Musik im 20. Jhdt. ist politisch - Teil 1: Musik zum Ruhme eines Systems

  • Fern von jeglicher Live-Kultur bin ich ganz auf den Tonträgermarkt angewiesen und da find ich von Eisler eigentlich nichts neues, sondern nur Konserven aus der wirklich guten alten Zeit. Diese Aufnahmen sind weiß Gott nicht schlecht, aber die Welt hat sich weiter gedreht, weswegen ein Neuansatz durchaus wünschenswert wäre.


    John Doe :jubel:

  • Wer hier ja auch einmal erwähnt werden könnte ist Richard Strauß. Ich bin da nicht auf der HÖhe der Forschung, aber seine Nähe zum 3. Reich kann man doch jedenfalls nicht ganz negieren. War da Propagandamusik dabei?

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Hallo Klaus 2,


    bei Strauß ist nichts dergleichen zu finden. Wenn man dem was vorwirft, dann sein krampfhaftes unpoliisch sein, wobei ich den Eindruck habe, dass Strauß schon immer unpolitisch war. D.h. ob das nun die Nazi-Diktatur war, oder ob es eine Militärdiktatur gewesen wäre, Strauß hätte sich mit der einen genau so gut arrangiert, wie mit der anderen, weil es ihn, glaube ich, gar nicht interessiert hat. Oder, um mal in die humanistische Kiste zu greifen, Strauß war kein zoon politikon, sondern hat sich freiwillig und mit Nachdruck und tiefster Überzeugung zur Gruppe der idiotes gerechnet.


    Viele Grüße
    John Doe
    :jubel:

  • Fern von jeglicher Live-Kultur bin ich ganz auf den Tonträgermarkt angewiesen und da find ich von Eisler eigentlich nichts neues, sondern nur Konserven aus der wirklich guten alten Zeit. Diese Aufnahmen sind weiß Gott nicht schlecht, aber die Welt hat sich weiter gedreht, weswegen ein Neuansatz durchaus wünschenswert wäre.



    Amazonien schreibt: "12. September 1995"
    :hello:

  • Fern von jeglicher Live-Kultur bin ich ganz auf den Tonträgermarkt angewiesen und da find ich von Eisler eigentlich nichts neues, sondern nur Konserven aus der wirklich guten alten Zeit. Diese Aufnahmen sind weiß Gott nicht schlecht, aber die Welt hat sich weiter gedreht, weswegen ein Neuansatz durchaus wünschenswert wäre.


    John Doe :jubel:



    Neu genug? Von 2005.


    Grüße,


    Garaguly

  • Hallo Garaguly,


    wenn's eine deutsche Aufnahme wäre, ja. So ist es aber eine französische, wobei das letztendlich wieder dafür spricht, dass Eisler immer noch nicht die bundesdeutsche Absolution zu Teil geworden ist.


    Breste Grüße
    John Doe

  • Habe mir eben für 4,99 bei Saturn die Deutsche Symphonie gekauft. Seitdem weiß ich erst, dass es ein Chorwerk ist. Und dass die Texte von Brecht sind. Bin mal gespannt. Die Titelüberschriften sind schon mal sehr "gewollt". Schreckt mich alles ein wenig ab, daher habe ich auch noch gar nicht riengehört.
    Owei owei
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Hallo Klaus 2,


    meines Erachtens sollte der Titel "Deutsche Sinfonie" sowohl in die Irre führen, als auch provozieren, als auch für das gute Deutschland stehen. Ich persönliche bezeichne sie lieber mit ihrem Untertitel: eine antifaschistische Kantate, wobei dieser Titel auch die gesamte Grundstimmung dieser Musik trifft: Unterdrückung, Not, Widerstand. D.h. diese Sinfonie ist bar jeglichen Lichtblickes, geschweige denn eines positiven Ausgangs.
    Von dem her ist sie auch keine Musik zum Ruhme eines Systems, sondern Widerstandsmusik, was der Teil 2 von "Musik im 20. Jhdt ist politisch wird.


    Nichtsdestotrotz würd mich aber interessieren, was du zu diesem Stück sagst.


    John Doe

  • meines Erachtens sollte der Titel "Deutsche Sinfonie" sowohl in die Irre führen, als auch provozieren, als auch für das gute Deutschland stehen.


    Das sehe ich auch so.


