wann/wofür verwendet Ihr das Wort "schön"?

  • Zit. Ullrich: "Wenn also Musik und damit ihre Schönheit überhaupt erst unter Einfluss so vieler Parameter entsteht - greifen Kants und Hofmanns Ansätze zu kurz."


    Zunächst einmal, lieber Ullrich, finde ich wunderbar, dass es hier endlich wieder einmal um Musik geht. Wir befinden uns hier ja schließlich in einem Klassikforum, - und nicht in einem philosophischen Seminar.


    Aber, und nun kommt mein Einspruch. Du argumentierst in Deinen Ausführungen prozessual. Das ist aber nicht der Ansatz der musikalischen Ästhetik. Sie setzt in ihren Reflexionen nicht am Prozess der Entstehung des musikalischen Kunstwerkes an, sondern an dessen Resultat. Sie denkt gleichsam statisch.


    Heißt: Das, was in Schubert vorging, als er seine Klaviersonate in B-Dur komponierte, interessiert so wenig wie das, was Maurizio Pollini gerade denkt, wenn er sie im Konzertsaal interpretiert. Entscheidend für die Frage, wie ich die Sonate als musikalisches Kunstwerk höre und beurteile, ist das, was sich im Augenblick der Interpretation akustisch ereignet.


    Oder das, was ich - wenn ich denn in der Lage dazu bin- den Noten entnehme, wenn ich ihrer Faktur folge und sie in Klang umsetze.


    Und genau hier setzt auch Kant an, wenn er sich philosophisch auf die Frage einlässt, was denn "das Schöne" ist. Das, was Pollini gerade spielt, ist für Kant ein "Gegenstand" der Wahrnehmung "(Apperzeption" nennt der das; er ist Erkenntnistheoretiker). Dieser Gegenstand ist "schön", weil ich ihn im Augenblick des Zuhörens ohne jegliches Interesse als solchen wahrnehme. "Interesse" heißt dabei nicht "Interessiert-Sein". Ich bin sehr wohl am Hören interessiert, aber nicht an der "Verwertung" des Gegenstandes in irgendeinem Sinn.


    Denn: Was "schön" ist, lässt sich nicht "verwerten". Das ist sein Wesen.

  • Zunächst einmal, lieber Ullrich, finde ich wunderbar, dass es hier endlich wieder einmal um Musik geht. Wir befinden uns hier ja schließlich in einem Klassikforum, - und nicht in einem philosophischen Seminar.


    Aber, und nun kommt mein Einspruch.


    Wer nun aber meint, mit dem Einspruch kommt ein Einlassung zu Musik - der braucht den Beitrag nicht weiter zu lesen!

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Wir befinden uns hier ja schließlich in einem Klassikforum, - und nicht in einem philosophischen Seminar.


    Das ist der beste Witz, den ich seit langem hier im Forum gelesen habe. Wirklich!


    :hahahaha:


    Denn: Was "schön" ist, lässt sich nicht "verwerten". Das ist sein Wesen.


    Ich meine, dass gerade Schönheit inflationär vermarktet wird. Ob bei Models, ob in Form von Bootsfahrten zur "blauen Grotte", ob in Form von Hotels mit "schönem" Ausblick, ob in Form von Einspielungen der immer gleichen Mozart-Klavierkonzerte ... die Verwertung des Schönen klappt hervorragend.


    :hello:

  • Wir befinden uns hier ja schließlich ... nicht in einem philosophischen Seminar.

    Für diese Klarstellung, lieber Helmut, ausspreche ich meinen Dank, denn genau dieser, wie Du jetzt anmerkst, fälschliche Eindruck konnte - nein: musste - sich dem unbefangenen Leser in den letzten Wochen an verschiedenen Stellen auf den Seiten des Tamino-Klassikforums aufdrängen.



    Du argumentierst in Deinen Ausführungen prozessual.

    Ja, sozusagen naturgesetzlich zwingend, den von Haus aus bin ich Jurist, in und von Prozessen lebe ich.



    Sie denkt gleichsam statisch.

    Hat sie dann nicht ein methodisches Problem? Musik ist ein Prozess, sie ist im Entstehen und im Vergehen begriffen und ist nur so lange, als sie wird. Sobald der Prozess beendet ist, existiert auch die Musik nicht mehr. Wie kannst Du also einem Betrachtungsobjekt, das qua seiner natürlichen Existenzumstände nur prozessual existiert, mit einer statischen Methode beikommen wollen? Die Methode ist dem Objekt nicht angemessen und kann schon deshalb nicht zu zutreffenden Ergebnissen führen.



    Entscheidend für die Frage, wie ich die Sonate als musikalisches Kunstwerk höre und beurteile, ist das, was sich im Augenblick der Interpretation akustisch ereignet.

    Aber dann kannst Du doch schon methodisch keinerlei Aussagen über das musikalische Kunstwerk treffen. Denn Du betrachtest ja nur einen Abklatsch des musikalischen Kunstwerks, der durch die Vielzahl der von mir oben genannten Parameter praktischer Musikexistenz kontaminiert ist - Ausführende, Raum, Rezipienten etc. Du betrachtest - um Dein Beispiel aufzugreifen - Pollinis Nachschöpfung von Schuberts B-Dur Sonate am {Datum} um {Uhrzeit} im {konkreten Konzertsaal} vor {Anzahl oder namentliche Benennung} Zuhörern - aber was viel schlimmer ist: Du kannst wesensnotwendig nur das betrachten, was Du von dieser Darbietung Pollinis wahrgenommen hast und wie Du es wahrgenommen hast, und mit Du meine ich tatsächlich Dich als konkrete rezipierende Person, denn ich als konkrete rezipierende Person werde etwas völlig anderes wahrgenommen haben. Da Ästhetik, wie Du behauptest, den Augenblick des akustischen Ereignisses betrachtet, kann Ästhetik mithin immer nur das subjektive Erleben des Ästheten beschreiben. Dann ist Ästhetik ja offenbar eher eine Art von Poesie und also als Subjekt ein Objekt ihrer selbst. Mindestens ist sie von allgemein gültigen Aussagen weit entfernt, da sie die subjektive Ebene aus methodischen Gründen nicht verlassen kann. Das wiederum finde ich ein bisschen armselig für die vielen Worte, die darum gemacht werden.



