Regietheater - Was bezweckt es eigentlich ??

  • Warum ist in Dresden oder sonstwo noch keiner auf die Idee gekommen, Traviata und Rigoletto zusammenzufassen? Alle nackt, ohne Badehose, und alle haben den Flachmann in der Hand. Und das Publikum gibt seine komplette Garderobe ab und holt sich an der Theke was zu Essen? Titel "Traviletto". Sicher würde irgendein Pressefritze von einer völlig neuen Deutung reden und das beispielgebend nennen. Jugendfrei ab 6 Jahre. Altersbeschränkung nur bis 18. Regietheater könnte noch viel mehr schaffen, wenn die nur wollten!!! Und kostengünstiger wäre es auch, ohne Kostüme!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Wolfram: . Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass du mich ganz genau und sehr, sehr gut verstanden hast. Nur bist du nicht meiner Meinung. Völllig ok. Sag es doch einfach. Dieses "Da stellen wa uns janz dumm.." ist deiner jedenfalls nicht würdig und auch nur bei Lehrer Bömmel und seiner Dampfmaschin' ganz niedlich. Und ich sage es gleich vorweg: Auf seitenlange Wortklaubereien, die du so liebst und die ganze Threads zum Einstürzen bringen, da sie meilenweit vom Thema wegführen, werde ich mich nicht einlassen.


    Liebe Sognatrice,


    viel habe ich Deinen Worten jedenfalls nicht entnommen. Weder "Werktreue" noch "Regietheater" wurden hinreichend definiert und abgegrenzt. Auf mich wirkte Dein Beitrag #70 auch nicht anders als viele andere bauchgesteuerte Formulierungen (um das böse Wort vom "Stammtischniveau" zu vermeiden) in diesem und in anderen Threads, der sich lediglich ein (mangels Kongruenz von Form und Inhalt) unpassendes Kleid gegeben hat.


    Und dass eine ganze Claque dies bereits in den Himmel hebt, sagt recht viel über diese aus.


    Aber ich hegte die Hoffnung, vielleicht noch etwas mehr begriffliche Schärfe in die Diskussion bekommen zu können. Damit sieht es jetzt allerdings schlecht aus.


    Hätte ich ein Opernlibretto geschrieben und sähe es auf diesem Niveau verteidigt, ich würde mich schämen.


    :hello:

  • Wahrscheinlich hast Du meine Rezension der Traviata in der Semperoper gelesen. Ich schätze Dich als einen intelligenten und gebildeten Menschen. Ich will mir nicht vorstellen, daß Du mir im persönlichen Gespräch, wenn Du auch diese Inszenierung gesehen hättest, nachher sagst: " Ach weißt Du Christian, daß da nur ein Garagentor war und ein Sessel auf der Bühne von Anfang bis Ende stand und daß die Akteure in Straßenklamotten rumliefen und einige nackt nur mit Badehosen (!!!) bekleidet waren..., so schlecht fand ich das nicht. So kann man die Traviata doch auch auf die Bühne bringen.


    Lieber Chrissy,


    ich habe die Inszenierung nicht gesehen und möchte daher nichts dazu sagen.


    Ich meine, es gäbe gutes und schlechtes konventionelles Theater ebenso wie gutes und schlechtes Regietheater. Nur wird in diesem und anderen Threads die Grenze nicht zwischen "gut" und "schlecht" (und den notwendigen Abstufungen und Diffenzierungen), sondern zumeist zwischen "konventionell" und "Regietheater" gezogen. Das ist ziemlich platt und des Sujets nicht würdig.


    Ich bin weit davon entfernt, die Provokation um der Provokation willen zu rechtfertigen. Große Regisseure wie Konwitschny wussten das: "Natürlich könnt ihr einen auf die Bühne stellen, der onaniert. Und dann? Das nächste Mal könnt ihr ihn höchstens noch länger onanieren lassen."


    :hello:

  • Ich bin weit davon entfernt, die Provokation um der Provokation willen zu rechtfertigen.

    Lieber Wolfram,


    spricht Du nun in der Rolle des advocatus diaboli oder hat man Dich heute noch nicht zur Ader gelassen?


    Außerdem möchte ich schüchtern darauf hinweisen, dass in diesem Thread nicht nur in 2 sondern in 3 unbunten Farben gemalt wurde.


    Wer´s nicht glaubt, sollte alle Beiträge lesen. :D

  • Zitat

    viel habe ich Deinen Worten jedenfalls nicht entnommen. Weder "Werktreue" noch "Regietheater" wurden hinreichend definiert und abgegrenzt. Auf mich wirkte Dein Beitrag #70 auch nicht anders als viele andere bauchgesteuerte Formulierungen (um das böse Wort vom "Stammtischniveau" zu vermeiden) in diesem und in anderen Threads, der sich lediglich ein (mangels Kongruenz von Form und Inhalt) unpassendes Kleid gegeben hat.

    Das war mir völlig klar. Es gibt also noch etwas Bleibendes auf dieser Welt. Das ist auch was Positives.



    Zitat

    Und dass eine ganze Claque dies bereits in den Himmel hebt, sagt recht viel über diese aus.

    Noch viel mehr sagt das über den aus, der das Wort "Claque" in diesem Fall benutzt. :whistling:



    Zitat

    Hätte ich ein Opernlibretto geschrieben und sähe es auf diesem Niveau verteidigt, ich würde mich schämen.

    Wenn überhaupt, dann sollte man sich für wirres Herumlavieren, so wie du es praktizierst, schämen.


    Aber ok, wenn ich mich angeblich so unklar ausgedrückt habe, dann frage ich doch mal ganz explizit nach dem Zweck


    - eines aus dem Flachmann trinkenden Rigoletto (Rigoletto, Semperoper, 2012)
    - der Walküren, die als Jagdfliegerinnen beim Walkürenritt auftreten (Die Walküre, Lübeck, 2010)
    - eines Riccardo, der seine Arie auf der Toilette sitzend singt (Un ballo in maschera, Barcellona, 2001)
    - eines nackten, mit Schlamm beschmierten Max (Komische Oper, Berlin 2011)
    - einer Entführung aus dem Serail, die in einem Bordell spielt (Komische Oper Berlin, 2009?)
    - eines Lohengrin, der im Klassenzimmer spielt (Hamburg, 1999)



    usw .......

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Zitat

    Weder "Werktreue" noch "Regietheater" wurden hinreichend definiert und abgegrenzt.


    Ja aber das ist doch nur ein Ablenkungsmanöver. Jeder - und zwar auf beiden Seiten - weiß genau was damit gemeint ist.


    "Werktreue" ist ein ebenso schwammiger Begriff wie "Liebe" "Ehre" oder "Gott" und dennoch dürften - bei aller unterschiedlichen Bewertung die Vorstellungen davon nicht allzuweit auseinander gehen, soweit es den Kern betrifft.


    "Werktreue" - einerseits ein Begiff, dehnbar wie ein Gummiband - andrerseits im Kern doch eindeutig.


    Einheit von Zeit und Ort - nach den Angaben im Libretto - wobei hier je nach Autor mehr oder weniger Spielraum gelassen wurde. Ferner keine "Umdeutung" und Herstellung von Bezügen zur Gegenwart oder vermitteln "politischer Inhalte"
    Eine zweihundert Jahre alte Oper ist in meinen Augen ein Museumsstück (und ICH meine das NICHT abwertend !!) welches bei richtiger Beleuchtung einen faszinerenden Glanz entwickeln kann. Beim Freischütz ist nun mal das Ambiente um 1648 (nach dem dreißigjährigen Krieg) ein Eyecatcher, der durch nichts ersetzbar wäre. Eine Umdeutung ins zwanzigste Jahrhundert ist unglaubwürdig. Wer glaubt heute schon noch an den Teufel? Und eine Erbförsterin und einen Probeschuss gibt es auch nicht. Wenn man - was in eine Londoner Inszenierung der Zauberflöte geschah, Monostatos durch einen Weissen darstellen lässt (aus Gründen der alles verdummende political Correctness) und deshalb sogar den gesungenen Text unändern muß - dann wurde eindeutig der Boden der "Werktreue" verlassen und wir befinden uns im Regietheater, wobei die hier erwähnte Inszenierung noch relativ nahe am Libretto vorbeilavierte.


    Aber das ist ja nun wirklich nicht der Inhalt dieses Threads. Die Frage war - WARUM geradezu mit Fanatismus das Regiethater (ob der Titel nun passt oder nicht ist in der Sache unerheblich) durchgeboxt wurde und derzeit noch immer wird.
    Meine persönliche Antwort habe ich bereits gegeben.
    Es geht um die Zerstörung des bürgerlichen Musiktheaters und in letzter Konsequenz um den Versuch, der sogenannten "Gesellschaft" einen liberalen (und ich bin hier vorsichtig) Stempel aufzuzwingen.


    Welche Rolle das Tamino Klassikforum im Kampf gegen das Regietheater spielt, was seine Stärken, was seine Schwächen sind und wie seine Breitenwirkung ist:
    Das wird demnächst Thema eines weiteren Threads sein...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Keine falschen Hoffnunge, liebe sognatrice! Es wird die übliche Antwort, wie einst bei Amfortas kommen: Ich habe die Inszenierung nicht gesehen und kann demzufolge nichts dazu sagen....
    Eher kratzt eine Krähe der andern ein Auge aus, als dass ein Vertreter des Regietheaters .....

  • Interessant, diesen Thread zu verfolgen. Hier gehen die Emotionen wahrlich hoch.


    Was ich am Verunstaltungstheater (um mal den hier so umstrittenen Begriff "Regietheater" zu vermeiden) besonders unverschämt finde, ist, dass es alle, die damit nichts anfangen können, versucht ins rechte Eck zu stellen. Aber sprechen die Fakten nicht dagegen? Ich entsinne mich an einige schöne Videos aus der DDR und der UdSSR (Bolschoij), über jeden Zweifel erhaben keine rechte Staaten, wo man prächtigste librettogetreue Inszenierungen dargeboten bekam (u. a. "Die Meistersinger" mit Theo Adam). Ich selbst würde mich bestimmt auch nicht als rechts bezeichnen, und trotzdem lehne ich den Humbug ab. Mein sämtlicher Freundeskreis sieht es ähnlich. Der Verunstaltungskrampf ist auch nicht "links". Das ist einfach Schwachsinn, der nichts mit politischen Richtungen zu tun hat.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Alfred,


    zu deinem Post oben, in dem du den von Regietheateranhängern häufig geäusserten Vergleich zwischen Oper und Museum aufgreist: Ich glaube immer, wenn ich das höre, dass dieser Vergleich nicht wirklich passend ist.....
    Eine Oper ist für mich kein Museum, sondern in erster Linie immer noch ein musikalisches Werk (und daher weit weit von ausgestellten Exponaten eines Museums entfernt), das auch ohne Inszenierung, also in konzertanten Aufführungen, immer noch hervorragend funktioniert! Und die Inszenierung hat lediglich die Aufgabe, der Musik zu dienen - nicht mehr und nicht weniger. Deshalb denke ich, das sich Aussagen, wie man sie z.B. im Vorwort des neuen Züricher Opernspielplan durch den Homoki "Oper ist kein Museum" lesen kann, selbst ad absurdum führen, da sie scheinbar versuchen, eine Oper in erster Linie über die Inszenierung zu definieren, was ich leider für ziemlich falsch halte....


    Dem Wort "Inszenierung" kommt heute einfach viel zu viel Bedeutung zu!

