, gemäß meiner jahrzehntelangen Hörgewohnheiten, nicht schlüssig. Haben denn alle anderen Dirigenten daneben gehauen? Und wenn ja, warum? Wie ist das z. B. mit Toscanini, mit Karajan, mit Zinman, mit Järvi?
    Und warum unterscheidet sich Hogwood in der Gesamtdauer des 4. Satzes um keinen Deut von dem Groß der anderen Dirigenten?


    Morgen erhalte ich höchstwahrscheinlich die beiden GA von Emanuel Krivine und Sir Colin Davis, von jeder Fraktion eine. Mal schauen, wie es die beiden Maestri machen.


    Liebe Grüße


    Willi ?(?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Werte Leser,


    seit langem beschäftige ich mich mit dieser GA. Zunächst wollte ich sie als Fehlkauf einstufen, durch Probleme beim Anbieter hatte ich sie praktisch umsonst erhalten, also kein großer Verlust.


    Aber irgendwas hielt mich dann doch bei der Stange. Vordergründig lag die Ablehnung im etwas kraftlosen Klang der Soloinstrumente. Ich hatte beim ersten Hören die Lautstärke beim Hören über die Kopfhörer viel zu laut.


    Dann, beim nächsten Versuch, über die Lautsprecher, leise, die Offenbarung. Eine herrliche Umsetzung der Beethoven`schen Dynamik in allen Symphonien! Wunderbare Tempoübergänge, weich, schlüssig, dabei präzise und temporeich.


    Die Gestaltung der großen Themen kommt ohne irgendwelche Effekthascherei aus, in einer mutigen Gestaltung, beweglich in den einzelnen Orchestergruppen, flink, aber ohne Hast. Dies kommt besonders der Fünften zu gute, für mich der absolute Höhepunkt der GA.


    Ich hätte nie geglaubt, das man Beethoven so entspannt gespannt auf der Couch genießen kann. Liebe auf den zweiten Hör! :thumbsup:


    Viele Grüße Thomas