    Das, was Pollini gerade spielt, ist für Kant ein "Gegenstand" der Wahrnehmung

    Ich stelle mal einfach so die Lebensdaten in den Raum: Kant 1724-1804, Pollini geboren 1942. Dass Ästhetik nicht zu den exakten Wissenschaften gezählt werden kann, legen, so scheint es mir, verschiedene Betrachtungen im vorliegenden Forum dringend nahe - auch wenn dies kein philosophisches Seminar ist. Aber die Behauptung, Pollinis Spiel sei Gegenstand von Kants Wahrnehmung, ist entweder dreist oder bedarf doch noch einmal einer eingehenderen Betrachtung unter Gesichtspunkten der Metaphysik oder Religionskritik.



    Ich bin sehr wohl am Hören interessiert, aber nicht an der "Verwertung" des Gegenstandes in irgendeinem Sinn. Denn: Was "schön" ist, lässt sich nicht "verwerten". Das ist sein Wesen.

    Lieber Helmut, dass Du nicht an der Verwertung von Pollinis Klavierspiel interessiert bist, habe ich Dir ja gerne geglaubt. Aber Du hast die Fähigkeit, solchen Aussagen, die irgendwie ganz ok klingen, dann noch eine Schote hinter her zu schicken, mit der man sich nur lachend in die Ecke schmeißen kann - das ist schon köstlich! Da gibst Du dem Begriff "happy end" immer wieder eine neue Bedeutung.

  • Dass gegen meine These "Denn: Was "schön" ist, lässt sich nicht "verwerten". Das ist sein Wesen."...


    ...Einwände kommen würden, habe ich erwartet. Dass sie allerdings in der sprachlichen Form gemacht würden , wie dies in den Beiträgen oben drüber geschehen ist, erwartete ich nicht, hätte es aber eigentlich wissen müssen. (Zit.:...mit der man sich nur lachend in die Ecke schmeißen kann ...).


    Jetzt erweist sich farinellis Verwies auf die "alten Griechen" als überaus sinnvoll und hilfreich. Platon hat nämlich als erster bewusst gemacht, dass man zwischen realem und idealem Sein unterschieden muss. Schönheit als ideales Sein ist von seinem materiellen Substrat wesensverschieden. Letzteres ist in vielerlei Hinsicht behandel- und verwertbar, das andere aber, die Schöheit selbst nämlich, kann ausschließlich Gegenstand des "interesselosen Wohlgefallens" sein.


    Selbstverständlich kann ich mit dem Bild der Mona Lisa alles mögliche "anfangen". Ich kann es an die Wand hängen, ich kann es verkaufen und viel Geld damit machen, und so fort. Genau das gleiche gilt für die Interpretation der B-Dur-Sonate von Schubert, die mir in Form einer CD vorliegt. All das hat aber nichts mit der Schönheit, die im Bild der Mona Lisa oder beim Hören der Schubert-Sonate aufleuchtet, zu tun. Alles was ich mit dem materiellen Substrat dieser Schönheit, dem Bild oder der CD anfange, berührt diese Schönheit des Kunstwerkes nicht. Diese wird in keiner Weise davon tangiert.


    Ich meine, wir sollten das fein säuberlich auseinanderhalten. Wir fragen hier nach dem Wesen der Schönheit, - im speziellen jener Schönheit, wie sie uns in der Kunst (hier speziell der Musik) begegnet.


    Und jetzt zum nächsten Punkt, - dem Einwand gegen meine Ausführungen zum Apekt "prozessual und statisch". Natürlich ist die Interpretation eines musikalischen Werkes ein "Prozess". Sie ereignet sich in Form eines "Aktes" und ist damit ein genuin zeitliches Phänomen.


    Aber ich wiederhole: Unser Thema ist her "Schönheit", - hier nun die musikalische. Und hier gilt: Das Urteil "Dieses Werk oder diese melodische Linie ist schön" ist eine Aussage, die sich auf einen vorlegenden, gleichsam abgeschlossenen akustischen Eindruck richtet. Insofern ist sie in ihrem Kern "statisch", - "konstatierend".


    Ein Beispiel. Die melodische Linie, die Schubert auf die Verse "Am Brunnen vor dem Tore / Da steht ein Lindenbaum" gelegt hat, kann man in ihrer diatonischen Terzenstruktur ohne weiteres als "musikalisch schön" bezeichnen. Dieses Urteil kann ich aber erst fällen, wenn diese Melodiezeile abgeschlossen ist. Das Singen selbst, die Realisierung der Melodiezeile ist zwar ein prozessualer Akt in der Zeit, ihre "Schönheit" stellt sich aber erst ein, wenn sie sozusagen als einheitliches musikalisches Gebilde vorliegt.


    Womit ich wieder bei meiner zentralen Aussage wäre: "Schönheit" ist als "ideales Sein" von ihrem "Träger", dem jeweiligen materiellen Substrat also, zu unterscheiden.

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  • Leider bin ich genötigt, an dieser Stelle meinen diskursiven Offenbarungseid zu leisten und mich ganz konkret dem ursprünglichen Thema des Threads zuzuwenden.


    Wofür ich das Wort "schön" verwende sei hier gezeigt. Auf die Frage nach dem Warum habe ich jedoch keine erschöpfende Antwort, ich kann lediglich konstatieren, dass ich hier mein Schönheitsideal in zweierlei Hinsicht verwirklicht sehe.


    Einmal durch die wunderbare, in weiten Bögen schwebende Melodie und zum Andern durch die verzaubernde Gesangskunst der Gwyneth Jones. Selbst die stimmliche Schönheit der Caballe oder die dramatische Gestaltungkraft der Callas reichen nicht aus, Gwyneth Jones aus meiner persönlichen Favoritenrolle zu verdrängen.


    Vielleicht ist es der schlichte, mädchenhafte Vortrag, der gänzlich auf dramatische Effekt verzichtet und sich nur der Schönheit der Meloldie unterwirft, der mich berührt, schwer zu sagen.


    Doch möchte ich das Wort "schön" im ästhetischen Sinn gebrauchen, dann passt es nirgends besser als hier.


  • Helmut Hofmanns Beschreibung des idealen Schönen ist - da ideal - kontextfrei, quasi in jeder nur erdenklichen Hinsicht.


    Wann immer der Begriff "schön" (nicht alltagssprachlich, nur im Sinne des Ästhetischen!) angewandt und die Anwendung begründet werden soll, werden Parameter des Kontextuellen benötigt.


    Wie soll es möglich sein - und ich würde Helmut Hofmann bitten, diese Frage zu beantworten, - etwas "ideal Schönes" im konkreten Fall kontextfrei zu beschreiben oder auch nur die Berechtigung der Zuweisung dieses Attributs zu begründen?


    Andernfalls ist dieser Thread ein per se philosophischer, von jeglicher konkreten Musik abstrahierend. Dies würde ich akzeptieren, es wäre dann aber - wiederum per se - unmöglich, die "Schönheit" konkreter Musik nachzuweisen (oder zu widerlegen??).


    (Mein stiller Verdacht: Das ist bereits (nahezu) unmöglich, wenn der zugrundeliegende Schönheitsbegriff ein weniger idealer ist. Bislang gilt in diesem Faden meines Erachtens: Quod erat demonstrandum. Überdies: Wir hatten das Problem zur Genüge im Kontext des "Klassik"-Begriffs ...).


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Ein Beispiel. Die melodische Linie, die Schubert auf die Verse "Am Brunnen vor dem Tore / Da steht ein Lindenbaum" gelegt hat, kann man in ihrer diatonischen Terzenstruktur ohne weiteres als "musikalisch schön" bezeichnen. Dieses Urteil kann ich aber erst fällen, wenn diese Melodiezeile abgeschlossen ist. Das Singen selbst, die Realisierung der Melodiezeile ist zwar ein prozessualer Akt in der Zeit, ihre "Schönheit" stellt sich aber erst ein, wenn sie sozusagen als einheitliches musikalisches Gebilde vorliegt.

    Nichts dagegen einzuwenden, wenn ich darf. Aber: Wer hindert mich daran, das Attribut "Schönheit" auf jeden erdenklichen physikalisch bestimmbaren Schall von bestimmter Länge anzuwenden?


    Und umgekehrt: Wer hindert mich daran, das Lied vom Lindenbaum als abgedroschen, aber nicht "schön" zu werten? (Das ist nicht meine Meinung. :) )


    Du würdest vielleicht einwenden: Das tut niemand. Wer würde das tun? Dann würde ich vielleicht antworten: Ich vielleicht. Du würdest Dich vielleicht dagegen verwahren. Und so weiter und so fort. Vielleicht.


    Lieber Helmut Hofmann: Ist es vielleicht so, dass aus den von Dir gegebenen philosophisch wahrlich "schönen" (Das ist keine Ironie! :)) Präliminarien nie konkret musikalische werden können?


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ein Beispiel. Die melodische Linie, die Schubert auf die Verse "Am Brunnen vor dem Tore / Da steht ein Lindenbaum" gelegt hat, kann man in ihrer diatonischen Terzenstruktur ohne weiteres als "musikalisch schön" bezeichnen. Dieses Urteil kann ich aber erst fällen, wenn diese Melodiezeile abgeschlossen ist. Das Singen selbst, die Realisierung der Melodiezeile ist zwar ein prozessualer Akt in der Zeit, ihre "Schönheit" stellt sich aber erst ein, wenn sie sozusagen als einheitliches musikalisches Gebilde vorliegt.


    Hallo,


    wie das menschl Gehirn eine Melodie erfasst, dazu kann im Thread "Fragen und Antworten der Gehirnforschung..." nachgelesen werden.


    Ob die genannte Melodiezeile als "schön" oder als "Schönheit" bezeichnet wird, ist m. E. eine Frage, wie präzise ich mich ausdrücken will, wie exakt ich die Wirkung dieser Melodie - textbezogen! - beschreiben will. Für mich hört sich die Melodiezeile als im Textzusammenhang adäquat an. (Wie unterschiedlich diatonische Terzstrukturen im musikalischen Ausdruck von Komponisten verwendet werden, ist auch schon öfter an Beispielen gezeigt worden - ich glaube zuletzt von "Johannes Röhl" beim Gluckschen "Orfeo".)

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Vielleicht ist es der schlichte, mädchenhafte Vortrag, der gänzlich auf dramatische Effekt verzichtet und sich nur der Schönheit der Meloldie unterwirft, der mich berührt, schwer zu sagen.


    Hallo hami1799.


    das ist keinesfalls eine Kritik, es soll nur die individuelle Empfänglichkeit des Hörens unterstreichen: Ein auch nur irgendwie geartetes Vibrato einer menschl. Stimme ist für mich mit mädchenhaft nicht kompatibel.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Zweiterbass,


    da sieht man´s wieder, man hört nur das, was man hören will. Mir ist das Vibrato erst nach Deinem Hinweis aufgefallen. Nun finde ich grundsätzlich, dass eine Stimme ohne Vibrato unpersönlich und langweilig klingt.


    Ich hätte natürlich anstatt mädchenhaft auch hilflos oder anrührend schreiben können und auch damit vermutlich nicht Alles getroffen.


    Es ist, wie Du sagst, man kann letztlich persönliche Empfindungen nie ganz mit Anderen teilen.


    Viele Grüße
    hami1799

  • Hami1799 meint: "
    man kann letztlich persönliche Empfindungen nie ganz mit Anderen teilen. "


    Das ist sicher zutreffend, vor allem, wenn man dabei die sprachliche Partikel "ganz" in ihrer Bedeutung beachtet.


    Was man aber "teilen" kann - zumindest partiell - ist ein ästhetisches Urteil. Wäre es anders, hami1799 hätte sein Hörbeispiel mit einer Aufnahme mit Gwyneth Jones nicht mit dem Kommentar hier eingestellt: "Doch möchte ich das Wort "schön" im ästhetischen Sinn gebrauchen,..."

    Das ist doch nur unter der von ihm gemachten Annahme sinnvoll, dass dieses - sein eigenes - ästhetische Urteil, dass es sich nämlich bei dieser Aufnahme um einen Fall von "musikalischer Schönheit" handelt, von anderen nachvollziehbar ist.


    Das aber bedeutet nun wiederum, dass diesem "Stück Musik" in der vorliegenden Realisation bestimmte Eigenschaften, sinnlich- materielle und strukturelle Merkmale also, eigen sind, die es "an sich"(!) als "schön" auszuweisen vermögen. Was nun wiederum als Beweis dafür genommen werden kann, dass es sich bei ästhetischen Urteilen nicht um Vorgänge von absoluter Subjektivität handeln kann.

  • Die beiden Beiträge von WolfgangZ (Nr.97/98) machen mir ein wenig zu schaffen. Sie werfen eine ganze Reihe von Fragen auf, die zweifellos komplex sind und schwierig zu beantworten. Ich versuche es mal, indem ich an zwei Stellen ansetze:


    1.Zit: "Wie soll es möglich sein - und ich würde Helmut Hofmann bitten, diese Frage zu beantworten, - etwas "ideal Schönes" im konkreten Fallkontextfrei zu beschreiben oder auch nur die Berechtigung der Zuweisung dieses Attributs zu begründen? "
    2.Zitat:" Nichts dagegen einzuwenden, wenn ich darf. Aber: Wer hindert mich daran, das Attribut "Schönheit" auf jeden erdenklichen physikalisch bestimmbaren Schall von bestimmter Länge anzuwenden? "

    Das zweite Zitat bezieht sich auf das von mir gebrachte Beispiel aus Schuberts "Lindenbaum". Und anhand dessen möchte ich auf WolfgangZs Einwände eingehen. Die Meldodiezeile auf den ersten beiden Versen hatte ich als ein Beispiel von "melodisch-musikalischer Schönheit" hier "ins Spiel" gebracht. Nun kann man sagen, es sei dem subjektiven Dafürhalten überlassen, ob man dieses ästhetische Urteil nachvollziehen kann oder nicht. Rein theoretisch betrachtet, ist dies richtig. Wenn man diese Position eines radikalen Subjektivismus in Sachen ästhetischer Urteile einnimmt, dann ist es zweifellos berechtigt, eine reine akustische Sinusschwingung von 480 Hertz als "schön" zu deklarieren, - möglicherweise mit dem Zusatz begründet. dass sie sich "so schön" mathematisch beschreiben lässt.


    Dabei ist aber folgender - ganz wesentliche! - Aspekt unberücksichtigt: Ästhetische Urteile über das "Kunstsschöne" beziehen sich auf (Mach-)Werke, denen eine künstlerische Aussageabsicht immanent ist. (Beim "Naturschönen" ist dies anders!). Sie ist in der jeweiligen Faktur des Werkes fass- und beschreibbar. Hier Im falle von Schubert ist das die spezifische Struktur der melodischen Linie in Form von zunächst absteigenden Terzen, die in eine bogenförmig wieder steigende, danach fallende und auf der Tonika landende tonale Bewegung münden.


    Und nun meine ich (und habe dies in meinem vorangehenden, auf hami1799 Bezug nehmenden Beitrag zu konkretisieren versucht): Es gibt das Phänomen des übersubjektiven Anspruchs auf Allgemeingültigkeit des ästhetischen Urteils. Jeder von uns bewegt sich im Diskurs über "schöne Objekte" auf dieser Basis.
    Das heißt nicht, dass dieser Anspruch auf Allgemeingültigkeit des ästhetischen Urteils von jedem nachvollziehbar sein muss. Es bedeutet auch nicht, dass er zeitloos gültig ist. Natürlich unterliegt er dem Wandel. Der "Schneewitchensarg" der Firma Braun wurde einmal als Inbegriff stilistisch-technischer Schönheit angesehen.
    Was nun aber für meine These spricht, ist im Falle meines Beispiels: Schuberts Melodie wurde zum volksliedhaften Allgemeingut. Das konnte sie nur werden, wenn die ihr eigene musikalische Schönheit für alle nachvollziehbar sein konnte und kann.


    "Kontextfrei" - um zum Schluss auf den anderen Aspekt von WolfgangZs Einwänden zu kommen - ist ein ästhetisches Urteil niemals. Das kann es allein deshalb schon nicht sein, weil es ein situatives, von einem Subjekt im zeitlichen und räumlichen Augenblick gefälltes ist, in das eine Fülle von singulären Faktoren eingegangen sind.
    Gleichwohl ist es in seinem substantiellen Kern von diesen Faktoren ablösbar. Und es wird auch in dem Augenblick davon abgelöst, wenn es gefällt wird mit dem Anspruch, von anderen nachvollziehbar zu sein.


    Konkret: Auch wenn mir in dem Augenblick, in dem ich Schuberts Melodie höre, gerade übel ist; auch wenn der Interpret stimmliche Schwächen zeigt; auch wenn mein Nachbar mit seiner Freundin quatscht und mich beim Hören stört; ...
    Dieses Melodie ist an sich ein Inbegriff von musikalischer Schönheit. Ich empfinde das so, und ich weiß in diesem Augenblick, dass diese Empfindung auch von meinem quatschenden Nachbarn nachvollziehbar wäre, - wenn er denn hinhörte.
    Denn es ist eine dieser Melodie eigene Eigenschaft.

  • Dieses Melodie ist an sich ein Inbegriff von musikalischer Schönheit. Ich empfinde das so, und ich weiß in diesem Augenblick, dass diese Empfindung auch von meinem quatschenden Nachbarn nachvollziehbar wäre, - wenn er denn hinhörte.
    Denn es ist eine dieser Melodie eigene Eigenschaft.


    Hm. Ich frage Helmut: Was würde man denn jemandem entgegnen, der die Melodie des "Lindenbaum" für schrecklich trivial erklärt (ich sage das nicht) und die Verwendung als Volkslied nachdrücklich zu einem Argument für seinen Standpunkt macht? Schließlich wird man nicht alles, was der Volksmund übernommen hat, unter dem herausgehobenen Begriff des "absolut Schönen" subsumieren wollen. ("Sierra, sierra madre del sur ..." - Zillertaler Schürzenjäger u. a.)


    Die Beschreibung der Melodien von "Hänschen klein" und "Ihr Kinderlein, kommet" geschähe übrigens mit ganz ähnlichem Vokabular wie Helmuts Beschreibung der Melodie des "Lindenbaum". Sind diese Melodien also auch schön? Was ist der Unterschied?


    Und: Würde jemand, der nicht im mitteleuropäischen Dur-Moll-tonalen Tonsystem aufgewachsen ist, die Melodie des "Lindenbaum" auch schön finden?


    :hello:

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  • Ästhetische Urteile über das "Kunstsschöne" beziehen sich auf (Mach-)Werke, denen eine künstlerische Aussageabsicht immanent ist.

    Was wohl die künstlerische Aussageabsicht z. B. in den Haydnvariationen von Brahms sein mag (wohl kaum wird Brahms gedacht haben, "was für schöne Variationen ich geschrieben habe")?



    Schuberts Melodie wurde zum volksliedhaften Allgemeingut. Das konnte sie nur werden, wenn die ihr eigene musikalische Schönheit für alle nachvollziehbar sein konnte und kann.

    Was durch die Bearbeitung von "Silcher" aus dem Kunstlied von Schubert geworden ist, kann bei "YouTube" angehört werden.



    Dieses Melodie ist an sich ein Inbegriff von musikalischer Schönheit. Ich empfinde das so, und ich weiß in diesem Augenblick, dass diese Empfindung auch von meinem quatschenden Nachbarn nachvollziehbar wäre, - wenn er denn hinhörte

    Jede/r kann selbstverständlich sein eigenes Empfinden haben - auch ein unbewiesenes Wissen kann Jede/r posten.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Frage Wolfram: "Würde jemand, der nicht im mitteleuropäischen Dur-Moll-tonalen Tonsystem aufgewachsen ist, die Melodie des "Lindenbaum" auch schön finden?"


    Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Aber diese Frage geht an meiner These völlig vorbei. Ich behaupte ja gar nicht die universelle und zeitllose Gültigkeit ästhetischer Urteile. Selbstverständlich ist ihre Gültigkeit an einen Kulturkreis und eine historische Zeit gebunden und von diesen Rahmenbedingungen abhängig.


    Meine These ist rein erkenntnistheoretischer Art: "Schönheit" - also auch musikalische - ist eine dem künstlerischen Objekt immanente Eigenschaft. Insofern ist sie kein reines Produkt subjektiver Emotionalität, sondern eines des ästhetischen Urteilens über einen Sachverhalt, - auf einer kulturell und historsich-zeitlich determinierten Basis selbstverständlich. Die Eigenart dieses Urteilens ist es, "interesselos" zu sein. Und diese Eigenschaft ist nun wiederum die Basis für:


    a) seine Kommunizierbarkeit - und


    b) seine potentiell-übersubjektive Gültigkeit.


    Ich sage: "Potentiell". Und das ist ist wichtiger Aspekt des Ganzen. Denn dass der Faktor "Subjektivität" völlig irrelevant sein könnte, würde dem Wesen eines ästhetischen Urteils widersprechen. Ist ist und bleibt seinem Kern nach eines ds jeweiligen Subjekts. Das Wunderliche ist nur - und daran setzt ( unter anderen ) Kant ja an - dass es, in dem Augenblick, wo es artikuliert wird, übersubjektive Gültigeit beansprucht. Denn ansonsten würde es ja gae nicht artikuliert, - mit der Intention: Kommunizierbarkeit.


    Es würde ins Tagebuch notiert und in der Schublade verschwinden.


    (Einen solchen Einwand wie diesen (Zit. zweiterbass): "Jede/r kann selbstverständlich sein eigenes Empfinden haben - auch ein unbewiesenes Wissen kann Jede/r posten." braucht man wohl nicht zu kommentieren. Er gehört als Parole eher über das ganze Forum. Zu dem laufenden Diskurs liefert er- wie ich meine - keinen relevanten Beitrag)

  • Es tut mir leid, aber ich kann den Ausführungen von Helmut Hofmann nichts entnehmen, was über philosophische Axiomatik hinaus auch nur den geringsten Anhaltspunkt für die Beschreibung spezifischer musikalischer Schönheit bereitstellen würde oder intersubjektive Kriterien für die Beurteilung von "Schönheit" am konkreten musikalischen Subjekt.


    Anders ausgedrückt: Meine Fragen wurden nicht beantwortet.


    Da ich also offensichtlich mit diesem Diskurs überfordert bin, möchte ich mich auch hier nicht mehr beteiligen.


    Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Frage Wolfram: "Würde jemand, der nicht im mitteleuropäischen Dur-Moll-tonalen Tonsystem aufgewachsen ist, die Melodie des "Lindenbaum" auch schön finden?"


    Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht.


    Wirklich? Viele Asiaten sind geradezu versessen auf mitteleuropäische Musik, unsere Anhänger der Chinaoper können da zahlenmäßig nicht mithalten.

  • (Einen solchen Einwand wie diesen (Zit. zweiterbass): "Jede/r kann selbstverständlich sein eigenes Empfinden haben - auch ein unbewiesenes Wissen kann Jede/r posten." braucht man wohl nicht zu kommentieren. Er gehört als Parole eher über das ganze Forum. Zu dem laufenden Diskurs liefert er- wie ich meine - keinen relevanten Beitrag)

    Richtig zitieren und nicht aus dem Zusammenhang gerissen - und damit absichtlich unvollständig - müsste eigentlich im Forum erwartet werden können; so war zitiert, so ergibt es Sinn, der nur nicht wahr gehabt werden will.


    Zitat von »Helmut Hofmann« Dieses Melodie ist an sich ein Inbegriff von musikalischer Schönheit. Ich empfinde das so, und ich weiß in diesem Augenblick, dass diese Empfindung auch von meinem quatschenden Nachbarn nachvollziehbar wäre, - wenn er denn hinhörte


    Jede/r kann selbstverständlich sein eigenes Empfinden haben - auch ein unbewiesenes Wissen kann Jede/r posten.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Zitat WolfgangZ: "Meine Fragen wurden nicht beantwortet."


    Das tut mir leid. Ich habe mich tatsächlich sehr bemüht und an Beitrag Nr. 104 mehr als eine Stunde gearbeitet. Von einem Verhaftetsein in philosophischer Axiomatik kann ich darin nichts entdecken. Aber sei´s drum.

  • Zitat

    Zitat WolfgangZ: "Meine Fragen wurden nicht beantwortet."


    Das tut mir leid. Ich habe mich tatsächlich sehr bemüht und an Beitrag Nr. 104 mehr als eine Stunde gearbeitet. Von einem Verhaftetsein in philosophischer Axiomatik kann ich darin nichts entdecken. Aber sei´s drum.

    Um hier nicht als Querulant dazustehen, der Deine Bemühungen einfach nicht anerkennen will, um aber dennoch meiner Frustration Ausdruck zu verleihen, versuche ich es noch einmal im Detail:


    Zitat

    Dabei ist aber folgender - ganz wesentliche! - Aspekt unberücksichtigt: Ästhetische Urteile über das "Kunstsschöne" beziehen sich auf (Mach-)Werke, denen eine künstlerische Aussageabsicht immanent ist. (Beim "Naturschönen" ist dies anders!). Sie ist in der jeweiligen Faktur des Werkes fass- und beschreibbar. Hier Im falle von Schubert ist das die spezifische Struktur der melodischen Linie in Form von zunächst absteigenden Terzen, die in eine bogenförmig wieder steigende, danach fallende und auf der Tonika landende tonale Bewegung münden.

    Ich habe das Recht anzuerkennen, dass allein diese "spezifische Struktur" eine "künstlerische Aussageabsicht" sichtbar macht. Aber bin ich dazu gezwungen? Wie entscheide ich objektiv (Darum geht es doch? Subjektivismus lehnst Du doch ab?), unter welchen Bedingungen eine solche Faktur ein wertvolles Werk oder ein "Machwerk" (Du verwendest den Begriff!) entstehen lässt?


    Zitat

    Das heißt nicht, dass dieser Anspruch auf Allgemeingültigkeit des ästhetischen Urteils von jedem nachvollziehbar sein muss. Es bedeutet auch nicht, dass er zeitloos gültig ist. Natürlich unterliegt er dem Wandel. Der "Schneewitchensarg" der Firma Braun wurde einmal als Inbegriff stilistisch-technischer Schönheit angesehen.
    Was nun aber für meine These spricht, ist im Falle meines Beispiels: Schuberts Melodie wurde zum volksliedhaften Allgemeingut. Das konnte sie nur werden, wenn die ihr eigene musikalische Schönheit für alle nachvollziehbar sein konnte und kann.

    Hier kann ich nur erkennen, dass Du Deine These einschränkst, Helmut, so dass sie nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Das Schneewittchen-Beispiel beweist nur das Gegenteil Deiner These - Du sagst es ja selbst. Der vermeintliche Beleg der Volksliedhaftigkeit wurde weiter oben bereits angezweifelt.


    Zitat

    "Kontextfrei" - um zum Schluss auf den anderen Aspekt von WolfgangZs Einwänden zu kommen - ist ein ästhetisches Urteil niemals. Das kann es allein deshalb schon nicht sein, weil es ein situatives, von einem Subjekt im zeitlichen und räumlichen Augenblick gefälltes ist, in das eine Fülle von singulären Faktoren eingegangen sind.
    Gleichwohl ist es in seinem substantiellen Kern von diesen Faktoren ablösbar. Und es wird auch in dem Augenblick davon abgelöst, wenn es gefällt wird mit dem Anspruch, von anderen nachvollziehbar zu sein.

    Eben das sind ja meine Worte. Es geht doch hier nicht um ein beliebiges ästhetisches Urteil, es geht darum, dass - wie Du hier und in anderen Zusammenhängen unermüdlich konstatierst oder (ein)forderst - ein intersubjektives Urteil bezüglich der Schönheit (oder eben Klassizität) einer musikalischen Schöpfung möglich sein muss. Hier stellst Du zunächst aber klar, dass genau das nur in einem Kontext erfolgen kann, der eben zwangsläufig diese Intersubjektivität aufhebt.


    Dein letzter Satz in obigem Zitat ist dann eine bloße Forderung oder eben ein philosophisches Axiom.


    Das sich in Deinem Beitrag 104 anschließende Beispiel wiederum wurde weiter oben von anderen ebenfalls widerlegt.


    Ich bleibe dabei: Intersubjektive Urteile über Musik sind möglich und begründbar, aber ohne den Anspruch der Allgemeingültigkeit.


    Es wäre bedauerlich, wären sie überhaupt nicht möglich.


    Eine konkrete Anwendung des ästhetischen Konzepts der musikalischen Schönheit kann aber nicht den Status des Objektiven erreichen.


    Es wäre wiederum bedauerlich, wäre es anders ...


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • La Roche stellt, an zweiterbass adressiert, fest: „Zwischen Bayern Sachsen und Hessen, da liegt das wunderschöne Thüringen.“


    Lieber Helmut,


    mit großem und wachsenden Erstaunen habe ich Deine Zeilen gelesen, ja studiert. Es ist und bleibt für mich erstaunlich, zu welchen Schlußfolgerungen ein Philosoph gelangen kann, ob es nun die Musik oder einfach das "wunderschöne" Thüringen betrifft. Und das Jahrhunderte nach Kant, Hegel und Feuerbach! Das ist nicht kritisch gemeint, sondern bewundernd!!


    Staunen muß ich über Deine Art der Analyse und die scharfsinnigen Schlußfolgerungen, wie sie nur ein Philosoph ziehen kann. Mir als Naturwissenschaftler stehen andere Formen der Beweisführung als das bloße Wort zur Verfügung, durch Experimente oder Formeln nachvollziehbar und zur Verallgemeinerung bereit. Die Natur gehorcht anderen Gestzen als die Philosophie - also sind auch die Gedankengänge und Beweisführungen anders. Irgendwer hat ja mal gesagt "Die Philosophen haben die Welt verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern." Dennoch respektiere ich Deine Meinung und finde Deinen Beitrag großartig! Deine geschliffene Ausdrucksform und Dein Stil sind hier im Forum fast einzigartig, und es macht großes Vergnügen, Deine Beiträge zu lesen. Ich muß selbstkritisch gestehen, daß mir diese Qualität der Formulierung nicht gegeben ist!! Und ich habe auch einige Tage gewartet und überlegt, ob ich antworte. Infolge meiner fehlenden philosophischen Ausbildung kann ich Deinen Beitrag nur als gegeben hinnehmen, ohne auch nur einen Satz widerlegen zu können oder zu wollen.


    Trotzdem ist und bleibt ein "scheenes" Mädel ein "scheenes" Mädel, und eine schöne Musik eine schöne Musik. Die eine Kategorie zum Gucken, die andere zum Hören.


    Es ist gut, daß die Philosophie nicht ausgestorben ist, wenn sie auch nicht mehr die Bedeutung früherer Glanzzeiten hat.


    Herzlichen Dank von La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Philosophie hin oder her. Ein schönes Mädel ist und bleibt "Schön", auch wenn es die Bayern "lecker " nennen.


    Wenn (meistens von Männern) von einem "lecker Mäd(s)che(n)" gesprochen wird (in Franken und Bayern ist das kein Dialektausdruck, was zu beweisen ein Leichtes wäre), so steckt darin ein sexistischer Ausspruch (Philosophie hin oder her und ob nun bewußt oder unbewußt). Denn anders als "schön" - was kann nicht Alles als "schön" bezeichnet werden - ist lecker ein spezifisches Adjektiv in Verbindug mit Speisen, verspeisen und ein damit verbundenes positives Geschmackserlebnis.


    Zu der postulierten Allgemeinverbindlichkeit, dass Thüringen eine schöne Landschaft ist /sei - keine Stellungnahme von mir.

    Sächsisch ist ein schöner Dialekt ( nur mal so als allgemeinverbindlich in den Raum gestellt).

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Und ich befürchtete schon, lieber La Roche, Du würdest mir meine Interpretation des Begriffs "scheenes Mädel" übelnehmen. Natürlich kann ein Mädchen auch schön sein in dem Sinne, dass man diese Schönheit "interesselos" betrachtet und bewundert. Das hatte ich vergessen anzufügen.


    Erleichtert bin ich, dass ich Dir mit meinem Beitrag "La Roche an zweiterbass" eine Freude gemacht habe. Denn ansonsten verursache ich wohl vorwiegend Frustration, ja sogar Ärger.


    Meine Beiträge stehen ja für mich unter der Prämisse: "Ich bitte zu bedenken...". So kommen aber zumeist an unter der Prämisse: "So ist es, - und nicht anders". Da mache ich wohl was falsch.


    Übrigens: Der Satz, den Du da zitiert hast, stammt von Karl Marx. Er meinte damit die "bisherige" Philosophie, - also die vor ihm. Dass zur "Veränderung der Welt" auch Philosophie gehört, davon musste er allein schon deshalb ausgehen, weil er selbst ein Philosoph war.

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  • Es scheint mir ein Gebot der Vernunft und der Rücksichtnahme zu sein, lieber WolfgangZ, dass ich nicht noch einmal ausführlich zu Deinenm letzten Beitrag Stellung nehme. Denn wenn Du gestehst, dass Du damit "Deiner Frustration Ausdruck verleihen" wolltest, dann wäre es ein Unding, wenn ich jetzt meine musikästhetischen Gedankengänge noch einmal in extenso rekapitulierte und damit Deinen "Frust" noch steigerte.


    Zur Klarstellung - und die ist nun einmal geboten - nur noch so viel:


    Wenn Du feststellst: "Eine konkrete Anwendung des ästhetischen Konzepts der musikalischen Schönheit kann aber nicht den Status des Objektiven erreichen." ....


    ...so stimme ich Dir darin völlig zu. Ein ästhetisches Urteil kann keinen Anspruch auf Objektivität erheben. Es ist seinem Wesen nach ein subjektives. Der Punkt, an dem ich ansetze - darin Kant folgend - ist die Tatsache, dass - rein aussagelogisch betrachtet - ästhetische Urteil auf allgemeine Gültigkeit hin angelegt sind. Gemeint ist damit nicht "Objektivität" sondern "Übersubjektivität". Das ist ein wesentlicher Unterschied.


    Wenn ich sage "Thüringen ist ein schönes Land" (was hier schon gesagt wurde und ganz sicher zustimmungfähig ist) oder "Dies Bildnis ist bezaubernd schön", - dann ist durch das Hilfsverb "ist" eine Relation zwischen Subjekt und Adjektiv hergestellt. Dem "Subjekt" (Thüringen, Bildnis) wird eine Qualität zugesprochen, die es "an sich" aufweist, nämlich "schön" zu sein.


    Derjenige, der eine solche Aussage macht, unterstellt also, dass seine subjektive Erfahrung des "schön Seins" einer Sache nicht absolut subjektiv ist, sondern von anderen nachvollzogen werden kann, eben weil es eine Eigenschaft der Sache selbst ist.


    In Kants - etwas altertümlicher, aber sehr klarer - Sprache hört sich das so an: "Die Notwendigkeit der allgemeinen Beistimmung, die in einem Geschmacksurteil gedacht wird, ist eine subjektive Notwendigkeit, die unter der Voraussetzung eines Gemeinsinns als objektiv vorgestellt wird."


    Eine persönliche Bemerkung erlaube ich mir noch. Die Protagonisten der absoluten Subjektivität ästhetischer Urteile hier im Forum müssten sich eigentlich mal fragen, warum die Komponisten klassischer Musik ganz bestimmte - und ihnen bekannte! - musikalische Mittel in Melodik, Harmonik und Rhythmik einsetzen - zum Beipiel die "Seufzerfigur" oder das "Kreuzsymbol" - , um eine ganz bestimmte "Wirkung" bei den Rezipienten m Konzertsaal zu erzielen, - und zwar im Sinne ihrer kompositorischen Aussage. Das hätte doch alles keinen Sinn, wäre das ästhetische Empfinden - und das daraus ableitbare Urteil - ein absolut subjektives. Die Musik käme bei jedem Rezipienten völlig anders an, und all die subtilen Überlegungen, die der Komponist beim Akt der Produktion einer Partitur anstellt - eben die "Wirkung" der Musik betreffend - wären für die Katz.

  • Dies wird jetzt auch mein letzter Beitrag in diesem Thread, Meister Hofmann, aber auch der ist geboten.


    Ich habe nie ein absolutes Postulat des Subjektiven bei Urteilen über Musik beansprucht und würde nicht im geringsten anzweifeln, dass die Klassiker mit mehr oder minder normierter Symbolik gearbeitet haben und dass an ihre Stelle in der Moderne in zunehmendem Maße dunkle Chiffren treten.


    Wie kommst Du eigentlich auf diese Idee?


    Wogegen ich mich wehre, dürfte klar geworden sein. Ich habe es doch im Beitrag 112 deutlich genug formuliert, oder nicht?


    Darf ich mich kurz selbst zitieren:

    Zitat

    Intersubjektive Urteile über Musik sind möglich und begründbar, aber ohne den Anspruch der Allgemeingültigkeit.


    Oder aber ich verstehe einfach nicht, worauf Du hinauswillst. Das wiederum wäre weniger frustrierend, würde es nicht fortwährend mit dem Impetus des Unangreifbaren vorgetragen, würden nicht fortwährend Einwendungen übergangen oder als irrelevant erklärt, dennoch aber eine Kultur des zielgerichteten Diskurses bei den Mitdiskutaten angemahnt.


    Aber wir drehen uns im Kreise.


    Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • So, jetzt bringe ich mal etwas Lockerheit in diesen ach so ernsten, trockenen und seriösen Thread:

    Natürlich kann ein Mädchen auch schön sein in dem Sinne, dass man diese Schönheit "interesselos" betrachtet und bewundert.

    Wenn ein Mädchen schön war, habe ich das niemals "interesselos" betrachtet und bewundert. Da gab es immer Interesse und gewisse Begehrlichkeiten. Zumindest war es so in jüngeren Jahren. Ich habe auch stets das Feedback genossen, wenn man das gegenseitige Interesse gespürt hat...
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich lese mit Staunen, Verwunderung und Kopfschütteln diese Feststellung von WolfgangZ: "Ich habe nie ein absolutes Postulat des Subjektiven bei Urteilen über Musik beansprucht "


    Ich begreife den aggressiven Ton dieser Reaktion von WolfgangZ auf meinen letzten Beitrag - garniert mit der (eigentlich ungehörigen) Anrede "Meister Hofmenn" - absolut nicht. Ich habe doch gar nicht behauptet, dass WolfgangZ ein Vertreter dieses "Postulats des Subjektiven" sei. Wo denn? Das kann man doch alles meinen diesbezüglichen Beiträgen klar entnehmen. Die "persönliche Bemerkung" am Ende meines letzten Beitrages war - sprachlich klar formuliert - nicht auf WolfgangZ gemünzt, sondern ganz allgemein adressiert. Man darf hier ja aus Gründen der Höflichkeit keine Namen nennen und muss davon ausgehen, dass die Insider wissen, wer gemeint ist. Ist denn so etwas nicht lesbar und damit erkennbar?


    Mein letzter Beitrag war - schon in den einleitenden Bemerkungen - auf Einverständlichkeit und diskursive Versöhnlichkeit angelegt. Auf gar keinen Fall aber auf eine Auseinandersetzung. Ich wollte meine argumentative Position nur noch einmal verständlich machen, - ohne sie in irgendeiner Weise mit dem "Impetus des Unangreifbaren" zu versehen.


    Drücke ich mich denn wirklich so unverständlich aus?


    Ich bin nun wirklich ratlos. Den Thread "Schöne Stellen" habe ich schon wegen der Reaktion von WolfgangZ auf meine Beiträge verlassen. Nun droht mir hier das gleiche. Was ist da los?
    Liegt das wirklich nur an mir?

  • Hallo, Helmut!


    "Meister Hofmann" ist nicht böse gemeint - diese Ausdrucksweise mag ich gern und sie hat ausschließlich den Touch des Ironischen.


    Wenn Du mich nicht meinst als den Apologeten des Radikal-Subjektiven zugeordnet, um so besser. Worauf aber läuft dann Deine Argumentation hinaus?


    Darüber hinaus drückst Du Dich möglicherweise wirklich etwas unklar aus. Dies scheint nicht mein persönliches Problem zu sein, sondern auch das anderer - im Moment vielleicht stärker meines. Ich bin anders gebaut als Wolfram, vermutlich verletzlicher, aber dafür ein wenig hartnäckiger, Wolfram teilt gerne sarkastisch schoff aus, und dann ist es auch wieder vergessen. Ich insistiere gerne, aber es muss auch einmal Schluss sein. Das ist aber alles natürlich nur meine diesmal wirklich subjektive :D Beobachtung.


    Die Sachaspekte hingegen kann man aber doch in diesem (und anderen) Thread(s) nachlesen, das muss ich doch nicht noch einmal durchkauen.


    Im Übrigen: Wer bin ich denn, dass Du meinetwegen diesen Thread verlassen müsstest? ?( Meinerseits verstehe ich halt einfach Dein Sachkonzept in diesem Thread nicht, dazu habe ich mich zur Genüge geäußert; ich bilde mir ein, konkret und verständlich. Da es gedanklich für mich nicht weitergeht, ziehe ich mich zurück. Das ist ausschließlich eine Frage der Freizeitgestaltung und des Einsatzes von Energie. Wenn Du mich, ganz oder teilweise, überzeugt hättest, würde ich das hier eingestehen. So aber frustriert es mich halt.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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