Karl May zum 100. Todestag

  • Bei dem unbestrittenen Einsatz für die amerikanischen Indianer, sind zB die Schwarzen bei May meistens Witzfiguren


    Aus heutiger Sicht trifft es zu und auch zu Mays Zeiten gab es Schwarze, die nicht im Infinitiv redeten.
    Doch gemessen an der damaligen Sicht sind Karl Mays Darstellungen eher als Antithese zu betrachten als als Konfirmation von Vorurteilen, vor denen er selbst natürlich nicht gefeit war.
    Seine Grundeinstellung gegenüber den Schwarzen war jedoch durchgehend positiv, wenn auch nicht immer konsequent.
    In "Unter Geiern" macht Massa Bob eine leicht lächerliche Figur, in der "Sklavenkaravane" sind Lobo und Tolo schon in einer anderen Terminologie beschrieben.


    Bei der Verwundung des Kiowa-Häuplings saß May wohl in der Klemme, weil er mit einer Tötung seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt hätte.
    Übrigens war der Kerl ja auch ein mieser Schuft.


    Was gerne vergessen wird: Karl May schrieb ein ausgezeichnetes Deutsch und brauchte sich, was die Konstruktion und Verknüpfung der Geschehnisse betrifft, nicht hinter Alexander Dumas zu verstecken.

  • "Unter Geiern"


    Karl May schrieb ein ausgezeichnetes Deutsch

    Ersteres ist der Titel einer gängigen eingekürzten Bearbeitung, in der vor allem weite Teile der köstlichen chaotischen Ausführungen des Hobblefrank dem Rotstift des unverständigen Lektors zum Opfer gefallen sind. Im Original haben wir es mit "Der Sohn des Bärenjägers" und "Der Geist des Llano estacado" zu tun. Den Titel "Unter Geiern" hat May nicht verwendet.


    Der Eindruck daß May ein ausgezeichnetes Deutsch geschrieben habe mag manchmal wohl eher den Bearbeitern zu verdanken sein ...


    ;)


    (wobei Mays manchmal unbeholfenes, chaotisch frei fließendes, gelegentlich unfreiwillig komisches Deutsch den geglätteten Fassungen durchaus vorzuziehen ist ...)

  • Ihm geht es halt um wesentlichere Dinge ... Die paar Klischees, in denen er daneben liegen mag, stören nicht weiter. Übrigens war Mark Twain nebenbei bemerkt Indianerhasser.

    Es geht nicht darum, wen ein Autor "hasst", sondern ob er eine authentische Schilderung eines Milieus usw. geben kann oder von einem Klischee ins nächste stolpert. Der Wilde Westen von May ist im wesentlichen ein Fantasieprodukt, der Mississippi von Twain wird anhand eigener Erfahrungen beschrieben.
    Und das merkt man, obwohl in beiden Fällen die Schwarzen eher Witzfiguren sind.


    Und bei allem Respekt, Hobble Frank und Tante Droll gingen mir selbst in den mutmaßlich gestrafften Ausgaben schon mit 12 bald auf die Nerven. Es gibt ein paar ganz witzige Szenen und bei Halef ist May auch der Spagat gelungen, eine Figur nicht nur als komischen Sidekick darzustellen. (Das merkt man zB im Vergleich zu dem lächerlichen Ersatz-Halef Selim in der Mahdi-Erzählung sehr deutlich.)
    Sam Hawkens und Lord Lindsay sind auch noch o.k., aber die sächselnden Westmänner (und der Rest der Menagerie) auf Dauer ein paar zuviel.


