Gaetano Donizetti ( 1797 - 1848 )
Lucrezia Borgia
Oper in einem Prolog und zwei Akten
Libretto: Felice Romano nach Victor Hugo
Originalsprache: Italienisch
Uraufführung: Mailand 1833
PERSONEN DER HANDLUNG
Alfonso, Herzog von Ferrara, Bass
Lucrezia, seine Gemahlin, Sopran
Gennaro, Tenor
Orsini; Freund Gennaros, Alt
Liverotto, Freund Gennaros, Tenor
Vitellozzo, Freund Gennaros, Tenor
Petrucci, Freund Gennaros, Bass
Gazella, Freund Gennaros, Bass
Gubetta, Spitzel Lucrezias, Bass
Astolfo, Diener Lucrezias, Bass
Rustighello, Diener des Herzogs, Tenor
Edelleute, Hofdamen, Schergen, Wachen
Ort und Zeit der Handlung: Venedig und Ferrara, frühes 16. Jahrhundert
INHALTSANGABE
PROLOG
Terrasse des Palastes Grimani.
Die jungen Leute feiern Karneval und preisen das schöne Venedig. Unter ihnen befinden sich Gennaro, Orsini, Gazella, Petrucci, Liverotto und Vitellozzo, aber auch Gubetta, ein Spitzel Lucrezias. Als dieser den Namen Lucrezia erwähnt, geben alle ihren Hass auf die Familie zu erkennen.
Orsini will erzählen, warum er diese Familie besonders hasst. Doch Gennaro will die Geschichte nicht erneut hören, legt sich auf eine Bank und schläft ein, während die anderen Orsini auffordern, weiterzureden. Orsini berichtet, wie er in der Schlacht bei Rimini verwundet liegengeblieben war und Gennaro ihn gefunden und gerettet habe. Sie haben sich Freundschaft bis in den Tod geschworen. Da sei plötzlich ein Fremder aus dem Wald getreten und habe ihnen den gemeinsamen Tod verkündet. Er warnte, den Borgias aus dem Weg zu gehen und prophezeite ihnen den Tod durch Lucrezias Hand.
Aus dem Palast erklingt Musik und der Chor ruft zum Tanz. Orsini tut zwar so, als ob er an die Prophezeiung nicht glaube, doch innerlich kommt er davon nicht los. Die Freunde jedoch reden ihm gut zu und ziehen ihn mit in den Palast. Nur Gennaro bleibt schlafend auf der Bank zurück.
Lucrezia tritt maskiert auf und betrachtet verwundert den jungen Mann, der bei dem Lärm schlafen kann und wünscht ihm, dass er weiterhin so ruhig schlafen könne, während sie selbst keine ruhigen Nächte hat. Gubetta kommt hinzu und warnt sie, dass sie entdeckt und beschimpft werden könne, doch sie sagt, das sei sie gewöhnt. Gubetta wundert sich auch, dass sie diesem Jüngling von Ferrara nach Venedig gefolgt sei, erhält aber keine Antwort, sondern wird fortgeschickt.
Lange betrachtet Lucrezia Gennaro und wünscht sich, er möge sie nie verachten. Für einen Augenblick muss sie die Maske abnehmen, um ihre Tränen zu trocknen.
Unterdessen sind Ihr Gatte Alfonso und sein Diener Rustighello eingetroffen und beobachten im Verborgenen die Szene. Rustighello wird beauftragt, Gennaro zu überwachen und dafür zu sorgen, dass dieser nach Ferrara kommt, wo Alfonso Rache an ihm nehmen will.
Als sie gegangen sind, drückt Lucrezia noch einmal ihre ganze Traurigkeit aus. Dann küsst sie dem schlafenden Jüngling die Hand. Dieser erwacht und sieht eine reizende Dame. Als er sich ihr nähern will, bittet sie ihn, sie gehen zu lassen. Er will dennoch nicht ablassen und sie fragt ihn, ob er sie etwa liebe. Er gesteht es ein, lässt aber keinen Zweifel, dass er einen Menschen noch mehr liebe als sie: seine ihm unbekannte Mutter. Sie ist ergriffen und bedeutet ihm, dass er ihr vertrauen könne. Dann erzählt er seine Geschichte. Er habe in Neapel bei einem Fischer gelebt, den er für seinen Vater gehalten habe. Eines Tages habe ein fremder Krieger ihm ein Pferd, Waffen und einen Brief seiner Mutter gebracht. Darin habe sie ihn gebeten, niemals nach ihrem Namen zu forschen, weil sie dann ein Unglück befürchte. Er trage den Brief immer bei sich und zeigt ihn ihr. Er habe schon viel darüber geweint. Auch Lucrezia muss weinen und wünscht, seine Mutter möge ihn eines Tages an ihr Herz drücken können.
Die Gesellschaft, allen voran Orsini, kehrt auf die Terrasse zurück. Lucrezia will entfliehen, doch Gennaro bittet sie zu bleiben. Orsini hat sie erkannt, stellt sich ihr entgegen und will Gennaro sagen, wer sie ist. Doch Gennaro warnt alle, die Dame nicht zu beleidigen, wenn sie seine Freundschaft nicht verlieren wollen.
Dennoch dringen Orsini und die anderen Freunde auf Lucrezia ein und werfen jeder Einzelne Lucrezia die Verbrechen vor, die die Borgias an ihren Familien begangen haben. Man entreißt Lucrezia, die sich Gennaro zu Füßen geworfen hat, die Maske und alle erkennen die Borgia. Tumultartig laufen alle davon. Lucrezia folgt Gennaro auf den Knien.
ERSTER AKT
1. Bild: Ein Platz in Ferrara vor einem Palast, an dem das Wappen mit goldenen Lettern „BORGIA“ prangt. Daneben das Haus Gennaros.
In Gennaros Haus wird gefeiert. Der Graf und Rustighello tauchen auf. Auf Alfonsos Frage, ob er Gennaro unter der venezianischen Gesandtschaft entdeckt habe, erklärt Rustighello, er sei ihm wie ein Schatten gefolgt und hier sei sein Haus. Der eifersüchtige Graf vermutet, dass Lucrezia ihn hier hin haben wollte und bemerkt: „ Zwar konnte er hinein, aber lebend kommt er nicht heraus“. Auf Rustighellos Bedenken, was wohl der venezianische Gesandte Grimaldi dazu sagen würde, antwortet Alfonso, er fürchte weder Venedig noch seinen Abgesandten. Dann gehen sie ab.
Die Freunde kommen aus dem Haus und verabschieden sich von Gennaro. Als Orsini ihn nach dem Grund seiner Traurigkeit fragt, erfährt man, dass er hofft, seine unbekannte Mutter wenigstens einmal zu sehen.
Alle sprechen und freuen sich über die Einladung bei der Prinzessin Negroni. Auch Gubetta taucht auf und gibt an, an dem Fest teilzunehmen. Gennaro äußert gegenüber Orsini, dass ihm dieser verdächtig vorkomme und ist verstimmt. Die Freunde foppen ihn, ob er sich über die Borgias ärgere. Da wird er wütend und zerstört das „B“ der Inschrift, so dass „Orgia“ stehen bleibt. Gubetta weist darauf hin, dass das wohl teuer für ihn werde. Doch Gennaro sagt, dass er bereit sei, sich dazu zu bekennen.
Im Hintergrund sieht man zwei dunkle Gestalten. Orsini merkt, dass sie beobachtet werden, die Freunde trennen sich und Gennaro geht zurück ins Haus.
Die beiden Gestalten Rustighello und Astolfo streiten, wer Gennaro gefangen nehmen darf, Rustighello für den Herzog, was seinen Tod bedeutet, Astolfo für Lucrezia, was zum Vergnügen führen soll. Schließlich ruft Rustighello Schergen herbei, die Astolfo verdrängen. Danach stürmen sie das Haus Gennaros.
2. Bild: Ein Zimmer im Palast des Herzogs
Rustighello meldet dem Herzog den Vollzug der Gefangennahme. Der Herzog bittet ihn, im Nebenzimmer ein goldenes und ein silbernes Gefäß bereitzustellen. Aus dem Gespräch entnimmt man, dass sich in dem goldenen Gefäß der spezielle „Wein der Borgias“ befände. Außerdem solle er ein Schwert bereithalten. Je nach Anweisung des Herzogs solle er dann entweder mit dem Degen oder mit den beiden Gefäßen hereinkommen. Die Ankunft Lucrezias wird gemeldet und Rustighello verschwindet.
Lucrezia kommt wütend herein und beschwert sich, dass ein Unverschämter ihr Wappen geschändet habe. Ihrer Forderung nach dessen Tod vor ihren Augen kommt der Herzog natürlich gerne entgegen und gibt sein Ehrenwort. Dann lässt er den Übeltäter hereinbringen. Zu ihrem großen Schrecken muss Lucrezia feststellen, dass es Gennaro ist. Erst behauptet sie, dass er es nicht gewesen sein könne. Doch Gennaro bekennt sich zu der Tat. Nun will sie alles daran setzen, dass dieser am Leben bleibt. Sie bittet den Herzog um eine Unterredung unter vier Augen. Alle werden hinausgeschickt.
Aber all ihr Flehen hilft nicht, Alfonso bleibt hart und beruft sich auf sein Ehrenwort. Außerdem wirft er seiner Gattin vor, dass sie nur um Gennaros willen nach Venedig gereist sei. Aus Furcht bekennt sie nicht die wahre Sachlage. Selbst, als sie mit der Rache der Borgias droht, rührt ihn das nicht. Er bietet ihr die Wahl zwischen Schwert und Gift für den Übeltäter an. Dann lässt er Gennaro wieder hereinführen.
Heuchlerisch erklärt Alfonso, dass er ihn begnadigen wolle, wofür er Lucrezia danken solle.
Er fordert ihm sogar zum Schein auf, in seine Dienste zu treten, was Gennaro jedoch ablehnt, weil er Venedig die Treue geschworen habe. Nachdem er ihn auf diese Weise vertrauensselig gemacht hat, bietet er ihm zum Zeichen der Freundschaft einen Trunk an. Rustighello bringt die beiden Gefäße. Während Alfonso sich aus dem silbernen Gefäß einschenkt, muss Lucrezia Gennaros Glas aus dem goldenen Kännchen füllen. Nachdem beide getrunken haben, begibt sich der Herzog hinaus. Schnell erklärt Lucrezia Gennaro auf, dass er Gift erhalten habe, gibt ihm ein Gegengift, das er nach anfänglichen Zaudern auch nimmt, und lässt ihn durch eine Geheimtür entfliehen.
ZWEITER AKT
1. Bild: Kleiner Hof vor dem Haus Gennaros. Nacht
Gennaro bereitet sich auf die Abreise nach Venedig vor. Er glaubt, dass das Lucrezias Wille sei. Er hat sich erneut in sie verliebt, die Frau, die ihn gerettet hat. Dann geht er ins Haus, die letzten Vorbereitungen zu treffen
Rustighello steht mit seinen Schergen bereit, Gennaro zu überfallen. Als sie Schritte hören, verbergen sie sich.
Orsini kommt und will ihn einladen, ihn zum Fest bei der Prinzessin Negroni zu begleiten. Gennaros Einwände und bösen Ahnungen verwirft er, erinnert ihn daran, dass sie sich geschworen hätten, bis zum Tode zusammen zu bleiben. Am nächsten Tag werde er ihn dann nach Venedig begleiten. Schließlich lässt er sich überreden und sie gehen gemeinsam zum Fest.
Rustighello tritt mit den Schergen heraus und befiehlt ihnen, Gennaro laufen zu lassen. Bei der Negroni gehe er von selbst in die Falle.
2. Bild: Festlich geschmückter Saal im Palast Negroni
Die Freunde Gennaros und die übrigen Gäste lassen den Wein hochleben. Gubetta erhebt sich und will fortgehen, aber Orsini tritt ihm entgegen und beginnt mit ihm zu streiten. Als auch noch ein Messer ins Spiel kommt, versuchen die Freunde, Orsini zu beschwichtigen. Die anwesenden Damen fliehen.
Endlich beruhigen sie sich. Gubetta fordert zum Trinken auf. Ein Diener bringt eine Flasche Wein. Alle trinken, aber nur Gennaro bemerkt, dass Gubetta den Wein hinter sich schüttet. Orsini beruhigt ihn, Gubetta habe wohl schon zu viel getrunken, und singt eine Ballade auf die Freuden des Lebens. Im Hintergrund hört man eine Stimme und der Chor fällt ein, dass alle Freuden des Lebens vergänglich seien. Orsini meint, dass man sie verspotten wolle und stimmt eine weitere Strophe an, man solle das Leben genießen, solange es noch möglich ist. Doch der Chor im Hintergrund wiederholt seinen Vers. Plötzlich gehen alle Lichter aus. Die Freunde versuchen, hinauszukommen, doch alle Türen sind verschlossen.
Eine Türe im Hintergrund öffnet sich und Lucrezia tritt mit bewaffneten Männern ein. Sie erklärt, dass sie jetzt Rache für die Schmähungen üben werde, die ihr in Venedig zugefügt wurden. Fünf Gräber ständen bereit, die Freunde aufzunehmen. Da tritt Gennaro hervor und erklärt, dass diese nicht ausreichten, da er mit seinen Freunden sterben werde. Mit Entsetzen erkennt Lucrezia Gennaro, von dem sie glaubte, er sei nach Venedig abgereist.
Die Freunde Gennaros werden abgeführt.
Lucrezia zieht eine Ampulle mit Gegengift hervor, aber das reicht nicht für alle.
Gennaro lehnt für sich allein das Gegengift ab, aber bevor er sterbe, werde er sie töten. Als er ein Messer vom Tisch nimmt und auf sie eindringt, eröffnet sie ihm, dass auch er ein Borgia und sie seine Mutter sei. Trotz allem bleibt er dabei, die Rettung abzulehnen, verabschiedet sich von der Mutter und stirbt in ihren Armen.
Die Türen öffnen sich und der Herzog tritt mit anderen Gästen ein. Lucrezia kann ihm noch kundtun, dass Gennaro ihr Sohn war. Dann sinkt sie leblos über der Leiche zusammen.
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