wann/wofür verwendet Ihr das Wort "schön"?

  • Lieber Hami,


    da hast Du einfach Recht ... wieder was gelernt ...


    Man stelle sich den Dialog im Autohaus vor:


    Verkäufer: "Sie sind also am Tuareg interessiert?"
    Kunde: "Oh nein - eigentlich wollte ich nur einen einzigen ..."


    Viele Grüße nach Stockholm
    Wolfram


    :hello:

  • Verkäufer: "Sie sind also am Tuareg interressiert?"
    Kunde: "Oh nein - eigentlich wollte ich nur einen einzigen ..."


    Köstlich! :hello:


    Es beantwortet nur leider nicht die Frage nach dem Gemeinsinn. Mir ist nicht ganz klar, was ihn vom sensus communis unterscheiden sollte. Sitzt man nicht irgendwie doch in der Subjekivität fest? Multipliziert man 10 Faktoren miteinander, wobei einer negativ ist, dann ist das Produkt eben auch negativ, trotz der übrigen positiven neun.

  • Lieber Hami,


    ich sehe es ähnlich - eigentlich wird die Subjektivität lediglich von der Bewertung des Objektes auf die Unterstellung eines hinreichend umfassenden Gemeinsinns verlagert.


    Das dürfte im konkreten Fall sehr schwierig nachzuweisen sein - wer findet den Tristan "schön" und wer nicht? Und was ist mit dem langsamen Satz aus Schönbergs drittem Streichquartett? Damit ist die Sache genauso subjektiv wie vorher ...


    Aber ich bin auf Helmuts "offizielle" Stellungnahme gespannt ...


    :hello:

  • Zitat Wolfram:


    "Zunächst begrüße ich sehr, dass nun doch mit den Methoden der Philosophie argumentiert wird - obwohl dies vorher abgelehnt wurde."


    Das ist der beste Witz, den ich seit langem hier im Forum gelesen habe. Wirklich!

  • Dennoch, Helmut:


    Willkommen in der Wirklichkeit!


    :hello:

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  • Die "Wirklichkeit", lieber farinelli, ist die, dass beide Philosophen, die bislang in die Diskussion der Fragestellung dieses Threads einbezogen wurden, uns hier nicht wirklich weiterbringen. Die Kalokagathie Platons ist nur im Rahmen seiner Ideenehre ein schlüssiges Konzept.


    Obwohl - ich glaube inzwischen, dass man sie hier auch fruchtbar machen könnte. Ich denke gerade darüber nach.


    Dass Kant hier eingeführt wurde, ist aus meiner Sicht höchst verwunderlich. Er ist sozusagen der Antipode der argumentativen Position, die mehrheitlich hier vertreten wird. Ich versuchte das in Beitrag 57 ("La Roche an zweiterbass") mit Bezugnahme auf die "Kritik der Urteilskraft" darzustellen.


    Kant versuchte, die Folgen des Subjektivismus philosophisch zu beseitigen, die sich aus Humes skeptischem Empirismus ergaben. Das Problem dabei: Er muss auch selbst vom Subjekt her argumentieren, gleichwohl auf die Ebene der Allgemeingültigkeit abheben. Dazu dient ihm das Konstrukt des Gemeinsinns. Die Frage ist, ob so etwas heutzutage argumentativ-philosophisch noch trägt. Darüber wäre nachzudenken.


    Aber was lese ich? Ich würde nicht mit den "Methoden der Philosophie" argumentieren. Auf eine solche Äußerung sollte man eigentlich gar nicht reagieren.


    Insofern war meine Bemerkung "Das ist der beste Witz, den ich seit langem hier im Forum gelesen habe. Wirklich! " wieder mal ein schwerer Fehler. Ich lerne es einfach nicht!

  • Kant versuchte, die Folgen des Subjektivismus philosophisch zu beseitigen, die sich aus Humes skeptischem Empirismus ergaben. Das Problem dabei: Er muss auch selbst vom Subjekt her argumentieren, gleichwohl auf die Ebene der Allgemeingültigkeit abheben. Dazu dient ihm das Konstrukt des Gemeinsinns. Die Frage ist, ob so etwas heutzutage argumentativ-philosophisch noch trägt. Darüber wäre nachzudenken.

    Dann also doch: der Gemeinsinn als Deus ex machina.