    Wie ich weiter oben oder in einem anderen Thread schon schrieb: Am meisten störte mich beim Wiederlesen (und teilweise auch schon vor knapp 30 Jahren) die überhebliche Überlegenheit des Ich-Helden. Meiner Erinnerung nach war das viel schlimmer in den Erzählungen in der dritten Person (wie den "Gute-Kamerad"-Jugenderzählungen und natürlich den Kolportageromanen), aber mir hat es bei der Wiederlektüre auch in den Ich-Erzählungen gelangt. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, dass die Guten am Ende siegen. Aber es ist ja kaum jemals auch nur knapp und es gibt sehr wenige ernstzunehmende Gegner, die den Helden wirklich gefährlich werden könnten. Außerdem ist der Held typischerweise dadurch überlegen, dass er schlicht und einfach die Pläne der Gegner erlauscht hat... nicht durch überlegene Strategie. Und das ist immer wieder dasselbe.
    Das macht es am Ende einfach nicht besonders spannend, wenn man das Muster einmal raus hat. Ich hatte das etwa bei Old Surehand anders in Erinnerung, u.a. weil Shatterhand da einmal angeschossen wird. Aber auch wenn Old Wabble ein Aufschneider ist, man hat beinahe Verständnis dafür, dass er gegenüber dem überheblichen Besserwisser Shatterhand (er wäre mir doch nur hinderlich gewesen...) die Seiten wechselt.
    Zu meinen Favoriten gehört u.a. daher seit langem die erste Hälfte von "Von Bagdad nach Stambul". Zuerst zwar mal wieder ein Fehler von eigensinnigen Kameraden, aber immerhin kann nichtmal mehr KBN es ausbügeln, was Mohammed Emins Tod zur Folge hat. Und bei der "Todeskarawane" macht KBN tatsächlich mal einen Fehler, was zur Katastrophe führt.
    Im Ggs. zu Surehand war ich auch von der "Satan & Ischariot"-Erzählung weniger enttäuscht. Von den Albernheiten wie Winnetou beim Gesangsverein abgesehen, sind die dämonischen Meltons (?) immerhin halbwegs gefährliche und höchst verschlagene Gegner.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Bei der Verwundung des Kiowa-Häuplings saß May wohl in der Klemme, weil er mit einer Tötung seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt hätte.
    Übrigens war der Kerl ja auch ein mieser Schuft.

    Ich habe das nicht mehr nachgelesen, aber es gibt ja ziemlich am Anfang von Winnetou I einen Messer-Zweikampf, in dem Shatterhand den Gegner töten muss (worauf er ein schlechtes Gewissen empfindet). Bei Tangua hat es schon etwas von einer Demonstration der Überlegenheit und einer Demütigung.
    Teils hat schon May, nicht erst die späteren KMV-Bearbeiter, bei der Wiederverwendung in den Reiseerzählungen Härten gemildert. Die ursprüngliche Fassung der "Old-Firehand"-Episode (Ölbrand + Kampf gegen Winnetous alten Erzfeind Tim Finnetey) mit einem noch namenlosen Ich-Erzähler ist erheblich grausamer und gnadenloser (so kommen viele namentlich genannte Westmänner zu Tode, die in der späteren Fassung verletzt überleben), obwohl sie selbst in der Gestalt, in der sie in Winnetou II erscheint, aus der Umgebung heraussticht.



    Zitat

    Was gerne vergessen wird: Karl May schrieb ein ausgezeichnetes Deutsch und brauchte sich, was die Konstruktion und Verknüpfung der Geschehnisse betrifft, nicht hinter Alexander Dumas zu verstecken.

    Das wage ich nicht zu beurteilen, weil ich von Dumas nur wenig in vermutlich stark kürzenden Übersetzungen gelesen habe. Ich kenne auch zu wenig andere entsprechende Literatur der Zeit. Ob Gerstäcker nun besseres oder schlechteres Deutsch schrieb, keine Ahnung. Fontane wird wohl kaum als angemessener Vergleich anzuführen sein... ;)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Es geht nicht darum, wen ein Autor "hasst", sondern ob er eine authentische Schilderung eines Milieus
    usw. geben kann oder von einem Klischee ins nächste stolpert.

    Aber wenn ein Autor einer Bevölkerungsgruppe gegenüber Hass oder Verachtung oder sonst etwas empfindet wird das in seine Schilderung einfliessen ...



    Zitat

    Der Wilde Westen von May ist im wesentlichen ein Fantasieprodukt

    Das macht aber nichts, weil es eben darum bei ihm nicht wirklich geht. Er schildert „rein deutsche Begebenheiten in exotischem Gewand“.



    Zitat

    Und bei allem Respekt, Hobble Frank und Tante Droll gingen mir selbst in den mutmaßlich gestrafften Ausgaben schon mit 12 bald auf die Nerven.

    Ja, so etwas ist halt Geschmackssache ... Ich empfinde die ungestrichenen seitenlangen abstrusen Ausführungen des Hobblefrank als das Beste am ganzen Buch ...



    Zitat

    Und das ist immer wieder dasselbe.
    Das macht es am Ende einfach nicht besonders spannend, wenn man das Muster einmal raus hat.

