Haydns Cembalo- und Klaviersonaten - Versuch einer Rehabilitation

  • Hört man sich die von Bavouzet gespielte As-Dur Sonate an, ist man entweder hin und weg oder man vermisst etwas. Ich gehöre zur ersteren Spezies :hail:

    Ich gehöre irgendwie dazwischen, aber doch mehr in Richtung der zweiten Spezies. Mit gefällt der verspielte Charme, der Verzicht auf äußerliche "Wirkung", aber ich finde, dass das im ersten Satz (mehr habe ich noch nicht gehört) doch nicht über beide Wiederholungen trägt, zumal er bei der Wiederholung von Durchführung und Reprise auch gestalterisch kaum variiert (zuerst hatte ich sogar den Verdacht, dass da Teile einfach kopiert wurden, aber das scheint dann doch nicht der Fall zu sein). Und insgesamt ist mir das zu einseitig "hübsch". Hör Dir mal im Vergleich Svjatoslav Richter an, bei dem allein schon die zahlreichen Pausen und Fermaten viel mehr Bedeutung haben, und der insgesamt viel differenzierter, farbiger und mit mehr Audruckstiefe spielt:


    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Und insgesamt ist mir das zu einseitig "hübsch". Hör Dir mal im Vergleich Svjatoslav Richter an, bei dem allein schon die zahlreichen Pausen und Fermaten viel mehr Bedeutung haben, und der insgesamt viel differenzierter, farbiger und mit mehr Audruckstiefe spielt:

    Yep. Das sehe (höre) ich auch so. Auf jeden Fall steckt das in dem Haydn drin. Bavouzet ist vielleicht zu "verspielt" und vergibt gestalterische Chancen.... Da hat ja Judina unrecht mit der Behauptung, Richter würde nur für Rachmaninoff taugen ;)


    Diese Bassfiguren bei 2'50'' klingen bei Richter richtig cool. Die geben dem Stück hier eine Dynamik, die es unter Bavouzets Hand nicht zeigt. Wie wird das denn technisch gemacht? (Pedaltrick?)


    zumal er bei der Wiederholung von Durchführung und Reprise auch gestalterisch kaum variiert (zuerst hatte ich sogar den Verdacht, dass da Teile einfach kopiert wurden, aber das scheint dann doch nicht der Fall zu sein)

    Ich fand, dass er bei der Wiederholung deutliche Verzögerungen reinspielte, die ich im ersten Teil so nicht wahrnahm. Das kann natürlich gestalterisch zu wenig sein, aber ich hatte nicht den Eindruck jetzt wieder dasselbe zu hören.



    Den Richter hatte ich für Haydn gar nicht auf dem Schirm. :hail::hail: (fair ist fair!) Danke für den Hinweis.

  • Bavouzet ist vielleicht zu "verspielt" und vergibt gestalterische Chancen....

    Für mich klingt es auf hohem Niveau ein bisschen routiniert.


    Diese Bassfiguren bei 2'50'' klingen bei Richter richtig cool. Die geben dem Stück hier eine Dynamik, die es unter Bavouzets Hand nicht zeigt. Wie wird das denn technisch gemacht? (Pedaltrick?)

    Er spielt fast ohne Pedal und non-legato artikuliert. Hinzu kommt, dass er die Triolen nicht ganz glatt spielt, sondern links eine Spur verspätet, außerdem quasi gleich laut wie die Terzen rechts. Bavouzet macht hingegen das, was an dieser Stelle naheliegt: Er hebt die Terzen rechts dynamisch hervor und ergänzt sie mit der Linken zu sehr präzisen Triolen. Das ist eigentlich "perfekter" als bei Richter, der aber natürlich einen musikalischen Grund für seine leicht "holpernde" Version hat: Rechte und Linke spielen an dieser Stelle bei ihm sozusagen nicht mit- sondern gegeneinander, sie "stören" einander und damit die bis hierhin vorherrschende Harmonie und das Cantabile. Diese Entwicklung unterstreicht Richter auch klanglich: Nach den betont hellen Klangfarben (also solchen mit viel Oberstimme und vergleichsweise wenig Bass) betont er hier plötzlich die Dunkelheit der unteren Lage. Für diesen Farbwechsel reicht ihm eine leichte Verstärkung der Linken, weil er diese bis hierhin eher unauffällig im Hintergrund gelassen hatte. Bavouzet spielt deren ebenfalls nachgeschlagenen Achtel hingegen von vornherein sehr prägnant, kann dadurch aber bei den Triolen nur das Tempo steigern.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Mittlerweile ist übrigens beim Label CHANDOS die Gesamtaufnahme der von Bavouzet eingespielten Haydn-Sonaten erschienen.


    Auch ich danke übrigens für den Hinweis auf die Richter-Eisnpielung.



    Gutes Hören

    Christian Hasiewicz

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."