Julius Weismann (1879-1950):
DIE PFIFFIGE MAGD
Komische Oper in drei Akten - Text vom Komponisten nach einem Lustspiel von Ludwig Holberg
Uraufführung am 11. Februar 1939 im Leipziger Opernhaus
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Herr Vielgeschrey, der Mann, der keine Zeit hat (Baß)
Leonore, seine Tochter (Sopran)
Pernille, Magd bei Herrn Vielgeschrey (Sopran)
Magdelone, Haushälterin (Alt)
Leander, Leonores Geliebter (Tenor)
Eriksen, ein Buchhalter (Tenor)
Oldfux, ein Freund Leanders (Bariton)
Die Schreiber bei Herrn Vielgeschrey:
Christen Federmesser (Tenor), Jens Sandbüchs (Bariton), Lars Tintenfass (Baß)
Ein Barbier (Tenor)
Ein Bauer (Baß)
Schneider, Notar, Hausgesinde
Das Geschehen ereignet sich um 1726 in der Wohnung des Herrn Vielgeschrey.
ERSTER AKT
Pernille, die Magd bei Herrn Vielgeschrey, tritt zunächst vor den Vorhang und teilt dem „sehr geehrten Publikum“ mit, daß sie jene Person sei, die dem Stück seinen Titel gegeben habe. Sodann stellt sie die übrigen handelnden Personen nach ihrem Charakterbild und der Rollenaufteilung vor - und verschwindet hinter wieder den Vorhang.
Der öffnet sich und man sieht ein geräumiges Zimmer im Hause von Herrn Vielgeschrey. Gerade tritt Pernille herein und singt ihre Ariette „Immer im Trab, treppauf, treppab“, in der sie ihre umfassende Tätigkeit als Hausmädchen schildert. Ihr Dienstherr, so verkündet sie nicht ohne Stolz, hätte selbst gesagt, sie sei sowohl Köchin als auch Kammerdienerin, wäre nicht nur Sekretärin, sondern auch seine Frau. Letztere Behauptung sei jedoch eine Lüge, denn dazu habe der Herr ja gar keine Zeit. Daß sie ihm aber am besten gefalle, wenn sie einen Federkiel hinter ihrem Ohr habe, entspräche schon der Wahrheit! Im übrigen stelle sie ein für allemal klar, daß Herr Vielgeschrey zwar immer so tue, als wenn er der Herr im Hause sei, daß in Wirklichkeit jedoch nur ihr Wille gelte - Punkt.
Herrn Vielgeschreys Haushälterin Magdelone kommt auf die Szene und schimpft mal wieder aus vollem Hals auf die Schreiber, die statt zu schreiben, ständig auf ihr Wohl Wein tränken und sich wünschten, daß „die alte Orgel“ endlich unter der Haube wäre. Und ihr einen Mann zu besorgen, habe der Herr ihr ja auch versprochen; nur kann sie das nicht ernst nehmen, denn Vielgeschrey habe ja nicht einmal Zeit, an die eigene Heirat zu denken. Was es doch für verrückte Menschen gibt!
Nach Pernilles Ballade „Wer in der Christnacht ward geboren“ findet sich Vielgeschreys Tochter Leonore auf der Szene ein und bittet Pernille, ihr beim Vater Hilfestellung zu geben, wenn ihr Liebster heute mit einem ganz besonderen Anliegen eintrifft. Näheres gibt Leonore aber nicht preis, trotzdem verspricht Pernille, behilflich zu sein, tröstet aber auch die heiratswillige, aber immer noch unbemannte Magdelone und schickt dann beide hinaus.
Nun kommt Herr Vielgeschrey zu seinem Auftritt: Mit seinen drei Schreibern geht er die Ausgabenrechnung der Woche durch und hat jede Menge zu beanstanden. Das, so befiehlt er, ist umgehend noch einmal zu schreiben! Diese Anordnung wird äußerlich devot hingenommen, aber mit was für einem Gesicht...
Die Herren schreiben und schreiben und als sie ihre Arbeit fertig haben, währenddessen Herr Vielgeschrey unruhig hin und her gegangen ist, wird Pernille gerufen und muß die schriftliche Abrechnung vorlesen. Es wundert kaum, daß der gestrenge Herr immer noch Fehler findet und die Schreiber wohl oder übel nochmals ran müssen.
Herr Vielgeschrey schildert währenddessen in einer Arie, daß alles falsch läuft, was man nicht selber erledigt. Wer sich auf andere verläßt, ist verlassen! Pernille unterbricht ihn in seinen Gedankengängen und fragt, ob sie ihm nicht einen Tee servieren solle. Dazu, antwortet Vielgeschrey, habe er einfach keine Zeit! Da sind nämlich noch zwei Briefe zu schreiben und er zählt auf, was er alles dazu benötigt. Pernille hat aber den vollen Überblick über den Hausstand und sagt, alles sei vorhanden. Vielgeschrey lobt seine Allroundmagd, kommt aber sogleich auf ein anderes Thema zu sprechen und - füttert vom Fenster aus die Hühner im Hof.
Mademoiselle Leonores Liebster, Leander, kommt, und stellt sich Herrn Vielgeschrey vor. Er ist gekommen, bei ihm um Leonores Hand anzuhalten. Aber er kommt überhaupt nicht dazu, diese für ihn so wichtige Angelegenheit dem Vielbeschäftigten vorzutragen, denn Vielgeschrey läßt Leander einfach stehen und begibt sich zu seinen Schreibern ins Nebenzimmer.
Ein neuer Besucher läßt sich blicken: der Barbier kommt mittlerweile schon zum dritten Mal, seinen Kunden zu rasieren. Obwohl Vielgeschrey schwer in der zeitlichen Bedrouille zu stecken vorgibt, läßt er sich einseifen und sogleich werden in bekannter Barbiersart die neuesten Tratschgeschichten erzählt. Aber zur Rasur kommt der Barbier überhaupt nicht, denn ein Bauer tritt auf, um das Geld für die Gerste zu entrichten. Wie nicht anders zu erwarten, ist Herr Vielgeschrei nicht zufrieden, denn die Summe stimmt nicht - es ist zu wenig!
Der Barbier möchte jetzt endlich aktiv werden, schließlich hat er auch noch bei anderen Kunden vorzusprechen. Das Turbulentarium schreitet fort: Pernille erscheint mit dem Schneider, der für einen neuen Gehrock des Herrn Vielgeschrey Maß nehmen will, kommt aber ebensowenig wie der Barbier dazu, seine Arbeit auszuführen, da Vielgeschrey wieder seine Schreiber herbei ruft und befragt.
Es bleibt den dienstbaren Geistern nichts anderes übrig, als unverrichteter Dinge wieder zu verschwinden. Nur Leonores Leander bleibt und kann endlich seine Werbung um die geliebte Leonore vortragen. Da kommt er aber gerade bei Vater Vielgeschrey richtig, der fragt nämlich sofort, was er gelernt habe - ob er beispielsweise das wichtige Gebiet der Buchführung beherrsche. Leander zählt freudig all sein Wissen auf, muß aber, leider, zugegeben, von Buchführung keine Ahnung zu haben. Damit hat der verliebte junge Mann schon verloren und wird als zukünftiger Schwiegersohn abgewiesen. Es hilft ihm auch nichts, daß er sich bereit erklärt, das trockene Fach der Buchführung erlernen zu wollen - die Leonore ist bereits, wie Vielgeschrey rücksichtslos mitteilt, dem Buchhalter Eriksen versprochen. Leanders Reaktion muß nicht erklärt werden - er geht wütend ab.
Ahnunglos, weil an der vorangegangenen Szene nicht beteiligt, kommt Leonore und hört von ihrem Vater, daß sie einen nicht nur tüchtigen, sondern auch braven und ehrlichen Mann heiraten soll. Selbstverständlich glaubt sie, daß ihr Leander gemeint ist, und dankt mit überschwenglichen Worten ihrem Vater. Der ist über Leonores Zustimmung erfreut und läßt so en passant wissen, daß Herr Eriksen der Schwiegersohn werden und, wen wundert es, heute noch Hochzeit gefeiert sein soll. Er geht mit seinen Schreibern ab und läßt nicht nur eine ratlose, sondern auch enttäuschte Tochter zurück.
Traurig stimmt Leonore eine empfindsame Canzonetta an, deren Schluß Pernille noch mitbekommt und ihr tröstend mitteilt, sie solle sich weiter keine Sorgen machen, denn noch heute werde sie mit ihrem Leander verbunden. Sie bittet Leonore um ihr Vertrauen und erklärt, daß sie einen Boten zu Leander geschickt hat, er solle mit seinem Freund Oldfux umgehend hierher kommen.