  • Lieber Helmut,


    ich fand den "Witz" sehr treffend, auch ich habe herzlich lachen müssen. Ich habe Plato übrigens eigentlich ganz harmlos einführen wollen, etwa anhand der Reflexion, wo wir denn, bei unserem unentwegten Urteilen zu schönen Sinnendingen, den Maßstab hernehmen, der uns all dies als "schön" (und nicht etwa grün, süßsauer oder moralisch) empfinden läßt. Daß die Schönheitsempfindung im Forum zu einem inhaltslosen subjektiven Geschmacksurteil geworden und damit so ziemlich auf den Hund gekommen ist, fuchst mich gewaltig. Keiner hat eingewendet, daß gerade das Sinnerfüllte, Schillernde des Adjektivs "schön" überhaupt erst gestattet, das Schöne in aller Komplexität auch begrifflich zu bestimmen. Und daß eine solche Begriffsbestimmung nicht nur möglich, sondern zwingend erforderlich ist - wofern man denn nicht das Schöne selbst ganz aufgeben möchte und durch ein situativ präziseres Empfindungswort ersetzt. Als könnte irgend eine konkrete Eigenschaft ursächlich verantwortlich gemacht werden, daß wir etwas, vor aller eingehenden Betrachtung, bereits als schön erkannt haben.


    :hello:

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  • Die Frage ist, ob man wirklich einen "weltumfassenden" Gemeinsinn benötigt - oder im konkreten Falle nicht ein "lokaler" Gemeinsinn hinreichend wäre. Und die Frage ist, ob es tatsächlich einen absoluten Gemeinsinn gibt, der über "schön" in binärer Weise entscheidet (also gibt es nur "schön" und "nicht schön") oder ob nicht doch ein graduelles Phänomen vorliegt ("das Tristan-Vorspiel hat auf einer Skala von 0 bis 10 die Schönheit 7").


    Die Wahrscheinlichkeit, dass die nichtabstinenten Einwohner von Oberweindorf den Oberweindorfer Wein für ausgezeichnet halten, ist sehr groß - sie wurden damit sozialisiert. Vielleicht haben sie sogar eine Abneigung gegen Weine aus Unterweindorf. - Für Weinexperten aus Chile oder Neuseeland sind beide Weine jedoch völlig belanglos und der Unterschied ist für sie kaum wahrnehmbar.


    Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand seinen Heimatort und die dazugehörige Region als "schön" empfindet, sehr hoch - und er wird mit vielen Menschen mit ähnlcher Sozialisation darüber Konsens erzielen.


    Wir wurden mit europäischer Kunstmusik sozialisiert und sind es gewohnt, diese Musik zu hören. Wir kennen ihr Vokabular und ihre Strukturen. Dass wir Mozarts Jupiter-Sinfonie für "schön" halten, ist naheliegend. Für jemand, der in musikalischer Hinsicht völlig anders sozialisiert wurde (etwa mit klassischer indischer Musik mit 22facher Teilung der Oktave oder in einem Naturvolk mit rhythmisch hochkomplexer, ansonsten jedoch einstimmiger Musik), ist dies jedoch äußerst fragwürdig.


    Rein hypothetisch: Hätte Palestrina den Liebestod aus Wagners Tristan "schön" gefunden - oder rundheraus zur Kakophonie erklärt?


    Kommen wir mit der Annahme eines Gemeinsinnes, der umso kongruenter ist, je ähnlicher die Sozialisation verlaufen ist, weiter? Das könnte ganz praktisch heißen, dass Menschen mit "hinreichend ähnlicher" (das wäre zu definieren) Sozialisation wie ein Herr X, der dem Tristan-Vorspel die "7" gibt, mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50% dasselbe Stück zwischen "6" und "8" einstufen. Das klingt für mich grundsätzlch praxisnäher als ein dogmatisches "dieses Stück ist schön".


    :hello:

  • Keiner hat eingewendet, daß gerade das Sinnerfüllte, Schillernde des Adjektivs "schön" überhaupt erst gestattet, das Schöne in aller Komplexität auch begrifflich zu bestimmen.


    Lieber Farinelli,


    das verstehe ich nicht. Kannst Du dazu bitte noch ein paar erläuternde Sätze schreiben?


