Sibelius: Symphonie Nr. 5 Es-Dur op. 82 – Die mit dem Schwanenruf

  • Zu Sibelius' Symphonien existierte bei Tamino lange Jahre nur ein einziger Thread, nämlich ein sehr allgemein gehaltener über alle Symphonien: Jean Sibelius als Sinfoniker


    Seit kurzem gibt es auch einen neuen, der sich speziell mit der Frage beschäftigt, welcher Gesamtzyklus der empfehlenswerteste sei (und, wie zu erwarten war, zu keinem eindeutigen Ergebnis führte): Jean Sibelius: Symphonien – Welcher Zyklus ist der beste? (2011)


    Zu keiner einzigen seiner sieben Symphonien gibt es bis heute aber gesonderte Spezialthemen. Dem soll von nun an Abhilfe geschaffen werden. Ich beginne bewußt mit der vielleicht populärsten (?) Symphonie, seiner Fünften. Das sogenannte Schwanenruf-Motiv im Finalsatz, ein regelrechter Ohrwurm, ist vermutlich das bekannteste von Sibelius und schaffte es sogar bis in diverse Pop-Songs (vgl. den Wikipedia-Eintrag).


    Zur Entstehungsgeschichte sei angemerkt, daß die 5. Symphonie auf Anregung der finnischen Regierung zustande kam, welche aus Anlaß des 50. Geburtstages des Landes eine solche Komposition verlangte.
    Ursprünglich 1915 komponiert, überarbeitete Sibelius das Werk 1916 und 1919 noch einmal grundlegend. Bis heute wird die Letztfassung bei weitem am öftesten gespielt. Im Gegensatz zur Erstfassung, die der moderner anmutenden 4. Symphonie mehr glich, betonte Sibelius in der Drittfassung das Klassizistische, so daß sie im ganzen vielleicht etwas "altmodischer" daherkommt.


    Formal gesehen besteht op. 82 aus drei Sätzen, wobei der Kopfsatz auf Tonträgern manchmal in Tempo molto moderato – Largamente und in Allegro moderato – Presto unterteilt wird (auch der Komponist hatte ursprünglich vor, zwei getrennte Sätze zu schreiben, dies letztlich aber verworfen). Der zweite Satz Andante mosso, quasi allegretto kommt sehr ruhig und warmherzig daher. Der Finalsatz Allegro molto – Misterioso – Un pochettino largamente – Largamente assai hingegen beginnt mit einer schnellen Streichermelodie, welches nach der Durchführung in das Schwanenruf-Thema übergeht. Die Coda der Symphonie ist besonders originell: Die sechs Akkorde der Schlußkadenz werden einzeln gespielt, von einer kurzen (bei manchen Dirigenten auch längeren) Pause unterbrochen.


    Aufnahmen:


    Es herrscht kein Mangel an Aufnahmen. Neben den im Zusammenhang mit einer Gesamtaufnahme aller Symphonien entstandenen (vgl. den Thread zu den Zyklen) gibt es noch eine nicht unerhebliche Anzahl an Einzelaufnahmen, von denen ich nur einige hier aufzählen will:




    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Zur Entstehungsgeschichte sei angemerkt, daß die 5. Symphonie auf Anregung der finnischen Regierung zustande kam, welche aus Anlaß des 50. Geburtstages des Landes eine solche Komposition verlangte.


    In einem meiner Konzertführer steht, sinngemäß, daß die Sinfonie in der Tat anlässlich des 50.Geburtstages von Finnland entstanden sei - allerdings nicht "wie fälschlich oft angegeben" als Auftragswerk der Regierung. Ich verfüge nicht über ausrecichend Quellennachweis um das bestätigen oder widerlegen zu können.


    Auf Grund der Überarbeitungen - schwanken die Beschreibungen dieser Sinfonie derart, daß man sie anhand dieser kaum wirklich wiedererkennen kann. Auch ich tue mir hier sehr schwer, vor allem einen Schwanenruf zu identifizieren, da mir nicht bekannt ist, wie dieser in natura klingt. Sibelius schrieb hier einerseits, daß ihn ein Schwarm von Schwänen dazu inspiriert habe. Mein Konzertführer spricht hier von einer "Schwanenhymne" (?)


    Ich glaube aber - und auch der Mangel an Reaktionen auf dieses interessante Thema deutet darauf hin - daß sich Sibelius Sinfonien nur schwer in Worte fassen lassen.
    Ich für meine Person werde mich daher begnügen rein subjektive Eindrücke wiederzugeben, die ich beim Abhören der 5. Sinfonie hatte - ohne darauf zu bestehen, daß diese auch mit der Realitiät übereinstimmen.


    Der Beginn erinnert mich an ein "Aufblühen der Natur" - entfernt verwandt mit Bruckners Sinfonie Nr 4 (?) und auch Mahlers Sinfonie Nr 1 - vermutlich völlig unzutreffend - aber es war nun mal mein Eindruck.
    Generell meine ich an verschiedenen Stellen entfernte Parallelen zu Bruckner feststellen zu können, wobei Sibelius immer wieder "nervöse" Stellen einfügt, die bei Bruckner völlig fehlen.
    Sibelius ist auf eintümlich Art "modern", schroff und originell in Tonsprache und Orchestrierung.
    Besonders eindrucksvoll auch das Finale.
    Gleichgültig ob man die Musik mag oder nicht - man wir ihr seine Achtung wohl kaum versagen können.
    Ich verfüge nur über eine einzige Aufnahme (das wird sich bald ändern) und zwar jene von Karajan für EMI.
    Vermutlich wird es idiomatischere Aufnahmen geben - das könnte im Thread zur Sprache gebracht werden...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Gould wandert in diesem Film durch die Landschaft, das Ende der 5. wird gespielt (HvK Version) und Gould tut so, als würde er dirigieren.
    Sehr eindrucksvoll für Gould Fans.
    Tja, so ist Sibelius. Musik für Fans.
    Gruß S.

