Die lange erwartete Wiederaufnahme der Cenerentola in München mit der amerikanischen Star-Mezzosopranistin Joyce diDonato und dem fantastischen Tenor Lawrence Brownlee war wirklich ein seltenes, ganz besonderes Erlebnis! DiDonato ist wirklich eine Ausnahme-Sängerin! Mit ihrem hellen wunderschönen Mezzo verstand sie es, das Publikum im Handumdrehen um den kleinen Finger zu wickeln! Da stimmte jede Note und jede Geste! Aber nicht nur das: DiDonato sang mit Leidenschaft und Herz. Die Koloraturen funkelten wie die Diamanten an Cenerentolas Ballkleid. Lawrence Brownlee hat als Prinz Ramiro einmal mehr bewiesen, dass er neben J. D. Florez der Rossinitenor unserer Tage ist, sein heller, geschmeidiger Tenor war unglaublich wendig und schwang sich zur Begeisterung des Publikums in höchste koloratursichere Höhen auf; zusätzlich spielte er mit einem Temperament, das Seinesgleichen sucht! Das Duett Cenerentola-Ramiro war einfach nur traumhaft gesungen und als bei den gemeinsamen Koloraturen die herrlichen Stimmen der beiden verschmolzen, bescherte das mir einmal mehr einen der raren Opernmomente, nach denen ich immer suche! Nikolai Borchev legte in der Prinzenverkleidung als Dandini einen bombastischen Auftritt hin und sang und spielte im weiteren Verlauf mit seinem Prachtbariton voller Energie und Witz. In nichts stand ihm der Don Magnifico von Alessandro Corbelli nach, sein herrlicher koloratursicherer Bass passt perfekt zu dieser Partie - er Riss das Publikum mit seiner Verkörperung des boshaften Stiefvater durch seine Spielfreude und Identifikation mit der Rolle zu Begeisterungsstürmen und Lachkrämpfen hin! Ovationen erhielt auch der junge Italiener Alex Esposito als Alidoro! Auch er sang seine Arie so großartig wie ich sie noch nie gehört habe, sein Temperament als verkleideter Bettler und Strippenzieher war einfach nur umwerfend. Das Gleiche gilt auch für Cenerentolas böse Stiefschwestern die mit Eri Nakamura als Clorinda und Poala Gardina als Tisbe hervorragend besetzt waren und die zwei tollpatschige, bösartig-verzogene Gören mit ihren Ohnmachtsanfällen und hysterischen Heulkrämpfen darstellten, was häufig die Lachmuskeln betätigen ließ. Aber auch stimmlich waren beide perfekt, wobei gerade der herrliche, glockenhelle Sopran von Frau Nakumura erwähnt werden muss! Auch das Orchester unter Antonello Allemandi spielte hinreißend voller Witz und Brio, wobei auch die ruhigeren Momente der Partitur wunderbar ausgekostet wurden! Auch der Chor bewies einmal mehr höchstes Niveau!
Es gab jedoch an diesem Abend noch einen weiteren Star, und das war die weltberühmte Inszenierung des viel zu früh verstorbenen Jean-Pierre Ponnelle aus dem Jahr 1980. Sie war zuletzt vor gut fünf Jahren gezeigt worden, mein letzter Besuch dieser Inszenierung liegt jedoch noch deutlich länger zurück. Es ist wirklich bedauerlich, dass die Intendanz dem Publikum dieses Juwel des Repertoires so lange vorenthalten hat. Die Inszenierung, die in der Zwischenzeit schon nach Japan und Paris ausgeliehen war, wurde sehr gut einstudiert. Sie lebt von ihrem feinen Humor und Witz, die ausschließlich aus Musik und Libretto abgeleitet werden und verzichtet vollständig auf platte Gags , wie man wie sie in einer Italiana in Algeri im vergangenen Jahr am Gärtnerplatztheater gesehen hat. Sie ist zwar trotzdem ein Riesenklamauk , dies jedoch ausschliesslich im positiven Sinne! Die Stimmung entsteht vorallem durch die Spielfreude der Solisten und durch viel Situationskomik. Dabei ist die Personenführung einmal mehr ein Meisterwerk, wie es so häufig bei Ponnelle der Fall war. Die Personen werden liebevoll und genau gezeichnet und