  • Wahrscheinlich bin ich mit den Folgenden viel zu spät und jemand anderes mag mir zuvorgekommen sein, aber der Tag hat mir bis jetzt noch keine Zeit gelassen. Deshalb und bevor ich im Thread weiterlese, einige Einwürfe:


    Dieser Begriff der "Werktreue" ist mindestens ebenso oft missverstanden worden und ebenso problematisch wie der des "Regietheaters". Wenn hier also nach dem Zweck des sogenannten Regietheaters gefragt wird, sollte vielleicht erst einmal präzisiert werden, was genau durch selbiges bekämpft wird, egal ob aus ideologischen oder sonstigen Gründen.

    Vor allem scheint mir unser teilweise geradezu dogmatischer Umgang mit den genannten Begriffe problematisch, führt er doch oft zu unbeabsichtigten, aber auch beabsichtigten (d.h. provozierenden) Missverständnissen. Insofern müßte ich diesen wiederholten Versuch, die Begriffe auf eine definitorische Basis zu heben nur begrüßen. - Aber wie willst Du zu einer einigermaßen neutralen bzw. wertfreien Definition kommen, wenn es gleich wieder so tendenziös beginnt?
    Du unterstellst a priori, dass durch das Regietheater etwas "bekämpft" würde und die Gründe hierfür seien ideologischer Natur (zwar verweist Du geschickt auch auf sonstige Gründe, nennst diese aber nicht; damit bleibt - ob beabsichtigt oder nicht - das Ideologische haften). Angenommen, der einzige Sinn und Zweck des Regietheaters ist es tatsächlich, etwas zu "bekämpfen", so gilt es doch, genau dieses ausgehend von der Definition des Begriffes herauszuarbeiten. Wenn man aber das gewünschte(?) Ergebnis schon in die Definition hineinsteckt, finde ich dies ziemlich schlicht fragwürdig.



    Werktreue in der Oper definiere ich mit den folgenden Gesichtspunkten:
    - Das Libretto hat dieselbe Bedeutung wie die Musik und wird daher nicht als austauschbare Variable betrachtet, die man nach Belieben verändern, missachten, lächerlich machen kann. Es ist vielmehr die Basis, auf der die Regie stattfindet.

    Richtig ist, dass das Libretto neben der Musik die Basis einer guten Regiearbeit sein sollte. Dies gilt umso mehr für das Sprechtheater, wo der zugrunde liegende Text eben keinen "Steinbruch" darstellt, an welchem man sich nach Belieben bedienen kann. Jedoch kann ich jedenfalls in der Oper die so oft angeführte "Vergewaltigung" des Textes auf textueller Ebene praktisch nicht feststellen. Allerdings nehme ich an, dass Du garnicht auf die inhaltliche Textebene abhebst, sondern (der nächste Spiegelstrich läßt dies vermuten) vielmehr auf das "drum herum", also auf die Beschreibungen der Szene, auf Handlungsanweisungen etc. Aber dann solltest Du das auch so schreiben, denn es ging ja darum, Missverständnisse auszuräumen.


    Vielleicht haben wir hier ganz nebenbei den Kern des Problems gestreift: Mir ist der Text, die Handlung, die innere Psychologie des Stückes wichtiger, als Zeit und Ort der Handlung. Insofern bin ich für die "Angriffe" des Regietheaters auf das äußere viel weniger "anfällig. - Wohlgemerkt will ich den Regietheatergegner kein Oberflächlichkeit unterstellen, aber ganz offensichtlich gibt es doch einige Unterschiede in den Rezeptionsschwerpunkten, die ein Zusammenkommen extrem erschweren.



    - Das Ganze wird durch eine intelligente Personenregie unterstützt, die die Figuren der Oper in einer angemessenen Charakterisierung zum Leben erweckt, dabei aber weder einseitig vulgär wird noch von blindem Aktionismus geprägt ist. Weniger ist mehr!

