Hallo,
Charles Marie Widor, 1844 - 1937
Zum Lebenslauf der Verweis auf Wikipedia; als Ergänzung (überwiegend aus dem Booklet der CD op. 13 und Allgemeine Vorbemerkungen 4.):
1870 Ernennung zum Titular-Organisten von Saint-Sulpice, Paris, mit der größten und damals mit allen technischen Möglichkeiten von Cavaille-Coll erbauten 5-manualigen Orgel (Bj. 1962). 1872 Druck des op. 13, 1-4. Obwohl Widor äußerte, die herrliche Orgel habe ihn zu seinen ersten vier großen Orgelsymphonien angeregt, nützte er die klanglichen Möglichkeiten nicht voll aus; op. 13, 1-4, ist für eine 3-manualige Orgel ausgelegt. Widors Wunsch war, dass seine Werke auf möglichst vielen Orgeln gespielt werden konnte, ganz im Gegensatz zu den Werken von Frank, Guilmant, Dubios, die ihre Werke auf die Orgel hin konzipierten, die ihnen zur Verfügung standen.
Bei seinen späteren Werken änderte Widor seine Einstellung teilweise, und nutzte die Klangmöglichkeiten seiner 5-manualigen Orgel voll aus, was sich auch in den Registrieranweisungen bemerkbar machte.
Ich stelle vor die Orgelsymphonien op. 13, 1-4 - op. 42/1 Nr. 5 - op. 73 Nr. 10 "Romane" und op. 70 Nr. 9 "Gothique
Die Cavaille-Coll-Orgel der Abtei "Royaumont" ist für die Interpretation op. 13 geradezu prädestiniert, es handelt sich nämlich um ein 3-manualiges Instrument (siehe oben) Bj. 1865, die ursprünglich in der Villa nahe Genf eines Industriellen installiert wurde. Als die Villa anfangs des 20. Jahrhunderts verkauft wurde kam sie in den Besitz der Abtei und wurde dort 1937 von der span. Orgelbaufirma "Gonzales" neu errichtet und dann in den Jahren 2001 - 2007 in den Werkstätten von Gonzales völlig demontiert, restauriert und in der Abtei wieder aufgebaut. Die Disposition habe ich im Internet nicht gefunden, steht jedoch im Booklet.
Die Orgelsymphonien 1-4, op. 13, sind im Original (Erstfassung) 1872 für eine 3-manualige Orgel komponiert. Es gibt aber eine 2. Fassung von 1901 und eine 3.Fassung von 1918, die zwar auch nur 3 Manuale benötigen, die Registrieranweisungen sind aber geändert, außerdem hat Widor die Werke um weitere Sätze ergänzt.
Op. 13 Nr.1 z. B., ursprünglich 5-sätzig, dann 7-sätzig; nach dem 4. Satz Andante wurde ein 5. Satz "Marche Pontificale" und ein 6. Satz "Meditation" eingefügt und das "Finale" wurde zum 7. Satz. Vom 2. Satz, Allegretto, sind 5 verschiedene Fassungen bekannt; ich habe die Noten von 3 Fassungen zur Verfügung, leider ist die auf der CD eingespielte Fassung nicht dabei, sodass ich zum 2. Satz der Nr. 1 op. 13 nur nach dem Gehör Stellung nehmen kann.
Orgelsymphonie Nr. 1, op. 13, c-Moll - Erstfassung 1872 (2. Satz?)
1. Satz Prelude, 4/4, Moderato (Viertel = 76)
(Registrierung: Große Orgel - Positif 8-Fuß - Solostimme Flöte 4- und 8-Fuß - Pedal 4 bis 16-Fuß)
1. Satz Prelude, c-Moll, Moderato, 4/4 (Viertel = 76)
Das Thema im Pedal bis 0.13 /1-4/ und kommt kanonartig 0.11 bis 0.19 /4-6/ rechts und 0.19 - 0.29 /7-10/ wieder im Pedal und endet nach fragmentarischen Wiederholungen sowohl im Pedal, dort die Tonleiter ansteigend, als auch rechts bei 0.57 / 21/. Das hört sich bis dahin an wie der Anfang einer Chaconne. Bei 1.18 /29/ kommt das Thema als Fragment wieder im Pedal und bei 1.37 /35/ auch als Fragment links und bei 1.42 /38/ als Originalthema im Pedal und die weitere Bearbeitung bestätigt mich in meiner Meinung, dass es sich um eine Chaconne handelt. Bei 3.02 /69/ kommt das Thema wieder im Pedal, zuvor beginnt es bei 2.55 /68/ kanonartig links. Ab 3.30 /80/ läuft das Pedal auf einen Orgelpunkt, während links das Thema als Fragment kommt und ab /88/ die Fragmente kanonartig verarbeitet werden. Ab 4.03 /93/ ist das Thema in ff im Pedal, rechts und links kurze Themenmotive und mit einem großen rit. und im Adagio, mit einem Sechszehntellauf rechts und Pedal endet der 1. Satz auf einem c-Moll-Akkord, ganze Note, Fermate. [Für mich klingt das sehr beruhigend und trotz Moll nicht unfreundlich, eher wie ein Spätherbsttag mit einem leichten Wolkenschleier vor der Sonne.]