die Sänger haben den Freiraum, den sie für eine gute Komödie brauchen! Wenn zum Beispiel im Finale des ersten Akts die beiden Stiefschwestern glauben, der Diener Dandini sei der Prinz und dieser den beiden erklärt, er könne nur eine der Schwestern heiraten und würde die andere der beiden gerne seinem Diener, der niemand anders als der verkleidete Prinz ist, zur Frau geben, und die Schwestern offen ihren Ekel vor der Heirat mit einem vermeintlichen Dienstboten ( "Plebejer und Dutzendgesicht ")zeigen, deutet jeweils die eine der Schwestern mit dem Zeigefinger auf die andere, während sie fragt, was denn mit der Nichtauserwählten passieren würde ( E l'altra???). Allein in diesem kurzen Moment zeigt die Inszenierung bereits mit geringen und intelligenten Mitteln, welchen niederträchtigen Charakter die beiden Stief- Schwestern haben, die in Wirklichkeit nur ihre Gemeinheit gegenüber Cenerentola miteinander vereint! Auch die Bühnenbilder sind wunderschön und märchenhaft verspielt. Das Ganze beginnt in einer stark heruntergekommenen Villa, die an ein Puppenhaus erinnert, bei der sich Vorhänge und Fenster öffnen und die Räume der jeweiligen Protagonisten zeigen. In der Mitte sitzt Aschenputtel am Herd und kocht. Vor dem Gebäude treten die Diener des Prinzen in roten Uniformen auf, welche angesichts des Tempos mit dem die Schwestern nach Aschenputtel rufen, immer wieder ihren Kopf blitzschnell in die Richtung der rufenden Schwester wenden, bis ihnen ganz schwindelig wird. Was für eine geniale Choreographie des Chores im Rhythmus der Musik! Das Schloss des Prinzen besteht aus schwarz-weißen, wunderschönen bemalten Vorhängen, welche hintereinander gestaffelt aufgehängt sind und so barocke Kulissen zitieren. Sie formen sowohl Weinkeller als auch Festsaal. Alles in der Ausstattung ist liebevoll und voller verspielter Schnörkel !Zum Aktende gibt es dann auch ein festliches Buffet mit Hummern, Früchten und diversen Torten über das sich alle gierig hermachen während sich Cenerentola und ihr Prinz näher kommen. Im zweiten Akt sitzt Don Magnifico auf dem abgegrasten Büffet und träumt davon Vater der Prinzengattin zu sein. Kurz darauf gibt es dann das Gewitter. Hier regnet es auf der Bühne und zahlreiche Leute suchen Unterschlupf unter einem einzigen Regenschirm, darunter ist auch ein lustiger schwarzer Pudel, bevor es dann zum großen Wiedererkennen zwischen Aschenputtel und dem Prinz kommt! Nun nehmen sich alle sechs Sänger an den Händen und formen genau jenen Knoten, der im Sextett besungen wird. Bevor sich am Ende alle zu einem finalen Hochzeitsfoto mit einem alten Fotoapparat versammeln, dürfen die beiden Schwestern noch kreischend in Ohnmacht fallen. Auch die Kostüme sind durchweg märchenhaft und eine Augenweide vor allem natürlich Aschenputtels Ballkleid! Die Schwestern sind in zwei aufwändige, aber völlig lächerliche Rokokokostüme gekleidet und wirken wie zwei aufgeplusterte Hennen, die sich ganz toll vorkommen, die aber in Wirklichkeit nichts als peinlich sind, wobei Tisbe noch eine hässliche Nase angeklebt hat! Häufig erhielt die Inszenierung und das Bühnenbild Szenenapplaus! Wann hat man das zuletzt erlebt? Dem Regietheaterintendant Bachler sei dringend empfohlen, von diesem Erfolg zu lernen. Es ist nicht schwer festzustellen, was das begeisterte Publikum sehen will! In der Pause sah man nur strahlende, glückliche Gesichter! Für die Sänger, bei denen Herr Bachler anders als bei den Regisseuren, ein äußerst glückliches Händchen hat, gab es Ovationen. Schöner kann man Rossini nicht singen und spielen! Möge uns diese Inszenierung noch lange erhalten bleiben und solche Abende ermöglichen!