    Danke und Grüße
    Wolfram


    :hello:

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  • Daß die Schönheitsempfindung im Forum zu einem inhaltslosen subjektiven Geschmacksurteil geworden und damit so ziemlich auf den Hund gekommen ist, fuchst mich gewaltig

    Wieso die Gleichsetzung von "inhaltslos" mit "subjektiv"? Subjektiv als moralisches und intellektuelles Defizit?



    Und daß eine solche Begriffsbestimmung nicht nur möglich, sondern zwingend erforderlich ist - wofern man denn nicht das Schöne selbst ganz aufgeben möchte und durch ein situativ präziseres Empfindungswort ersetzt

    Wenn das eine akzeptable Möglichkeit ist, verstehe ich nicht das starre Festhalten an dem Wort "schön". Du plazierst es auf einem höheren semantischen Niveau als das Wort "moralisch". Mit welcher Begründung denn? Weil Platon es so sieht?


    Vielleich könntest Du einmal uns gewöhnlich Sterblichen Deine Vorstellungen auf jedermann verständliche Weise darlegen. Über die Köpfe der anderen Teilnehmer hinwegzureden ist wohl nicht die allerfeinste Art.

  • Lieber Wolfram,


    ich erinnere nur an die Stellung des Schönen zwischen sinnlichen und geistigen Qualitäten, die Berührung mit dem Vollkommenheitsanspruch einerseits, den erotischen Energien andererseits. Allein das platonische Konzept (im Phaidros), sich vermittels der sinnlichen Anziehungskraft des Schönen zuletzt über die Sinnlichkeit selbst zu erheben, wird im Horizont etwa von Sublimierungstheorien sehr fruchtbar nicht zuletzt für das Selbstverständnis der Künstler. - Überhaupt wurde von der bisherigen Diskussion, die sich auf den Kunstbetrachter konzentriert, das künstlerische Ringen um Ausdruck, Stil und Ästhetik völlig unterbelichtet. "Nicht mehr man selbst sein", Flauberts berühmtes Bekenntnis zum schöpferisch entgrenzenden Akt, gehört hierhin ebenso wie Nietzsches Vorwurf an Wagner, er versuche vergeblich, sich selbst zu entkommen ("Weltflüchtig ist hier = Ich-flüchtig.") - Denn auch zwischen den Polen des transparent Durchgestalteten und des beziehungsreich Unausschöpflichen changiert das Schöne.


    Die Erotiker in der Kunst sterben offenbar aus.


    :hello:

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  • Lieber Farinelli,


    herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort! Da werde ich ein wenig drüber brüten müssen, da mir weder Platon noch Flaubert hinreichend vertraut sind.



    Die Erotiker in der Kunst sterben offenbar aus.

    Vielleicht haben wir im 20. Jhd. tatsächlich eine Hinwendung zu einer Ästhetik des Hässlichen erlebt (Camus, L'Etranger - wäre mir etwas vertrauter, aber auch Varèse, Schönbergs "Überlebender aus Warschau" und vieles andere).


    Dennoch: Diese Beobachtung ist sehr alt - schon Artusi warf Monteverdi vor, "unschön", "unnatürlich", "unangenehm" zu komponieren (ich müsste die Stelle heraussuchen). Monteverdi verteidigte sich, in dem er anführte, dass Wahrheit ihm wichtiger wäre als Schönheit.


    Vielleicht gab es also "Erotiker" und "Wahrheitssucher" zu allen Zeiten, Narziss und Goldmund.


    :hello:

  • Lieber hami1799,


    ich kann mit einem halben Lächeln auf diesen Disput blicken, da er ja im Grunde nur einer Unbeholfenheit und Hilflosigkeit des Sprachgebrauchs Rechnung trägt und von Kurzstückmeister auch in diesem Sinn unternommen wurde. - Im Alltag ergeht es mir mit dem Adjektiv "schön" kaum anders.


    Aber zu viele Beiträge hier zeigen die Tendenz, der Schönheit Begriffs- und Bedeutungsschärfe ganz abzusprechen, sie zu einer Kategorie subjektiver Annehmlichkeit zu entschärfen und damit, das steht zwischen den Zeilen, alle diejenigen, die hier nicht blind folgen, in ein schiefes Licht theoretisierender und spekulativer Rechthaberei zu rücken.


    Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich zum Diskussionsstil angelsächsischer Prägung bekennen, wie er in den geläufigen Debating Societies bis heute gepflegt wird. Ich empfinde meinen Vortrag stets als rollenhaft, indem ich gerne den "Verfechter der Gegenthese" spiele. Die Unpersönlichkeit dieser Argumentationsführung erleidet in einem Land stolz vorgetragener Überzeugungen regelmäßig Bauchlandungen. Ich bin daher schon recht abgehärtet, unten herum.


    :hello:

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  • Lieber farinelli,


    danke für die bereinigenden Worte. Ich selbst bin keinesfalls ein Verfechter des unbedingten Utilitätsprinzipes beim Versuch, begrifflichen Konsens bei der Definition unseres semantischen Streitapfels zu erzielen und habe daher die theoretischen Auslegungen mit Interesse verfolgt.


    Ich bitte allerdings um gnädigste Nachsicht, wenn der Mangel an philosophischer Bildung eine diskursive Schieflage erzeugt.


    Ebenfalls bin ich überzeugt, dass das Verständnisgefälle leichter von oben nach unten zu überwinden ist, als in der Gegenrichtung. Damit ist gemeint, dass die Beantwortung auch vermeintlich dummer Fragen unseren Diskussionen behilflich ist.


    :hello:

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  • Lieber Farinelli!

    ich kann mit einem halben Lächeln auf diesen Disput blicken, da er ja im Grunde nur einer Unbeholfenheit und Hilflosigkeit des Sprachgebrauchs Rechnung trägt und von Kurzstückmeister auch in diesem Sinn unternommen wurde. - Im Alltag ergeht es mir mit dem Adjektiv "schön" kaum anders.

    Dieselbe Unbeholfenheit und Hilflosigkeit des Sprachgebrauchs würden wir vielleicht auch feststellen, wenn wir die Begriffe "Wahrheit", "Liebe", "Freiheit" diskutieren würden. Bis jetzt sind wir doch eigentlich gerade mal so weit, zu erkennen, dass das Thema nicht trivial ist. Das ist auch schon mal was.


    Natürlich hat jemand, der fünf verschiedene philosophische Konzepte der Schönheit auswendig herunterbeten kann, einen anderen Blick auf die Diskussion als jemand, der das nicht hat.



    Aber zu viele Beiträge hier zeigen die Tendenz, der Schönheit Begriffs- und Bedeutungsschärfe ganz abzusprechen, sie zu einer Kategorie subjektiver Annehmlichkeit zu entschärfen

    Die schlagenden Gegenargumente sind m. E. noch nicht gefallen. Wie wäre mit der notwendigen Schlüssigkeit zu beweisen, dass es "absolute Schönheit" gibt?



    Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich zum Diskussionsstil angelsächsischer Prägung bekennen, wie er in den geläufigen Debating Societies bis heute gepflegt wird.

    Was mir nicht so gut gefällt, ist, dass bei Missfallen bestimmter Meinungsäußerungen gelegentlich in geschickter Weise die Diskussionsebene gewechselt wird, um damit wieder einen unanfechtbaren Status zu bekommen. Entweder werden philosophische Begriffe halb motiviert ins Spiel gebracht, die kaum einer in diesem Forum kennt (Platon, Kant), oder einer der eifrigsten Mitschreiber stellt aus heiterem Himmel die Frage, worum es denn eigentlich geht (nur, um sie selbst zu beantworten), nun bringst Du die Frage um den rechten Diskussionsstil auf. Wenngleich mir das Rollenhafte nicht unsympathisch ist, bevorzuge ich die authentische Äußerung. - Aber wir kommen wieder vom Thema weg.


    "Authentisch" und "sympathisch" wären ebensolche Entlarver des naiven Sprachgebrauchs wie die vorgenannten Begriffe.


    :hello:

  • Hallo,


    erbitte Anwort auf folgende Frage (nachdem auf meinen Einwand nicht eingegangen wurde?):
    Gibt es einen inhaltlichen (von der Bedeutung) Unterschied im allgemeinen Sprachgebrauch zwischen den Substantiven "das Schöne" und "Schönheit" einerseits und dem Adjektiv "schön" andererseits?


    Bis zur Klärung nur ein nachfolgender Beitrag zu "schön".


