Leos Janacek: Jenufa

  • Hallo zusammen,


    Leos Janaceks wohl berühmteste Oper, 1904 uraufgeführt, hat einen eigenen Thread verdient, wie ich finde. Ich eröffne ihn einmal auf ungewöhnliche Art und Weise, nämlich nicht mit einer Einführung, sondern mit Eindrücken einer Aufführung an der Frankfurter Oper am vergangenen Freitag, Eindrücke BTW, um deren Mitteilung mich auch ThomasBernhard gebeten hat - ich komme gerne der Bitte nach :)


    Es war eine unglaublich gute Aufführung, in jeder Hinsicht. Tilmann Knabe, einer der Lieblings-Dresch-Regisseure von Feuilleton und Publikum (erinnert sei an die Verrisse seines Hamburger "Trovatore"), hat eine hochkonzentrierte, ganz und gar ruhige, aber auch hochspannende Inszenierung geschaffen, in der es keine einzige überflüssige Bewegung zu geben schien und die man doch mindestens nochmal sehen muss, um jedes Detail aufnehmen zu können. Knabe nutzt gemeinsam mit seinem Bühnenbildner Alfred Peter nie die ganze Bühne. In Anlehung an den fast filmhaften "Schnitt" der Musik Janaceks (eine Eigenschaft, die sich zu der Zeit so ausgeprägt nur noch bei Schreker findet) ist seine Inszenierung quasi "großes Kino". Der Vorhang ist eine Art Filmblende, die sich zum Vorspiel langsam öffnet und den Blick auf ein ausgesprochen detailreich wirkendes, auf den ersten Blick "klassisches" Bühnenbild freigibt (freilich weder in der ganzen Bühnenhöhe noch -tiefe, vielmehr ein Ausschnitt der Bühne, der etwa einer Leinwandgröße entspricht). Durch einen rein weissen Hintergrund und eine Beleuchtung, die zum Teil von unten kommt, entsteht der Eindruck fast zweidimensional komponierter Bilder, die den Blick immer genau dahin lenken, wo er hingehört.


    Die Personenführung, wie gesagt, ist sehr sparsam, sehr reduziert, aber zugleich sehr ausdrucksstark und sehr "natürlich" (selten ein Ensemble gesehen, dass komplett so selbstverständlich spielte wie hier). Im zweiten Akt ist der Bühnenausschnitt noch viel kleiner als im ersten, nur die ganz enge, beengte Stube der Küsterin. Erst im letzten Akt weitet sich nach und nach der Raum, um bei dem Liebesschluss (man spielt gottseidank die von Mackerras und Tyrell wiedereingerichtete Brünner Fassung) sich zunächst ganz zuu verschliessen und dann zu einem riesigen weissen Rechteck aufzublenden, in das die Liebenden quasi gezogen werden (optisch). Durch die optische Begrenzung und bewusste Beschränkung des Bühnenraums wird auch die Enge und die Starre, in der die Figuren gefesselt sind, klar herausgearbeitet.


    Es war auch ein begeisternder Abend, weil es um die musikalische Seite exzellent bestellt war. Der taiwanische Dirigent Shao-Chia Lü (amtierender GMD in Hannover) hat das Museumsorchester Frankfurt auf Janaceks typisch knorrigen Ton eingestellt, versteht es, zwischen den harten Akzenten und den weit schweifenden Linien auszubalancieren und wichtige Details wie das fatals Xylophon-Klopfen im ersten Akt genau im rechten Maß in den Vordergrund zu stellen. Hörbar fühlt er sich in Janaceks Partitur zu Hause, weiss darum, Janaceks Orchesterklang auszutarieren und die von Janacek nachempfundenen volkstümlichen Töne im rechten Maß Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dazu ist Lü ein unglaublich aufmerksamer Sängerdirigent, der nicht nur hochkonzentriert die Sänger führt, sondern auch ausgesprochen reaktionsschnell und flexibel auf diese reagieren kann. Eine Aufführung, in der es zwischen Graben und Bühne nicht einen Moment lang wackelt, ist die Folge, und das Museumsorchester folgt Lü hingebungsvoll, man merkt, die Musiker wissen, dass sie sich auf Lü verlassen können und sind daher bereit, ihm alles zu geben, wozu sie in der Lage sind.