    Und ich finde den Titel "Deutsche Sinfonie" für ein Werk, dass in der Emigration, sehr weit weg von der Heimat, enstand ungemein treffend. Die Nazis hatten "Deutschland" - auch den Begriff - völlig okkupiert. Da war ein Gegengewicht schon nötig.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Nun endlich Zeit gefunden, sie zu hören.
    Nun ja. Es gab sehr wohl Stellen, wo nur noch das "Hurz!!" fehlte. Die Musik selber gefällt mir ganz gut, da sind auch so Shostakovich-Anklänge drin, finde ich. Die einzelnen Teile, sind mir eindeutig zu wenig verbunden. Insofern ist es nicht wirklich eine Symphonie, Kantate oder so passt wirklich besser.
    Und -ja - manchmal klingt es nach Propaganda. Es ist sehr wohl unterhaltsam, ohne an die tiefen Gefühle zu rühren, es ist eher für den Intellekt. Gut gefällt mir fast alles, was die Schlagzeuger machen. Da wird ordentlich auf der großen Trommel rumgehauen und auch die Snare macht teilweise echt was her.
    Aber der Gesang macht es mir einfach immer wieder zunichte.
    tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Naja, aber warum "in die Irre führen" oder "provozieren"? Es geht um Deutschland, fertig.


    Das hab ich im historischen Kontext gemeint, denn wie Rheingold schon gesagt hat, die Nazis hatten auch den Begriff "Deutschland" zur Gänze okkupiert.


    Es ist sehr wohl unterhaltsam, ohne an die tiefen Gefühle zu rühren, es ist eher für den Intellekt


    Im Vergleich zu den anderen bis jetzt aufgezählten Werken in diesem Thread ist die Deutsche Sinfonie doch ein sehr trockenes, kopflastiges Werk, dessen Texte ohne Musik genau so funktionieren.
    Ich besitze beide hier schon genannten Aufnahmen, die mit dem soldier boy auf dem Cover und die mit dem Hammer und Sichel-Mädel, und bin mit keiner so recht zufrieden. Sind mir alle beide ein bißchen zu weich und die Artikulation und Textverständlichkeit sowohl bei den Chören, als auch bei den Solisten läßt für mein Empfinden bei beiden Aufnahmen zu wünschen übrig. Gerade weil diese Sinfonie so textlastig ist, sollte dieser auch deutlich zu verstehen sein.


    Handelt es sich bei deiner 4,99 € Aufnahme um die alte Eterna-Einspielung aus der DDR?


    John Doe

  • Handelt es sich bei deiner 4,99 € Aufnahme um die alte Eterna-Einspielung aus der DDR?



    Was dann wohl diese hier wäre, oder? Die gab's aber zumindest bei Saturn Frankfurt nicht für 4,99, sondern für's Doppelte.


    Grüße,


    Garaguly


  • Diese hier ist es.
    Aber genau das ist wohl ein Teil des Problems. Die Texte bedürfen der Musik nicht. Teilweise aber bedarf die Musik der Sinnhaftigkeit der Texte.


    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Also ich muss bei der Deutschen Sinfonie fast weinen ...
    Das ist eine sehr emotionale Sache mit nicht zu wenig Sentimentalität (wie es sich für kommunistische Kunst gehört).
    Ich zweifle mal daran, dass Eisler viel mit Schostakowitsch am Hut hatte - mich hat das noch nie an den russischen Obersinfoniker erinnert.


    Was soll das mit dem "Hurz"?!

  • Kennst du nicht diese Parodie von Hape Kerkeling?
    Ich finde das köstlich. Gib mal Hurz bei Youtube ein, dann wird das wohl sofort kommen.
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Nach einem Jahrzehnt will ich diesen spannenden Thread ausgraben, vielleicht passt es gut hier herein.



    Die Reihenfolge der Unionsrepubliken: Estland - Turkmenistan - Armenien - Tadschikistan - Kirgisistan - Lettland - Moldau - Litauen - Aserbaidschan - Georgien - Kasachstan - Usbekistan - Belarus - Ukraine - Russland.


    Ein Intro des sowjetischen Zentralfernsehens, das eine fast schon unheimliche Aktualität bekommt. Mit etwas Recherche kommt man dahinter, dass die zugrunde liegende Musik aus Schostakowitschs Kantate "Über unserer Heimat strahlt die Sonne" op. 90 (1952) stammt (übrigens ein durchaus hörenswertes Stück, ganz unabhängig davon). Es hat Wochenschau-Fanfare-Qualitäten. Zuletzt wird eingeblendet: "Der Kurs von Frieden und Entspannung" (wenn mich mein Russisch nicht verlässt). Auch dies erinnert an derzeit propagandistisch untermauertes Agieren.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ein wirklich interessantes Thema. Fragen dieser Art beschäftigen mich auch schon lange, ohne, dass ich sagen könnte, ich hätte letztgültige Antworten gefunden. Ich möchte hier auch nur mit ein paar Bermerkungen die Diskussion vielleicht ein wenig anregen.


    1. Musik entsteht (bis auf wenige Ausnahmen) immer in einem gesellschaftpolitschen Kontext. Manchmal ist der sehr explizit manchmal weniger. Wir haben im Mittelalter meistens religiöse Musik, denn da war der Kontext, wo sie benötigt wurde. Und über die Jahrhunderte ließ sich der Adel seine gesellschaftliche Stellung gerne musikalisch untermalen. Propaganda als solche ist ein moderneres Phänomen, was direkt Bezug nimmt auf das Entsthen einer Massenkultur, die es früher so gar nicht gab oder absolut unerheblich war.


    2. Zur Frage, ob Propagandamusik gut sein kann? Die Antwort ist klar "Ja". Für mich ist eines der auffallendsten Propagandawerke Beethovens Neunte Sinfonie! (Auch wenn hier der Adel offensichtlich nicht der Sponsor ist ;)) Ist die gut? ----- Sie ist zudem höchstgradig originell.


    3. Gibt es einen ästhetischen Zusammenhang zwischen dem offensichtlich (oder auch weniger offensichtlich) vom Komponisten Bezweckten und dem vom Rezipienten Wahrgenommenen? Kann ein Athetist Bachs h-Moll Messe genießen?


    4. Änderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bringen (u.a.) auch musikalische Kräfte zum Vorschein, die sonst untergegangen wären. Das ist, wie schon an anderer Stelle wirklich gut ausgeführt wurde, auch der Grund, warum (offensichtliche) Propagandamusik in der Sowjetzeit neuer und origineller sein konnte, als Vergleichbares im Nationalsozialismus oder auch Faschismus, die ihre Wurzeln ja gerade in völkischen Traditionen sahen ...


    Just my two Cents...

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  • "Musik zum Ruhme eines Systems" - der Threadtitel ist gut gewählt. Die Frage, die ich mir in letzter Zeit vermehrt stelle, ist indes, ob dies wirklich ein rein modernes Phänomen ist und ob es Propagandamusik im weiteren Sinne nicht auch bereits lange vor dem 20. Jahrhundert gab. Wie hier ja auch schon angedeutet wurde, ist die Lobpreisung Gottes oder eines Herrschers nicht etwas grundsätzliches Andersartiges als die Lobpreisung eines Führers oder einer Partei. Das, was propagiert wird, hat sich eben im Laufe der Zeit verändert. Das Te Deum wurde schon im gregorianischen Choral im Frühmittelalter angestimmt und bekanntlich noch von Bruckner über ein Jahrtausend später vertont.


    Die Vereinnahmung von Musik für propagandistische Zwecke erreichte ihre Perfektion gewiss im 20. Jahrhundert, wobei sich mir zunehmend der Eindruck aufdrängt, dass die Nationalsozialisten primär auf Älteres zurückgriffen (besonders Wagner, Liszt, Beethoven), während die (insbesondere) sowjetischen Kommunisten in erster Linie Neukompositionen in Auftrag gaben und hochrangige Komponisten wie Prokofjew, Schostakowitsch und Chatschaturjan für ihre Zwecke einspannten. Besagte Schostakowitsch-Kantate "Über unserer Heimat strahlt die Sonne", geschrieben anlässlich des 35. Jahrestages der Oktoberrevolution, sei "ein Auftragswerk, das vom künstlerischen Standpunkt aus schnell vergessen werden kann" (Lothar Seehaus, Schostakowitsch, Wilhelmshaven 1986, S. 113). Nun kann man hinterfragen, ob solche Abwertungen nicht auch ideologisch bedingt sind, denn laut demselben Autor gehöre auch die 12. Symphonie, gewidmet dem Jahre 1917, "zu den uninteressanten, schwächeren Werken, geschrieben mit Routine und im starren Blick auf einen großen Revolutionär und Parteiführer" (ebd., S. 83). Mir ist das alles zu sehr im Schwarzweißdenken verhaftet.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Besagte Schostakowitsch-Kantate "Über unserer Heimat strahlt die Sonne", geschrieben anlässlich des 35. Jahrestages der Oktoberrevolution, sei "ein Auftragswerk, das vom künstlerischen Standpunkt aus schnell vergessen werden kann" (Lothar Seehaus, Schostakowitsch, Wilhelmshaven 1986, S. 113). Nun kann man hinterfragen, ob solche Abwertungen nicht auch ideologisch bedingt sind, denn laut demselben Autor gehöre auch die 12. Symphonie, gewidmet dem Jahre 1917, "zu den uninteressanten, schwächeren Werken, geschrieben mit Routine und im starren Blick auf einen großen Revolutionär und Parteiführer" (ebd., S. 83). Mir ist das alles zu sehr im Schwarzweißdenken verhaftet.