    Leider ebenfalls für eine Definition nicht zu gebrauchen, denn alle vergangenen Diskussionen haben gezeigt, dass praktisch keine Einigkeit darüber herrscht, was intelligent, vulgär, angemessen usw. ist.



    - Ganz wichtig: Man bemüht sich darum, die Oper aus ihrer Entstehungszeit heraus zu begreifen und dies dem Publikum verständlich zu machen. [...]

    Ich stelle fest, die angeführten Punkte sind "Ganz wichtig" für Dich. Hätte ich diesen Satz geschrieben, würde er Man bemüht sich darum, die Oper aus ihrer Geschichte (i.e. Handlung) heraus zu begreifen und dies dem Publikum verständlich zu machen.. Dies ist angesichts der oben angedeuteten grundsätzlichen Divergenz unseres Rezeptionsverhaltens aber auch nicht anders zu erwarten.


    Ich behaupte nun nicht, dass ich diesen ganzen verfahrenen Themenkomplex besser ordnen bzw. eine bessere Begriffsdefinition liefern könnte. Was ich mir jedoch anzumerken erlaube, ist die schlichte handwerkliche Unsauberkeit bei dem, was notwendig ist, einen Begriff überhaupt zu definieren.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Zitat Joseph II.:


    Zitat

    Interessant, diesen Thread zu verfolgen. Hier gehen die Emotionen wahrlich hoch.


    Hallo, Joseph II.!


    Das geht mir schon beim lesen so und mein Blutdruck steigt. Ich fühle mich an die Diskussionen mit Amfortas erinnert. Keine Argumente der Befürworter, nur Phrasen dreschen. Echt ätzend!

    W.S.


  • Es wird die übliche Antwort, wie einst bei Amfortas kommen: Ich habe die Inszenierung nicht gesehen und kann demzufolge nichts dazu sagen....

    Nun ja. Eine durchschaubare Fangfrage. Sagt man etwas zu einer Inszenierung, die man nicht gesehen hat, wird man dafür in der Luft zerrissen. Sagt man nichts, wird man eben dafür gescholten. - So einfach kann Rechthaben sein ...


    Aber mal zu den Fragen Sognatrices:
    dann frage ich doch mal ganz explizit nach dem Zweck eines aus dem Flachmann trinkenden Rigoletto (Rigoletto, Semperoper, 2012)
    Welcher Sinn soll denn darin liegen, ein Regiedetail herauszugreifen und nach dessen Sinn zu fragen, wenn der gesamte Kontext nicht bereitsteht?`Welches Verständnis von Regie liegt denn einer solchen (zensiert) Fragestellung zugrunde?



    Eher kratzt eine Krähe der andern ein Auge aus, als dass ein Vertreter des Regietheaters .....

    Wer wird hier bitteschön als Vertreter des Regietheaters bezeichnet? Das würde mich mal interessieren.



    "Werktreue" - einerseits ein Begiff, dehnbar wie ein Gummiband - anrerseits im Kern doch eindeutig.

    Dann ist es doch sicher kein Problem, diesen Kern mal darzustellen.



    Ferner keine "Umdeutung" und Herstellung von Bezügen zur Gegenwart oder vermitteln "politischer Inhalte"

    Ach so - kein Vermitteln politischer Inhalte. Also so wie im "Figaro", im "Ring", in "Johnny spielt auf" usw. usw.



    Die Frage war - WARUM geradezu mit Fanatismus das Regiethater (ob der Titel nun passt oder nicht ist in der Sache unerheblich) durchgeboxt wurde und derzeit noch immer wird.

    Die Darstellung eines "Durchboxens" ist hanebüchen. Das Regietheater hat eine signifikanten Anteil bei den derzeitigen Inszenierungen. Was wäre da durchzuboxen?

  • Zitat Wolfram:


    Zitat


    Das Regietheater hat eine signifikanten Anteil bei den derzeitigen Inszenierungen.


    Hallo, Wolfram!


