Schach dem Regietheater !!!

  • Ich bin ebenfalls 25 und bis auf marginale Ausnahmen auch nicht für das Konzept des modernen Regie- oder eben besser Regisseurstheaters je zu begeistern gewesen. Mich sieht jedenfalls auf absehbare Zeit kein Opernhaus mehr, das nichts anderes zu bieten hat als diese hochgeistigen Ergüsse von weltverbesserischen Möchtegern-Regisseuren. Ich verlege mich zunehmend auf meine CD-Sammlung und ab und an ein Konzert. ;)


    Weihnachtliche Grüße allen Regietheater-Freunden und -Gegnern


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Es war mir klar, dass meine Bemerkungen gegen eine pauschale Aburteilung des Regietheaters die Wellen hochsteigen lassen würden.
    Aber das bringt mich nicht davon ab, in dem Schachspiel gegen das Regietheater nicht weiter mitzuspielen.


    Ich hatte es ja angekündigt:





    Also denn: Ein fröhliches Tschüss allen, die sich in diesem Thread engagieren! Ich bin raus!


    Wenn aber jemand einen Thread aufmacht, in dem über Calixte Bieito's Hannoverschen Trovatore diskutiert wird, werde ich mich sicher an der Auseinandersetzung mit allen, die gegen oder für diese Inszenierung a r g u m e n t i e r e n , beteiligen!




    Nochmals: Tschüss!

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Wie in allen unseren Diskussionen über das Regietheater stehen sich zwei Gruppierungen wenig kompromissbereit, flexibel und tolerant gegenüber. Auf der einen Seite die Traditionalisten, die werktreue Inszenierungen im Sinne des Komponisten und in der Zeit der Entstehung des Werkes fordern. Auf der anderen Seite die Erneuerer, die den Fortschritt beschwören und neue Deutungen im Zeichen des Hier und Jetzt reklamieren. Deshalb möchte ich, ohne in diesem Beitrag Stellung für eine der beiden Positionen zu nehmen, aus dem Buch „Einführung in die Kultur- und Kunstökonomie“ von Peter Bendixen und Bernd Weikl wissenschaftlich begründete Ausführungen zitieren, die wichtige Hinweise für das Gelingen jeglicher Art von Operninszenierungen geben.
    (S.260f)
    Die Gesetze der Wahrnehmung (Bernd Weikl) „Die Eigengesetzlichkeit des Kunstschaffens ist eine kaum strittige Beschreibung der Tatsache, dass Kunst nach eigenen ästhetischen Gesetzen arbeitet, etwa solchen der Harmonie des Gesamtaufbaus eines Kunstwerkes oder der Abgeschlossenheit einer Darstellung. Wichtige Grundlagen für die Gesetze der Wahrnehmung und Gestaltung gehen auf die Arbeiten von Max Wertheimer zurück. In der Gestaltpsychologie zählen zu den wichtigsten Gesetzen: Das Gesetz der guten Gestalt. Das Gesetz der Ähnlichkeit. Das Gesetz der Kontinuität. Das Gesetz der Nähe. Das Gesetz der geschlossenen Gestalt. Das Gesetz des gemeinsamen Schicksals.
    Unser Hirn analysiert nach dem psychologischen Gesetz der geschlossenen Gestalt, indem es Wahrnehmungsinhalte in Kategorien zusammenfasst, und es erinnert sich, wenn es diese Eindrücke aus dem Gedächtnisspeicher wieder abruft. Die geschlossene Gestalt eines Kunstwerks muss nachvollziehbar sein. Zu viele Ablenkungen vom Kern der Hauptaussage zerstören das unterschwellig gewünschte, also antizipierte Ebenmaß der Kontur. Opernregie soll die Hauptaussage des Stückes flankierend miterzählen.
    Das Gesetz der guten Fortsetzung beinhaltet, dass unsere grauen Zellen zwei Handlungsabschnitte, die hintereinander auf einer gemeinsamen Bahn liegen, automatisch verbinden. Gute Kunst erarbeitet logische Zusammenhänge. Des Weiteren will unser Hirn immer wieder ein vorherrschendes harmonisches Zentrum erkennen und ergründen. Solche psychologischen und physiologischen Gesetzmäßigkeiten sind für musikalische aber auch optische Wahrnehmungsinhalte anzuwenden. Längere logische Handlungsabläufe animieren das Mitdenken, das Ziehen persönlicher Schlussfolgerungen und die Kreativität. Kurze Sequenzen auf Dauer bevormunden den Rezipienten und verringern eigene gedankliche Entfaltung (Zimbardo 1992). Die vorstehenden Ausführungen, besonders die Gesetze der Wahrnehmung, können als Kriterien zur Beurteilung einer gelungenen Operninszenierung mit herangezogen werden und zur Versachlichung unserer Diskussionen dienen.
    Peter Bendixen – Bernd Weikl „Einführung in die Kunstökonomie", VS-Verlag.de.
    ISBN 978 -3-531 – 18279 -7 Das Buch enthält darüber hinaus eine Vielzahl wertvoller Informationen für den interessierten Opernfreund.


    Herzlichst Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Nach dem Barbiere Besuch am Mittwoch in Düsseldorf bin ich am Donnerstag in den Opernshop gegangen und habe nachgefragt ob man wegen nichterbrachter Leistungen sein Eintrittsgeld zurück bekommen kann. Die gute Dame tat erstmal ganz verständnislos und meinte ich wäre wohl schon schlecht gelaunt in die Oper gegangen, denn der Barbiere ist ja eine heitere Oper. Worauf ich nur entgegnete: Ja , aber nur wenn er gut inszeniert ist und die jetzige Inszenierung wäre bei jeder Kinderoper durchgefallen. Darauf lautete dann die Antwort das wir bei den technischen Geräten oder bei Automobilen auch immer das neuste haben wollen und die Oper dürfe nicht zu einem Museum verkommen und wir müssten uns alle für neue Regieideen öffnen und dann dürften wir ja auch kein Fernsehen mehr schauen. Aber der Oberhammer war als die Dame mir riet mehr bevor ich eine Opernaufführung besuche , mich besser zu informieren und mir vor allem die Programme zu kaufen, denn nur so könnte ich die Intentionen des Regisseurs verstehen. Ich kann mich erinnern in einer Kritik nach der Premiere zur Entführung aus dem Serail die ich gestern gesehen habe stand das dem Regisseur zu dem Stück wohl nicht viel eingefallen ist und er die Geschichte einfach nur nacherzählt hat. Aber ist das denn so verkehrt ? Ich habe den gestrigen Abend wie die anderen Zuschauer auch sehr genossen.

  • Nach dem Barbiere Besuch am Mittwoch in Düsseldorf bin ich am Donnerstag in den Opernshop gegangen und habe nachgefragt ob man wegen nichterbrachter Leistungen sein Eintrittsgeld zurück bekommen kann. Die gute Dame tat erstmal ganz verständnislos und meinte ich wäre wohl schon schlecht gelaunt in die Oper gegangen, denn der Barbiere ist ja eine heitere Oper. Worauf ich nur entgegnete: Ja , aber nur wenn er gut inszeniert ist und die jetzige Inszenierung wäre bei jeder Kinderoper durchgefallen. Darauf lautete dann die Antwort das wir bei den technischen Geräten oder bei Automobilen auch immer das neuste haben wollen und die Oper dürfe nicht zu einem Museum verkommen und wir müssten uns alle für neue Regieideen öffnen und dann dürften wir ja auch kein Fernsehen mehr schauen. Aber der Oberhammer war als die Dame mir riet mehr bevor ich eine Opernaufführung besuche , mich besser zu informieren und mir vor allem die Programme zu kaufen, denn nur so könnte ich die Intentionen des Regisseurs verstehen.


    Hast du zufällig die Kontaktdaten von der Dame? Würde sie gerne anschreiben und ihre eine etwas andere Sicht der Dinge erklären.... :)

  • Ich habe an die Oper direkt geschrieben. Mal gespannt, ob eine Antwort kommt. Hoffentlich nicht auch von so einer Barbiepuppe, die ihr neuestes Pink-Cabriolet mit einer Oper verwechselt. Es friert einem.

  • Der bekannte und anerkannte österreichische Opernexperte und Stimmenfachmann Professor Dr. Walter Herrmann hat eine Broschüre herausgebracht:


    ... und trotzdem lebt die Oper
    Die 7 Todsünden des Regietheaters


    1. Mangelnder Respekt vor der Musik


    2. Mangelnde Demut vor Komponist und Werk


    3. Mangelnde Werkkenntnis


    4. Mangelnde Allgemeinbildung


    5. Zur Schau gestellte Befindlichkeit


    6. Die Verteufelung der Oper als Museum


    7. "Anders" muss es sein - um jeden Preis


    Alle Todsünden werden anhand von nachvollziehbaren Beispielen beschrieben und belegt. Hoch interessant ist ein Rätsel oder Test, bei dem von dargestellten Bildern aus Inszenierungen auf das Werk geschlossen werden soll.
    Das 60 seitige Buch ist also eine Fundgrube für alle, die ihr Wissen ergänzen und für Diskussionen, wie sie im Tamino-Klassik-Forum leidennschaftlich geführt werden, argumentativ aufrüsten oder nachrüsten wollen. Und die Broschüre ist ein glänzendes Plädoyer eines großen Opernenthusiasten für gute Operninszenierungen. Dem Autor Walter Herrmann geht es also nicht um die Frage, ob man "alte"oder "neue" Inszenierungen bevorzugt, so genannte "konservative" oder "moderne", sondern es geht allein um "gut" oder "schlecht", "richtig" oder "falsch".
    Also, liebe Taminos, wer seinen Blick und sein Beurteilungsvermögen für wirklich gute Operninszenierungen schärfen will, dem sei diese Lektüre wärmstens ans Herz gelegt.
    Das Büchlein ist direkt beim Autor: Hofrat Prof. Dr. Walter Herrmann, Bräuhof 228, A - 8993 Grundlsee, ÖSTERREICH zu beziehen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • In Klagenfurt gibt es eine betont werktreue Neuinszenierung von "My fair lady" und in Cottbus eine fast werktreue Neuinszenierung von "Hänsel und Gretel".

  • In Klagenfurt gibt es eine betont werktreue Neuinszenierung von "My fair lady" und in Cottbus eine fast werktreue Neuinszenierung von "Hänsel und Gretel".


    Auch wenn dies kleine Lichtblicke sind - genug ist mir das leider immer noch. Es müssen wieder die grossen Standart-Repertoire-Werke von Mozart, Rossini, Weber, Wagner, Verdi, Puccini und Strauss endlich wieder schön und klassisch inszeniert werden...

  • Zitat


    Auch wenn dies kleine Lichtblicke sind - genug ist mir das leider immer noch. Es müssen wieder die grossen Standart-Repertoire-Werke von Mozart, Rossini, Weber, Wagner, Verdi, Puccini und Strauss endlich wieder schön und klassisch inszeniert werden...


    Hallo, Knuspi, Figarooo und Gleichgesinnte!


    Dieser Wunsch wird wohl ein "Wunschtraum" bleiben. Wenn ich hier mal die Meinungen aus vielen Zuschriften, Theaterkritiken und Äußerungen der Regie-Befürworter lese, komme ich mir wirklich hilflos vor. Unser Gutmensch OPERUS fordert uns zwar zum Kämpfen auf, aber wo ansetzen? Bei den Intendanten der Opernhäuser stößt man doch auf taube Ohren. Außer in der Presse Kritik zu üben, sehe ich da die Möglichkeiten begrenzt. Ich warte da auf andere, bessere Lösungen.




    Gruß Wolfgang

    W.S.

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  • Hier eine überraschende Kritik , wo ich ich dem Kritiker nur zustimmen kann, da ich ebenfalls in der Premiere am Samstag war und das Haus in der Pause fluchtartig verlassen haben. Nur musste ich Geld für diesen Schwachsinn bezahlen, während die Karten für den Kritiker wahrscheinlich umsonst waren.:



    La Traviata - Musiktheater im Revier (Gelsenkirchen) - Bild: Karl Foster


    Au weiha, das tut weh!


    "Müh ohne Zweck"


    Abende an denen Sie es sich überlegen sollten ggf. besser irgendwo nett Essen zu gehen, insbesondere wenn Sie die Karten geschenkt bekommen!


    # = einfach nur miserabel


    ## = Benzinvergeudung


    ### = Benzinvergeudung und verschenkte Lebenszeit


    ###(#) = unterirdisch / erzeugt Alpträume / ganz übel / Gefährdet Ihr Seelenheil! / nur unter Alkoholeinfluß genießbar




    Gelsenkirchen La Traviata ####


    Fürchterlich: die ganze Bühne nimmt ein riesiger kackbrauner (Sorry!) Pappwürfel ein, der aussieht, wie aus billigstem Karton: unten handtellergoße runde Löcher. In selbige müssen die Choristen greifen, um dann mühsam diesen Würfel zu drehen, was unserer Heldin später nicht gelingt. „Sinnlose Plage – Müh ohne Zweck!“. Er ist innen hohl und hinten offen, damit die Kameliendame – anscheinend die Siegerin in einem Kostümwettbewerb des Recyclinggewerbes „Kleider aus Bonbonpapier“, sichtbar wird.


    Dann fährt die neue Spielfläche wie Stefan Raabs fliegender Schreibtisch nach vorne, ein wankender Statist spielt Steuermann. Wie witzig! Über die unseligen Koordinationsprobleme zwischen Bühne und Orchestergraben will ich sowenig reden wie über den knödeligen Tenor oder die seltsam singende (Text?) Violetta. Zu sehr zieht einen dieses häßichste aller Bühnenbilder herunter; dann noch das unselige permanente Geldscheingewerfe – augenscheinlich ist der Euro gerade kollabiert!


    Im zweiten Akt: eine große diagonale die Bühne querende, wieder kackbraune, Pappmaché-Mauer auf der einzelne Personen (später der ganze Chor), wie Schießbudenfiguren auf der Kirmes plötzlich hochkommen und ebenso wieder verschwinden. Die rechte Seite nimmt dieser unsägliche Würfel ein – allerdings sind die Löcher diesmal mit Deckeln versehen. Eine Meisterleistung großer Bühnenbaukunst!


    Da signalisiert mir mein Handy einen Nofallruf der Familie – es ist auch Pause. Ich bin gerettet, sollte es im zweiten Teil noch besser werden? Wir schicken Kollegen Freitag zur 2.-PR – er ist jünger, netter, toleranter und leidensfähiger… Der Chor ist aber toll! Wenn er sich nicht dauernd, wie Winnetou und die Komantschen um ein fiktives Lagerfeuer auf dem kalten Bühnenboden scharren müsste. Addio fiorito asil. Bil


    Es scheinen doch einige Kritiker nicht nur für das moderne Regie Theater zu sein. Ein herzliches Beileid für seinen Kollegen der sich den ganzen Unsinn antun soll.

  • Lieber rodolfo39,


    wie falsch du liegst, erfährst du in der Vorankündigung in "Der Westen". Dort wird den Leuten vorgegaukelt, dass diese Inszenierung sich "Ganz nah an Verdi" orientiert. Nach deiner Schilderung wüßte ich einmal gerne, was an dieser Inszenierung "ganz nah an Verdi" sein sol. Oder warst du in der falschen Oper???


    Liebe Grüße
    Gerhardl

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Hallo Gerhard,
    der Bericht ist nicht von mir sondern von einem Kritiker dessen Kritiken auch im neuen Merker veröffentlicht werden. Und diese Kritik ist deshalb so verwunderlich, weil der gute Mann eigentlich alles, ganz egal wie schlecht es ist, gut und toll findet. Und nah an Verdi ist bei dieser Inszenierung wirklich nichts nah, höchstens die Zuschauer die in der ersten Reihe sitzen.

  • Hallo, Ihr Lieben und Gleichgesinnten,


    so aussichtslos scheint der ständige Hinweis und die permanente Anklage auf und gegen die Auswüchse des sinnentstellenden Regieunsinns bei Operniszenierungen doch nicht zu sein. Zwei Aussagen von Prominenten sollen dies belegen:
    Der allem Neuen aufgeschlossene Regisseur Peter Stein äußert sich in einem Presseinterview unmissvertändlich über seine selbstgefällgen Kollegen und über die Sucht, alles "anders" machen zu wollen:
    "Alles muss modernisiert werden, man darf nichts mehr so machen, wie es früher gemacht worden ist, in der Renaissance war das so, bei Schiller und und bei Goethe. Diese dämliche Wichtigtuerei der Regisseure! Was soll denn das? Der Regisseur ist völlig unwichtig. Er soll Vermittler sein zwischen dem Autor und dem Zuschauer Das Wesentliche sind natürlich die Schauspieler und Sänger. Die Regisseure haben ständig Einfälle. Grauenvoll!"


    Ernst Fuchs, einer der Begründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus und wahrlich alles andere als ein "Konservativer" wurde vom "Neuen Merker" Wien gefragt, ob unsere Theaterwelt krank sei. Auch er antwortete unmissverständlich: "Ja, aber nicht unheilbar. Es tut mir zwar leid, das man auch in Wien in dieses Boot gestiegen ist, in dem Skandalgestrandete das Überleben suchen, aber trotzdem; die Umkehr wird langsam spürbar. Und ich hoffe, dass bald die Zeit kommen wird, da sich die genialen Neuerer so oft kopiert haben, dass ihnen ihre Schrägen, die Endlostreppen etc. selbst zum Hals heraus hängen."
    Und weiter auf die Zusatzfrage, ob man wieder zur "Lesart" von Mozart, Verdi oder Wagner zurückfinden werde, ohne dass der Oper ein nahes Ende droht: "Unsterbliche sind nicht umzubringen, das wird sich herumsprechen!"


    Die Unzufriedenheit und der Aufruf zur Besinnung und Umkehr wächst also ständig. Unsere Diskussionen im Tamino-Klassik-Forum mögen nur kleine Anstöße in dieser Richtung sein. Aber "Steter Tropfen höhlt den Stein" und kaum etwas wirkt meinungsbildender und verändernder als die ständige, permanente Wiederholung. Wir Taminos sollten die Tropfen liefern,
    die mithelfen, dass es eine Sturmflut wird, die das Falsche und Kranke aus unserer Opernwelt wegschwemmt.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • In der WAZ erschien auch eine recht gute Kritik, die nur den 3. Akt bemängelt ("ideenlos, da kann man gleich konzertant spielen"); vor allem der Dirigent wurden gelobt, die Sänger aber auch. Aber Rodolfo traue ich natürlich mehr. Ich bin ganz traurig, denn Gelsenkirchen ist mein Stammhaus, da bin ich auch im Förderverein. Außerdem gab es in den letzten Jahren tolle Inszenierungen (Britten, Korngold, Boito), modern, aber kein Regietheater.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Hallo Dr. Pingel,
    die Sänger waren leider unterirdisch schlecht und nicht auf dem Niveau das ich sonst vom MIR kenne. Der Tenor knödelte war an manchen Stellen kaum zu hören, wenn die VIoletta angefangen hat zu singen, haben meine Ohren Tinitus bekommen, die hohen Töne waren sehr unsauber genauso wie der Rest und die Dame hatte leider auch ein sehr unangenehmes Vibrato. Und der Dirigent hatte vor allem im ersten Akt mit der Koordination zu kämpfen und das ganze wirkte eher unfertig.

  • Gestern habe ich mir ausnahmsweise mal wieder im Fernsehen einen Film angesehen, und zwar "Der Name der Rose", der in der Zeit spielte, in der der Roman angesiedelt ist und von Kulisse, Kostümen und Masken einfach als ausgezeichnet zu bezeichnen ist. Ich frage mich, wie unsere chaotischen Opernzerstörer diesen Roman wohl interpretiert hätten. Ob sie ihn wohl in einen Hochhaus gedreht, mit modernen Straßenanzügen und ohne Maskenbildnerei in Art der Serie "Tatort" oder sonstiger Krimiserien inszeniert hätten. Warum gelten Filme wie dieser nicht als "verstaubt", während die Oper, die in der Anrike oder im Mittelalter spielt, immer wieder von Besserwissern als "verstaubt" deklariert wird und daher unbedingt - ohne Rücksicht auf den Autoren - in die Moderne übersetzt, in der Handlung verdreht und mit allerhand zusätzlichem Firlefanz versehen werden muß? Na ja, wenn man sie dann noch in Einheitkulisse, auf leerer Bühne oder in Pappkartons und Anzügen und Kleidern aus der Altkleidersammlung spielt, spart man sich Kulissen- und Maskenbildner und die Beschäftigung mit der Zeit und dem Ort, in der und an dem das Originalwerk spielt. Ich glaube, kein Schriftsteller würde zulassen, dass man so mit seinem Werk umgeht. Oder ist es doch nur reine Einfallslosigkeit dilettantischer Regisseure wie in den täglichen Seifenopern?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard,


    ein sehr guter Gedanke. Eine Antwort scheint mir hierin zu liegen: solche Filme werden auch von normalem Publikum gesehen, also nicht nur von Schwerintellektuellen, denen man eingeredet hat, dass nur die völlige Verfremdung Kunst sein kann. Der intellektuelle Opernbesucher hält in der Oper aus und pfeift nicht, der Kinobesucher wirft seine Coladose und sein Popcorn auf die Leinwand und verlangt sein Geld zurück.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich glaube, kein Schriftsteller würde zulassen, dass man so mit seinem Werk umgeht. Oder ist es doch nur reine Einfallslosigkeit dilettantischer Regisseure wie in den täglichen Seifenopern?


    Lieber Gerhard,


    ich stimme Dir zu: Verflimungen verfremden nicht. Jedenfalls bei weitem nicht so, wie dies im sog. Regietheater geschieht.


    Dennoch: Bitte nenne mir Verfilmungen, die dem Niveau der literarischen Vorlagen standhalten. Bei welchem Film warst Du nicht enttäuscht, wenn Du das Buch vorher gelesen hattest?

  • Zitat

    Zitat von Wolfram: ich stimme Dir zu: Verflimungen verfremden nicht. Jedenfalls bei weitem nicht so, wie dies im sog. Regietheater geschieht.Dennoch: Bitte nenne mir Verfilmungen, die dem Niveau der literarischen Vorlagen standhalten. Bei welchem Film warst Du nicht enttäuscht, wenn Du das Buch vorher gelesen hattest?

    Ganz recht, lieber Wolfram. Deshalb schaue ich mir auch keine Filme an, wenn ich das Buch bereits gelesen habe. In diesem Fall hatte ich das Buch noch nicht gelesen. Aber kannst du mir erklären, warum denn Opern verfremdet werden müssen?


    LIebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Dennoch: Bitte nenne mir Verfilmungen, die dem Niveau der literarischen Vorlagen standhalten. Bei welchem Film warst Du nicht enttäuscht, wenn Du das Buch vorher gelesen hattest?


    Generell stimmt das, z.B. auch gerade für den "Namen der Rose". Hier fehlt nämlich der theologische Teil, den Eco grandios beschrieben hat: die zentrale Auseinandersetzung der Scholastik, wie wirklich die Wirklichkeit ist. Ist die Rose das Abbild der platonischen idealen Rose oder heißt die Rose Rose, weil wir ihr den "Namen Rose" gegeben haben? William von Baskerville trägt diesen Namen als Kompilation von Baskerville (der Hund, also Sherlock Holmes) und Wilhelm von Occam. Daher, lieber Gerhard, das Buch unbedingt noch lesen, auch wenn du den Täter kennst.


    Ein Film fällt mir doch ein, der genausogut, wenn nicht besser ist als die literarische Vorlage: "Fahrenheit 451" (nach Ray Bradbury) von Francois Truffaut. Natürlich auch hier keine Parallele zum Regietheater. Bei Kinderfilmen fallen mir gleich eine ganze Menge ein, die genausogut wie die Originale sind: "Die Vorstadtkrokodile", "Momo", "Charlie und die Schokoladenfabrik" und "Der geheime Garten"! Hat das was mit Phantasie zu tun? Ich weiß es nicht.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich möchte Euch ermuntern: Schreibt den Rezensenten bzw. an die Redaktionen!!!! Je mehr Mails die erhalten umso besser. Lobt diejenigen, die den Mut haben irssinnige Inszenierungen als solche zu outen und hakt bei denen nach, die in den ewig gleichen Lobhudel-Chor einstimmen, wie sie das denn begründen würden. Stellt Fragen, Fragen, Fragen. Die reagieren überwiegend völlig verunsichert oder werden giftig. Ich wette, dass die sich dann gut überlegen noch einmal so einen Stuss zu schreiben, wie "verstaubte Oper (Barbier von Sevilla!!!!!) pfiffig dargeboten.

  • Nur ein Nachtrag zum Thema "Romanverfilmungen".


    Bis auf die seltenen Ausnahmen illustrierter Bücher arbeitet die Literatur in einem gänzlich unanschaulichen Medium, dem der Sprache.


    Wenn man annimmt daß es die beschreibenden Passagen wären, die sich besonders gut bildlich umsetzen ließen, so wird man erstaunt sein, daß gerade Romane wie Forsters Maurice, Whartons Zeit der Unschuld, James´ Schwingen der Taube usw. in der Ivory-Schule in einen exquisiten Detailrealismus übersetzt werden, der in den Büchern in keiner Weise entfaltet wird.