    Ich habe noch einen Kammermusikführer, wo überhaupt die Streichquartette von Schostakowitsch schlecht wegkommen. Ein Urteil, was in einem neueren Musiklexikon sicher nicht mehr bestätigt würde. Ich habe nicht selten erlebt, dass die Halbwertszeit von Kritken und Kritikern deutlich unter der der Kunstwerke und Künstler liegt .... Ein großes Kunstwerk ist nicht eines mit einem großen oder politsch aktuellem Anspruch, sondern eines was die Wirkung in sich trägt, völlig unabhängig vom Anspruch.


    Also (ohne jetzt das Werk zu kennen) ist es nicht ausgeschlossen, dass Schostakowitsch' Kantate "Über unserer Heimat strahlt die Sonne" große Kunst ist, wenn auch die Thematik vielleicht nicht so wirken mag. Das Schöne an der Musik ist nicht zuletzt ihre mögliche Abstraktheit!

  • Die Vereinnahmung von Musik für propagandistische Zwecke erreichte ihre Perfektion gewiss im 20. Jahrhundert, wobei sich mir zunehmend der Eindruck aufdrängt, dass die Nationalsozialisten primär auf Älteres zurückgriffen (besonders Wagner, Liszt, Beethoven), während die (insbesondere) sowjetischen Kommunisten in erster Linie Neukompositionen in Auftrag gaben und hochrangige Komponisten wie Prokofjew, Schostakowitsch und Chatschaturjan für ihre Zwecke einspannten. Besagte Schostakowitsch-Kantate "Über unserer Heimat strahlt die Sonne", geschrieben anlässlich des 35. Jahrestages der Oktoberrevolution, sei "ein Auftragswerk, das vom künstlerischen Standpunkt aus schnell vergessen werden kann" (Lothar Seehaus, Schostakowitsch, Wilhelmshaven 1986, S. 113). Nun kann man hinterfragen, ob solche Abwertungen nicht auch ideologisch bedingt sind, denn laut demselben Autor gehöre auch die 12. Symphonie, gewidmet dem Jahre 1917, "zu den uninteressanten, schwächeren Werken, geschrieben mit Routine und im starren Blick auf einen großen Revolutionär und Parteiführer" (ebd., S. 83). Mir ist das alles zu sehr im Schwarzweißdenken verhaftet.

    Nach allem, was ich weiß, hätten die Nazis schon gern eine eigenen Musik gehabt. Und es gab ja auch entsprechende Werke, die aber oft auf Ablehnung stießen. In dem Buch "Herorische Weltsicht - Hitler und die Musik" von Sebastian Werr wird geschildert, dass sich Komponisten mit dem Hinweis auf die eigene stramme Gesinnung anboten. "Gut gemeint, aber keine Melodie", befand Goebbels beispielsweise über die Oper Der Freikorporal des heute vergessenen Komponisten Georg Vollerthun. Musik müsse klingen. Wie hat die Vollerthun-Oper - um bei diesem Beispiel zu bleiben - wohl geklungen? Ich würde sie schon einmal hören, um mir ein eigenes Bild machen zu können. Stattdessen wird in Sachen Propagandamusik immer gern auf die Russen zurückgegriffen. Dabei werden nach meiner Beobachtung auch vorschnelle und kurzsichtige Urteile gefällt. Ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten derartigen Werke in ehrlicher Absicht entstanden sind. Deshalb verfehlen sie ihr Wirkung bis weit über ihre Zeit hinaus nicht.

    Ein großes Kunstwerk ist nicht eines mit einem großen oder politsch aktuellem Anspruch, sondern eines was die Wirkung in sich trägt, völlig unabhängig vom Anspruch.


    Also (ohne jetzt das Werk zu kennen) ist es nicht ausgeschlossen, dass Schostakowitsch' Kantate "Über unserer Heimat strahlt die Sonne" große Kunst ist, wenn auch die Thematik vielleicht nicht so wirken mag. Das Schöne an der Musik ist nicht zuletzt ihre mögliche Abstraktheit!

    Sehr richtig!

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nach allem, was ich weiß, hätten die Nazis schon gern eine eigenen Musik gehabt. Und es gab ja auch entsprechende Werke, die aber oft auf Ablehnung stießen.

    Die Nazis haben Musik gehabt, sie haben sogar sehr gute Musik gehabt, jedoch nicht im Bereich der Klassik sondern des Schlagers: "Lily Marleen", "das kommt nur einmal, das kommt nie wieder," "ich weiß es wird, es wird einmal ein Wunder geschehen", "davon geht die Welt nicht unter". Diese Schlager waren Bestandteile von Filmen und Revuen und haben so eine regelrechte neue Kunstform geschaffen, die so nicht mehr existiert.


    John Doe

  • Es stimmt schon: Es gab sie, die spezifischen Nazi-Kompositionen. Aber man kommt - anders als bei den stalinistischen - praktisch nicht an sie heran. In den Untiefen des Deutschen Rundfunkarchivs liegt die Symphonie eines heute vergessenen Komponisten aus der NS-Zeit, die nach meiner Erinnerung für irgendeinen offiziellen Anlass komponiert wurde. Nun kann ich mich aus unerfindlichen Gründen nicht mehr an den Namen des Herrn erinnern, ich finde es in meinem Mail-Verkehr nicht mehr. Sicher weiß ich aber noch, dass seinerzeit vom DRA mitgeteilt wurde, dass diese Aufnahme nicht herausgegeben werden könne und nur bei belegt wissenschaftlicher Recherche freigegeben würde. Eigentlich sollte so etwas durchaus - meinetwegen in einer kommentierten kritischen Edition - der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.

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    – Luís de Camões

  • Nachtrag: Nun bin ich doch noch auf genauere Details gestoßen:


    Friedrich Jung (1897-1975): Symphonie B-Dur für großes Orchester op. 173, gewidmet Reichsorganisationsleiter Dr. Ley (1942)

    Sätze: 1918 Deutschland - Heldengedenken - Totentanz - Deutschland 1933


    Nationalsozialistisches Reichs-Symphonieorchester (NSRSO)
    Dirigent: Friedrich Jung


    Sonderkonzert der Kreisleitung München der NSDAP im Odeon, 8. Juni 1942
    Mitschnitt des Reichsrundfunks (DRA, Archiv-Nummer 61 U 1024)

    Der in Wien geborene Jung war u. a. Chorleiter bei den Bayreuther Festspielen (1936-1942). Weitere Informationen hier.

    Des Weiteren gab es u. a.:


    Hermann Erdlen: Saar-Kantate (1934); Deutsches Helden-Requiem (1937)

    Gottfried Müller: Deutsches Heldenrequiem (1934); "Führerworte" (1942)

    Cesar Bresgen: Totenfeier (1937)
    Hans Ferdinand Schaub: Deutsche Kantate "Den Gefallenen" (1940); Deutsches Tedeum (1942)

    Werner Egk: Totenklage aus "Olympische Festmusik" (1936)


    Max Trapp: Symphonie Nr. 5 op. 33 (1937)

    Johann Nepomuk David: drei Symphonien (1937-1942)

    Otto Leonhardt: fünf Symphonien (1938); Symphonische Dichtung "Den Gefallenen des 9. November"

    Ernst Gernot Klussmann: Symphonie Nr. 1 c-Moll (1934)

    Hermann Zilcher: Symphonie Nr. 4 fis-Moll op. 84 (1937)

    Paul Höffer: Sinfonie der grossen Stadt (1938)

    Josef Rauch: Symphonie e-Moll op. 10 (1940)


    Quelle: Reinhold Brinkmann, The Distorted Sublime: Music and National Socialist Ideology - A Sketch, in: Mark Carroll (Hrsg.), Music and Ideology, New York 2016, S. 213-234, hier 213.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dieser Beitrag entspricht nicht dem Thema (20.Jh.), aber erinnert daran, dass große Teile der Alten Musik höfische Musik war.

    Als Beispiel Ercole amante von Cavalli. Von Kardinal Mazarin in Auftrag gegeben für die Hochzeit von Louis XIV und der spanischen Infantin Maria Theresia (9.6.1660), aber erst 2 Jahre später aufgeführt, mit Balletten von Lully, in denen Ludwig auch tanzte.


    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)