    Das ist ja der Knackpunkt! Wäre dem nicht so, bräuchten wir solche Diskussionen erst garnicht und wir könnten mal wieder mit Genuß in die Oper gehen.

    W.S.

  • Beim Freischütz ist nun mal das Ambiente um 1648 (nach dem dreißigjährigen Krieg) ein Eyecatcher, der durch nichts ersetzbar wäre. Eine Umdeutung ins zwanzigste Jahrhundert ist unglaubwürdig.


    Was tut's? - Oper an sich ist immer und zu jeder Zeit "unglaubwürdig": Niemand singt, wenn er sich ein Schlafzimmer einrichtet. Wird jemand auf offener Straße erstochen, setzt nicht das Orchester mit dramatischen Tönen ein ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Ich setzte fort.
    Was ist der Zweck....
    .....des Astronauten Rigoletto auf dem Planet der Affen (München 2005)
    .....von Julius Cäsar unter dem Dino (München 1994)
    .....eines Lohengrin auf der Baustelle und im Rattenlabor (München 1999 bzw. Bayreuth 2010)
    .....der Traviata auf dem Tennisplatz (gab es wirklich mal, aber ich weiß nicht mehr wo und wann....)
    .....von Aida im Ameisenhaufen (Hamburg, vor nicht allzu langer Zeit)
    .....Gretchen aus Faust im Kühlschrank (München, 2000)
    ???

  • Die Darstellung eines "Durchboxens" ist hanebüchen. Das Regietheater hat eine signifikanten Anteil bei den derzeitigen Inszenierungen. Was wäre da durchzuboxen?

    Na da sind wir doch mal einer Meinung. Einen signifikaten Anteil. Ich würde noch etwas weiter gehen und es als "alles beherrschend" bezeichnen, aber gut, ich möchte nicht auf Adjektiven herumreiten.
    Die Darstellung des "Durchboxens" übrigens ist überhaupt nicht hanebüchen, denn Alfred schrieb, dass es durchgeboxt wurde. Jetzt, wo es seinen festen Platz eingenommen hat, ist es auch nicht mehr notwendig.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Zitat Wolfram:

    Hallo, Wolfram!


    Das ist ja der Knackpunkt! Wäre dem nicht so, bräuchten wir solche Diskussionen erst garnicht und wir könnten mal wieder mit Genuß in die Oper gehen.


    Lieber Wolfgang, liebe Sognatrice,


    da haben wir Konsens - ich meine, es wäre ein Anzahlproblem. Gäbe es etwa 10% Inszenierungen, in denen bewusst versucht würde, den allbekannten Werken in neuen Kontexten und Lesarten weitere Aspekte abzuringen oder zumindest klarer herauszuarbeiten, so hätten wir die ganze Diskussion nicht. - Wobei ich einen Anteil von 10% - 20% begrüßen würde.


    Wenn bei diesen 10% - 20% ernsthafte Arbeiten wie etwa von Konwitschny dabei wären und die reinen Provokationsorgien verschwinden würden, wäre es mir völlig recht.


    :hello:

  • Auch ich stelle Wolfram ein paar Fragen und hoffe endlich auf eine konkrete Antwort von ihm, die ich bisher nicht erlebt habe
    1. War die Wartburg ein Biogasbehälter (Tannhäuser Bayreuth 2011)?
    2. War Königin Elisabeth die erste eine Bürotipse und ihr Palast eine Fabrikahalle (Roberto Devereux, München 2006)?
    3. Gab es 48 vor Christus schon Panzer, Stahlhelme und moderne Raketen (Salzburg, Pfingstsonntag 2012) ?
    Meine historischen Kenntnisse sind da anders, oder wurde ich von meinen Lehrern falsch unterrichtet und stimmt etwa die ganze Geschichte, über die man tausende von Abhandlungen lesen kann, etwa nicht mehr?
    Ich könnte noch viele andere Fragen zu Inszenierungen der letzten Jahre stellen, aber das mag erst einmal genügen. Viele Fragen sind ja auch schon gestellt, aber noch nicht beantwortet worden.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard,


    ich meine, diese Fragen nicht beantworten zu müssen. Noch weniger muss ich irgendwelche Inszenierungen rechtfertigen. Wenn Dir die Inszenierungen nicht gefallen, dann mach das bitte mit denjenigen aus, die dafür verantwortlich zeichnen.