    Die Sängerriege wird, wie doch so häufig in der Jenufa, überstrahlt von der ungemein intensiv gespielten Küsterin der Nadine Secunde, die beim Schlussapplaus denn auch am allermeisten abräumte. Kein keifendes Weib, sondern eine von ungeheuren Ängsten und Selbstzweifeln geplagte Frau, fast manisch nach dem Mord an Jenufas Kind, groß in dem Moment, in dem sie ihre grauenhafte Tat eingesteht. Mit Ann-Marie Backlund steht ihr eine zu Beginn etwas blasse, erst im zweiten Akt aufblühende und sich dann umso mehr verzehrende Jenufa zur Seite. Das Damentrio wird trefflich komplettiert von June Card, die der alten Buryia Würde und einen gehörigen Schuss Altersweisheit zu geben vermag. Yves Saelens in der Höhe sehr stabiler Tenor ist genau recht für den draufgängerischen Steva, und Stuart Skeltons etwas phlegmatische Erscheinung (hier Typ: gutmütiger Brummbär) passt in Verbindung mit seinem jedenfalls am besuchten Abend sehr klaren und ausgeruhten Tenor hervorragend zu Laca. Aus dem restlichen Ensemble ragte Franz Mayers sonorer Altgesell ebenso heraus wie die präzise Leistung des von Alessandro Zuppardo einstudierten Chores.


    Kurzum: Das lohnt sich. Nächste Spielzeit gibt es diese ausgesprochen sehenswerte Produktion an der Oper Frankfurt wieder. Wer nicht hingeht (wie das Frankfurter Publikum, das in der besuchten Vorstellung das Haus höchstens zu 2/3 füllte), ist eigentlich selber schuld....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Claus,


    Das war ja eine phantastische Kritik, stimme Dir voll und ganz zu.
    Nächste Spielzeit gibt es übrigens auch wieder Janaceks Katja Kabanowa in Frankfurt. Die Inszenierung hat mich damals noch mehr begeistert.


    Von Jenufa habe ich bisher nur eine Einspielung, nämlich die von Haitink. (Brünner Fassung). Sie gefällt mir gut, ist musikalisch vielleicht tatsächlich etwas weicher gezeichnet als es zu Janacek passt, aber da ich keine Vergleichsaufnahmen habe, will ich nicht mehr zu dieser Aufnahme schreiben.



    Gruß, Markus

  • Hallo zusammen,


    Zitat

    Original von C.Huth
    Kurzum: Das lohnt sich. Nächste Spielzeit gibt es diese ausgesprochen sehenswerte Produktion an der Oper Frankfurt wieder. Wer nicht hingeht (wie das Frankfurter Publikum, das in der besuchten Vorstellung das Haus höchstens zu 2/3 füllte), ist eigentlich selber schuld....


    Bedauerlicherweise stimmt das nicht (mehr): Die Produktion steht heute nicht mehr in der Spielzeitvorschau für das nächste Jahr. Also, wer noch hinwill, vorerst sind nur noch Vorstellungen am 6., 8., 13. und 16. Juli diesen Jahres.


    Beste Grüsse,


    C.

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  • lieber c.huth, du hast mir mit deiner kritik alles vorweggenommen ... stimme dir in allen punkten zu . im ersten akt fand ich jedoch die sänger allgemein zu leise, sie versanken fast ganz im orchesterklang ... da hätte der dirigent ein wenig stärker eingreifen müssen ...


    ansonsten: eine der ergreifendsten opern, die ich kenne und eine gute inszenierung....
    nur zu empfehlen ... :yes:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Lieber klingsor,


    wo hast Du denn gesessen? Bei uns - 7. Reihe Parkett - kamen die Sänger im ersten Akt jedenfalls recht gut über die Rampe, nur ganz gelegentlich, etwa wenn Jenufa im Verhältnis zu den anderen eher im Hintergrund stand, gab es ganz leichte Balanceprobleme, die sich freilich nie so vollständig lösen lassen (außer durch reines Rampensingen, aber wer will das schon? ;) ).


    Ansonsten freue ich mich, mit meiner Meinung über die Aufführung und Produktion nicht alleine da zu stehen ;)


    Beste Grüsse,


    C.

