Zit. Ullrich: "Wenn also Musik und damit ihre Schönheit überhaupt erst unter Einfluss so vieler Parameter entsteht - greifen Kants und Hofmanns Ansätze zu kurz."
Zunächst einmal, lieber Ullrich, finde ich wunderbar, dass es hier endlich wieder einmal um Musik geht. Wir befinden uns hier ja schließlich in einem Klassikforum, - und nicht in einem philosophischen Seminar.
Aber, und nun kommt mein Einspruch. Du argumentierst in Deinen Ausführungen prozessual. Das ist aber nicht der Ansatz der musikalischen Ästhetik. Sie setzt in ihren Reflexionen nicht am Prozess der Entstehung des musikalischen Kunstwerkes an, sondern an dessen Resultat. Sie denkt gleichsam statisch.
Heißt: Das, was in Schubert vorging, als er seine Klaviersonate in B-Dur komponierte, interessiert so wenig wie das, was Maurizio Pollini gerade denkt, wenn er sie im Konzertsaal interpretiert. Entscheidend für die Frage, wie ich die Sonate als musikalisches Kunstwerk höre und beurteile, ist das, was sich im Augenblick der Interpretation akustisch ereignet.
Oder das, was ich - wenn ich denn in der Lage dazu bin- den Noten entnehme, wenn ich ihrer Faktur folge und sie in Klang umsetze.
Und genau hier setzt auch Kant an, wenn er sich philosophisch auf die Frage einlässt, was denn "das Schöne" ist. Das, was Pollini gerade spielt, ist für Kant ein "Gegenstand" der Wahrnehmung "(Apperzeption" nennt der das; er ist Erkenntnistheoretiker). Dieser Gegenstand ist "schön", weil ich ihn im Augenblick des Zuhörens ohne jegliches Interesse als solchen wahrnehme. "Interesse" heißt dabei nicht "Interessiert-Sein". Ich bin sehr wohl am Hören interessiert, aber nicht an der "Verwertung" des Gegenstandes in irgendeinem Sinn.
Denn: Was "schön" ist, lässt sich nicht "verwerten". Das ist sein Wesen.