    Danke und
    LG
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich will mal "back to the roots" gehen und daran denken, dass wir ein Musik-Forum sind und deswegen auf mein letztes Hörerlebnis eingehen: Die Pastorale Beethovens in der Interpretation von René Leibowitz und dem Royal Philharmonic Orchestra of London: Das war schön!
    Und unsere heutige Generalprobe zum Pfingstkonzert (im Rahmen des Festgottesdienstes): Moazrt: Missa brevis in D KV 194 und Ave Verum KV 618: Das war auch schön!


    Hallo William B.A.,


    Dein schöner Beitrag ist für mich ganz schön aufschlußreich. Stellt er doch für uns Alle - ach was, Unfug, nat. nur für mich - auf schöne Art und Weise klar, wie schön Du die bisherige schöne Diskussion auf Deine Weise schön verinnerlicht hast.


    Schöne Grüße
    zweiterbass


    1.Nachsatz: Leider emfinde ich mich nicht schön (eine ca. 20 Jahre jüngere Dame sage mir neulich, man sähe mir meine 72 "Lenze" nicht an - na, das war aber schön geschmeichelt), sonst würde ich mich nähmlich aus diesem ...(ohne Adjektiv) Beitrag verabschieden mit
    Schöne Grüße
    "vom schönen zweiten Baß"
    2. Nachsatz: Wer nämlich mit "h" schreibt, ist dämlich!
    3. Nachsatz: Die "Kant-usw.-Denker" mögen mir bitte diesen dähmlichen Beitrag verzeihen.

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  • Gibt es einen inhaltlichen (von der Bedeutung) Unterschied im allgemeinen Sprachgebrauch zwischen den Substantiven"das Schöne" und "Schönheit" einerseits und dem Adjektiv "schön" andererseits?


    Lieber Zweiterbass,


    natürlch kann ich nur wenig zum "allgemeinen Sprachgebrauch" sagen.


    Ich meine, das Wort "schön" wäre in viel größerer Gefahr, trivialisiert benutzt zu werden, nämlich als persönlich-subjektives Geschmacksurteil ("diese Handtasche ist schön", "dieses Lied ist schön"), als dies bei den Substantiven "das Schöne" und "die Schönheit" der Fall wäre.


    Bevor jemand sagte "diese Handtasche ist von großer Schönheit", würde er vermutlich doch innehalten und sich der Gewichtigkeit dieser Aussage bewusst werden.


    :hello:

  • Und unsere heutige Generalprobe zum Pfingstkonzert (im Rahmen des Festgottesdienstes): Moazrt: Missa brevis in D KV 194 und Ave Verum KV 618: Das war auch schön!


    Pffff! Was hat "Ave verum corpus" mit Pfingsten zu tun? Da bedarf es aber eines sehr anpassungsfähigen geistlichen Winkeladvokaten ... natürlich kann man auch an Weihnachten "O Haupt voll Blut und Wunden singen" - und rechtfertigen -, oder bei einer Beerdigung "Was Gott tut, das ist wohlgetan", aber es nimmt sich doch letztlich immer so aus wie in der Verfilmung des "Hauptmann von Köpenick", in der in einer der ersten Szenen die Gefängnisinsassen im Gottesdienst voller Andacht singen "Bis hierher hat mich Gott gebracht" ... ein Schenkelklopfer ...


    :hello:

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  • Wunderbar, was Philosophen so alles wissen!! Ich bin entzückt und verwirrt. Ist nun a scheenes Mädel wirklich scheen oder nur eine philosophische Kategorie?


    Was meinte Crock mit "Akrobat schööööööööööööööööön!"


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    natürlich ist ein "scheenes Mädel" "scheen". Aber was Crock mit "Akrobat schööööööööööön" meinte, müssten wir ihn selbst fragen.


    Ein "scheenes Mädel" kann ein Begehren wecken, sicher. Doch gibt es ja auch "scheene Mädels", bei deren Anblick nicht das Begehren im Vordergrund steht, sondern ein Staunen über eine besondere Schönheit.


    Was unterscheidet diese besondere Schönheit von der "Scheenheit" des Mädels? Gibt es das auch in der Musik? Ist Mozarts "Kleine Nachtmusik" vielleicht "scheen", aber bestimmte Stellen in Mahlers 9. Sinfonie machen uns vor Schönheit staunen? Ist das dann noch subjektiv oder konsensfähig? Ist die Konsensfähigkeit bedingt durch eine Gemeinschaft mit ähnlichem Erfahrungshintergrund oder nicht?