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  • ja, genau das meinte ich : die jenufa vor allem: gerade am anfang, wenn sie auf ihrer 'insel' stand und ähnliche stellen- da drang sie kaum durch.
    saß wie immer im 2. rang mitte , da hört man ansonsten sehr gut ... und ab dem 2. akt wars ja auch ok ....
    sag mal, weißt du, wer im ersten akt auf dem etwas abgerissenen plakat abgebildet war (der herr mit brille)? jemand bestimmtes oder nur ein 'allgemeuines' motiv?
    grüße

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Lieber klingsor,


    Am Anfang hatte ich eigentlich keine größeren Probleme, die Jenufa zu hören, da ist das Orchester auch nicht sonderlich mächtig gegen. Mag sein, dass das wirklich so sein kann je nach Platz, da das Bühnenbild an diesen Stellen nach hinten ja quasi keine Reflekationsmöglichkeit bot (ein Grund auch sicher, warum der zweite Akt präsenter erscheinen konnte: Hier waren die Sänger ja in der sehr engen Stube der Küsterin gleichsam eingesperrt, die auch nach hinten sehr eng begrenzt war und entsprechen den Schall reflektieren konnte (das hat man sehr gut gemerkt an der einen Stelle, an der Jenufa nach hinten zum Fenster gesungen hat und so gut wie genauso laut klang wie wenn sie ins Publikum sang).


    Wer auf der Mauer abgebildet war , ist mir auch nicht aufgegangen, aber ich habe das Detail als weniger wichtig angesehen, für mich war es nur so ein allgemeines Abbild - möglicherweise der Rest einer kommunistischen Parteipropaganda, das würde zu der gezeigten Gesellschaft (relativ heutig, was aber der Handlung nicht schadete) ja nicht so schlecht passen.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Wieso gibt's denn da keine CD-Empfehlungen?
    ?(


    Bei Janácek generell für mich allererste Wahl: die Einspielungen mit Sir Charles Mackerras (durch den ich den genialen Tschechen seinerzeit kennengelernt habe), in diesem Fall:



    Ein Verdienst Mackerras' besteht auch darin, daß er die Originalfassungen rekonstruiert hat - bei Janácek, dessen Partituren mehrfach retuschiert und verändert wurden (in Richtung romantisierend aufweichender Auffassungen, die m. E. die kühnen Intentionen des Komponisten verfälschen), eine offensichtlich nicht unproblematische Geschichte.


    In dieser Aufnahme habe ich vor allem die überzeugende Leistung von Elisabeth Söderström in guter Erinnerung.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Wieso gibt's denn da keine CD-Empfehlungen?
    ?(


    In der Tat, ungewöhnlich in diesem Forum. :D



    Mit folgender, inzwischen recht preiswert zu bekommenden Einspielung ist man nicht nur meines Ermessens hervorragend bedient:



    - die erste Aufnahme ohne auf fremde Hand zurückgehende Instrumentationsretuschen (und mit dem ursprünglichen Schluss!)


    - ein ohne jeden Abstrich perfektes Sängerensemble (nur das Tschechisch von Frau Söderström kann ich nicht beurteilen - sängerisch ist sie eine Wucht)


    - Mackerras gilt nicht ohne Grund als führender Janacek-Dirigent; außerdem hochklassiges Orchesterspiel


    Der letzte Punkt ist vielleicht der einzige, an dem relativierende Kritik möglich ist: Es klingt in Verbindung mit der Decca-Hochglanz-Aufnahmetechnik schon sehr wienerphilharmonisch-luxuriös. Man könnte sich einen schärferen, härteren Orchesterklang vorstellen (wenn man die beiden Mackerras-Aufnahmen von Katia Kabanova - einmal mit den Wienern, einmal mit der Tschechischen Philharmonie - vergleicht, hört man diesen Unterschied sehr deutlich).


    Aber das ist reine Beckmesserei. Die einzige mir bekannte tschechische Aufnahme ist die in den 70er Jahren bei Supraphon erschienene unter Frantisek Jilek mit Benackova. Die ist (zumindest auf CD) klanglich zu sehr auf die Sänger fixiert, hat die traditionellen Kürzungen und Retuschen und ist orchestral vielleicht "idiomatischer" (eigentlich wage ich das nicht zu beurteilen), aber auch viel undifferenzierter.