    Es wäre ein Leichtes, gegenzufragen, ob es zur Zeit des Tannhäuser bereits Ventiltrompeten gegeben hat oder Herren im Smoking mit Digitaluhr, die einem Minnesänger zuhören. Aber das wäre genauso sachunkundig wie die anderen Fragen, die Ihr stellt. Warum also dieses Niveau betreten?


    Vielleicht wäre mal zu diskutieren, was Theater ist, und was es nicht ist.


    :hello:


  • Zwar nicht nur, aber vorraning ist es ein Anzahlproblem. Allerdings. Und da diese Prozentzahlen leider nur ein frommer Wunsch und keine Realität sind, haben wir den Schlamassel. Und erstellen so viele Threads. Und versuchen den Zweck zu ergründen. Und schreiben an Intendanten und Opernkritiker. Und hoffen, etwas bewegen zu können. :angel:

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

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  • 10 bis 20 Prozent - das wäre dann ein Minderheitenprogramm.
    Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn diese Produktionen dann noch als "Bearbeitungen" oder wie auch immer deklariert würden. Ich hege nur den dringenden Verdacht, daß die aktiven Vertreter des RT (egal wie man nennt) keinen Sinn in der Sache sähen. Denn die ZWANGSBEGLÜCKUNG des Opernpublikums ist ja ein wesentlicher Bestandteil dieser RT-Philosophie.


    Ich sehe weiterhin eine bebsichtigte Zerstöruing des bürgerlichen Musiktheaters als Ziel der RT Bewegung. und wenn das nicht der Fall sein sollte, dann ist zumindest die Wirkung dieselbe. Neue Generationen von poentiellen Opernfreunden werden durch diese abstruse Form von Operninszenierungen a priori von diesem Medium abgeschreckt - und in 2 Generationen hat sich die Geschichte erledigt.


    Ich habe immerhin EINE von diversen möglichen Theorien über den Zweck des Regietheaters aufgestellt. Alternative Begründungen wurden hier noch nicht angeboten....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Und versuchen den Zweck zu ergründen. Und schreiben an Intendanten und Opernkritiker. Und hoffen, etwas bewegen zu können.


    Völlig d'accord! Man muss für das kämpfen, was man wirklich will. Aber dabei bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und in der Argumentation durch Vereinfachung angreifbar werden. Auch der beleidigte Unterton macht manche Meinungsäußerung schwer genießbar, auch, wenn sie noch so authentisch ist.


    :hello:

  • Lieber Gerhard, Du wirst die Antworten nie erhalten! Nie werden Dir Leute wie Wofram Antwort darauf geben, was ein Gummiball der hin und her geschmissen wird im Tristan verloren hat, noch was ein Gretchen im Kühlschrank ( den es zu Goethes/gounods Zeiten nicht gab) zu tun hat. ihnen gefällts und gibt Ihnen Anlass zu Gedanken, die Sie ohne diese Neudeutungen nie gehabt hätten! Quo usque tandem....