    Finde ich schon spannend. Das heißt aber nicht, dass ich deswegen bei einem "scheenen Mädel" weggucken müsste, nur weil es vielleicht nicht "schön" ist.


    :hello:

  • Was meinte Crock mit "Akrobat schööööööööööööööööön!"

    Nichts für ungut und ohne alle Besserwisserei: Mit Crock ist vermutlich Grock gemeint, dessen Markenausruf u. a. war: "Nit möööööglich!". "Akrobat - schööön!" war der Ausruf von Charlie Rivel. Weder Rivel (+1983) noch Grock (+1959) stehen derzeit hiesig für Nachfragen zur Verfügung.

  • Frage La Roche: " Ist nun a scheenes Mädel wirklich scheen oder nur eine philosophische Kategorie?


    Du konntest die Antwort auf diese Frage meiner Stellungnahme zu Deinem obigen Beitrag entnehmen ("La Roche an zweiterbass", Nr.57). Dein "scheenes Mädel" ist keine philosophische Kategorie, sondern ein Gegenstand Deines - offenen oder insgeheimen - Begehrens (so wie diese Bezeichnung umgangssprachlich verwendet wird).


    "Schönheit" ist aber - und das ist ihr Wesen, jedenfalls nach Kant - frei von Begehren. Sie ist Gegenstand "interesselosen Wohlgefallens". Wir wissen damt aber immer noch nicht, was ihr eigentliches Wesen ausmacht. Immerhin aber wissen wir, wie sie sich als Objekt in einer Erkenntnisrelation darstellt.


    Wenn farinelli bekennt: " Daß die Schönheitsempfindung im Forum zu einem inhaltslosen subjektiven Geschmacksurteil geworden und damit so ziemlich auf den Hund gekommen ist, fuchst mich gewaltig "...


    ...so berührt dieses Bekenntnis genau diesen Punkt: Dass man dazu neigt, "Schönheit" mit den Empfindungen gleichzusetzen, die ein schönes Objekt in demjenigen auslöst, der es betrachtet, hört oder sonstwie wahrnimmt. Schönheit ist aber ein Wesenmerkmal dieses Objekts selbst.


    Leider ist es uns bislang nicht gelungen, dieses Wesensmerkmal in seiner spezifischen Eigenart ein wenig näher zu bestimmen.

  • Schönheit ist aber ein Wesenmerkmal dieses Objekts selbst.

    Das behauptest Du mal einfach so. Aber vielleicht hat Kant ja das Ganze auch nicht richtig zu Ende gedacht.


    Wann entsteht denn Schönheit? Und an dieser Stelle konzentriere ich mich mal auf Musik und deren schöne Stellen. Schönheit der Musik kann doch frühestens dann entstehen, wenn die Musik entsteht, oder? Wann entsteht die Musik? Wenn Sie aufgeführt wird. Denn erst dann wird sie wahrgenommen. Bis dahin ist sie beschmiertes Papier, und nach dem Verklingen des letzten Tons ist sie wieder nur beschmiertes Papier.


    Die Erfindung der CD und ihrer Vorgänger hat daran nichts geändert. Denn auch die Bits und Bytes auf der CD werden erst dann Musik, wenn das Abspielergebnis durch einen Menschen wahrgenommen wird. Im übrigen leben wir ja gewohnheitsmäßig mit der Fiktion, dass die Bits und Bytes ein Abbild einer vorangegangenen Aufführung von Musik durch Menschen dokumentieren.


    Wenn aber Schönheit der Musik frühestens mit der Musik selbst entsteht, ist Schönheit doch nicht denkbar, vor allem nicht erfahrbar, nicht wahrnehmbar ohne alle Begleitumstände, die das Ergebnis von Musikaufführung bedingen. Das heißt: das Objekt selbst, also das beschmierte Papier, also die Komposition der Musik, also der Beitrag des Komponisten zu der ihm zugeschriebenen Musik, ist nur ein Anteil des Ganzen, ein Teilbeitrag zur Musik und damit ein Teilbeitrag zu ihrer Schönheit oder Unschönheit - und an dieser Stelle sei einmal offen gelassen, wie groß dieser Anteil ist.


    Aber am Ende des Tags ist eben dieser Teilbeitrag nichts, wenn die Musik nicht aufgeführt und deshalb nicht wahrnehmbar wird. Es müssen die Musiker ihren Beitrag leisten und ihre Vorstellung von dem umsetzen, wovon sie glauben, dass der Komponist es sagen wollte oder das sie es mit der Musik sagen sollten, der Aufführungsort, Kirche, optimaler Konzertsaal, Besenkammer oder sonstiges hat seinen Anteil, der Rezipient hat seinen Anteil, ist er ausgeschlafen oder müde, widerwillig oder offen für Neues, schwerhörig oder mit gespitzten Öhrchen gesegnet und und und.


    Wenn also Musik und damit ihre Schönheit überhaupt erst unter Einfluss so vieler Parameter entsteht - greifen Kants und Hofmanns Ansätze zu kurz. Das Objekt hat - mindestens in der Musik - überhaupt keine Schönheit. Wenn Schönheit dann endlich entsteht, weil die Musik wahrgenommen wird, ist das Objekt nur ein Teil der Parameter, die Einfluss haben können auf die - in ihrer Entstehung als Musik höchst komplexe - Schönheit des Wahrgenommenen. Die reine Quinte kann dann je nach ihrer Ausführung und dem Ausmaß des Tinitus des Hörers und des Überhalls des Aufführungsorts hübsch häßlich werden.

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  • Lieber Ullrich,


    bei aller gebotenen Vorsicht würde ich ebenfalls zögern, Schönheit alleine als eine Eigenschaft des Objektes zu beschreiben. Zumal Schönheit auch eine graduelle, keine binäre Größe ist - es gibt nicht nur "schön" und "nicht schön".


    Ob Musik aber alleine als Partitur schön zu nennen wäre, finde ich eine spannende Frage und frage zurück: Warum denn nicht? Wenn ein Betrachter die Musik aus der Partitur versteht ... ?


    Johannes Brahms war der Meinung, dass man den Don Giovanni nur aus der Partitur richtig genießen könne (bis er eine Aufführung unter Gustav Mahler hörte, aber das ist ein anderes Thema). Es hängt also auch von den rezeptiven Fähigkeiten des Subjektes ab, ob eine Partitur nur "beschmiertes Papier" ist, wie Du etwas despektierlich sagst, oder ob sie bereits aus den Noten vor dem inneren Ohr des Subjektes zu tönen beginnt.


    Übrigens ist das ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass das Subjekt sehr wohl eine Rolle spielt. -


    Andere Frage: Wäre ein "schöner" Sonnenaufgang auch dann schön, wenn kein Mensch auf der Erde wäre, um ihn zu sehen?


    :hello:

  • ob sie bereits aus den Noten vor dem inneren Ohr des Subjektes zu tönen beginnt.


    Übrigens ist das ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass das Subjekt sehr wohl eine Rolle spielt.

    :yes: Lieber Wolfram, dieses Hören der Partitur vor dem inneren Ohr, die Fähigkeit, die gelesene Partitur bereits in der eigenen Vorstellung in Musik um zu setzen, hatte ich bereits als Hörvorgang, als Wahrnehmen der (selbst und intern) aufgeführten Musik verstehen wollen. Es fällt quasi das Parameter Hörraum als beeinflussendes Element weg. Das ausführende und das rezipierende Subjekt werden eins, aber der Vorgang ist der oben beschriebene: zur niedergeschriebenen Partitur tritt der existenznotwendige Vorgang des Musikmachens hinzu, die Rezeption.



    Zitat

    Andere Frage: Wäre ein "schöner" Sonnenaufgang auch dann schön, wenn kein Mensch auf der Erde wäre, um ihn zu sehen?

    Da auf diesen Seiten so mancher ja mit Vehemenz die Auffassung vertritt, Schönheit sei ein philosophischer Begriff und müsse es auch bleiben, kann die Antwort nur lauten: "Nein". Ein "schöner" Sonnenaufgang wäre nichts, jedenfalls nicht schön, denn ohne Menschen wäre keine Philosophie.

  • Andere Frage: Wäre ein "schöner" Sonnenaufgang auch dann schön, wenn kein Mensch auf der Erde wäre, um ihn zu sehen?