2. Satz, As-Dur, lt. CD Allegretto, (lt. Noten ¾, Viertel = 100)
Bis zu /11/ deckt sich die CD-Einspielung mit den mit vorliegenden 3 Notenvarianten; das Thema wird rechts (Oberstimme) und links vorgestellt; interessant ist dabei die Rhythmusverschiebung: /1/ Manual ¼ Pause auf den 1. Taktteil, Pedal ¼ Pause auf dem letzten Taktteil /2/ keine Verschiebung /3/ Manual je zwei Achtel auf dem 1. Taktteil, Pedal ¼ Pause /4+5/ keine Verschiebung /6/ rechts Oberstimme und Pedal punkt. Halbenote, rechts Unterstimme und links ¼ Pause auf dem 1. Taktteil /7+8/ rechts Oberstimme Viertel, punkt. Viertel, Achtel, sechs Achtel - rechts Unterstimme punkt. Halbe mit Bindebogen Halbe, dann Viertel - links Halbe, Viertel, zwei Achtel, Halbe - Pedal punkt. Halbe mit Bindebogen Viertel, Viertelpause, Viertel /10+11/ letzter Taktteil Viertel mit Bindebogen Achtel und Achtelpause einheitlich. [Es entsteht ein Höreindruck, als wären sich Manual und Pedal über Tempo und Rhythmus nicht einig.]
(Ab /12/ habe ich für die CD-Einspielung keine Noten mehr, s. o.) Dann herrscht Einigkeit, aber nur von kurzer Dauer, insbesondere dann treten wieder die Verschiebungen auf, wenn das Thema komplett wiederholt wird. Als weitere "Variation" kommt, dass im Manual die o. g. Registrierungen wechseln, was zu einer Echowirkung führt, wenn auf Große Orgel die Flöte 4- und 8-Fuß folgt, bei gleicher Phrase. Anders als das Prelude, das, von wenigen Modulationen abgesehen, überwiegend in der Grundtonart c-Moll erklingt, wechseln hier Tongeschlecht und -art sehr häufig, der Satz endet aber in As-Dur.
3. Satz Intermezzo, g-Moll, Allegro, semper staccato, 4/4, (Viertel = 120)
Das ganze Stück besteht im Manual - nur wegen der Tonlage manches Mal zwischen rechts (Violinschlüssel) und links (Bassschlüssel) wechselnd - ausschließlich aus Akkordbrechungen in Sechszehntelläufen, bis auf die letzten beiden Viertelnoten in /110+111/ und das Pedal hat nur 38 Takte, stets in ff; man könnte also meinen, es handelt sich um ein weitgehend einstimmiges Werk, von der Notation her betrachtet. Es klingt aber natürlich nicht einstimmig und da es sich bei den Pedaltakten um ein 10taktiges (+ ein Viertel Auftakt) - sehr markantes und einprägsames -Thema handelt, hat der Satz die Form einer Passacaglia. Das Besondere ist noch, dass die Register im Manual häufig, stellenweise sogar 4 Mal im Takt, zwischen Großer Orgel und Zungenstimmen wechseln und dies in Verbindung mit Wechsel cresc., dim., f, p, pp zu Echowirkungen führt. Der Satz endet ab /104-105/ in pp und mit zwei ganz kurzen g-Moll-Akkorden, ohne Fermate.
4. Satz Andante, Grundtonart c-Moll, 9/8 (Viertel = 50)
Anfangs ist nicht ganz klar zu entscheiden, ist es nun c-Moll oder Es-Dur, es tendiert, nach mehrmaligen Anläufen zu Es-Dur, dann aber doch klar zu c-Moll und erst im Schlussakkord "siegt" Es-Dur.
Bis 0.15 /1-4/ wird im Manual des Thema vorgestellt, im Manual deswegen, weil, wenn das Thema zum 2. Mal wiederholt wird ab 1.39 /25/, es identisch ist mit rechts und links /1-4/; zuvor schon wird ab 0.34 das Thema im Manual wiederholt und vor 1.39 gibt es /23-24/ ein Pedalsolo. Bis 2.54 /44/ erfolgt mit wechselnder Harmonik eine Verarbeitung und dann wird wieder das Thema gebracht, aber nur rechts und ohne Pedal. Erst bei 4.17 /67/ kommt wieder das Thema im Manual und das Pedal läuft bis zum Ende auf einen Orgelpunkt, was ab /73/ auch für rechts gilt, allerdings nur in den 2 Oberstimmen, links "erinnert" an das Thema und bringt mit der 3. Stimme rechts die Modulation zu Es-Dur.
[Durch den ungewöhnlichen 9/8-Takt bekommt das Stück für mich etwas leicht unentschiedenes, was ich auch in der lange in Schwebe bleibenden Harmonik höre.]
5. Satz Finale, Grundtonart c-Moll, Allegro 4/4 (Viertel = 132)
Es handelt sich um ein fugenartiges Stück, das durchgängig fff vorgeschrieben hat. Fugenartig deswegen, weil erst der 4. Einsatz im Pedal /22 mit Auftakt/ dem Fugenschema entspricht. Hier endet der Satz auch erst im letzten Akkord mit Fermate, allerdings im gleichnamigen C-Dur (nicht im parallelen Es-Dur wie im 4. Satz).
Viele Grüße
zweiterbass