Tatsächlich kommen die beiden kurz darauf ins Haus und Pernille teilt jetzt allen ihren Plan mit: Leander soll sich als Buchhalter Eriksen verkleiden und eine Stunde früher als dieser hier eintreffen. Wenn aber dann der richtige Eriksen kommt, wird Magdelone ihn im Glauben, er käme, um ihr Mann zu werden, empfangen. Da Eriksen Leonore noch nicht kennt, wird er auch nichts merken. Oldfux' Aufgabe wird es sein, als Bote Leanders den Herrn Eriksen wissen zu lassen, daß ihm ein Prozeß drohe, wenn er die Eheschließung verzögern würde. Allgemeine Zustimmung beendet den ersten Akt.
ZWEITER AKT
Wie angekündigt erklärt Pernille der Haushälterin ihren Plan, und vor allen Dingen die wichtige Rolle, die Magdelone zu spielen hat. Als sie Herrn Vielgeschrey kommen hören, gehen beide ab.
Der berichtet uns, bei Eriksens Vater gewesen zu sein, der mit der Heirat seines Sohnes überaus einverstanden sei. Er selber hat den jungen Eriksen zwar bisher noch nie gesehen, ist aber doch überzeugt, einen guten Buchhalter als Schwiegersohn zu bekommen. Dann geht auch er davon.
Nun kommt abermals Pernille auf die Szene und teilt in einem Selbstgespräch mit, daß Eriksen um fünf Uhr kommt, was ihr durchaus recht ist, denn dann kann bis zum Abend der Ehekontrakt abgeschlossen werden. Schon rauscht sie wieder ab.
Vielgeschrey tritt auf und klingelt nach seinen Schreibern; er diktiert ihnen die Einladung für die Gäste und fällt danach völlig erschöpft in einen Stuhl. Da erscheint, als Buchhalter verkleidet, der verliebte Leander mit seinem Freund Oldfux. Die Schreiber werden sofort hinauskomplimentiert und Vielgeschrey begrüßt voller Hochachtung und Freude Oldfux als seinen zukünftigen Schwiegersohn - was einen Heiterkeitsausbruch bei Leander auslöst. Der Irrtum wird umgehend richtig gestellt, und Leander gibt nun den Eriksen.
Pernille wird gerufen und erhält den Auftrag, Leonore herzubitten. Vielgeschrey übergibt derweil Leander eine Rechnung und bittet ihn, diese zu prüfen, weil sie ihm unrichtig vorkommt und Schwierigkeiten macht. Als Pernille mit Leonore zurückkommt und bemerkt, daß Leander in der Bedrouille steckt, protestiert sie bei Vielgschrey, erreicht aber nichts. Sie verfällt auf eine List: indem sie ans Fenster eilt und erregt ausruft, daß die schwarze Henne in Gefahr ist, rennt Vielgeschrey sofort hinaus. Leander und Oldfux aber sind völlig ratlos, da sie vom Rechnungswesen überhaupt nichts verstehen und Angst haben, sich bei Herrn Vielgeschrey zu blamieren. Pernille aber drängt alle vorerst hinaus.
Vielgeschrey kommt zurück und sagt, seine Hühner seien doch vollkommen ruhig. Dann will er wissen, wo denn sein Schwiegersohn abgeblieben sei und wie es mit dem Mittagessen sei. Pernille antwortet, er selber habe doch „Herrn Eriksen“ fortgeschickt, sie wisse aber, daß er um fünf Uhr zurückkäme.
Oldfux, als Diener verkleidet, bringt einen Brief und geht sofort wieder ab. Leander droht in diesem Brief mit einem Prozeß, da Leonore ihr Wort gebrochen habe, um einen anderen Mann heiraten zu können. Pernille rät ihrem Herrn, sofort an Leander zu schreiben und sich über das Problem mit einem Advokaten zu beraten. Also setzt sich Vielgeschrey an den Schreibtisch und sagt: „Wenn der Freier kommt, soll er zuerst mit der Jungfer sprechen.“
Der echte Eriksen kommt und sagt zu Pernille, daß sein Vater ihn schicke, um sie zu freien. Sie klärt lachend „einen Irrtum“ auf, und teilt ihm mit, er werde die richtige Braut gleich zu sehen bekommen. Dann läßt sie Magdelone eintreten. Eriksen bringt bei der Haushälterin seine Brautwerbung an, die von Magdelone freudigst angenommen wird. Pernille schickt beide fort in Magdelones Zimmer.
Nun kommt, als Advokat verkleidet, Oldfux auf die Szene; er stellt sich als Doktor Krempel vor und singt eine Arie, in der er nicht nur alle 43 Städte aufzählt, in denen er angeblich studiert hat, sondern auch noch etliche Belehrungen anfügt. Über die Angebereien ungeduldig geworden reicht ihm Vielgeschrey den Brief zur „juristischen Überprüfung“. Krempel alias Oldfux bezeichnet das Schreiben nach der Durchsicht als „viel zu höflich“ und schlägt dabei Vielgeschrey recht derb auf die Schulter. Wütend läßt sich Vielgeschrey von Pernille einen Stock reichen und Oldfux kriecht, ahnend, was der Mensch vorhat, unter den Tisch. Als er die Möglichkeit der Flucht durch die Tür erkennt, zieht er den Tisch völlig „blank“ und verschwindet.
Der wegen des Tohuwabohus total erschöpfte Vielgeschrey geht ab, um sich ins Bett zu legen. Leonore und Leander, Magdelone und Eriksen stecken ihre Köpfe zur Tür hinein, und Pernille rät ihnen, sie sollten noch eine Stunde bleiben, wo sie sind. Das lassen sich die beiden Pärchen nicht zweimal sagen und sind schon verschwunden. Oldfux aber reckt seinen Kopf durch's offene Fenster und fragt Pernille, ob sie mit ihm zufrieden sei. Als sie bejaht, meint er, ein wenig zu ruhen täte ihm jetzt gut - Pernille hat keine Einwände...
DRITTER AKT
Der Akt wird von Leonores Ariette über „Blümchen und Bienchen“ eröffnet; danach geht sie ab. Dafür kommt Vater Vielgeschrey verschlafen und verwirrt auf die Szene. Ohne Pernille, so äußert er sich, wäre er ganz verloren, aber Magdelone möchte er schon gern los sein. Pernille, die das Lamento gehört hat, bittet ihren Dienstherrn, dafür zu sorgen, daß seine Haushälterin auch einen Mann abbekommt. Sie berichtet von einem „Leichenbitter“, mit dem sie verlobt sei, und genau den habe sie herbestellt, daß er um sie anhalte und es damit zu einer Doppelhochzeit im Hause käme.
Noch bevor Vielgeschrey richtig verstanden hat, tritt schon der Notar mit zwei Gehilfen und einem großen Buch ein. Den Herren folgen auf dem Fuße Leonore und Leander, Oldfux und Pernille, Magdelone und Eriksen. Damit nicht genug, füllt sich die Szenerie noch mit den Schreibern und dem Hausgesinde.
Leander stellt der Versammlung Oldfux als seinen alten Onkel vor. Der Notar scheint sehr eilig zu sein, kommt zur Sache und bittet um die Namen der Verlobten. Vielgeschrey nennt laut Leonores Namen, alle anderen flüstert er dem Notar leise ins Ohr. Die Gehilfen des Notars schreiben gewissenhaft nach den Anweisungen des Anwalts alles auf. Nach der Amtshandlung treten alle zu einem komisch-feierlichen Tanz an, dem dann die herzlichen Glückwünsche an die beiden Paare folgen und den Brautleuten ein heiteres Tanzlied gesungen wird. Dann entfernen sich der Notar mit den Gehilfen, die Schreiber und das Hausgesinde von Herrn Vielgeschrey.
Nun fühlt sich Vater Vielgeschrey berufen, eine Ansprache an die Frischvermählten zu halten und begrüßt Eriksen als seinen vermeintlichen Schwiegersohn und „Leichenbitter“. Entrüstet wehrt sich der echte Eriksen gegen seine Titulierung mit dem Ausruf, er sei Buchhalter und Vielgeschreys Schwiegersohn. Dagegen protestiert der und fährt durch die Bank alle an: Ihr seid der Buchhalter, ihr sein Onkel, dort steht Magdelone mit ihrem „Leichenbitter“ - ihr seid alle verrückt! Einmal richtig in Fahrt, fragt er jeden Anwesenden, und wird dabei ganz meschugge, denn jeder ist ein anderer, als er erwartet hat. Er ist außer sich und sagt wütend: „Und ich bin Karl der Große, Kaiser und König, und ihr seid Halunken, ich bringe euch um.“
Pernille sieht ein, daß hier Ruhe in die Stube gebracht werden muß, und es gelingt ihr tatsächlich, den Aufgebrachten zu beruhigen. Wunderbarerweise ist ihm inzwischen klar geworden, daß Leander soeben sein Schwiegersohn wurde und er fragt ihn, ob er wenigstens die Buchführung erlernen wolle. Klar will Leander das, er muß sich ja wohl oder übel mit allem einverstanden erklären, schon seiner Leonore wegen. Nur Eriksen tanzt aus der Reihe, glaubt sich belogen und betrogen, doch Pernille schafft auch hier die Wende zum Guten: Magedelone, so erklärt sie, hat sich tausend Taler zusammen gespart. Als diese ihrem frischgebackenen Ehemann den „Schatz“ in einem prall gefüllten Strumpf herzeigt, ist Eriksen vollkommen zufrieden und geht mit frischem Mut in die Ehe.
Die Zustimmung zu ihrer Ehe durch ihren Vater läßt Leonore und Leander jetzt erst so richtig die Freude ihrer Liebe fühlen. Und der Gefoppte will nicht als Verlierer dastehen, sondern auch Gewinner sein, und stimmt daher in den allgemeinen Freudengesang ein. Mit einem heitern Schlußwort von Pernille, an das Publikum gerichtet, endet die Oper.
INFORMATIONEN ZU KOMPONIST UND WERK
Der Komponist Julius Weismann, geboren am 26. Dezember 1879 in Freiburg/Breisgau, gestorben am 22 Dezember 1950 in Singen/Hohentwiel, ist den wenigsten Musikfreunden heute noch bekannt. Daher einige notwendige Fakten: Er war der Sohn des Zoologen und Vererbungsforschers August Weismann, erhielt schon als Kind Kompositionsunterricht von Joseph Rheinberger in München. Danach war er zwei Jahre in Berlin, wo u.a. Heinrich von Herzogenberg sein Lehrer war, ehe er zu einem dreijährigen Studium bei Ludwig Thuille nach München ging.
Hier ließ er sich 1902 als freischaffender Künstler nieder und heiratete die Sängerin Anna Hecker. Vier Jahre später zog er wieder nach Freiburg und lebte hier fortan als Komponist, Pianist (als der er schon lange Jahre sehr geschätzt war) und Dirigent. Ab 1934 war Weismann einer der Ehrenvorsitzenden im „Arbeitskreis nationalsozialistischer Komponisten“. Diese Mitgliedschaft brachte ihm 1935 den Auftrag ein, eine Bühnenmusik zum „Sommernachtstraum“ zu komponieren, die die Musik Mendelssohns ersetzen sollte, sich aber nicht durchsetzen konnte. Am 20. April 1936 wurde er, neben anderen Künstlern, von Adolf Hitler zum Professor ernannt (diesen Titel erhielt er nochmals 1950 vom Land Baden). 1938 entstand seine erfolgreichste Oper „Die pfiffige Magd“. 1939 wurde er Ehrenbürger Freiburgs und im gleichen Jahr mit dem Leipziger Johann-Sebastian-Bach-Preis ausgezeichnet. In diesem Jahr beendete er zwar seine Lehrtätigkeit, komponierte aber weiterhin und zog nach Nussdorf bei Überlingen am Bodensee.
Weismann hinterließ neben Klaviermusik und ungefähr 250 Liedern u.a. sechs Opern, drei Sinfonien, drei Klavierkonzerte, vier Violinkonzerte, elf Streichquartette. Stilistisch ist er der deutschen Romantik verhaftet, insbesondere Schumann und Brahms, wobei Einflüsse seines Lehrers Thuille keinesfalls zu überhören sind. In seinem Spätwerk wird Weismanns Hinwendung zur Kontrapunktik Johann Sebastian Bachs mehr als deutlich. Auf dem Sektor der Oper entstanden nach Stücken von August Strindberg „Schwanenweiss“ (1923), „Ein Traumspiel“ (1925), „Die Gespenstersonate“ (1930). Die bedeutendste seiner Opern ist „Leonce und Lena“ (1924), die beliebteste war seinerzeit die hier vorgestellte „Pfiffige Magd“ von 1938/1939.
Die Beurteilung seiner musikalischen Sprache reicht von „Klangsinnlichkeit“, die „oft mit lakonischer Trockenheit und mit aphoristischer Prägnanz einhergeht“, trotzdem jedoch einen „eigenständigen und bedeutenden Charakter der Musik des 20. Jahrhunderts“ aufweist, bis zu der Bemerkung, er sei „ unberührt von der Musikentwicklung seiner Zeit“ geblieben.
1954 wurde auf Anregung von Wieland Wagner in Duisburg das Julius-Weismann-Archiv eingerichtet, das heute der Musikbibliothek der Stadtbibliothek angegliedert ist.
DIE PFIFFIGE MAGD ist auf CD's nicht dokumentiert.
© Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2012
unter Hinzuziehung folgender Quellen:
Bertold Hummel über Julius Weismann
Heinz Wagner: Die Oper
Rudolf Lück über Weismann in MGG