Mozart, Wolfgang Amadeus: "Pariser" Sinfonie D-Dur KV 297[300a]

  • Zitat

    Original von Alfred


    Die Pariser Sinfonie und ihre Aufnahmen werden Ulli oder ich in den nächsten ein bis zwei Tagen zu einem Thread gestalten. - Den gibts hier tatsächlich noch nicht.


    Ich bin so frei…


    Die Sinfonie D-Dur KV 297 [umsortiert nach KV 300a] wurde vor dem 12. Juni 1778 in Paris daselbst komponiert.


    Die Sinfonie ist zeitlich in der Nähe zum Konzert für Flöte und Harfe C-Dur KV 299 und zu den diversen Flötenquartetten sowie zur Klaviersonate a-moll KV 311 und der Violinsonate e-moll KV 304 anzusiedeln. Sie besteht aus drei Sätzen [ohne Menuett], einem [1] Allegro assai, einem [2] Andante und einem [3] Allegro, wobei letztgenanntes zumeist in ein Presto uminterpretiert wird. Die Sätze hat Mozart selbst trefflich beschrieben:


    […] Ecce, die Sinfonie fieng an, Raff stunde neben meiner, und gleich mitten im Ersten Allegro, war eine Pasage die ich wohl wuste dass sie gefallen müsste, alle zuhörer wurden davon hingerissen – und war ein grosses applaudißement – weil ich aber wusste, wie ich sie schriebe, was das für einen Effect machen würde, so brachte ich sie auf die letzt noch einmahl an – da giengs nun Da capo. […]


    Und weiter:


    […] das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro – weil ich hörte dass hier alle letzte Allegro wie die Ersten mit allen instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so gieng ichs mit die 2 violin allein piano nur 8 tact an – darauf kamm gleich ein forte – mithin machten die zuhörer, |wie ichs erwartete| beym piano sch – dann kamm gleich das forte – sie das forte hören, und die hände zu klatschen war eins - […]


    Zum zweiten Satz, der allgemein eingespielt wird gibt es noch einen Alternativ-Satz, keine Alternativ-Fassung wie man vielleicht meint, sondern eine völlig neue Komposition, da


    das [ursprüngliche] Andante nicht das glück gehabt hat, ihn [Le Gros, den Auiftraggeber] zufrieden zu stellen – er sagt es seye zu viell modulation darin – und zu lang – das kamm aber daher, weil die zuhörer vergessen hatten einen so starken und anhaltenden lärmen mit händeklatschen zu machen, wie bey den Ersten und letzten stück – Denn das andante hat von mir, von allen kennern, liebhabern, und meisten zuhörern, den grössten beyfall – es ist just das Contraire was le gros sagt – es ist ganz natürlich – und kurz. – um ihn aber (und wie er behauptet mehrere) zu befriedigen habe ich ein anders gemacht – jedes in seiner art ist recht – denn es hat jedes einen andern Caractére – Das letzte gefällt mir aber noch besser – […]


    Das Pariser Orchester war eines der größten damals. Diese Sinfonie kann daher als erste „große Sinfonie“ Mozarts gelten, was die Besetzung betrifft. Neben den allgemein üblichen Oboen, Hörern, Fagotten und Streichern verfügte das Pariser Orchester auch bereits über großartige Clarinettisten, zudem Trompeten und Pauken. Entsprechendes macht sich Mozart zu nutze…


    Rund 14 Tage nach der bravourösen Uraufführung stirbt Mozarts Mutter in Paris am 3. Juli 1778.



    Den zweiten Teil des Threads überlasse ich Alfred und den andernen...


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo, Ulli!


    Zitat


    Im Rahmen der Complete Mozart Edition habe ich folgende Einspielungen mit der Academy of St. Martin in the Fields - auch so erschienen:

    Sie beinhaltet u.a. die Pariser Sinfonie Nr. 31 und die Haffner Sinfonie Nr. 35. Beeindruckend ist die Einspielung nicht, aber korrekt. Sicherlich fährst Du mit Alfreds Tip besser...


    Also, ich mag die Marriner-Aufnahmen!
    Ich habe aber noch einen anderen Tip:

    Die Aufnahme ist auf jeden Fall empfehlenswert!


    Zur Symphonie selbst: Schöne Komposition; wer gerne Mozart hört und sie noch nicht kennt, sollte das ändern. Ist aber keine "große" Symphonie, eher was für "zwischendurch". :stumm:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Zur Symphonie selbst: Schöne Komposition; wer gerne Mozart hört und sie noch nicht kennt, sollte das ändern. Ist aber keine "große" Symphonie, eher was für "zwischendurch". :stumm:


    Mit "groß" ist ja auch die Besetzung gemeint.


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo, Ulli!


    Zitat

    Original von Ulli


    Mit "groß" ist ja auch die Besetzung gemeint.


    bien cordialement
    Ulli


    Im Gegensatz zu jetzt hatte ich mich nicht auf das "groß" in Deinem Beitrag bezogen, der wie immer sehr informativ war!