    Es gibt auch andere Dinge im Leben die [wenn man denn so will] „immer wieder dasselbe“ sind, die dennoch sehr reizvoll sein können ... auch wenn man „das Muster einmal raus hat“.



    Zitat

    Zu meinen Favoriten gehört u.a. daher seit langem die erste Hälfte von "Von Bagdad nach Stambul". Zuerst zwar mal wieder ein Fehler von eigensinnigen Kameraden, aber immerhin kann nichtmal mehr KBN es ausbügeln, was Mohammed Emins Tod zur Folge hat.
    Und bei der "Todeskarawane" macht KBN tatsächlich mal einen Fehler, was zur Katastrophe führt.

    Da sind wir uns mal einig. Der Band gehört zu seinen besten Büchern.



    Zitat

    Albernheiten wie Winnetou beim Gesangsverein

    Wenn das nicht wär‘, wäre das Buch in der Tat recht farblos ...


    Wie gesagt, die Geschmäcker sind verschieden.

  • Aber wenn ein Autor einer Bevölkerungsgruppe gegenüber Hass oder Verachtung oder sonst etwas empfindet wird das in seine Schilderung einfliessen ...


    Hallo,
    gilt dies für Dich auch für Komponisten?
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Vermutlich ... Es sei denn einer ist so objektiv daß es nicht einfließt. (Das gilt auch für Schriftsteller ...)


    (Das ist jetzt ein bißchen vage, aber so ist das Leben ...)


    ;)

  • Mir scheint, dass Karl May mit der Figur seines "Kapitän Landola" ( Grüne Bände 51 - 55 ) eigentlich seiner Zeit voraus war, wie z.B. die Ermordung der Seeleute und des Schiffsjungen (53).


    Schade ist nur, dass die Figur des Dr. Sternau nicht einheitlich durchgezogen ist sondern vom Augenarzt (!) zum Westernhelden mutiert. Ebenso ist nur aus der Zeit zu verstehen, dass fast alle Franzosen Gauner sind.


    Aber trotzdem nett zu lesen.

  • Aber wenn ein Autor einer Bevölkerungsgruppe gegenüber Hass oder Verachtung oder sonst etwas empfindet wird das in seine Schilderung einfliessen ...

    Hallo,
    gilt dies für Dich auch für Komponisten?
    zweiterbass

    Vermutlich ... Es sei denn einer ist so objektiv daß es nicht einfließt. (Das gilt auch für Schriftsteller ...)



    (Das ist jetzt ein bißchen vage, aber so ist das Leben ...)


    "Däs häddmer där Ox aafder Flaischbriggn a sogn känna"


    Das ist ein geflügeltes Wort im "fränggischen Närmberch".


    Wie dieses Wort zustande kam, kann nachvollzogen werden, wer den Wikipedia-Link anklickt.


    http://www.google.de/imgres?im…2&ved=0CEMQ9QEwBA&dur=172


    Viele Grüße aus Nürnberg
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    ich möchte hier mal in die Runde werfen, daß Karl May auch ein Singspiel komponierte, mit dem Titel: "Die Pantoffelmühle" !


    Gruß

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo Antalwin, könntest Du zu diesem Singspiel mit dem seltsamen Titel etwas mehr mitteilen? Es ist zwar bekannt, dass May auch komponierte, einen Hinweis auf das erwähnte Werk fand ich nirgends. Dem Komponisten May widmet sich diese CD, die auch im Deutschlandfunk Erwähnung fand:



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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • im Nachlass von Karl May erhaltene Kompositionen


    Ave Maria der Gondolieri am Traghetto della Salute (Text von Ida von Düringsfeld)

    Nottourne (Ich will dich auf Händen tragen)

    Wanderlied (Text von Uffo Horn)

    Serenade (Bearbeitung einer Melodie von Wilhelm Heiser / Text von August Gebauer)

    Warnung

    Ständchen

    Weihnachts-Cantate (vermutlich in Osterstein entstanden)

    Oster-Cantate (Fragment)

    Vaterunser

    Die Pantoffelmühle

    Ave Maria (zwei Varianten)

    Vergiß mich nicht

    Nun gehst du hin in Frieden

    Ich fragte zu den Sternen (Fragment)


    https://youtu.be/kR4BGsk8eRQ

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Herzlichen Dank an Orfeo für seine Recherchen. :hello:

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent