Zur 5. habe ich in dem thread zur 5. oder dem zu C. Kleibers Aufnahme was geschrieben. Ich finde die 1962er Beethoven 5 eine sehr gute Interpretation. "Schönklang" ist erstmal nichtssagend, aber sie war im Vergleich zur älteren Mono-Aufnahme E. Kleibers deutlich weniger transparent (was allerdings auch für Carlos' galt)
Mag sein, dass der Eindruck im Konzertsaal ein anderer war. Aber ich habe bei etlichen Karajan-Aufnahmen den Eindruck, dass zwar eine Lawine abgeht, die aber in Watte gewickelt ist... Und es gibt ja Probenmitschnitte und Äußerungen, die belegen, wie er an einem gewissen, extrem homogenen, "ansatzlosen" Klangideal gefeilt hat. Das war also auch Absicht, kein Versagen der Aufnahmetechnik.
Sicher kann man nicht alle Aufnahmen über einen Kamm scheren, viele sind trotz oder wegen? dieses Klangs beeindruckend. Mir fehlt es aber eben oft an Klarheit, ich finde überdies einen kernigeren, mitunter auch rauheren (oder vielleicht neutraler: weniger homogenen) Sound attraktiver. Und den bieten eben längst nicht nur die HIPisten, sondern auch zu Karajans Zeit und vorher zB Interpreten wie Bernstein, Munch, Markevitch, Scherchen oder E. Kleiber.
Wichtig ist der Hinweis auf den regionalen Markt. In den USA war zwischenzeitlich eine "obskure" Aufnahme wie Leibowitz' verbreitet, weil sie sehr preiswert von Reader's Digest zu haben war. Bzw. wuchsen die Klassikfreunde dort eher mit Toscanini, Szell, Ormandy, Bernstein usw. auf, nicht mit teuren DGG-Import-LPs.
Schließlich noch ein ganz prosaischer Aspekt: Diese Aufnahmen mögen bis etwa 1970 ein teures Statussymbol gewesen sein. Spätestens mit Erscheinen des 77er Zyklus dürften sie jedoch in diversen preiswerten Reihen angeboten worden sein (zumal es bei der DGG ja noch Böhms, Kubeliks und ein paar Einzelaufnahmen wie die LEGENDÄRE 5. und 7. unter dem LEGENDÄREN C. Kleiber gab). In dieser Form sind mir die 6. und 9. daraus Mitte der 1980er begegnet. D.h. der Zyklus ist schon etwa 30 Jahre preiswert und problemlos erhältlich; auch im CD-Zeitalter gab es einige oder alle daraus sofort in der preiswerten "Resonance"-Serie. Was billig, leicht zugänglich und mit einem bekannten Namen versehen ist, verbreitet sich natürlich auch entsprechend weiter.