    Die Besetzung hier dürfte die größte in einer Mozart-Symphonie sein, oder?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    die Besetzung von 2 Fl, 2 Ob, 2 Cl, 2 Fg, 2 Cor, 2 Clar, Timp u. Archi findet sich neben KV 297 in KV 385 [Haffner], KV 504 [Prager] - that's all... [wenn ich nichts übersehen habe].


    bien cordialement
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo


    Die Frage , was man unter einer "großen" Sinfonie könnte man unter vielen Gesichtspunkten beleuchten. Sicher wurde die Nr 31 KV 297 (300a) "Pariser Symphonie" noch vor einigen Jahren als wichtiges Werk Mozarts eingestuft, während der Harenberg-Konzerführer, ein IMO tendenziöses modernefreundliches Werk, sie grade mal erwähnt.


    Für Mozart war die Sinfonie in vielerlei Hinsicht wichtig, setzte er sich doch erstmal mit dem "Mannheimer" und dem "Pariser" Stil auseinander.
    Mozart kopierte diesen Stile trefflichst, manche Quellen meinen auch er parodiere ihn.


    Wie auch immer- alle Errungenschaften dieser beiden Stile wurden von Mozart in einer Sinfonie eingebaut, natürlich ging das nur weil er das entsprechende Orchester zu Verfügung hatte. Mozart selbst nahm diese Sinfonie durchaus wichtig. Er konnte hier die zur Zeit der Entstehung noch eher ungebräuchlichen Klarinetten einsetzen, die ihm in Salzburg nicht zur Verfügung standen, was er in einem späteren Brief aus Mannheim beklagt..


    Ich persönlich mag diese Sinfonie sehr, sie ist voller Klangeffekte und strahlender Majestät, wahrscheinlich dem Geschmack des prunkliebenden Pariser Publikums angepasst.



    Wie immer bei Mozart steht bei mir Karl Böhm als Dirigent in erster Reihe


    Karl Böhm war jahrzehntelang schlechthin d i e Verkörperung des Wiener Mozartstils, wobei ich jedoch die Verdienste von Joseph Krips keineswegs schmälern will. Böhms Image auf dem Gebiet der Mozart Interpretation war so einzigartig, daß er in dieser Disziplin sowohl vom Wiener, als auch vom Salzburger Publikum selbst gegenüber Herbert von Karajan vorgezogen wurde. Beide Herren wussten das offensichtlich, denn Karajan lud Böhm immer wieder zu "seinen" Festspielen ein.


    Böhms Mozart ist hell, leuchtend , freundlich, federnd, triumphierend.
    ER hat durchaus Temperament, lässt aber die entspannten Stellen atmen, ohne den Versuch zu machen sie künstlich aufzuheizen.
    Jede aufgesetzte Agressivität ist ist Böhms Einspielung fern - so ist er eine gewichtige Alternativeinspielung zur heute oft geübten Aufführungspraxis.


    Die von mir empfohlene CD (ich hoffe sie ist noch verfügbat) enthält zudem noch die Sinfonie Nr 25 in g-moll und die Sinfonie Nr 29 in A-dur.
    Gesehen für 9.90 Teuro - Herz was willst Du mehr ?


    Die Aufnahmen entstanden zwischen 1966 und 1969 für Deutsch Grammophon und haben den hellen DGG - spezifischen Klang jener Zeit.


    Mal sehen wie sich der Thread entwickelt, enweder kommen weitere Alternativ-Empfehlungen von anderen - - - oder von mir...



    mit freundlichen Grüßen aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salut,


    da hab ich mich doch richtig erinnert:


    Es gab mal [ich vermute jetzt, zum Mozartjahr 1991] eine Serie von 25 CD's betitelt Mozart 3D Collection von der Deutsche Grammophon. Das "Besondere" an dieser Edition war, dass der Kopf Mozarts aus dem bekannten Gemälde von Brabara Krafft in ein Puzzle zerlegt war [in 25 Teile demnach]. Jede CD war quasi ein "Kalendertürchen". Drei CD's der Serie hatte ich mir angeschafft: Requiem - Karajan, Violinkonzerte und eben die "Pariser"-Sinfonie, weilche zusammen mit der Serenata "Corno di Postiglione" [Posthorn-Serenade] erschienen ist. Eingespielt war es von James Levine mit dem Wiener PO.


    Die Aufnahme wird es bestimmt noch anderweitig günstig geben. In jedem Fall ziehe ich Sie jener der "Akademie von Sankt Martin in den Feldern" vor... Das letzte Allegro ist hier nicht so arg schnell gespielt. Vorteil der Marriner-Aufnahme in der CME ist jedoch, dass beide Alternativen des zweiten Satzes eingespielt [und auf der CD drauf] sind.


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Mal sehen wie sich der Thread entwickelt, enweder kommen weitere Alternativ-Empfehlungen von anderen - - - oder von mir...


    Na dann will ich mal:



    Mozart Akademie Amsterdam - Jaap ter Linden


    Die Mozart Akademie Amsterdam spielt auf Originalinstrumenten, was das Flair der Pariser meines Erachtens nach mehr betont als moderne Instrumente mit großem Orchester. Viele der Mozart´schen Kreationen lassen sich oft nicht als solche identifizieren.


    Die Marriner-Aufnahme hab ich auch, sollte das Teil auch mal hören.... :faint:


    LG joschi

  • Guten Tag


    Nikolaus Harnoncourt hat mit dem Concertgebouw Orchestra
    auf dieser CD



    beide Versionen des "Andante" eingespielt.
    Ich kann mich nicht entscheiden welche der beiden Fassungen mir hier besser gefällt.
    Mozart hielt die im Pariser Erstdruck erschienene Ausgabe mit dem 2. Andante für das bessere Stück;
    er war im Vorfeld der Aufführung, seinen Briefen nach zu urteilen,
    sehr unglücklich über die unzureichenden Proben;
    die Uraufführung ging bekanntlich aber mit allem aplauso stürmisch über die Bühne.



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Neben der regelmäßigen Beschäftigung mit Haydn-Symphonien möchte ich mich nunmehro auch näher mit Mozart-Symphonien befassen. In der Tat erstaunlich, dass selbst so eine wundervolle, festliche, aufwärtsstürmende Symphonie wie die vorliegende noch nicht mehr Beiträge aufweist.


    Ich habe einmal zwei Einspielungen im Vergleich gehört, die beide eine andere Herangehensweise zeigen und jede auf ihre Weise zu höchst überzeugenden, hörenswerten Ergebnissen gelangt.


    Da ist einmal die bereits weiter oben gezeigte Einspielung mit der Mozart Akademie Amsterdam unter Jaap Ter Linden, die sich auch in dieser großen Box von Brilliant Classics befindet, jedoch auch einzeln erhältlich ist:




    Darüberhinaus habe ich die Einspielung des Danish National Chamber Orchestra unter Ádám Fischer zu Rate gezogen.




    Das niederländische Ensemble spielt auf historischen Instrumenten und besticht durch einen sehr ausgewogenen, sorgfältig ausbalancierten Klang. Hier ist nichts überhastet, nichts klingt kratzig oder dünn, es ist eine klanglich und interpretatorisch sehr erfreuliche Einspielung, die sehr feinsinnig und elegant ist.


    Das dänische Orchester spielt auf modernen Instrumenten, ist aber hinsichtlich der Spielweise historisch informiert. Mit Ádám Fischer steht hier auch ein profunder Haydn- und Mozart-Kenner zur Verfügung, der mit dieser Einspielung durchaus Furore gemacht hat. Er bietet einen sehr straffen, gerafften, packenden Zugriff, der jedoch —und das ist die große Kunst bei dieser Interpretationsweise— dennoch tänzerisch, klangschön und geschmeidig ist. Hier klingt nichts ruppig oder zerrupft, überhastet oder kurzatmig, und das macht die Faszination dieser Einspielung aus.


    Zum Vergleich die Zeiten in den einzelnen Sätzen der beiden Aufnahmen:


    Ter Linden: 8:32 / 5:41 / 4:01

    Fischer: 6:55 / 4:42 / 3:36


    Anhand dieser Zahlen kann man schon ablesen, dass die Aufnahme unter Fischer deutlich schneller ist. Gerade im ersten und letzten Satz entfacht er damit ein strahlendes, jubilierendes Feuerwerk, ein von Energie nur so überbordendes, prachtvolles Panorama, das beinahe übermütig klingt. Die pointierten Akzente wirken jedoch nicht scharf, militant oder aggressiv, sondern verströmen tänzerisches Feuer und Temperament.


    Dafür spürt Jaap Ter Linden behutsamer den einzelnen Linien nach, lässt der Musik mehr Zeit und Raum, sich zu entfalten, legt mehr wert auf Eleganz und Nonchalance, auf Brillanz und Festlichkeit. Auch kann er für sich verbuchen, im Andante einen großen Atem, ein wundervolles Aufblühen zu erzielen, das sich bei Ádám Fischer aufgrund seines schnelleren Tempos so in dieser Form nicht ergibt. Beide wählen natürlich denselben Andante - Satz (ohne die alternative Fassung), so dass es hier keine Unterschiede gibt.


    Alles in allem zwei wunderschöne Aufnahmen, beide neueren Datums (Ter Linden 2002, Fischer 2008 - 2013 (Gesamtzyklus), mit sehr gutem Klangbild, die es dem Musikfreund ermöglichen, dieser edle Komposition von opulenter Schönheit in unterschiedlich fesselnder Interpretation zu lauschen.

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  • Lieber Don,

    wie Du Dir wegen meines Avatars sicherlich vorstellen kannst, habe ich mehrere Gesamteinspielungen der Mozart-Sinfonien, so auch die mit Jaap ter Linden, die weiter oben schon vom "Joschi" gepostet wurde, die Adam-Fischer-Einspielung allerdings nicht. Dafür kann ich Deiner Analyse hinsichtlich der von Brilliant stammenden Aufnahme unter ter Linden voll zustimmen - mir fehlt nur das Interesse am Vergleich von Spieldauern.


    Bei Brilliant muss man, das kennt man ja, auf nähergehende Informationen zu den Werken verzichten. Ich habe nur eine Box dieser Sinfonien, die umfänglich über jede einzelne Komposition informiert, und das ist die innerhalb der Philips-Mozart-Edition zwischen 1985 und 1991 erschienene Neville-Marriner-Einspielung mit der Academy of St.-Martin-in-the Fields. Die gewichtigen Booklets sind eine wahre Fundgrube. Gibt es so etwas heute noch?


    Wenn Du die große, oben gezeigte Brilliant-Mozart-Ausgabe hast, dann wirst Du Schätze finden! Das schreibe ich hier, obwohl ich diese Ausgabe nicht kenne.


    Was nun die "Pariser-Sinfonie" betrifft hat Ulli (der vor zehn Jahren noch "vom Sirius" stammte) schon einiges an Informationen aus Mozarts eigener Feder geschrieben. Was ich nicht fand, war eine nähere Beschäftigung mit Mozarts Aussage

    Zitat

    […] das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro – weil ich hörte dass hier alle letzte Allegro wie die Ersten mit allen instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so gieng ichs mit die 2 violin allein piano nur 8 tact an – darauf kamm gleich ein forte – mithin machten die zuhörer, |wie ichs erwartete| beym piano sch – dann kamm gleich das forte – sie das forte hören, und die hände zu klatschen war eins - […]

    wobei der Kommentar zu dieser Sinfonie (von Neal Zeslaw [vielleicht hier von mir falsch geschrieben]) auch unklar bleibt, denn er weist daraufhin, dass Mozarts Erklärung in den beiden letzten Zeilen des Zitats von den Musikwissenschaftlern unterschiedlich ausgelegt wird. Ein Beispiel für die These, das es bei drei Forschern vier Meinungen gibt. Ich habe jedenfalls noch keine Stelle gefunden/gehört, die mir Mozarts obige Äußerung erklärt... :(


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lieber Musikwanderer,


    hier verlinke ich Dir mal ein Video mit Ádám Fischer, dass der Dänische Rundfunk eingestellt hat, um einen Eindruck über seine Interpretation zu bekommen:



    Ja, das Problem mit dem Booklet ist nicht von der Hand zu weisen. Wobei zumindest bei der großen Brilliant-Box eine CD dabei ist, die allerlei Texte enthält, die man dann am Computer lesen kann. Allerdings hast Du völlig Recht: diese Box ist eine echte Fundgrube. Manche Musikfreunde mögen diese riesigen Zusammenstellungen ja nicht, ich mag sie allerdings sehr gerne und greife immer wieder blindlings hinein und lasse mich überraschen.


    Zurück zur Symphonie bzw. dem Zitat, das Du wieder aufgegriffen hast: so ganz schlau bin ich da auch nicht daraus geworden, ich habe schon überlegt, ob es vielleicht mit dem alternativen 2. Satz zu tun hat, den Mozart noch nachträglich komponiert hat? Schwer zu sagen.


    Jedenfalls habe ich ein anderes, sehr interessantes Zitat gefunden. Mozart schrieb über diese Symphonie:


    Zitat


    "Ob es aber gefällt - das weiß ich nicht - und die Wahrheit zu sagen, liegt mir sehr wenig daran. denn, wem wird sie nicht gefallen? den wenigen gescheiden Franzosen die da sind, stehe ich gut dafür dass sie gefällt; den dummen - da sehe ich kein großes Unglück, wenn sie ihnen nicht gefällt. Ich habe aber doch Hoffnung, dass die Esel auch etwas darinn finden, das ihnen gefallen kann."

    Offensichtlich wollte Mozart Eindruck beim Pariser Publikum erzielen, auch wenn er es nicht als musikalisch besonders kultiviert einschätzte...Also, mir, ob nun Esel oder nicht, hat diese Symphonie sehr gefallen...

  • Nein, das Zitat bezieht sich ganz klar auf das Finale. Nachdem Mozart den Kopfsatz mit einem gewaltigen "Tusch" des gesamten Orchesters begonnen hatte, verweigert er im Finale diese anscheinend in Paris übliche ("weil ich hörte dass hier alle letzte Allegro wie die Ersten mit allen instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen") Geste.


    Sondern er beginnt leise und nur mit zwei Violinen (natürlich nicht solo, sondern den 1. u. 2. Geigen) anfängt und das forte Tutti erst nach ein paar Takten kommt. Freilich schon sehr bald, aber anscheinend hat der Überraschungseffekt gewirkt. Die Zuordnung zu der Beschreibung ist m.E. klar und eindeutig.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Don Gaiferos, zunächst einmal herzlichen Dank für den Link zu Adam Fischer - den Clip werde ich mir heute im Laufe des Tages, wahrscheinlich am späten Abend anhören, -sehen.


    Was mein Unverständnis (und das der Musikwissenschaftler) zu Mozarts Äußerung zu einer bestimmten Stelle im Finalsatz betrifft, konnte ich (wie auch jene schon genannten Musikwissenschaftler) keine schlüssige Erklärung finden, welche Takte dafür in Frage kommen.


    Zitat

    besonders aber das letzte Allegro – weil ich hörte dass hier alle letzte Allegro wie die Ersten mit allen instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so gieng ichs mit die 2 violin allein piano nur 8 tact an – darauf kamm gleich ein forte – mithin machten die zuhörer, |wie ichs erwartete| beym piano sch – dann kamm gleich das forte - sie das forte hören, und die hände zu klatschen war eins - […]

    Der Kommentator zu dieser Sinfonie im Booklet der Philips-Einspielung mit Marriner zitiert mehrere Kenner (u.a. auch Harnoncourt) - und sie haben jeweils andere Takte im Sinn. Verständlich ist nur, dass Mozarts die Pariser Musikfreunde narrte, weil er entgegen ihrer Erwartungshaltung komponiert hat. Ansonsten muss ich ja nicht betonen, dass auch diese Sinfonie (wie alle anderen natürlich auch) zu meinen Favoriten zählt - abzulegen in der Favoritenleiste...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Adam Fischer dürte wohl der momentan interessanteste Dirigent in Sachen Mozart sein (?)

    Die Aufnahmen der Mozart Akademie Amsterdam unter Jaap Ter Linden, sind vorzüglich, ich besitze die späteremn Sinfinien (Es gabe in der Vergangenheit ZWEI Würfel, von denen ich den 2. besitze, als ich nachjaufen wollte waren die Verpachungen bereits geändert, also entweder einzeln oder die neue Gesmtbox in den billigen Papphüllen. In Anbetracht meine vorhanden Alternativen habe ich mich mit den vorhandnen Aufnahmen begnügt. Das Orchester zeichnet sich übrigens durch einen sehr individuellen Klangcharakter aus, den ich mag.

    Kommen wir zur Sinfonie Nr 31 in D. dur "Pariser", der der Thread gewidmet ist.

    Ich habe sie in meiner jugend in einer Erato/EMI Aufnahme kennengelernt - unter Guschlbauer. Und da erinnere ich mich an den Einführungstext (er war damas üblicherweise in aller Kürze auf der Rückseite der LP-Hülle untergebracht) wo Mozart zitiert war, der sich in einem Brief (?) wenig schmeichelhaft über das Pariser Orchester bei den Proben geäussert hat, Die LP besitze ich nicht mehr, alle LPs wurden ausgemustert, So war es schwer zu zitieren, In meinem Buch mit Mozart Briefen (Ich bin beim Kauf davon ausgegangenm dass ALLE darin enthalten seien - aber das sit offensichtlich nicht der Fall) Gkücklicherweise hat WIKIPEDIA die Textstelle offenbar gefunden - und somit ist sie verfügbar.


    Zitat

    "Bey der Prob war es mir sehr bange, denn ich habe mein Lebtag nichts schlechteres gehört, Sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Sinfonie 2 Mal nach einander herunter gehudelt und herunter gekratzt haben"


    Glücklicherweise ear es bei der Aufführung dann in Ordnung und ein Erfolg.


    Interessant dann noch die Geschichte mit den beiden Versionen des Andante, wo man lt. WIKI bis heute nicht weiß, welches die ältere, welches die "Alternativversion" sei

    Ich würde sagen, das sollte ganz leicht sein. Da unter anderem die Länge beanstandet wurde (was Mozart selbst allerdings nicht so sah, sich aber dem Wunsch des Auftraggebers beugte), kann man getrost davon ausgehen, daß diejenige Fassung mit der kürzeren Spielzeit die alternative Ersatzversion ist


    Soweit ich es in der Eile eruieren konnte wird heute üblicherweise die "Urversion " gespielt.

    Die meisten in meinem Besitz befindlichen Aufnahmen verzichten auch darauf, optional das alternative Adagio als Zusatztrack anzubieten.

    Schliesslich fand ich ihn auf einer Aufnahme mit dem Concertgebow Orchestra unter Nikolaus Harnoncourt.(DDD 1982), die aber längst gestrichen ist.


    Sobald ich etwas Zeit übrig habe, werde ich nach Alternativen suchen - und ausserdem werde ich mir durch hören - die beiden Versionen wieder in Erinnerung rufen...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sorry, worauf soll sich die Briefstelle beziehen, wenn nicht den Anfang des Finales: 8 Takte piano nur mit den Violinen, darauf ein forte. Exakt so beginnt das Finale.


    https://dme.mozarteum.at/DME/nma/nmapub_srch.php?l=2


    Und das als Kontrast zu der zitierten Gepflogenheit sowohl den Kopfsatz als auch das Finale ("erste und letzte Allegro") jeweils forte und tutti zu beginnen. Noch eiindeutiger geht es kaum, oder?

    Mozart folgt im Kopfsatz genau der Gepflogenheit (forte tutti, unisono) und überrascht im Finale durch Nichtbefolgung, was anscheinend funktioniert hat.

    Die Pariser waren anscheinend (entgegen den anderen Anmerkungen Mozarts) doch so auf Zack, dass sie das leise beginnende Finale nicht verpennten, sondern als Überraschungseffekt zu würdigen wussten.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Man soll nie aus dem Gedächtnis zitieren! Was nun das von mir nicht verstandene Zitat aus Mozarts Brief betrifft, so lautet der originale Brieftext

    Ich habe eine Sinfonie, um das Concert spirituel zu eröffnen, machen müssen. Am Fronleichnamstag wurde sie mit allem Applauso aufgeführt. Es ist auch, soviel ich höre, im Courier de l'Europe eine Meldung davon geschehen, sie hat also ausnehmend gefallen. Bei der Prob war es mir sehr bange, dann ich habe mein Lebetag nichts Schlechters gehört. Sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Sinfonie zweimal nacheinander heruntergehudelt und heruntergekratzet haben; mir war wahrlich ganz bang, ich hätte sie gerne noch einmal probiert, aber weil man allzeit so viel Sachen probiert, so war keine Zeit mehr; ich mußte also mit bangem Herzen und mit unzufriedenem und zornigem Gemüt ins Bette gehen. Den andern Tag hatte ich mich entschlossen, gar nicht ins Konzert zu gehen, es wurde aber abends gut Wetter, und ich entschlosse mich endlich mit dem Vorsatz, daß, wenn es so schlecht ging wie bei der Prob, ich gewiß aufs Orchester gehen werde und dem Herrn La Houssaye, erstem Violin, die Violin aus der Hand nehmen und selbst dirigieren werde. Ich bat Gott um die Gnade, daß es gut gehen möchte, indem alles zu seiner höchsten Ehr und Glori ist, und ecce, die Sinfonie fing an, Raaff stund neben meiner, und gleich mitten im ersten Allegro war eine Passage, die ich wohl wußte, daß sie gefallen müßte; alle Zuhörer wurden davon hingerissen, und war ein großes Applaudissement. Weil ich aber wußte, wie ich sie schriebe, was das für einen Effekt machen würde, so brachte ich sie auf die Letzt noch einmal an. Da gings nun Da capo. Das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro. Weil ich hörte, daß hier alle letzte Allegros wie die ersten mit allen Instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so fing ich mit die zwei Violinen allein piano nur acht Takt an, darauf kam gleich ein Forte, mithin machten die Zuhörer (wie ichs erwartete) beim Piano sch, dann kam gleich das Forte. Sie das Forte hören und die Hände zu klatschen war eins. Ich ging also gleich für Freude nach der Sinfonie ins Palais Royal, nahm ein guts Gefrornes, bat den Rosenkranz, den ich versprochen hatte, und ging nach Haus […]

    Damit wird klar, dass es um Takte im ersten Satz geht, der dem Pariser Publikum so gefallen hat. Harnoncourt vermutete, dass diese Stelle im Eröffnungssatz die Takte 65-73 (in der Reprise 220-227) sein könnten, wo eine Spiccato-Melodie der Violinen oben von Bläserakkorden und unten von Bass-Pizzicati begleitet wird und somit einen brillanten Effekt erzeugen. Stanley Sadie schlägt (gestützt auf Wyzewa und Saint-Foix) dagegen die Takte 84-92 in der Exposition und die Takte 238-250 in der Repriseund sowie der Coda 257-269 vor.

    Er findet, dass seine Version Mozarts Briefstelle eher entspricht („Weil ich aber wußte, wie ich sie schriebe, was das für einen Effekt machen würde, so brachte ich sie auf die Letzt noch einmal an.“), obwohl sie zweideutig ist, denn sie lässt nach Sadies Meinung die Möglichkeit zu, dass Mozart und sein Vater es für selbstverständlich hielten, dass in Sinfonie-Kopfsätzen die Themen automatisch zweimal erscheinen: in der Exposition und in der Reprise. Die Stelle „auf die letzt noch einmahl“ könnte auch bedeuten, dass sie ein drittes Mal erscheint. Sollte Sadies Interpretation stimmen, hätte sie gegenüber Harnoncourts Vermutung den Vorrang (Zitate nach Neal Zaslaw über die Pariser-Sinfonie).

    Ich stehe nicht enttäuscht und sehe nicht betroffen den Vorhang auf, wenn auch noch ein’ge Fragen offen.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Es geht in dem Brief offensichtlich um zwei unterschiedliche Passagen, eine im Kopfsatz, eine im Finale. Alles, was ich oben geschrieben habe, bezieht sich auf den folgenden Text, der zuerst oben in #11 zitiert wurde:

    "besonders aber das letzte Allegro. Weil ich hörte, daß hier alle letzte Allegros wie die ersten mit allen Instrumenten zugleich und meistens unisono anfangen, so fing ich mit die zwei Violinen allein piano nur acht Takt an, darauf kam gleich ein Forte, mithin machten die Zuhörer (wie ichs erwartete) beim Piano sch, dann kam gleich das Forte. Sie das Forte hören und die Hände zu klatschen war eins."

    Das ist ganz eindeutig auf den Anfang des Finales bezogen und auch ganz problemlos nachzuvollziehen. Zu der anderen Passage im Kopfsatz habe ich keine Aussagen gemacht, da von der in dem kurzen Zitat gar nicht die Rede war, nur im längeren.

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Johannes, lieber Musikwanderer,


    vielen Dank für Eure erhellenden und absolut stichhaltigen Präzisierungen. In der Tat ist es interessant zu sehen, wie Mozart hier ausdrücklich Bezug nimmt auf die Erwartung des Publikums, und sein Vater ihn noch mehr dazu anstachelt, nur ja die Publikumswirksamkeit seiner Komposition nicht aus den Augen zu verlieren.

    Das knüpft ja auch an den Thread an, den Alfred neulich eröffnet hat, in dem es darum geht, ob der Künstler sich nach dem Publikum zu richten habe oder nicht.

    Hier sieht man jedenfalls, das auch "Auftragsarbeiten" höchste künstlerische Errungenschaften hervorbringen können.

    Ansonsten habe ich auch Alfreds Ausführungen mit Interesse gelesen, und es würde mich sehr interessieren, lieber Alfred, was Deine Eindrücke bezüglich des Ádám-Fischer-Videos sind?


    Liebe Grüße

  • Wer lesen kann ist klar im Vorteil - es kann aber auch ein Vorteil sein, wenn man etwas +überliest

    Schon Ex-Mitglied "Bernhard" wies am 8. Mai 2009 auf die CD mit Mozarts "Pariser" Sinfonie mit dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam unter Nikolaus Harnoncourt hin und auf die darauf ebenso enthaltene Alternativ Version des andante (Die CD gab es im Laufe der Jahre mit unterschiedlichen Covern und Koppelungen)


    Ich habe mir das BEWUSSTE Wiisen um die Existenz und Geschichte des alternativen Adagia alledings erst gestern un heut erarbetet und DANACH Berhards Beitrag gefunden.

    Dennoch vermag ich noch etwas Beizutragen


    Entgegen der Wikipedia Behauptung ist man sich doch sicher, welches das "originale" und welches das "nachkomponierte" Andante ist

    Heutige aufnahmen verwenden übrigens - soweit ich das feststellen konnte - durchwegs die "urfassung"

    Ich gesteher, daß mir die neue Alternativversion (sie ist etwas kürzer) besser gefällt, farbiger und einfallsreicher. Das Wort "plaktiver" oder "publikumswirksamer" ist zwar stark übertrieben weist aber in die richtige Richtung.


    Wie kam es zu dieser Neufassung - während dem Pariser Publikum die Ecksätze über alle Maßen gefielen - war die Reaktion auf das Andante eher lau (wenngleich von Kennen angeblich geschätzt)

    Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie man denn die Reaktion des Publikums ermittelt hat - Interviews - wie heute üblich - gab es ja damals nicht.

    Ich VERMUTE, daß es mit der damals durchaus üblichen Gepflogenheit zusammenhängt - nach jedem einzelnen Satz zu applaudieren. Heute wird dies als "Unart" gebrandmarkt - es gibt aber gelegentlich Anregungen zu dieser Praxis zurückzukehren....


    Mozart wurde also vom Leiter der "Concerts Spirituels" Joseph Legros (auch: Le Gros) gebeten, ein neues. kürzeres Andante für die Sinfonie zu Schreiben, Mozart folgte diesem Wunsch, wenngleich er nicht der Meinung von Legros war. Schließlich soll aber auch Mozart die neue Fassung besser gefallen haben.


    Sie existiert - im Gegenteil zur Erstfassung - nicht im Autograph, sondern lediglich im Pariser Erstdruck, der laut Booklettext von Ludwig Finscher(Musikhistoriker * 1930 in Kassel)

    einige - vermutlich von Mozart selbst vorgenommene - Detailkorrektunren des ersten Satzes enthält.


    Wer die Möglichkeit hat - sollte die beiden Adagio-Sätze vergleiche - eine angenehme Beschäftigung für Mozart Liebhaber.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Lieber Alfred,


    genau diesen Vergleich möchte ich auch vornehmen, habe aber auf die Schnelle die CD mit Harnoncourt nicht zu einem annehmbaren Preis gefunden. Ärgerlich, habe ich mir doch damals einige Symphonien unter Harnoncourts Stabführung zugelegt, ausgerechnet diese nicht. Aber ich bin guten Mutes, dass ich sie schon noch auftreiben werde. Vielleicht gibt es ja noch eine andere Einspielung mit dem alternativen Satz? Ich werde nachforschen.


    Derweil "tröste" ich mich mit einer Einspielung, die man gewiss auch nicht von der Hand weisen sollte, gilt sie doch seit Jahrzehnten als gewichtiger Beitrag zur Mozart-Diskographie; die Rede ist hier von Karl Böhm und den Berliner Philharmonikern.



    Diese Aufnahme ist nicht ganz so straff und zupackend im ersten Satz wie Fischer, aber dennoch sehr beseelt und beschwingt; ich finde, dass Böhm insbesondere die festlichen Momente besonders prägnant akzentuiert und fast schon ins Majestätisch-Erhabene steigert, um jedoch im nächsten Moment wieder geschmeidig und fließend die Musik weiterzutreiben. Er arbeitet dadurch die Kontrastwirkung sehr gut heraus, die damals nach Mozarts Willen das Pariser Publikum aufhorchen lassen sollte.


    Assistiert wird er dabei natürlich von einem prachtvollen, üppigen Orchesterapparat, der einerseits eine verschwenderische Fülle gleißender Streicher aufweist, die einen vollmundigen, sonoren Klang erzeugen können, sekundiert von immens klangschönen Flöten und Holzbläsern, wobei dieser Klangkörper andererseits jedoch auch sehr feinsinnig und schlicht, zurückgenommen und verhalten agieren kann.


    Im zweiten Satz findet Böhm noch mehr als Ter Linden zu einer großen Ruhe und Innerlichkeit, mit immenser Behutsamkeit und Empfindung wird die Musik weitergetragen, ohne dass je die Spannung abfiele oder die Musik auf der Stelle verharrte.


    Auch im dritten Satz ist das Tempo so gewählt, dass hier wieder die Festlichkeit im Vordergrund steht; das wirkt auf mich getragener als bei den beiden anderen Einspielungen, und auch hier wird der Klang wieder groß entfaltet; da gefällt mir die agile Vorwärtsbewegung bei den anderen Beispielen noch etwas besser, auch wenn dies natürlich in jedem Fall eine absolut prächtige Deutung ist, die Karl Böhm hier vorlegt.


    Gemessen an dem Alter ist die Klangtechnik hervorragend, alle Instrumente werden plastisch und klar dargestellt in beeindruckender Klangfülle.