    Dieser Widerspruch drückt sich besonders schlagend in der (nie umgesetzten) Option für Luchino Visconti als Wunsch-Regisseur einer Proust-Verfilmung aus. Proust, der (entgegen landläufigen Vorurteilen) im Sinne eines handgreiflichen Realismus fast gar nichts bietet, umgesetzt durch den Opernausstatter Visconti mit seinem dernier-cri-Stilgefühl für noch die geringste Drapierung einer Damentoilette.


    Was das mit unserem Thema zu tun hat, erweist ein kurzer Seitenblick auf Viscontis "Tod in Venedig": Dort wird die Mannsche Novelle essayistisch erweitert zu einer biographischen Trilogie, die neben der Figur Aschenbachs das Künstlervorbild Gustav Mahlers sowie deren späten Reflex in Adrian Leverkühn umfaßt.


    Dieser Film ist ein eklatantes Beispiel von Regietheater und erbringt nebenher den Nachweis, wie wenig sich vordergründiger Realismus und Aufbrechung in Subtexte widersprechen.


    Der sogenannte Realismus ist eine filmische bzw. theatralische Erzählweise, die lange Zeit das Kostüm mit der zugehörigen (sprachlichen und sich gebärdenden) Pose identifizierte. Erst in jüngster Zeit kann man beobachten, daß das Kostüm, im Gegenteil, mit einem Realismus verbunden wird, der die Posenerwartung unterläuft. Ich denke - das ist fürwahr ein weites Feld - z.B. an Campions schönen Film "The Piano", wo ein Frauenschicksal der Krinolinenzeit buchstäblich in den kolonialen Urwaldschlamm Neuseelands verlegt wird. Oder an Coppolas Sicht auf Marie Antoinette - shopping in Versailles.


    Gerade der Film zeigt sich also, entgegen den hier vertretenen Ansichten, in nuce bereits infiziert von einem bildlichen Bruch, der auf der Bühne gewiß radikaler vollzogen wird. Und als kleiner Seitenhieb auf die Eloge zum Namen der Rose lasse ich ein Wikipedia-Zitat zu Sofia Coppolas Film folgen, der die Sache schön auf den Punkt bringt:


    Marie Antoinette [hat] nichts von dem typischen künstlichen Gilb des Historienkinos. Sie werden hier keine fauligen Zähne sehen und keine felliniesken Nebenfiguren, es wird nicht gefurzt und nicht gerülpst, die Perücken sitzen wie eine Eins, und das Parkett im Schloß von Versailles ist so blank, daß man davon essen könnte. […]


    "Realismus" ist vor allem eine Kategorie der Relation - so empfindet man die Figur Mozarts in "Amadeus" gegenüber dem artifiziellen Salieri als "realistisch". Realismus entspringt immer dem Hunger des Regisseurs oder Akteurs nach "Leben" und "Unmittelbarkeit". Eine breitere Akzeptanz dieser Prämissen würde unsere Diskussion weniger leblos erscheinen lassen.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Servus farinelli,


    nur, weil in dem Film "Marie Antoinette" für eine Sekunde ein Paar Turnschuhe zu sehen waren und poppiger Soundtrack das Ganze untermalte soll er nichts mit dem "Gilb anderer Historienfilme" zu tun haben? Das ist mir auch zu plump. Was soll das auch wieder heißen "Gilb der Historienfilme"? Jeder Film ist seiner Entstehungszeit verpflichtet. Wenn ich allein an die Frisuren bei Doktor Schiwago denke... dennoch hat auch dieser Historienfilm etwas zeitloses. Soclhe Formulierungen, wie die von Sofia Coppola, sind für mich reine PR. Hat sie je "Gefährliche Liebschaften" gesehen???


  • .... und hier komplett: http://diepresse.com/home/kult…sse-mich-nicht-verarschen

  • Lieber Knuspi,
    das komplette Interview ist selbstverständlich eine ganz wertvolle Ergänzung zu den von mir ausgewählten und zitierten
    Auszügen. Danke.
    Herzlichst
    Operus

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  • Wär jedes Regietheater von der Güte der Verfilmung Viscontis von Manns "Tod in Venedig", dann gäbe es diese ganze Diskussion hier gar nicht erst. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich bin ebenfalls 25 und bis auf marginale Ausnahmen auch nicht für das Konzept des modernen Regie- oder eben besser Regisseurstheaters je zu begeistern gewesen. Mich sieht jedenfalls auf absehbare Zeit kein Opernhaus mehr, das nichts anderes zu bieten hat als diese hochgeistigen Ergüsse von weltverbesserischen Möchtegern-Regisseuren. Ich verlege mich zunehmend auf meine CD-Sammlung und ab und an ein Konzert. ;)