  • Gould wandert in diesem Film durch die Landschaft, das Ende der 5. wird gespielt (HvK Version) und Gould tut so, als würde er dirigieren.
    Sehr eindrucksvoll für Gould Fans.
    Tja, so ist Sibelius. Musik für Fans.


    Musik für Filme...? :stumm:

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich dachte hier kämen noch ein paar beiträge zu empfehlenswerten Aufnahmen, statt über Filmmusik zu reden. :no:
    8) Dazu ist Sibelius mir zu wichtig !
    ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


    Die Karajan-Aufnahmen (DG) haben sich bei mir prägend eingebrannt. Natürlich meine Ersten bereits zur LP-Ära !


    Vergleiche ich die Sinfonie Nr.5 (im Prinzip auch nicht nur die Sinfonie Nr.5) so stelle ich fest, dass Karajan Sibelius mit Herz und Seele, Verstand, für mich mit einem nachvollziehbar richtigem Tempo - kurz einfach = sehr gut rüberbringt. Die Klangqualität der DG-Aufnahmen ist zudem sehr natürlich, sodass man auch hier nur noch zufrieden Sibelius geniessen kann.
    Von daher sind gerade die Karajan_Aufnahmen der Sinfonien Nr.5 für mich die Referenzen, an der sich andere Dirigenten erst einmal messen müssen. Ich schreibe Aufnahmen, weil auch die EMI-Aufnahme in die gleiche voll zufriedenstellende Richtung geht.


    Ich bin oft nach dem Unterschied DG und EMI bei Karajan gefragt worden:
    Die DG-Aufnahme klingt trotz des älteren Aufnahmedatums (1968) etwas natürlicher; man hat den Eindruck, dass etwas Emotion der athmosphärischen Landschaftmalerei weichen muss; Spielzeiten 9:32+4:40 - 8:22 - 9:00
    die EMI-Aufnahmen (1977) sind etwas schroffer im Ton; der etwas emotionalere Ton liegt mir natürlich noch etwas mehr; Spielzeit folgerichtig auch fast gleich 14:08 - 8:56 - 9:05. Grob betrachtet - ist das beides Karajan auf seiner Höhe seines Könnens. Die Fünften sind Klasse Interpretationen und Aufnahmen.


    Alfred schreibt, andere Aufnahmen könnten idiomatischer sein. Ich meine das selbst Segerstam aus der Heimat kaum weniger idiomtisch ist, als Karajan selbst. Karajan hat das Idiom Sibelius einfach im Blut.


    :thumbsup: Mir persönlich liegt dann natürlich neben Karajan auch die fetzige Bernstein-Aufnahme mit den New Yorker (SONY), die im vollkommen schlüssigen Zeitrahmen liegt und die fantastisch klingende Ashkenazy-Aufnahme (DEcca) für die Sinfonie Nr.5. Beide sind auch von Karajan´s Sibelius nicht weit entfernt.
    Bernsteins späte Aufnahme aus Wien (DG) ist natürlich fastzinierend hochgeputscht ... letztendlich klingt sie für mich aber doch etwas fremd, da Lenny gerne eigene Vorstellungen einfliessen läßt (das Empfinden habe ich bei bernsteins anderen Sinfonien-Aufnahmen der 1,2 und 7 aber nicht, obwohl die auch wirklich extreem sind ... ;) - der Hörer wird weggepustet ! :D Von daher wieder Klasse ! ).


    Bei Blomstedt (Decca), auch wirklich gut bei der 5 - Segerstam (Brillant) - es fehlt mir dann aber doch zu viel Gewohntes, was ich bei meinen Favoriten erfüllt sehe.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ein ganz wichtige Aufnahme der Sinfonie Nr.5 ist die frühe mit dem Philharmonia Orchestra von EMI, 1960, die ich gerade gerade in meiner CD-Sammlung entdecke. Von dieser ist in den neuen Sibelius - Threads noch nicht die Rede gewesen:



    EMI, 1960, ADD


    Qualitativ kann sich diese Interpretation zu den referenzwürdigen Späten der Sinfonie Nr.5 auf DG und EMI einreihen. Karajan nimmt das Werk etwas zügiger, aber nicht minder spannend mit natürlicher Stereo-Klangtechnik, die auf Grund des Alters etwas mehr Rauschen mitbringt.
    Auch die Sinfonie Nr.2 zeigt das Karajan dieses Werk weit besser drauf hatte, als EMI, 1981 ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nach dem Hören etlicher Aufnahmen fiel mir auf, daß in etlichen, meist älteren Aufnahmen die Pauken im Finalsatz vor dem ersten Einsetzen der Blechbläser gar nicht (Karajan II, Barbirolli, Sargent) oder nur sehr schwach (Karajan I, Davis I) zu hören sind. Bei Berglund II, Sanderling, Salonen, Ashkenazy, Bernstein II sowie Segerstam I und II hört man sie an dieser Stelle richtig aufgrollen.