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Das ist bis heute schlechthin die Aufnahme. Die anderen sind entweder in der korrumpierten Fassung oder wesentlich schwächer dirigiert und gesungen. Söderström ist sprachlich angeblich nicht so toll (behauptet ein Bekannter, der Tscheche ist), es wäre besser gewesen, die Benacková zu besetzen - aber das sind müßige Überlegungen. Ebenso kann man über die Wiener Philharmoniker meckern, die in den Streichern tatsächlich zu weich sind und deren Hörner und Posaunen in den oft exponierten und mitunter obendrein schnellen Passagen nicht unbedingt brillieren. Aber was soll's? Es ist nicht nur keine bessere Aufnahme auf dem Markt - diese hier ist obendrein auch absolut gesehen ziemlich gut.
    :hello:

    ...

  • Jenufa (Její pastorkyna / Ihre Ziehtochter),
    Oper aus dem mähr. Bauernleben in 3 Akten
    von Leos Janácek. Text von Gabriela Preissová.
    Uraufführung: 21.1.1904 Brünn, Nationaltheater (Národni divadlo),
    mit Marie Kabelácová • Leopolda Svobodová • Alois Stanek-Doubravský • Theodor Schütz • Prochazká,
    Dirig. Hrazdira.



    siehe auch hier: JANÁČEK, Leoš: JENUFA


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Leider ist es ja zum Haupt-Thema in diesem Forum geworden: Das ständige Gezeter über das Regietheater und seine Auswüchse.


    Dabei geht dann ganz unter, wenn mal wieder in einem großen Opernhaus eine Neu-Inszenierung stattfindet, die
    - in der richtigen Zeit spielt
    - die Musik so ist, wie sie sein sollte
    - hervorragende Sänger agieren
    - ein Spitzen-Orchester mit einem erstklassigen Dirigenten zu erleben ist.


    Deshalb sollte die "Jenufa" hier mal lobend erwähnt werden, die jetzt an der Deutschen Oper Berlin Premiere hatte:

    Leos Janacek - Jenufa [Její Pastorkyna]

    Oper in drei Akten
    Libretto von Leos Janacek nach dem Drama von Gabriela Preissová
    Uraufführung am 21. Januar 1904 in Brünn
    Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 4. März 2012


    In tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln
    Musikalische Leitung: Donald Runnicles
    Inszenierung: Christof Loy


    mit:
    Die alte Buryja - Hanna Schwarz
    Laca Klemen - Will Hartmann
    Steva Buryja - Joseph Kaiser
    Die Küsterin Buryja - Jennifer Larmore
    Jenufa - Michaela Kaune
    Frau des Bürgermeisters - Nadine Secunde
    Chor der Deutschen Oper Berlin
    Orchester der Deutschen Oper Berlin


    Eine ausführliche Besprechung gibt es im Feulleton der FAZ, hier:"Lass uns gemeinsam in die dunkle Zukunft gehen "


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • In der SZ gab es auch eine sehr gute Kritik - obwohl ich weder Wolfgang Schreiber noch Reinhard Brembeck sehr vertraue, die doch meist Regietheater bevorzugen. Aber an der Beschreibung und an dem Bild konnte man doch sehen, dass es moderne Regie, aber kein Regisseurstheater war, wogegen ich nichts habe. Dazu ist Christof Loy nämlich durchaus fähig - seine drei Monteverdi - Opern in Düsseldorf gehörten für mich zu den Höhepunkten der letzten 10 Jahre. Leider ist aus mir unersichtlichen Gründen die Wiederaufnahme dieses Zyklus damals geplatzt, vielleicht aus Kostengründen, da man als Orchester die Neue Düsseldorfer Hofmusik verpflichtet hatte, die jetzt den Rameau - Zyklus bestreitet.

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

  • Dieser und die unmittelbar folgenden Beiträge wurden aus dem Opernführer hierher verschoben.

    Theo


    Gott, waren das noch Zeiten, als 1964 die Jenufa-Produktion an der Wiener Staatsoper herauskam. Ich nahm mir vor, lediglich die Premiere zu besuchen, aber was man da zu hören und zu sehen bekam, war derart grandios, daß ich auch sämtliche Reprisen besuchte. Diese Jenufa (in deutscher Übersetzung) ließ in mir sämtliche Gefühlswallungen auflodern - von tränenreicher Dramatik bis zu unbeschreiblicher Begeisterung. Kein Wunder, waren doch unter der Leitung von Jaroslav Krombholc Sänger (und vor allem kongeniale Interpreten) am Werk, die Exemplarisches leisteten: Eine Sena Jurinac als Jenufa, mit der das Publikum buchstäblich mitlitt, ein furioser Waldemar Kmentt als eifersüchtiger Laca in Hochform, und auch sein Tenorkollege Jean Cox stand ihm in nichts nach. Dazu die beeindruckende Martha Mödl als Küsterin Burya und die grandiose Elisabeth Höngen als alte Burya. Die blutjunge Lucia Popp als Karolka vervollständigte mit der ebenfalls jungen Olivera Miljakovic ein Ensemble, das weltweit wahrlich nicht seinesgleichen findet. Daß das fulminante Orchester und der blendend disponierte Chor unter der sachkundigen und leidenschaftlichen Leitung des Dirigenten ebenfalls zu unvergeßlichen Sternstunden beitrug, war eigentlich eine Selbstverständlichkeit.


    Bühnenbilder und Kostüme waren ungemein stimmig, so daß die Akteure in diesem Ambiente auch ihre eminente schauspielerische Leistung voll zur Entfaltung bringen konnten. Darob herrschte im Auditorium Erschütterung vor allem über die großartige Jurinac als unglückliche Jenufa, die besonders nach Erkennen des Mordes an ihrem Kind zur großen Tragödin geworden war.


    Dankenswerter Weise brachte Myto diesen Premierenmittschnitt heraus, so daß sich bei mir nach Jahrzehnten ein beklemmend-grandioses Dé-jà-vue einstellen konnte.


    Ohne die von Caruso41 eingestellte Referenzaufnahme zu kennen, muß ich sagen, daß diese Wiener Jenufa-Produktion keine Konkurrenz zu fürchten hat und zu den ganz großen Produktionen des vergangenen Jahrhunderts gezäht werden muß.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Die von milletre erwähnte Jenufa habe ich damals auch in Wien gesehen, war aber mit Janacek ganz unvertraut. Das kam erst 3 Jahre später, und es begann auch mit Jenufa. Daher erinnere ich mich an diese Jenufa kaum. Ich habe bei amazon nachgesehen, von der myto-Aufnahme gibt es zwei Exemplare, für 343,-- und 375 Euro (!!).

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

  • Von Jenufa habe ich bis heute eine der eindrucksvollsten Opernabende in der Düsseldorfer Rheinoper in Erinnerung.


    Auf CD habe ich diese Aufnahme:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Ja, das kann ich bestätigen. Es war die Glanzzeit des Janacek-Zyklus in den Inszenierungen von Bohumil Herlischka. Bessere Janacek-Inszenierungen habe ich nie gesehen. Das Orchester unter Peter Schneider war damals noch nicht so versiert, das ist danach aber immer besser geworden, vor allem in den Neufassungen von Sir Charles Mackerras.

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

  • So, liebe Janacekisten. Ich gebe offen zu, dass Janacek wohl eine meiner größten Bildungslücke in der klassischen Musik ist. Das ändere ich peu a peu und besuche die Jenufa am Donnerstag in der Staatsoper bei uns in Hamburg. Abseits der Opernführer frage ich die Liebhaber: Worauf darf ich mich freuen?

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

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  • Ich gebe mal eine pauschale Antwort: auf alles. Allerdings mit Einschränkungen.

    1. Die Frauen werden alle toll spielen und singen, einschließlich der Nebenrollen wie Karolka und Yano, der Hirtenjunge, dem Jenufa Lesen und Schreiben beigebracht hat. In Wien war das eine der ersten Rollen, die man der noch sehr jungen Lucia Popp anvertraut hatte, mit großem Erfolg (wenn ich mich recht erinnere).

    2. Stewa sollte durchaus ein Heldentenor italienischer Bauart sein, muss aber sehr gut spielen können. Am besten scheint mir im Moment der Tscheche Pavel Cernoch zu sein.

    3. Laca ist meist der kritische Punkt. Er ist der Charaktertenor, er muss wie die Jenufa und die Küsterin nicht nur gut singen, sondern überragend spielen. Leider wird der Laca oft besetzt mit sog. zweiten Tenören (kein guter Begriff).

    Was jetzt kommt, schreibe ich, obwohl ich deswegen hier schon heftige Shitstorms erlebt habe. Thema Rollenidentität/ Rollendistanz. Ich hatte gefordert, dass etwa Mélisande im Pelléas jung sein muss, weil die Altersdistanz zu Golaud eines der strukturell wichtigen Merkmale der Oper ist. In vielen Aufführungen, die ich gesehen habe, wurde Laca mit sehr korpulenten Tenören besetzt (ich nenne jetzt keine Namen). Das beeinträchtigt sein Spiel, und auch der Gegensatz zu Stewa liegt nicht dort. Am Ende des ersten Aktes begeht Laca etwas, was ich hier nicht verraten will. Es ist eine Tat, die blitzschnell ausgeführt werden muss....

    4. Das Orchester wird von Janacek selbstständig geführt, also selten spielt es die Linien der Sänger mit, anders als oft bei Puccini; was mich da auch nicht stört. Allerdings hat Puccini in "Suor Angelica" das auch anders gemacht.

    5. Ich habe damals die Jenufa in einer WDR-Aufnahme gehört und aufgenommen und ein halbes Jahr gehört, bis ich fast alles mitsingen konnte. Das kann ich heute noch, allerdings nur deutsch. Unser verstorbener Tamino-Freund Hans Mikl konnte tschechisch, aber nicht singen.

    6. Ich habe danach bis auf Sarka alle Janacek-Opern gehört, die mittlerweile auch in exzellenten Aufnahmen vorlagen (Charles Mackerras).

    7. Persönlich freue ich mich, dass es hier eine ganze Phalanx von Janacek-Liebhaber gibt (und sicher bald einen neuen). Ich wurde hier schon mal als "selbsternannter Janacek-Fachmann" bezeichnet. Das ist entweder verunglimpft oder verglimpft, also in jedem Falle falsch.

    Tifoso würde besser passen.

    8. Ich bin ja kein prinzipieller RT-Verächter, aber RT bei Janacek könnte mich zu Straftaten verleiten. Ich erinnere mich als in Duisburg "Das schlaue Füchslein" ins Zirkusmilieu verlegt wurde. Leider hatte ich an dem Tag keine Waffe dabei....:untertauch: (ich besitze natürlich keine).

    9. Ich habe hier mal einen thread gestartet "Welche Opern könnt ihr mitsingen?" Gemeint war nicht solistisch, sondern nur mit einer Aufnahme zusammen. Ich habe es in Düsseldorf mal erlebt, dass ein Nachbar "Der Odem der Liebe" aus "Cosi fan tutte" mitsang. Ich konnte ihn auch ohne Waffe zum Schweigen bringen.

    Aber was unsere Taminos da boten, vor allem auch in der Fülle, war eindrucksvoll. Einer hatte den ganzen Ring drauf....

    10. Bei YouTube gibt es eine "Jenufa" aus London mit Asmik Grigorian, in voller Länge, inzwischen auch als DVD. Sie ist ja auch eine besonders gute Darstellerin. Gesehen habe ich das noch nicht.

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

  • Lieber Tristan2511, die Janácek-Experten hier im Forum bleiben in der Deckung. Als Laie sage ich: Auf sehr schwache Männerfiguren und überharte Frauen darfst Du Dich freuen. Eliška Weissová ist bestimmt eine prima Küsterin, als Ortrud in Prag habe ich sie in guter Erinnerung. In Clay Hilley würde ich auch einige Erwartungen setzen. Es grüßt Hans


    Nachtrag: Nun war Dr. Pingel doch schneller. :-)

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Meine erste Begegnung mit Janacek war natürlich seine Oper Jenufa, von der ich sofort begeistert gewesen bin. Es ist nicht nur die spannende Geschichte sondern auch die wunderbare, ganz eigenwillige slawische Musik die mit der tschechischen Sprache eine ideale Symbiose bildet. Ich hatte gehofft, Jenufa würde mich auch für andere Janacek-Opern begeistern können. Das war nicht der Fall. Keine seiner anderen Werke konnte mich bislang nur annähernd so begeistern wie Jenufa. Eher im Gegenteil. Wenn ich da nur an das schwer verdauliche Osud denke ...