    Weihnachtliche Grüße allen Regietheater-Freunden und -Gegnern


    :hello:


    Eigentlich kann ich dem nichts mehr hinzufügen, obgleich das als Einstand wohl recht dürftig wäre. :S Also dann vielleicht so: Ich bin 35, vom Geschlecht her eine "strana sognatrice" und überlege mir mittlerweile jedes Mal sehr gründlich, ob ich mit meiner Eintrittskarte das Regisseurtheater subventionieren, und damit künstlich am Leben erhalten möchte, oder nicht. Mittlerweile ist die Entscheidung sehr einfach geworden.


    Romanverfilmungen sind ein sehr schönes Thema, das vielleicht einen eigenen Thread verdienen würde. Auch ich bin der Ansicht, dass die Verfilmung eines Romans der Vorlage meistens nicht ebenbürtig ist. Es gibt allerdings einige Ausnahmen, wozu ich den "Tod in Venedig" rechnen würde, und auch der "Leopard" sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Viscontis Gespür für die Dramatik des Geschehens, die Auswahl der Schauspieler und die historisch korrekte Umsetzung sind absolut beispielhaft.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hallo Strano Sognator,


    auch von mir zuersteinmal ein herzliches Willkommen im Forum!

    und überlege mir mittlerweile jedes Mal sehr gründlich, ob ich mit meiner Eintrittskarte das Regisseurtheater subventionieren, und damit künstlich am Leben erhalten möchte, oder nicht.


    Ich glaube nicht, dass sich solche Überlegungen lohnen, da zumindest bzgl. der Subventionierung - Regietheater hin oder her - stets dass Gegenteil der Fall sein wird!


    Z.B. war ich gestern abend mit meiner Tochter in "Hänsel und Gretel" (Hamburgische Staatsoper, Insz. Peter Beauvais). Eine schon recht betagte, aber durchaus sehenswerte "klassische" Inszenierung. Das Haus war, wie nicht anders zu erwarten ziemlich voll, d.h. ca. 1500 der 1700 Plätze waren belegt. Nehme ich mal einen durchschnittlichen Kartenpreis von 65 Euro an, komme ich somit auf Einnahmen in Höhe von 1500 x 65 € = 97.500. Vielleicht liege ich einigermaßen richtig, wenn ich behaupte, ein gut besuchter Abend bringt dem Haus 100.000 €. Davon muss ich jetzt Sänger, Chor und Orchester, sowie all das Drum und Dran (Licht, Gardrobe, Reinmachfrau etc.) bezahlen; da scheinen mir mindestens 200 Beteiligte nicht zu viel und es gibt für jeden 100.000 € / 200 = 500 €. Das allerdings scheint mir nicht viel, bedenkt man z.B. das die meisten Sänger und auch viele Orchestermusiker freiberuflich tätig sind und somit Renten- und Krankenversicherung selber tragen müssen. - Übrigens habe ich noch keinen Strom, Heizung oder Wasser (Toiletten!) für den Abend bezahlt ... :no:


    Damit dürfte m.E. klar sein, dass - zumindest in Deutschland - kein einziger Opernbesucher per Kartenkauf irgendetwas subventioniert. Vielmehr wird der in Anspruch genommene Kulturgenuß (oder eben nicht-Genuß) hochgradig von einer Mehrheit an Steuerzahlern subventioniert, die noch nie ein Opernhaus von innen gesehen haben und dies vermutlich auch nie tun werden.


    (Selbiges dürfte im Wesentlichen für das Sprechtheater, Museen oder Leihbibliotheken - siehe die aktuelle Entwicklung in Brandenburg - gelten ...)


    Klar, wir könnten nach amerikanischem Modell auf hauptsächliche oder auch totale Privatsubventionierung umsteigen. Aber auch hier behaupte ich, dass selbst bei rein konventioneller Bespielung der Opernhäuser nie soviel Geld durch Sponsering reinkommen wird, dass ich mir so einen Abend, wie gestern mit meiner Tochter noch werde leisten können. Aber das ist dann halt Pech für mich und sie! ... ?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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