    Da landen wir doch schon wieder in der Quantenmechanik. Der berühmte Doppelspaltversuch, wo Wellen zu Teilchen werden, wenn man sie beobachtet, wirft die Frage auf, ob man ein Ding an sich jemals objektiv betrachten kann, wenn das Betrachten selbst das Objekt verändert.
    Wo immer menschlicher Einfluss sich geltend macht, taucht zwangsläufig eine subjektive Komponente auf.


    Die musikalische Faktur, die Adorno laut Helmut zur Bewertung der Schönheit heranzieht, wird zwar an im Voraus bestimmten Prämissen gemessen, denen jedoch ebenfalls eine menschliche, subjektive Beurteilungsskala zu Grunde liegen muss.


    Diese Skala kann aber keinesfalls schon geschaffen sein, ehe jemals ein musikalisches Werk entstanden ist, sonder ist m.E. aus der Beurteilung vieler, schon vorhandener Werke entstanden und zudem sehr vom Geschmack der jeweiligen Epoche beeinflusst.


    Sollten wir trotz aller Einwände das Geheimnis der Schönheit in der Musik ergründen können, wäre das vermutlich auch ihr Ende. Das Komponieren könnte man dann den Computern überlassen und mit wachsender Sorge die folgende Inflation des Schönen bedauern.

  • Hallo,
    ich bin normalerweise mit smileys sehr zurüchhaltend, aber in nachfolgendem Fall

    . Es müssen die Musiker ihren Beitrag leisten und ihre Vorstellung von dem umsetzen, wovon sie glauben, dass der Komponist es sagen wollte oder das sie es mit der Musik sagen sollten, der Aufführungsort, Kirche, optimaler Konzertsaal, Besenkammer oder sonstiges hat seinen Anteil, der Rezipient hat seinen Anteil, ist er ausgeschlafen oder müde, widerwillig oder offen für Neues, schwerhörig oder mit gespitzten Öhrchen gesegnet und und und.


    :jubel::jubel::jubel:



    Ob Musik aber alleine als Partitur schön zu nennen wäre, finde ich eine spannende Frage und frage zurück: Warum denn nicht? Wenn ein Betrachter die Musik aus der Partitur versteht ... ?

    1. Versteht oder hört?
    2. Musik anhand von Noten verstehen, kann ein adäquateres Hören bewirken.
    3. Aber eigentlich ist Musik ein Hörerlebnis (Einwendungen?), das eine (sehr?) geringe Anzahl von Menschen auch dadurch erreicht, dass aus den gesehenen Noten in dem inneren Ohr (= in den dazu notwendigen Gehirnregionen) dieser Menschen Musik entsteht, Musik gehört wird - wobei ich wieder beim Hörerlebnis bin, nur eben auf direktem Weg, ohne Umweg über Interpreten; wobei in diesem Fall 1. Interpret, Hörer und 2.Interpret in einer Person zusammen fallen.



    Andere Frage: Wäre ein "schöner" Sonnenaufgang auch dann schön, wenn kein Mensch auf der Erde wäre, um ihn zu sehen?

    Diese/r Frage/Vergleich hinkt m. E., weil es ein Vorgang ist, der ohne jedes menschliche Zutun abläuft. Ob...(Gott, Schöpfer...Jede/r mag den für sich passenden Begriff einsetzen) den Sonnenaufgang schön empfindet, dies zu beurteilen obliegt uns nicht, weil schön ein rein menschlicher Begriff ist.


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Sorry, dieser Beitrag entstand ohne Kenntnis des Beitrages Nr. 87, es wurde also von mir und unbeabsichtigt z. T. "doppelt gemoppelt".

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Hami,


    darf ich Deine Worte leicht ironisch so zuspitzen:


    "Ein Musikästhet ist ein Mensch, der post compositionem genau sagen kann, warum ein Stück schön ist, aber völlig unfähig ist, seine Fähigkeiten zur Komposition eines schönes Stückes einzusetzen." (Also so etwas wie ein impotenter Sexualwissenschaftler.)


    (Das heißt, dass sich der Musikästhet selbst ad absurdum führt. Denn eine These gilt immer nur dann als stichhaltig, wenn man damit Vorhersagen treffen kann. Genau das kann der Musikästhet aber nicht.)


    :hello:

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