  • Mit Fragen kann ich aber auch dienen. Vielleicht kommen die Antworten dann auf einen Schlag, wenn es genug Fragen gibt.
    Also: Nehmen wir mal an, der zeitliche/ örtliche Kontext einer Oper ist nicht so entscheidend. Warum entscheidet sich dann ein Komponist für eine bestimmte Epoche, in der er seine Oper ansiedelt? Warum werden Regieanweisungen und Konstellationen des Bühnenbildes in teilweise sogar sehr ausführlicher Form niedergeschrieben? Aus Langeweile? Zuviel Tinte? Zuviel Platz auf dem Papier? Warum diskutierte Verdi in seinen Briefen sehr erbittert über Bühnenbilder, wenn es doch nur um die Musik ging? Warum strengte er einen Prozess an, um eine zensurbedingte, zeitliche Versetzung seines "Ballo" zu verhindern? Warum führte Wagner selbst Regie, um seinen Vorstellungen gerecht zu werden? Warum diese Mühe? Warum nicht einfach: Ort und Zeit der Handlung sind beliebig, es geht einzig und allein um die Musik?

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Und ja, Wolfram, Du bist ein Vertreter des Regietheaters, wenn ich Deine Eloge auf den grauslichen Berghaus-Tristan
    lese!


    (Meinen eigentlichen Beitrag habe ich gelöscht, da m.joho die Zeilen, die obiges Zitat enthielten, offenbar nachträglich wieder entfernt hat.


    Ich antwortete auf das obige Zitat wie folgt:


    Lieber, werter m.joho,


    ich sehe mich nicht als Vertreter des Regietheaters und habe dies oft genug klar gesagt. Wenn Du es anders siehst, so ist dies Dein gutes Recht.


    Auch zum Berghaus-Tristan habe ich nichts geschrieben.

  • Nehmen wir mal an, der zeitliche/ örtliche Kontext einer Oper ist nicht so entscheidend. Warum entscheidet sich dann ein Komponist für eine bestimmte Epoche, in der er seine Oper ansiedelt? Warum werden Regieanweisungen, Konstellationen des Bühnenbildes in teilweise sehr ausführlicher Form niedergeschrieben? Aus Langeweile? Zuviel Tinte? Zuviel Platz auf dem Papier? Warum diskutierte Verdi in seinen Briefen sehr erbittert über Bühnenbilder, wenn es doch nur um die Musik ging? Warum strengte er einen Prozess an, um eine zensurbedingte, zeitliche Versetzung seines "Ballo" zu verhindern? Warum führte Wagner selbst Regie, um seinen Vorstellungen gerecht zu werden?


    Liebe Sognatrice,


    Dein Engagement und Deine Sachkenntnis sind bewundernswert!


    Doch: Erwartest Du auf diese Fragen eine einzige allumfassende Antwort (die "Weltformel" der Operninszenierung) oder wären die Fragen für jedes Werk, für jede Aufführung neu zu beantworten?


    Ich stelle auch mal Fragen: Warum hat Mahler (kein Opernkomponist, ich weiß) gesagt, er würde seine Sinfonien am liebsten alle fünf Jahre neu herausgeben? Warum hat Verdi einige seiner Opern nochmal überarbeitet? Waren sie nicht "fertig"? Sind sie es jetzt?


    :hello:

  • Sorry es war manfred, der auch zu Deiner Fraktion gehört!


    Aus reiner Neugierde: Du meintest jetzt aber nicht diesen Berghaus-Tristan?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Doch, dass dahinter auch Politik und Ideologie stehen, habe ich schon mehrfach gesagt. Nicht von ungefähr betonst du das "bürgerliche Musiktheater". Das verhasste BÜRGERLICHE Theater. Wir können auch sagen: das Theater des Establishments. Wenn man es schon nicht vernichten kann (hat ja mit der BÜRGERLICHEN Gesellschaft auch nicht so geklappt), dann macht man es lächerlich, verzerrt, entstellt, verstümmelt es, wo es eben möglich ist.
    Ich denke nämlich ganz und gar nicht, dass sich diese politische Dimension erledigt hat, nur weil wir nicht mehr 1968 haben.
    Ein anderer sehr gern genommener Zweck wäre das vermeintliche Anlocken der jüngeren Generationen. Dass man genau die damit ja gerade nicht anlockt, wurde in mehreren anderen Threads diskutiert und von mehreren Seiten bestätigt.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

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