    Woran liegt das? Was sagt die Partitur?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II.,


    die Pauken haben im letzten Satz bis zum ersten Erklingen der "Schwanenhymne" folgendes zu spielen (Spielzeiten der Aufnahme mit Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern von Februar 1965):


    1. Zu Beginn des Satzes (0:01) ein "B" mit zwei Vorschlägen, "mezzoforte". Flöte, Fagotte und die vierfach geteilten zweiten Violinen haben "forte", der Rest hat Pause. Berücksichtigt man die "Normallautstärke" der Beteiligten, sollten alle ungefähr gleichlaut sein, die Pauke durch ihren perkussiven Einsatz jedoch gut hörbar, ohne hervorzutreten (sonst hätte Sibelius auch ihr ein "forte" gegeben). Bei HvK nicht gut hörbar.


    2. Sieben Takte vor B (0:28') sieben Achtel auf "G" im "piano", gleich darauf nochmal vier Achtel, ein fünfter Schlag als punktierte Viertel. Es spielen gerade mit: Celli, Viola und die geteilten zweiten Violinen im "mezzopiano", die ersten Violinen im "piano". Fazit: Pauke sollte im Hintergrund bleiben.


    3. Im achten Takt nach B (0:39) zwölf Achtel auf "Es" im "mezzopiano". Dazu erklingen Flöten, Oboen und Klarinetten im "forte", drei Hörner im "piano", erste und zweite Violinen im "fz" mit nachfolgenden "diminuendo" ins "piano", das beim neunten Paukenachtel erreicht wird. Dazu die Violen nach wie vor "mezzopiano".


    4. Kurz danach (0:50) sieben Achtel auf "G" im "piano", alle Streicher außer den Kontrabässen spielen dazu "mezzoforte". Also wiederum die Pauken im Hintergrund. Gleich darauf vier Achtel auf "G" decrescendo, endend auf einem Wirbel auf "G", sofort danach im "Pianissimo" die Töne "B" und "es" im "mezzopiano" gegen die crescendierenden Streicher.


    5. Sieben Takte vor D (1:12) beginnt ein Wirbel auf "B" im "piano", "poco crescendo". Die Streicher haben "mezzoforte", die vier Hörner, die mit der Pauke einsetzen, haben "mezzopiano". Fazit: Auch hier ist die Pauke nur Hintergrund ...


    6. ... jedenfalls bis kurz vor dem Einsatz der "Schwanenhymne" (1:17): vier Achtel "B" und ein "Es" im "mezzoforte", die Streicher haben ebenfalls "mezzoforte", dieser Paukeneinsatz sollte also gut hörbar sein (nicht bei HvK), an dieser Stelle ist die Pauke auch die einzige rhythmisch klar profilierte Stimme (die Streicherfiguren sind ja tremoloartig).


    :hello:

  • Lieber Wolfram,


    vielen herzlichen Dank für die Mühe!


    Ich habe es gerade mit exakt dieser Aufnahme noch einmal nachgehört. Auf die Weise konnte auch ich es sehr gut nachvollziehen (bin kein Musikwissenschaftler), super! :yes:


    Ich meinte konkret die Stelle kurz vorm Einsatz der "Schwanenhymne", also 1:17 in dieser Aufnahme. Man kann es eher erahnen als wirklich hören bei Karajan, wobei ich es hier noch deutlicher vernehme als 1976. Wundert mich also, daß Wolfgang gerade die späte Karajan-Aufnahme hier so bervorzugt, wo man die Pauken kaum hört.


    Allerdings ist Karajan ja, wie gesagt, nicht der einzige, der die Partiturvorgabe hier nicht konsequent umsetzt. Inwieweit das mit der Tontechnik zusammenhängt, weiß ich nicht, meine aber, das ist nicht der Hauptgrund.


    Ich wähle mal Salonen als Gegenbeispiel aus:



    Selbst bei der nicht idealen YouTube-Qualität merkt man den Unterschied m. E. sehr deutlich, besonders eben bei ca. 1:23.


    LG
    :hello:

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    – Luís de Camões

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  • Zitat

    Wundert mich also, daß Wolfgang gerade die späte Karajan-Aufnahme hier so bervorzugt, wo man die Pauken kaum hört.


    Hallo Josef und Wolfram,


    wenn es um Karajan geht, ist es seine erste Stereoaufnahme mit dem Philharmonia Orchestra bei EMI, 1960 aus Beitrag 7, die ich favorisiere !
    Das mir die Anderen von DG und EMI auch zusagen ist auf den Gesamteindruck zurückzuführen (Auf diese Paukenstelle im letzten Satz hatte ich bisher im Unterschied zu den Anderen gar nicht so direkt geachtet !) . Die Pauken sind aber bei DG und der späten EMI auch da, nur schwächer ! Der Auftakt mit den zwei Vorschlägen ist aber tatsächlich bei EMI-1977 zu unterbelichtet.
    :thumbsup: Die Emptionalste und Festlichste ist auf jeden Fall die von EMI, 1960. Auch die Pauken sind da wo sie laut Wolfram´s Beitrag hingehören. :angel: Das ist Gänsehaut pur (und natürlich neben den Bernstein-Aufnahmen) das fastzinierenste Finale der Fünften das möglich ist - fantastisch ! Josef, ich bin mir sicher, das Dich diese Aufnahme umhauen wird (oder würde) ! Da geht emotional absolut die Post ab. Hier auch die Spielzeiten: 13:33 - 8:13 - 9:08



    Die Blomstedt-Aufnahme / San Francisco SO (Decca, 1991) ist noch nicht erwähnt worden:
    Wenn man eine detailreiche und sehr gut klingende Aufnahme sucht um die Paukenstellen genaustens zu verifizieren ist man hier bestens bedient ! Bei Blomstedt - alles (auch die Pauken) perfekt da wo es hin gehört.
    Aber wie artig bleibt Blomstedt im Vergleich - alles wirklich TOP sauber gespielt, aber der Funke wird bei mir kaum in dem Maße überspringen, wie bei Karajan´s meisterlicher EMI-Aufnahme von 1960.


    Da ich gelesen habe, dass Maazels - GA / Pittsburgh PO (SONY, 1990-92) auch klanglich so fabelhaft sein soll, habe ich mir diese letzte Woche kommen lassen. :( Ich habe gar keine Absicht und Lust hier gross davon zu schreiben. Klanglich soweit tatsächlich OK, aber in welchem Maße Maazel etliche Spannungsmomente in der gesamten GA einfach überspielt und damit einfach verpasst, geht auf keine Kuhhaut. Auch bei der Fünften sind die Pauken zwar hörbar, aber ich empfinde diese als nur "angehaucht" ... (OT: zum "Rentnerkonzert" läßt er meine heissgeliebte 2te verkommen ...) - der zu schön klingende Sibelius mit Maazel hat mich insgesamt ziemlich enttäuscht ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Ich sehe schon: Diese Box hat sich voll rentiert. Vielleicht ein Kandidat für den Best Buy 2011? Mal sehen.


    Auch die Fünfte von 1973 grandios. Hätte nicht gedacht, daß man bei so einem bekannten Werk noch soviel Neues entdecken kann. Roschdestwensky läßt den "Schwanenruf" sehr markant spielen, hab ich so noch nicht gehört. Man merkt, daß sein Ansatz ein moderner ist. Das ist vielleicht die Aufnahme der Letztfassung, wo noch am ehesten der Geist der Erstfassung durchschimmert, bezogen auf das Expressionistische. Das UdSSR-RSO mal wieder voll auf der Höhe. Pauken und Blechbläser sind sehr präsent und spielen vortrefflich.


    Spielzeiten:


    I. 13:31
    II. 7:48
    III. 8:13
    Gesamt 29:32

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Josef,


    inzwischen stelle ich auch fest, dass die gewählten Tempi von Roshdestwensky sich im ganz normalem Rahmen befinden; im Gegegenteil, sogar mehr auf der zugkräftigen Seite sind - Klasse. (Also bei weitem nicht so breit, wie es in seiner Nielsen - GA (Chandos) stark auffällt. ( :| Mir wurde ja im Nielsen-Thread geschrieben, dass mir die Tempi mit Rosh bei Sibelius dann (nach meinen geschilderten Eindrücken) bei Nielsen auch zu ausgewalzt sein würden.)
    :yes: JA, der russische Orchesterklang mit diesen fabelhaften Blechbläsern, dass ist auch genau das was ich schätze. Es muss nur zu den Werken passen; so wie das gesamte russische Repertoire. Aber auch für Sibelius wird das sehr angemessen sein.


    :jubel: Ach ja, die Roshdestwenksy-Sibelus-GA ist bereits zu mir unterwegs !!! Die steht ja schon lange auf meinem Wunschzettel - und jetzt wo der Preis angemessen ist und ich von Dir weitere positive Einzelheiten erfahre kann das nur noch heissen: Die muss ich haben !


    :?: Kann das sein dass die Melodiya-Neuausgabe auch neu remastert wurde ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Als der Thread anfing, habe ich noch mal das Stück gehört, auch mit Neugier auf den Schwanenruf. Da freut mich nun der Einwand von Alfred, dass er ihn vergeblich gesucht hat. Ich denke nämlich immer, es läge an meiner Blödheit, dass ich so was nicht erkenne. Schäne, so meine ich, krächzen mehr, als dass sie rufen. Andererseits gibt es ja auch den Schwan von Tuanela, ebenfalls von Sibelius, der ja nicht gerade von Krächzen gekennzeichnet ist. Offensichtlich gibt es also in Skandinavien eine Mythologie (?) oder so, die den Schwänen da besondere Laute zuordnet.
    Insofern wäre ich schon sehr interessiert, wie genau die Symphonie zu ihrem Beinamen kommt.
    Und mich würde auch interessieren, ob es so etwas wie den seltsamen Schluss (durch den ich erst auf das Werk aufmerksam wurde) auch anderswo gibt oder gegeben hat.
    (Bei Wikipedia habe ich gesehen, dass er auch ein Stück namens Schwanenweiss geschrieben hat,- es scheint da eine Affinität zu geben...)
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Auf Grund der Überarbeitungen - schwanken die Beschreibungen dieser Sinfonie derart, daß man sie anhand dieser kaum wirklich wiedererkennen kann. Auch ich tue mir hier sehr schwer, vor allem einen Schwanenruf zu identifizieren, da mir nicht bekannt ist, wie dieser in natura klingt. Sibelius schrieb hier einerseits, daß ihn ein Schwarm von Schwänen dazu inspiriert habe. Mein Konzertführer spricht hier von einer "Schwanenhymne" (?)


    Als der Thread anfing, habe ich noch mal das Stück gehört, auch mit Neugier auf den Schwanenruf. Da freut mich nun der Einwand von Alfred, dass er ihn vergeblich gesucht hat. Ich denke nämlich immer, es läge an meiner Blödheit, dass ich so was nicht erkenne. Schäne, so meine ich, krächzen mehr, als dass sie rufen.


    In der Tat ist "Schwanenruf" eine irreführende Bezeichnung. Meines Wissens sagt man in der Regel dafür "Schwanenhymne".


    So weit ich weiß, ist die auf der deutschen Wikipedia-Seite zur 5. Sinfonie von Sibelius heute zu findende Bemerkung, Sibelius wäre durch den Ruf der Schwäne dazu inspiriert worden, nicht zutreffend. Ich habe in Erinnerung, dass der Formationsflug einiger Schwäne den Komponisten zu diesem Thema inspiriert habe. Es geht also nicht um die instrumentale Imitation von Tierlauten à la 2. Satz Pastorale (Beethoven), sondern um eine abstraktere Assoziation.


    In diesem Video http://www.youtube.com/watch?v=S5oY-N93YDw beginnt die Schwanenhymne (so die treffendere Bezeichnung auf Deutsch - ich weiß nicht, wie Sibelius dies auf Finnisch nannte) bei 1:20 - den vier Hörnern ist sie anvertraut.


    Dabei sind die Hörner in zwei Gruppen zu zwei Spielern geteilt und spielen die Hymne versetzt wie folgt:


    1-1-1-x-x-1-1-1-1-x-x-1-1-1-1-x-x-1-...
    x-x-2-2-2-2-x-x-2-2-2-2-x-x-2-2-2-2-..

  • Momentan komme ich gar nicht mehr von ihr weg. Höre sie gerade zum 3. Mal in 3 Tagen.
    seltsamerweise wird hier im Thread gar nicht dieser unglaublche Schluss erwähnt, der diese Symphonie ja aus allen Kategorien heraushaut. So etwas habe ich noch nie gehört. Diese Pausen zwischen den einzelnen Schlägen machen mich schier wahnsinnig. Sie hinterlassen ein unglaubliches Vakuum, sie werfen mich auf mich selbst zurück, dass ich ganz fassungslos dasitze. Es ist eine seltsame Mischung aus Wildheit und Beherrschtheit, die mich umhaut.
    Meine Aufnahme ist aus dieser Box:

    Herrlich! Morgen höre ich sie noch einmal!
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • seltsamerweise wird hier im Thread gar nicht dieser unglaublche Schluss erwähnt, der diese Symphonie ja aus allen Kategorien heraushaut. So etwas habe ich noch nie gehört. Diese Pausen zwischen den einzelnen Schlägen machen mich schier wahnsinnig. Sie hinterlassen ein unglaubliches Vakuum, sie werfen mich auf mich selbst zurück, dass ich ganz fassungslos dasitze.


    Im letzten Jahr besuchten wir gemeinsam mit einer Freundin ein Konzert im Gewandhaus. Beethovens 5. Klavierkonzert und die Zweite Sibelius auf dem Programm. Besagte Freundin ist eine aufgeschlossene Hörerin, aber bestimmt keine Klassikhörerin, ihr ging es eher darum, das Gewandhaus einmal von innen zu sehen.
    Ich nahm nun wirklich an, daß sie eher von Beethoven angetan wäre und Sibelius vielleicht zu schwere Kost sei... Aber nein, es war das Finale des Schlußsatzes der Zweiten, was sie atemlos und überwältigt zurückließ....



    :hello:
    Reinhard


    PS: Sicher auch ein Argument, daß man emotionalen Genuß aus klassischer Musik ziehen kann, völlig ungetrübt von theoretischem Fachwissen.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Interessante Anekdote, lieber Reinhard!


    Ich als Klassikhörer käme in dem konkreten Fall zu demselben Urteil wie deine besagte Freundin. Für mich wäre eher Beethovens 5. Klavierkonzert "schwere Kost". Aber ich komme auch eher aus der Spätromantik-Ecke ...


    LG
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich glaube sowieso, dass schwere Kost für Anfänger oft besser ist. - WEnn es so richtig was auf die Ohren gibt und die Arbeiter auf der Bühne so richtig in Fahrt sind.
    Mit Kammermusik hätte man mich nie gekriegt.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Lieber Klaus,


    da Du Segerstam als erste GA hast entsteht für Dich eine gewisse Prägung für diese Aufnahme. Es ist manchmal schwer danach Andere zu akzeptieren. Da Diu jetzt aber nochmal Segerstam (jetzt ONDINE) bestellt hast, wird das für Dich kein Problem werden.
    Bei mir waren es zur LP-Ära zuerst die Karajan-DG-Aufnahmen der Nr.4-7. Die Nr.1 und 2 unter Kamu in dieser DG-Box (die hatte Karajan ärgerlicherweise Kamu überlassen !) hatten bei mir damals überhaupt keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.


    Erst als ich später Bernstein und Ashkenazy auf CD dazubekam, habe ich gehört welches Potential auch in den Sinfonien Nr.1 (mit Ashkenazy mein Favorit) und Nr.2 (mit Bernstein (SONY) mein Favorit) vorhanden war !


    Zum Schluss des Finale der Sinfonie Nr.5:
    Du bist nachvollziehbar begeistert von diesen genialen Generalpausen und den Orchesterschlägen am Schluss. Ich finde das Segerstam die Geraralpausen ungewöhnlich lange hällt.
    Da ich von Karajan (DG, 1965) und noch besser (EMI, 1960) bei der Fünften geprägt bin, der für meinen inneren Takt diese Pausen wesentlich kürzer hällt, habe ich bei Segerstam das Empfinden, dass die Spannung abreisst. Unerwartet, ohne das ein Takt mitschwingt, kommt dann der nächste Orchesterschlag. Das finde ich besonders in Karajan´s Aufnahme mit dem Philharmonia Orchestra (EMI) weit besser und richtiger, als bei Segerstam !
    Auch Bernstein (SONY), der mit den New Yorker PH eine absolut geniale und emotionsgeladene Aufnahme vorlegte, gehört zu denen, die die Generalpausen weit länger als Karajan, aber richtig zum Takt passend halten. D a geht man höchst angespannt mit voller Gänsehaut mit - Wahnsinn pur !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo Wolfgang!
    Schön, dass da mal jemand auf mich eingeht. Danke dafür!
    Gerade das Unerwartete, das jedesmal wieder Überraschende finde ich doch so toll. Man kriegt es jedesmal voll aufs Auge, weil man nicht wirklich vorbereitet ist.
    Übrigens hast du mich jetzt auch noch fast soweit, dass ich mir den Sibelius auch noch von Bernstein zulege. Wobei ich mich auch da wundere, denn ich finde die 1. von Segerstam sehr beeindruckend. Extrem "nordisch" mit schön dicken Pauken und schmetternden Trompeten (ich höre sie gerade). Und da macht Bernstein noch mehr?
    Junge, Junge!
    Aber du hast da was wichtiges gesagt, dass man von seinen ersten Aufnahmen geprägt ist. Dieses Phänomen kommt hier im Forum etwas zu kurz.
    Tschö
    Klaus
    P.S.: Kann das sein, dass Sibelius vor allem im Winter gehört wird?

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Liebe Sibeliusianer -


    da ich heute bereits die Vierte unter Ashkenazy mit dem RStSO bei EXTON an geeigneter Stelle besprochen habe, hier nur so viel: Der Schluß des Finalsatzes der V. hat für mich bei Karajan BPO (1965) etwas geradezu Quälendes, während die Zeitlupen-Entfaltung bei Ashkenazy der Apotheose etwas völlig Zwingendes verleiht. Der schräge Blechbläser-Choral, den Karajan als Hauptthema herausstellt und in das Schwanen-Schema zwingt - einerlei Lautstärke im Blech, keine dynamische Abstimmung (was scheußlich klingt), dafür in den Geigen aller Schm[a]elz -, erfährt hier bei Ashkenazy eine gewaltige Metamorphose ins Unbeschreibliche mit Durchbrüchen und wolkigen Zerklüftungen, durch die sich das Violinthema in der Höhe dahinzieht wie eine Vision. Mehrfach nimmt der Dirigent die Dynamik wieder zurück, so daß die Steigerung wie ins Unendliche reicht. Alles scheint sich aufzulösen und strebt doch einem letzten Ziel entgegen. Man kann das kaum in Worten schildern, zum Sterben schön ist das, der Traum vom Fliegen.


    Kleine Ehrenrettung für Karajan - die auf der EXTON-Kopplung angeschlossene Finnlandia ist bei Karajans 65er Aufnahme (mit dem Vl.Cto) klanglich und und interpretatorisch ungleich gelungener - eine meiner Lieblingsaufnahmen von Karajan, und eine seiner bestklingenden (was, beim verhangenen Klangbild des Violinkonzerts, wieder verwundert). Allerdings nicht mein Lieblingsstück von Sibelius.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Hallo Farinelli,


    von Ashkenazy´s hervorragender Aufnahme der Sinfonie Nr.5 bei Decca mit dem Philharmonia Orchestra bin ich seit vielen Jahren überzeugt. Ich hatte allerdings nie den Eindruck, dass er dort übermässig langsam, gemäss einer "Zeitlupen-Entfaltung", wie Du es schreibst ist.
    Die neueren EXTON-Aufnahmen von Ashkenazy habe ich schon lange auf meiner Interessen-Liste, aber nicht auf meiner Kauf-Liste, da ich mit Ashkenazy´s Decca-Aufnahmen rundum sehr zufrieden bin; auch klanglich sind diese Spitzenklasse, sodass ich mir den EXTON-Kauf verkeiffen konnte.
    Du hast die Spielzeiten der Sibfonien Nr.4 und 5 im Sibelus 4-Thread geschrieben.
    Auch in der Decca-Aufnahme sind diese mit 13:09 - 9:26 - 8:47 in einem ähnlichen Niveau, wie bei EXTON.
    :?: Sind Ashkenazy´s Pauken bei EXTON auch so begeisterungswürdig prägnant ?


    :!: Ich finde übrigens Karajan´s DG-Aufnahme 1965 bei weitem in keinster Weise so übel, schon gar nicht im letzten Satz quälend, wie Du es beschreibst. Diese war mein Erstkontakt und hat mich jahrelang sehr zufriedengestellt.
    :thumbup: Aber tatsächlich weit besser als bei DG ist Karajan´s Aufnahme der Sinfonie Nr.5 ist diese in seiner Aufname mit dem Philharmonia Orchestra (EMI, 1960) gelungen.


    Zu Finlandia:
    Du schreibst (Im Sibelius4-Thread) , dass Du die Karajan-Aufnahme (DG) von Finlandia ungleich besser findest, als Ashkenazy (EXTON). Gut, ich kenne die EXTON jetzt nicht, aber im Vergleich zu Karajan (DG), die ich bereits vor Jahren abgesetzt habe, finde ich Ashkenazy (Decca, 1981-86) nicht nur ungleich besser, sondern - das ist der absolute Wahnsinn, was Ashkenazy dort packend vorstellt (Spielzeit 8:01).
    Ich fand Karajan bei Finlandia (DG) immer zu kontrolliert, zu abgeklärt; allerdings bei seiner EMI-Aufnahme etwas schroffer und besser ... aber Ashkenazy auf Decca - Whow !



    :?: Sollten die EXTON-Aufnahmen von Ashkenazy sich so krass von den Decca-Aufnahmen unterscheiden, wie es zwischen Deinen Zeilen durchschimmert ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber teleton,


    die Pauken sind gut eingebettet in den Gesamtklang, dir wäre der mf-Wirbel vor Einsatz der Hörner vermutlich nicht deutlich genug. Bedenke auch, daß ich auf der Basis eines schmalen Vergleichsangebots (Maazel und Karajan) meine Eindrücke wiedergebe. Die Einspielzeiten legen nahe, daß Ashkenazy sein Konzept nicht grundlegend revidiert hat.


    Natürlich mache ich Karajan schlechter, als nötig. Ich habe bloß die 65er-Lp; womöglich ist das Klangbild auf der CD weiträumiger. Ohne Partitur tippe ich mal, daß ich den letzten Abschnitt, largamente assai meine. Auch Karajan reduziert hier das Tempo. Ich empfinde die Transformationen, die die Klänge hier durchlaufen, eben etwas eindimensional - es hat musikalisch ja was von einem Flug über die Arktis und ein bißchen was vom Schluß des 2001-Films. Die Streicherlinie ist bei Karajan kräftig durchgezogen, und die Stauung im Blech relativ zügig auf den Höhepunkt avisiert.


    So, Partitur gedownloaded; wie ichs vermutet hatte: Largamente assai. Unglaublich, was Ashkenazy daraus macht; da Karajan ja alle Anweisungen, scheints, genau befolgt. Oder doch nicht: die dynamisch an- und abschwellenden Blöcke bewegen sich zwischen mp und fff, die Pauke von pp bis max. f. Bei Karajan gibt es nur f und ff, dazwischen kaum hörbare Unterschiede.


    Wenn man Ashkenazy vergleicht, so ist das aufgetürmte Blech weniger massiv, schon weil er die permanent modifizierte Dynamik, die ja etwas ungemein "Atmendes" hat, einen sehr weiten Puls, aufs genaueste umsetzt. Part.Zf. Q, Einsatz der hohen Unisono-Streicher (senza sordino!) hat poco f, was Karajan übertreibt, Ashkenazy auch wegen des darauffolgenden diminuendos zurücknimmt.


    Das Partiturbild legt eine relativ homogene Klangfläche nahe. Die Trp. aber, die ja führen, haben mp e nobile, die Posaunen gar: mp dolce e nobile. Bis knapp vor Part.Zf. R ist f die höchste benannte dynamische Stufe; und das erste ff wird sogleich wieder decrescendo zurückgenommen. Die weitgehende, doch nicht deckungsgleiche Parallelisierung der dynamischen Vorgänge und die gleichen dynamischen Bezeichnungen in allen Stimmen (mit Ausnahme der Pauke) werfen, wie immer, die Frage auf, was ein ff in den Geigen gegen ein ff im Blech ist. - Ich höre bei Karajan nicht recht, wie diese Musik atmet (wie gesagt, reduzierte Dynamik der DGG LPs, geschenkt). Es ist eine gewaltige Steigerung, die dem Orchester einiges abverlangt.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • So, Partitur gedownloaded


    Lieber Farinelli,


    erst mal vielen Dank für Deine detaillierten Bemerkungen - und das Eingeständnis, dass Du Karajan schlechter machst als unbedingt nötig! :hello:


    Gibt es bei Deiner Quelle auch die 7. Sinfonie? Es scheint von diesem Werk keine Taschenpartitur zu geben, und die "normale" Dirigierpartitur würde mit ca. €60,- dem Äquivalent mindestens zweier guter Sibelius-Zyklen entsprechen ... zum Beispiel Segerstam II und Sir Colin Davis III.


    ... für einen Hinweis wäre ich sehr dankbar.

  • Lieber Farinelli,


    vielen Dank! Zu allen Sinfonien von Sibelius sind TPen erhältlich, sogar zu Tapiola, aber nicht zur 6. und 7. :(

  • Ich gestehe, daß mich Sibelius per Partitur bislang nicht sonderlich gereizt hat. Wie Helmut mit Brahms Nr. 2 erging es mir mit der IV.: ich hatte mir klanglich etwas wie einen dicken schwarzen Balken im Baßfeld vorgestellt und war von der Überschaubarkeit überrascht. Morgen werde ich mal den hiesigen Notenladen aufsuchen (wie zu Schulzeiten, als ich die meisten meiner Partituren erstanden habe).


    Das Partiturbild der in 3/2 notierten Finalsequenz der V. kann ich zwar grob nachvollziehen, aber worum es klanglich dann geht, das kann ich dem Notenbild nicht entnehmen (es sieht fast nach Barockmusik aus ...). Etwa das Verhältnis der Streicher zu der oberen Trompetenstimme. Ashkenazy reizt mich jedenfalls zum "Zimmerdirigieren", das ist Musik zum Anfassen.


    Ich habe viel Beethoven, Mahler und Brahms. Als Exot Debussy, dessen Partituren hinreißend sind. Scrjabin, Strauss und Strawinskij. Eh lieber Kammermusik. Und Bach. Und Wagner. - Aber Sibelius ist irgendwie ganz anders ...


    :hello:

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  • Lieber Farinelli,


    oh - von jeder mich interessierenden Musik möchte ich die Noten kennen lernen. Wie ist es gemacht? Was könnte der Komponist gemeint haben? Die meisten meiner Partituren habe ich allerdings auch schon zwanzig Jahre oder länger.


    Worum es klanglich geht - sauer genug. Neulich hatte ich mir die Noten von Brahms' späten Klavierstücken besorgt und war erstaunt, wie wenig ich erkannte (vor allem B-Teile). Vom Klang mal ganz zu schweigen. Aber zusammen mit zwei oder drei Aufnahmen bekommt man schnell Ordnung in die Systeme, und dann wird es spannend.


    Ja, SIbelius ist anders. Bei Bruckner hat man auf dem Höhepunkt meist den Blechchoral, dahinter in den Holzbläsern die Orgel, und die Streicher figurieren das Ganze. Und alles verschmilzt tendenziell, ist zumindest verschmelzend beabsichtigt.


    In der von der genannten Finalsequenz (ab "Largamente assai", 7 nach O?) sieht es ja erst ganz ähnlich aus: Die Trompeten mit der Schwanenhymne, Posaunen, Hörner und tiefes Holz begleiten flächig, die Streicher fügen eine Linie hinzu. Sieht wirklich aus wie eine frühbarocke Motette.


    Verrückt genug sind schon mal die geteilten Kontrabässe mit ihrem synkopischen Rhythmus - ein erstes Argument gegen Karajans Homogenisierungsbemühungen. Die Posaunen werden nach und nach selbständiger, dann auch die anderen Instrumente, es wundert geradezu, dass die Trompeten unbeirrt in ihrem einfachen Rhythmus bleiben. Es ist gar nicht verschmelzend, im Gegentel, ist darauf angelegt, einander immer fremder zu werden. In der Darstellung der Zerfalls ist Sibelius groß!


    Interessant auch die von dir bereits genannten Steigerungswellen!


    Was sonst würde helfen, wenn uns ein Dirigent eine einfache Sicht auf das Werk vorgaukelt, wenn nicht die Noten?


    :hello:


  • Zu der hier kompilierten V. ist zu sagen, das der große Höhepunkt im ersten Satz (vor dem attacca eingeflochtenen ursprünglichen 2.) unter Jansons gewissermaßen nicht stattfindet, da in den gewaltigen Blechbläser-Durchbruch subito der Beginn des accellerando (und diminuendo) verlegt wird - klingt, als würden nicht nur Bernstein, der hier "im Klang kniet", sondern auch Sibelius die Leviten gelesen. Ohne Partitur kann ich das nicht abschließend beurteilen.


    Nachtrag: Ein Blick in die Partitur zeigt, daß Sibelius ungefähr dergleichen beabsichtigt (bei Barbirolli klingt es, soweit ich mich erinnere, ähnlich). Poco a poco ... meno moderato al ... allegro moderato. Ein buchstäblich dehnbarer Begriff ohne weitere Konkretisierung, über acht Takte erstreckt, beginnend drei Takte vor Part.Zf. N, einen Takt nach Beginn des großen Höhepunkts mit den Trompetensignalen und den aufwärts geführten Arpeggien der Streicher; wobei die dynamische Reduktion erst ab Part.Zf. N beginnt (meno f).


    Der zweite Satz wirkt etwas gedehnt und dramatisiert (aber immer noch rund 2 min. schneller als Lenny). - Das Finale beginnt sehr schön erregt. Die fluktuierenden Klangflächen sind besser als das Pendelthema im Blech, das im Verlauf etwas an Schwung verliert, eine Nuance versteift klingt. - So, jetzt endet die große Klage der Streicher sul g. Großes Atemholen. Der Choral: gewaltige dynamische Stauungen. Aber sehr hymnisch, ähnlich wie Bernstein. Das erste Diminunendo nach Einsatz der Streicher ist wunderbar stofflos, dann wirds fast abrupt sehr laut; dann wirkt die Zurücknahme der Dynamik fast schon wie ein kalkulierter Schlußeffekt (nicht wie ein Fall ins Bodenlose). Übrigens ist Jansons rasch unterwegs, die oben genannte sul-g-Klage, die dem eigentlichen Schluß voransteht, findet sich in all meinen Aufnahmen bei ca. 6:30, hier fast schon bei rund 5:30, etwas dahinter. Zu flott. Aber wirkungsvoll.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


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