Nach langen Jahren der Abstinenz habe ich gestern der Versuchung nicht widerstehen können, mir im wunderschönen Opernhaus Chemnitz "Die schweigsame Frau" anzusehen. Neugierig gemacht hatte mich eine Rezension im "Opernglas", die eine klassische Inszenierung mit hervorragenden Sängern versprach. Etwas zweifelnd war meine Erwartung schon, denn in den letzten Jahren hat auch um Chemnitz der Regietheaterwahnsinn keinen Bogen gemacht.
Meine kühnsten Erwartungen wurden übertroffen. Die Handlung in London um 1785 wurde durch ein treffliches Bühnenbild - so richtiggehend schön klassisch - und historisierende Kostüme voll unterstützt. An keiner Stelle konnte man annehmen, daß der Regisseur etwas anderes ausdrücken wollte als den in Musik umgesetzten Text von Stefan Zweig. Vom ersten Takt an hatte man das Gefühl, daß die Robert-Schumann-Philharmonie unter Frank Beermann die nicht einfache Musik nicht nur interpretiert, sondern lebt. Beim Öffnen des Vorhangs waren deutliche OOOOhhhs... aus dem Publikum nicht zu überhören. Man ist einfach nicht mehr gewohnt, bei einem Bühnenbild nur einfach das zu sehen, was im Opernführer oder im Programmheft angekündigt wird.
Dennoch gab es eine weitere Steigerung. Man hat in Chemnitz schon immer recht gute Sänger präsentieren können, aber gestern hat sich das Theater selbst übertroffen
Franz Hawlata war als Sir Morosus zu bestaunen, eine Rolle, die er in komödiantischer Hochform und mit hervorragender Stimme meisterte. Das mit ca. 850 Plätzen eigentlich eher mittelgroße Theater scheint seiner Stimme außerordentlich zu liegen, er war bis in die tiefsten Töne auch über das Orchester hinweg deutlich zu hören. Ihm nicht nach satnd Andreas Kindschuh, der die Fäden des Intrigenspiels fest in der Hand hielt, immer präsent war und der auch sein komödiantisches Talent trefflich auszuspielen wußte. Hervorragend auch Julia Bauer, die dem armen Morosus erst einwickelt, dann zur Verzweiflung bringt, sich dabei aber sichtlich moralisch unwohl fühlt. Ihre Koloraturen gelangen trefflich. Berhard Berchtold als Neffe Henry fügte sich nahtlos ein. Sein schlanker Tenor erhielt vom Dirigenten die erforderliche Unterstützung. Und auch alle anderen Rollen waren ausgesprochen gut besetzt. Und es wurde gelacht wie in mancher Schauspielkomödie nicht, die Umsetzung gelang den Verantwortlichen trefflich.
Ein mehr als gelungener Abend. Beschwingt und gut gelaunt bin ich nach Hause gefahren. Auch wenn die Nacht kürzer war als sonst - ich würde es wieder tun. Von der Aufführung wird eine CD (leider keine DVD) erscheinen.
Die schweigsame Frau - Komische Oper in drei Aufzügen, Text von Stefan Zweig, Musik von Richard Strauss
Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz, Leitung Frank Beermann
Inszenierung Gerd Heinz, Bühne Rudolf Rischer, Kostüme Kersten Paulsen, Dramaturgie Carla Neppl
Sir Morosus Franz Hawlata
Theodosia Zimmerlein Monika Straube
Pankrazius Schneidebart Andreas Kindschuh
Henry Morosus Bernhard Berchtold
Aminta Julia Bauer
Isotta Guibee Yang
Carlotta Tiina Penttinen
Carlo Morbio Matthias Winter
Cesare vanuzzi Kouta Räsänen
Giuseppe Farfallo Martin Gäbler
Einzusehen und zu Hören auch unter www.theater-chemnitz.de
La Roche