    Aber hier geht es ja um Jenufa. Meine erste Aufführung dieser Oper war vor mehr als zehn Jahren an der WSO. Damals zwar schon in der wunderbaren Pountney-Inszenierung, aber noch in Deutscher Sprache. Das war eigentlich schon ein Plädoyer für Oper in Originalsprache, denn die deutsche Sprache konnte sich nicht mit der so slawischen Musik verbinden. Das passte nicht recht zusammen. Allerdings war Agnes Baltsa als Küsterin so eine Wucht, dass man das vergessen konnte, wenn sie die Szene beherrschte. Die Oper dann wenige Jahre später auch in tschechischer Sprache hören zu können, war dann nochmal ein ganz anderes Erlebnis.


    2. Stewa sollte durchaus ein Heldentenor italienischer Bauart sein, muss aber sehr gut spielen können. Am besten scheint mir im Moment der Tscheche Pavel Cernoch zu sein.


    Im Moment? Du bist da wohl nicht mehr ganz up-to-date oder du verwechselst den Sänger. Cernoch hat den Stewa schon vor fast zehn Jahren abgelegt und zum gehaltvolleren Laca gewechselt. Heute gilt er eigentlich als bester Interpret für den Laca, den er vor wenigen Wochen noch auch am Lyric Opera House in Chicago gesungen hat.

    Als großartiger Stewa hat sich in den letzten Jahren besonders Pavol Breslik hervorgetan.

    Cernoch und Breslik standen übrigens zuletzt in "ihren" Rollen auch gemeinsam auf der Bühne im Theater an der Wien.



    Gregor

  • In einem Punkt hast du Recht, mit Cernoch habe ich was verwechselt. Er hat beides gesungen, aber ich erinnere mich jetzt an den 2. Akt, an den Besuch von Laca bei der Küsterin (bei YT), da singt er. Einen solch guten Laca habe ich noch nie gesehen oder gehört. Sein Geheimnis ist (wie bei Asmik Grigorian), dass er genausogut spielt wie er singt. Gibt es auf CD/DVD/YouTube eine Gesamtaufnahme davon, die würde ich sofort kaufen? Auch stimme ich dir absolut zu, dass Laca die "gehaltvollere Rolle" ist!

    Mit den anderen deiner Meinungen kann ich mich nicht anfreunden. Osud ist ja die Oper nach Jenufa, für mich ist sie genau so gut, man braucht allerdings einen Tenor wie Ivo Zidek. Dann unsere Lischka Bistrouschka, Katja Kabanova, für mich alle auf Jenufa-Niveau. Selbst der Broucek ist meisterhaft, vor allem die Mondszene mit den besten Walzern in der Oper außerhalb vom Rosenkavalier.

    Dann kommt die eine Oper, in der Janacek seine alten Werke noch übertrumpft: die "Sache Makropulos". Diese Oper ist schwer zu hören; ich habe beim ersten Mal jeden Akt einzeln mindestens 20x gehört; Literaturopern sind halt nie leicht. In dieser Oper habe ich nicht sofort bemerkt, dass es eine Oper ist, in der der Orchesterpart besonders eigenständig ist.

    Dann aber kommt noch eine Steigerung: das "Totenhaus", für mich die beste Oper des 20. Jahrhunderts. In diese Kategorie gehören ja auch Salomé, Elektra, Wozzeck und die Soldaten von Zimmermann, für mich auch "Mathis" und "Palestrina", obwohl beide konservativer sind. Trotzdem ist für mich ist das "Totenhaus" das opus summum, auch weil das Orchester hier einen besonders eigenständigen. Orchesterpart hat. Ich habe in unserem Opernforum zwei CD-Aufnahmen und 2 DVD-Aufnahmen des Totenhauses" ausführlich verglichen; ist wahrscheinlich veraltet.

    " ... wie weit soll unsere Trauer gehen? Wie weit darf sie es ohne uns zu entwurzeln...(Doe tote Stadt, Schluss)

  • Hamburg hatte früher sehr gute Besetzungen für Jenufa. 1966 sangen in einer Inszenierung von Oscar Fritz Schuh Luisa Bosabalian, Nadezda Kniplova (später auch Irene Dalis), Richard Cassilly, Ragnar Ulfung, 1998 in der Tambosi-Inszenierung Karita Mattila, Eva Marton, Jan Blinkhof und Albert Bonnema - die Männer in beiden Fällen sehr typgerecht besetzt.

  • Vielen Dank für die Kommentare, die Vorfreude steigt!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • ... und besuche die Jenufa am Donnerstag in der Staatsoper bei uns in Hamburg. Abseits der Opernführer frage ich die Liebhaber: Worauf darf ich mich freuen?

    Auf die Begegnung mit einem der bedeutendsten musikdramatischen Werke, lieber Tristan2511. Es ist aus meiner Sicht aber kein Selbstläufer. Wehe, wenn eine Auführung musikalisch und szenisch nicht gelingt. "Jenufa" halte ich für eine äußerst empfindliche Oper, sie ist sehr verletzbar. Ob in einem traditionellen Milieu angesiedelt oder nicht, die Geschichte tritt aus jedem historischen Rahmen und Kontext heraus. Sie könnte fast überall spielen, weil sie uns alle irgendwie angeht. Die dargestellten Konflikte und Gefühle sind allgemeiner, allgemeinmenschlicher Art. Die sehr verdichteten orchestralen Eineitungen zu den drei Akten sind von großer Eindringlichkeit, das Finale schier überwältigend. Für mich ist die Küsterin die wichtigste Figur. Ihre große Soloszene im zweiten Akt, war das erste, was ich durch die Leipziger Sopranistin Sigrid Kehl auf einer ihre gewidmeten Eterna-LP von diesem Stück in deutscher Sprache mitbekam. Es war ein ganz elementarer Eindruck mit Folgen. In meiner bislang zuletzt erlebten Aufführung, einer Übertragung der Glyndebourne-Inzsnierung von Nikolaus Lehnhoff an die Deutsche Oper Berlin, sang Anja Silja diese Rolle. Sang und spielte sie so, dass das bis auf den letzten Platz besetzte Haus die Luft anhielt. Ich habe so eine Spannung vorher und nachher nie wieder erfahren. Leider konnte die DVD, die es offiziell gibt, diese Atmosphäre nicht einfangen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

    Einmal editiert, zuletzt von Rheingold1876 ()

  • In vielen Aufführungen, die ich gesehen habe, wurde Laca mit sehr korpulenten Tenören besetzt (ich nenne jetzt keine Namen). Das beeinträchtigt sein Spiel, und auch der Gegensatz zu Stewa liegt nicht dort.

    Ja, so ging es mir bei meiner ersten Jenufa als Gymnasiast bei einem Besuch in Frankfurt. Da sang William Cochran (neben Marianne Häggander, Anja Silja und Danica Mastilovic) und ich fand es optisch einfach nur lächerlich. In Erinnerung geblieben sind mir letztlich nur zwei kurze Momente der Inszenierung, der erste Auftritt der Küsterin beim Tanz im ersten Akt und ihr Abgang im letzten Akt.

  • Ich würde nicht behaupten wollen, dass William Cochran im Besitz einer schönen Stimme gewesen ist. Für den Laca aber hielt ich ihn nachgeradezu als ideal - auch darstellerisch. Es ging mir sehr nahe, wie er dieser verdrucksten Figur Profil gab, die sich auch nach Liebe und Anerkennung sehnt, doch immer abgewiesen wird. Stattdessen wird ihm immer der leichtfüßige Stewa vorgezogen. Am Ende wächst er aber über sich selbst hinaus und gewinnt sich Jenufa, mit der er in ein neues Leben zieht. Die Musik ist ganz auf seiner Seite. Für mich konnte das niemand anderes so überzeugend darstellen wie Cochran. Wenn er denn optisch auch lächerlich gewirkt haben sollte, so dürfte das durchaus auch im Sinne des Werkes gewesen sein, in dem nach meiner Überzeugung wirklich alles stimmt.

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    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo,

    aus Wien gibt es auch einen Mitschnitt der Jenufa auf operaonvideo. Das Stück ist wirklich hervorragend, der 2. Akt ist grandios. Ich kann mich noch sehr gut an Sue Patchell und Anny Schlemm in diesen Rollen in Hannover erinnern.

    Dort inszenierte später noch mal eine Regisseurin das Stück die es als "böhmische Folklore" bezeichnete. Muß man das weiter kommentieren? Das Ergebnis war .......

    Die Dame kam nicht wieder.

    Schöne Grüße

    wega

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