  • Ich hab mich inzwischen wie eine Wühlmaus durch meine Sammlung geackert und herausgefinden, daß ZUMINDEST in der Interpretation von Sir Neville Marriner und jener unter Jeffrey Tate der zur Diskussion stehende Alternativsatz mit enthalten sind.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    ganz herzlichen Dank für Deine Mühe! Ich habe daraufhin die Aufnahme unter Marriner ausfindig gemacht und lausche gerade diesem Alternativsatz. Auch dies eine ganz große Kostbarkeit, und ich sehe mich außerstande, zu entscheiden, welcher mir besser gefällt! Dieser Alternativsatz ist vielleicht noch ein wenig liebreizender, herzinniger als der andere. Beide jedoch sind herrlich und auf ihre Weise immer wieder hörenswert.


    liebe Grüße



  • Zu Alfreds Äußerungen über das zweite Andante zu KV 297 kann ein Brief Mozarts zitiert werden, der den Umstand näher erklärt:

    Zitat

    Eines Tages, als ich Raaff besuchen wollte, war er nicht zu Haus, und man versicherte mich, er würde bald kommen; ich wartete also. Monsieur Le Gros kam ins Zimmer: »Das ist ein Mirakel, daß man einmal wieder das Vergnügen hat, Sie zu sehen.« – »Ja, ich habe gar so viel zu tun.« – »Sie bleiben ja doch heute bei uns zu Tisch?« – »Ich bitte um Verzeihung, ich bin schon engagiert.« – »Monsieur Mozart, wir müssen einmal wieder einen Tag beisammen sein.« – »Wird mir ein Vergnügen sein.« Große Pause. Endlich: »Apropos, wollen Sie mir nicht eine große Sinfonie machen für Fronleichnam?« – »Warum nicht?« – »Kann ich mich aber darauf verlassen?« – »O ja, wenn ich mich nur so gewiß darauf verlassen darf, daß sie produziert wird und daß es nicht so geht, wie mit der Sinfonie concertante.« Da ging nun der Tanz an, er entschuldigte sich, so gut er konnte, wußte aber nicht viel zu sagen. Kurz, die Sinfonie fand allen Beifall, und Le Gros ist damit so zufrieden, daß er sagt, das seie seine beste Sinfonie. Das Andante hat aber nicht das Glück gehabt, ihn zufriedenzustellen; er sagt, es seie zu viel Modulation darin und zu lang. Das kam aber daher, weil die Zuhörer vergessen hatten, einen so starken und anhaltenden Lärmen mit Händeklatschen zu machen wie bei dem ersten und letzten Stück. Dann das Andante hat von mir, von allen Kennern, Liebhabern und meisten Zuhörern den größten Beifall. Es ist just das Contraire, was Le Gros sagt: es ist ganz natürlich und kurz. Um ihn aber (und, wie er behauptet, mehrere) zu befriedigen, habe ich ein anderes gemacht. Jedes in seiner Art ist recht, dann es hat jedes einen andern Charakter. Das letzte gefällt mir aber noch besser.

    Zu bestätigen ist, dass (wie Neal Zaslaw im Booklet zu Neville Marriners Aufnahme der Sinfonien schreibt) im Berliner- und Salzburger-Autograph ein anderes Andante enthalten ist, als im Pariser Erstdruck. Er schreibt weiter, dass die Experten aber immer noch streiten, welches das frühere bzw. das spätere Stück ist. Allerdings ist der Kommentar schon über dreißig Jahre alt und mir ist nicht bekannt, ob es jüngere Erkenntnisse gibt. Wenn ich aber lese, dass Marriner für den einen Satz 6'14 benötigt und für den anderen 3'36 und dann auch noch berücksichtige, dass Le Gros lt. Mozart das Andante als zu lang empfunden hat, kann die Schlussfolgerung doch nur lauten: Der längere Satz ist der ursprüngliche und der kürzere der Altrnativ-Satz...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Dieser Alternativsatz ist vielleicht noch ein wenig liebreizender

    Geanu das ist es. Mozart hat es so empfunden, Du hast es so empfundenm ich habe es so empfunden

    Zudem ist er auch kürzer - Was soll man noch zweifeln, welches das erste, welches das zweite ist ?


    Einmerseits ist die Musikwissenschaft (und die Kunsthistoriker bei Gemälden ebenso) sehr großzügig mit Zuschreibungen -

    und bei Dingen die offensichtlich sind - ist man dann wieder pngelig.....


    Danke übriegens an den Musikwanderer für die eingefügte Textstelle

    Es ist kaum zu glauben wie viele schriftlichen Zeugnisse (nicht nur im Falle Mozart) überliefert , bze erhalten geblieben sind -

    und wie wenig davon veröffentlicht wird - alles gekürtzt und verfremdet.


    Ich ermuntere alle Tamino Mitglieder alte Texte (Autor länger als 50 Jahre tot) - so sie Zugang dazu haben -

    in den jeweils passenden Treads zu veröffentlichen....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist kaum zu glauben wie viele schriftlichen Zeugnisse (nicht nur im Falle Mozart) überliefert , bze erhalten geblieben sind -

    und wie wenig davon veröffentlicht wird - alles gekürtzt und verfremdet.

    Was Mozarts schriftliche Zeugnisse anbelangt, kann ich behaupten, eingedeckt zu sein - ich habe mir nämlich vor Jahren die sechsbändige (vier und zwei Kommentarbände) Geamtausgabe (aus dem Bärenreiter-Verlag) der Mozart-Briefe gekauft. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es inzwischen eine nochmals erweiterte, weil neuere Funde gemacht wurden, Ausgabe.


    Aber daraus könnte ich ja nicht in der Weise, wie oben geschehen, zitieren, höchsten händisch abschreiben. Des Rätsels Lösung ist das "Projekt Gutenberg", darin in 150 Kapiteln Mozarts Briefe von 1769 bis 1791 (endend also mit des Meisters Tod am 5.12.1791). Die Buchausgabe geht noch weiter.


    Es gibt aber auch noch die Online-Edition des Mozarteums: http://dme.mozarteum.at/DME/briefe/doclist.php


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER