Hugo Wolf und Eduard Mörike

  • Lieber Helmut,


    ich persönlich habe nichts gegen Analysen. Sie sollten nur den Zusammenhang mit dem Erleben nicht einfach kappen und ästhetische Fragen nach dem Sinn des Ganzen nicht ausblenden. Musikwissenschaft, wenn sie positivistisch trocken ist, kann sich endlos streiten, in welchem Takt Phrase a aufhört und Phrase b beginnt. Davon hat man als Musikliebhaber in der Tat wenig. Aber als Vertiefung und Erweiterung, das Erleben von Musik besser zu verstehen, finde ich Analysen kaum verzichtbar. Und Du hast recht: Nur so wird man der Bedeutung einer Komposition und dem Komponisten gerecht, wenn man eben auch ins Detail geht. Für den Interpreten ist das ja ohnehin selbstverständlich. Warum also soll der Hörer sich nicht ähnlich ernsthaft mit der Musik auseinandersetzen? Man hört so schließlich mehr - was letztlich eine Steigerung des ästhetischen Genusses bedeutet. Und darum geht es letztlich, nicht um reine Theorie.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Auf ihrem Leibrößlein,
    So weiß wie der Schnee,
    Die schönste Prinzessin
    Reit´t durch die Allee.


    Der Weg, den das Rößlein
    Hintanzet so hold,
    Der Sand, den ich streute,
    Er blinket wie Gold.


    Du rosenfarbs Hütlein,
    Wohl auf und wohl ab,
    O wirf eine Feder
    Verstohlen herab.


    Und willst du dagegen
    Eine Blüte von mir,
    Nimm tausend für eine,
    Nimm alle dafür!


    Dieses Gedicht ist ganz typische Mörike-Lyrik: Das in seinem Zentrum stehende und in seiner Idyllik so harmlos und bezaubernd anmutende lyrische Bild öffnet sich im Laufe der Begegnung mit ihm in überaus behutsamer, aber doch unübersehbarer Weise in seiner existenziellen Tiefendimension. Es ist die von der Bereicherung und Überhöhung des Daseins durch den Traum von der Begegnung mit der Schönheit in Form des schönen Lebens, der geträumt werden will, unerfüllbar bleibt und gerade darin seine Faszination entfaltet.


    Es sind überaus zarte lyrische Bilder, aus denen sich dieses Gedicht in seiner dichterischen Aussage speist. Sie rühren ganz nahe an die in die Unwahrhaftigkeit abgleitende metaphorische Übersteigerung. Aber genau darin liegt ihr Reiz und ihre letztendliche Wahrhaftigkeit. Denn sie enthüllen sich ja als Imagination eines von der Erfüllung all seiner Lebenswünsche träumenden lyrischen Ichs. Träumen darf man. Und auch in den süßesten Bildern darf man das. Wenn …


    Wenn man gesteht, dass man alles dafür zu geben bereit ist. Insofern sind die beiden letzten Verse das eigentliche lyrische Zentrum dieses Gedichts: „Nimm tausend für eine, // Nimm alle dafür“. Dieses visionär erschaute Wesen ist in seiner feenhaften Erscheinung der Inbegriff von Schönheit. Sie ist abgehoben von der Schwere der Realität: Das Rösslein tanzet wie schwerelos über wie Gold blinkenden Sand.


    Von diesem Wesen ein Zeichen des Wahrgenommen-Werdens zu erhalten wird als eine Erfahrung von Transzendenz empfunden. Es ist das Höchste, was dieses so einfache, den Beruf des Gärtners ausübende lyrische Ich sich vorzustellen vermag. Und dafür ist es bereit, alles zu geben, was es zu geben hat.

  • Ein Volksliedton liegt dieser Komposition zugrunde, - ganz dem Thema des Gedichts und der Melodie seiner Sprache gemäß. Und wie im Volkslied üblich, leistet sich der ansonsten so sehr auf syllabisch exakte Deklamation achtende Hugo Wolf zwei „Fehler“ im Skandieren: Bei dem Wort „Leibrößlein“ trägt die Silbe „-röß“ einen Ton (er müsste eigentlich auf „Leib-„ sitzen), und auch das Wort „durch“ im vierten Vers der ersten Strophe wird durch einen tonalen Akzent zu stark hervorgehoben.


    Die Gründe dafür werden selbst bei flüchtigem Hören dieses so populären Liedes unmittelbar einsichtig: Die in schöner Kantabilität dahinfließende melodische Linie fordert ihr eigenes Recht. Und das darf sie, denn sie reflektiert auf vollkommene Weise die Beglückung, die sich beim lyrischen Ich im Augenblick des Sich-Hingebens an seine Wunschträume einstellt.


    „Leicht, graziös“ lautet die Vortragsanweisung. Und dieser klangliche Eindruck stellt sich schon im Vorspiel ein. „Sempre staccato“ erklingen beschwingt rhythmisierte, weil in der Abfolge von Achteln und Sechzehnteln sich ereignende und durch Pausen getrennte, Akkorde. Diese rhythmische Grundstruktur des Klaviersatzes bleibt das ganze Lied über erhalten, und es ist wohl nicht abwegig, wenn man darin das musikalische Abbild des „leicht und graziös“ dahinschreitenden Rössleins sieht.


    Es ist schwer, ja eigentlich unmöglich, den Zauber, der von der Melodik dieses Liedes ausgeht, in Worte zu fassen. Ganz wesentlich dürfte er in der Phrasierung der melodischen Linie wurzeln. Jedem lyrischen Bild ist eine eigene Melodiezeile zugeordnet, deren Struktur die Aussage desselben reflektiert und sie, weil jeweils Pausen dazwischengeschaltet sind, auf besondere Weise musikalisch exponiert. Gleichwohl greifen diese Melodiezeilen ineinander, so dass sich ein strophisch gegliedertes Gesamt-Klangbild einstellt.


    Dort, wo die Verzückung des lyrischen Ichs in beschönigende Metaphern und sprachliche Superlative mündet, greift die melodische Linie in bogenförmiger Weise nach oben aus und bezieht dabei noch Dehnungen ein. So etwa bei den Worten „so weiß wie der Schnee“, „die schönste Prinzessin“, „so hold“ und „wie Gold“.


    Erklingt am Ende der ersten und der zweiten Strophe jeweils ein Nachspiel, so ist dies nach der dritten nicht der Fall. Wolf wollte wohl die dritten und die vierte Strophe als musikalische Einheit verstanden wissen. Das ist vom lyrischen Text her auch wohlbegründet, wird doch mit der dritten Strophe der lyrisch-deskriptive Ton der beiden ersten durch die – freilich imaginative – Ansprache an die „Prinzessin“ ersetzt. Und tatsächlich wandelt sich nun auch der Ton des Liedes: Die melodische Linie weist kleinere deklamatorische Einheiten auf, - eben den Ansprache-Charakter der Sprachmelodie aufgreifend. Zudem finden sich hier jetzt stärker ausgeprägte harmonische Modulationen.


    Dass die vierte Strophe kompositorisch unmittelbar an die dritte anschließt, ist sicher auch dem lyrischen „Und“ geschuldet, mit dem sie einsetzt. Nun aber kommt der melodisch verzückte Ton der ersten beiden Strophen wieder zurück. Die Kurzschrittigkeit der melodischen Linie geht wieder mehr in ein Fließen über, das sich bei dem Wort „Blüte“ über ein mit einem Ritardando versehenes Emporsteigen in hohe Lage zu großer Expressivität steigert.


    Musikalisch überaus ausdrucksstark ist auch der zweite Terzfall mit nachfolgendem Sekundfall, der die Melodiezeile auf den beiden letzten Versen prägt. Sie wird, zu noch höherer Lage emporsteigend und in ihrer Expressivität dadurch gesteigert, noch einmal wiederholt.

  • Lieber Helmut,


    ein sehr schönes Lied! Das Innehalten "Eine Blüte von mir" - sehr eindringlich, wie da durch eine Dehnung die Betroffenheit betont wird. Ist das eigentlich für Frauenstimme oder für Bariton komponiert? Ich habe Kathleen Ferrier, Gerard Souzay und Fischer Dieskau gehört. Kathleen Ferrier finde ich sehr gut - wieder mal mag ich Gerard Souzay besonders, mit schöner Stimme ungemein klar und schlicht gesungen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Du fragst, lieber Holger: "Ist das eigentlich für Frauenstimme oder für Bariton komponiert?"


    Während das "Elfenlied" für Frauenstimme komponiert ist, handelt es sich bei "Der Gärtner" um ein Lied für Männerstimme. Erik Werba meint übrigens, dass ein "biegsamer Sopran" es vielleicht doch noch besser interpretieren könne, als ein Mann dies vermag.


    Darüber kann man streiten, aber ich werde mich ganz bestimmt an einer solchen Diskussion nicht beteiligen. Im übrigen - ich sagte es ja schon - war Hugo Wolf diesbezüglich überaus penibel: Ein Lied musste für ihn in der in der Tonart und der Stimmlage gesungen werden, in der er es komponiert hatte.

  • Das Lied entstand am gleichen Tag wie das „Elfenlied“, also am 7.März 1888. Man möchte meinen, dass Wolf an diesem Tag ein glückliches kompositorisches Händchen für Popularität hatte. Denn diese kommt beiden Liedern zu, und dem „Gärtner“ vielleicht noch mehr als dem „Elfenlied“.


    Und ist es bei diesem die heitere Scherzhaftigkeit und phantastische Verspieltheit des lyrischen Textes, die in Wolfs Musik ihren Niederschlag fand, so ist es hier die dem Volkslied abgelauschte, leicht an die Eingängigkeit strophischer Gliederung angelehnte und in weit phrasiertem Fließen gehaltene Melodik, die dem Lied so weite Verbreitung brachte.


    Denn es ist ja immerhin bemerkenswert:
    Korrekte Deklamation war ein ehernes Grundprinzip der Wagnerianer. Hugo Wolf, der sich immer wieder leidenschaftlich als solcher bekannte, zeigt in seiner Liedkomposition aber nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Fällen, dass er durchaus kompositorische Eigenständigkeit zu wahren wusste. Dies hier in der Weise, dass ihm die Ungebrochenheit der Melodik und die Beibehaltung des tänzerischen Grundrhythmus´ des Liedes so wichtig war, dass er die Korrektheit der Deklamation guten Gewissens zu opfern vermochte.


    Mir scheint aber auch noch dieses bedenkenswert: Wolf folgt in der Struktur der melodischen Linie ja eigentlich der Metrik der Mörike-Verse. Dort tragen, wenn man metrisch korrekt skandiert, die Silbe („Leib“-) –„röss-„ („lein“) und das Wort „durch“ nämlich einen Ton. Hört man sich die melodische Linie der Singstimme unter diesem Aspekt an, dann liegt die These nahe, dass die klangliche Faszination, die von ihr ausgeht, in eben diesem Sich-Anschmiegen an die metrischen Akzente der Sprachmelodie gründet.

  • Wieder liegt der Fall vor, dass ein Mörike-Gedicht, das Wolf kompositorisch aufgegriffen hat, auch von anderen bedeutenden Liedkomponisten zur Grundlage eines Liedes gemacht wurde. Es wurde u.a. auch von Robert Schumann vertont. Und wieder soll diese Gelegenheit genutzt werden, einen Vergleich mit diesem Lied anzustellen, um die Eigenart des jeweiligen liedkompositorischen Ansatzes zu erfassen.


    Schumanns Lied steht in D-Dur. Es weist einen Zweivierteltakt auf, und die Vortragsanweisung lautet: „Mit Anmuth“. Und so klingt diese Komposition auch. Ein leichtfüßig tänzerischer Rhythmus liegt ihr zugrunde, allerdings einer, der auf eine eigentümliche Weise ein wenig stockend wirkt. Das hängt nicht nur mit der Tatsache zusammen, dass bei der ersten und der zweiten Strophe jeder Vers eine eigene – allerdings musikalisch eingebundene – Melodiezeile trägt und dass sich dazwischen jeweils kurze Pausen einlagern. Es ist auch auf den Klaviersatz zurückzuführen.


    Dieser besteht fast durchgehend aus einer Kombination von Achtelakkord-Triolen und Einzelakkorden im Wert eines Viertels. Die eigentümlich tänzerische und zugleich stockende Rhythmik ergibt sich daraus, dass der gewichtigere Einzelakkord am Taktanfang steht und die Triolen davor wie ein Anlauf zu diesem wirken. Man darf wohl annehmen, dass sich Schumann bei dieser Rhythmisierung von dem Bild des „hintanzenden Rössleins“ inspirieren ließ.


    Zu den Eigenarten dieses Liedes gehört auch, dass die anfänglich durch die vielen Pausen wie gebrochen wirkende Melodik mehr und mehr innere Geschlossenheit und Kantabilität entfaltet. Das geschieht im Verlauf der dritten Strophe, und in der vierten fließt dann die melodische Linie ohne jegliche rhythmische Störung und erreicht fast schon das strömende Melos des Wolf-Liedes. Aber eben nur fast!


    Im Unterschied zu Wolf meidet Schumann Verstöße gegen das Gebot korrekter Skandierung. Die Silben „Leib“-(rösslein) und „Reit´t“ tragen einen Akzent in Gestalt einer Achtel-, bzw. Viertelnote. Man kann sehr deutlich vernehmen, dass sich Schumann intensiver auf die sprachliche Struktur und die Metaphorik der einzelnen Verse einlässt, als Wolf dies bei diesem Lied tut. Der „Preis“, den er dafür entrichten muss, ist die bereits erwähnte Gebrochenheit der melodischen Linie, die erste gegen Ende des Liedes einer weiter ausgreifenden Phrasierung weicht.


    Dieses ausgeprägtere Sich-Einlassen auf die Struktur und den semantischen Gehalt des lyrischen Textes ist durchgehend zu beobachten. An einigen Beispielen soll es aufgezeigt werden. So wirkt die melodische Linie, ganz dem Text gemäß, bei den ersten beiden Versen der ersten Strophe eher deskriptiv. Nur bei dem Wort „Leibrösslein“ macht sie, um es hervorzuheben, einen Quartsprung. Danach aber, bei den Worten „so weiß wie der Schnee“, bewegt sie sich sogar abwärts.


    Anders ist das beim nächsten Vers („Die schönste Prinzessin…“). Hier setzt die melodische Linie in hoher Lage an, und das Wort „Prinzessin“ wird silbengetreu derart markant deklamiert, dass es klanglich stark in den Vordergrund tritt. Beim letzten Vers der ersten Strophe verbleibt die melodische Linie zwar auf einer tonalen Ebene, das Wort „reit´t“ bekommt jedoch durch die Belegung mit einer Viertelnote eine Synkopierung, die den Gehalt des lyrischen Bildes gleichsam hörbar werden lässt. In gleicher Weise, nämlich durch eine Rhythmisierung der melodischen Linie, werden auch die Worte „hintanzet so hold“ ihrer Semantik gemäß kompositorisch behandelt.


    Bei „Du rosenfarbs Hütlein“ verfällt die Singstimme in einen beinahe rezitativischen Ton. Der Ansprache-Charakter dieses Verses wird damit auf eindrucksvolle Weise musikalisch hervorgehoben. Die Worte „Nimm tausend für eine, // Nimm alle dafür“ werden auf einer melodischen Linie gesungen, die längst nicht jene Emphase aufweist, wie sie bei Wolf zu vernehmen ist. Obwohl sie zweimal einen Quartsprung mit nachfolgendem Septfall macht, wirkt sie klanglich vergleichsweise unpathetisch. Schumann wollte damit einfach nur den Willen und die Absicht des lyrischen Ichs zum Ausdruck bringen.


    Allerdings erfolgt dann doch noch eine gewisse Steigerung der Emphase. Denn diese beiden Verse werden wiederholt. Und nun steigt die melodische Linie in lebhafter Bewegung zu höherer tonaler Lage auf, und das Wort „alle“ erklingt auf einem hohen „e“ in Forte. Klanglich beeindruckend die Wiederholung der Worte „Nimm alle dafür“: Sie werden im Ritardando auf fallender melodischer Linie pianissimo deklamiert. Es ist, als spreche das lyrische Ich sie nur noch in sich hinein, - wissend, dass die „schönste Prinzessin“ für es ohnehin nicht erreichbar ist.

  • Lieber Helmut,


    das ist wirklich ein hochinteressanter Vergleich! Schumann bringt das strenge Metrum wahrlich zum Tanzen, indem er es frei rhythmisiert. Das kann ja kein Zufall sein. Ist das der ganz bewußte Versuch einer Romantisierung, eine "schöne Verworrenheit" zu stiften?


    Deine Beschreibung ist wie immer wunderbar präzise und einfühlsam! Du steigerst Dich sogar von Gedicht zu Gedicht, finde ich! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Du vermutest, lieber Holger: "Das kann ja kein Zufall sein."


    Dieser Meinung bin ich auch, - allein schon deshalb, weil Schumann ein viel zu "bewusster" Liedkomponist war. Diese eigenwillige Rhythmisierung hat mir ein wenig Kopfzerbrechen gemacht, und zwar wegen ihres hohen Grades an rhythmischer "Irregularität".


    Wenn man nun genau hinschaut, dann stellt man fest, dass diese immer auftaucht, wenn es im Text um das lyrische Bild von der "hintanzenden Prinzessin" geht. Man findet diese Rhytmisierung also im Vorspiel, in den ersten beiden Strophe und - interessanterweise - auch wieder im siebentaktigen Nachspiel. Während dort, wo das lyrische Ich die Prinzessin ( das "rosenfarbs Hütlein") anspricht - also in den Strophen drei und vier - eine regelmäßig(!) tänzerische Rhythmisierung den Klaviersatz prägt: Ein gehaltener Vorschlag im Bass und eine nachfolgende Komination aus Sechzehntel, Achtel und Viertel.


    Ich kann mir das nur so erklären, dass Schumann diese Figur der "Prinzessin" durch diese eigenwillige Rhyrhmisierung klanglich in die Welt des Phantastischen heben wollte. Das "Leibrösslein" tänzelt rhythmisch so leichtfüßg und wirr, dass es mitsamt der Person oben drauf wie nicht von dieser Welt wirkt. Und eigentlich ist sie das ja auch nicht!

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  • Ich kann mir das nur so erklären, dass Schumann diese Figur der "Prinzessin" durch diese eigenwillige Rhyrhmisierung klanglich in die Welt des Phantastischen heben wollte. Das "Leibrösslein" tänzelt rhythmisch so leichtfüßg und wirr, dass es mitsamt der Person oben drauf wie nicht von dieser Welt wirkt. Und eigentlich ist sie das ja auch nicht!

    Das leuchtet mir völlig ein, lieber Helmut! Und Danke für Deine erhellenden Überlegungen! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Dank ist nicht nötig, lieber Holger. Auch wenn das wunderlich das vielleicht klingen mag, - ich verstehe meine Bemühungen hier als so eine Art Dienstleistung am Liedwerk Hugo Wolfs.


    Schumanns Vertonung von Mörikes Gedicht "Der Gärtner" habe ich zunächst nicht um ihrer selbst willen in meine hiesigen Liedbesprechungen einbezogen, sondern als ein eigenständig-alternatives musikalisches Werk, das mir hilft die Eigenart der Liedkomposition Wolfs besser zu verstehen. Deshalb soll auch noch eine liedvergleichende Betrachtung nachfolgen. Anders hätte die ganze Sache keinen Sinn.


    Aber wie das so geht!
    Man will ein Lied eines anderen Komponisten eigentlich nur "benutzen". Und siehe: Mit einem Mal reklamiert es sein musikalisches Eigensein. Und man vergisst sein ursprüngliches Interesse und fängt an, sich diesem Lied zuzuwenden und Fragen nachzugehen, die es beim aufmerksamen Hören aufwirft.


    Nun denke ich: Das ist ein Indiz für große musikalische Kunst. Man wird - ganz gegen seinen ursprünglichen Willen - von ihr vereinnahmt und in Bann geschlagen.

  • Dem Satz in meiner Besprechung des Schumann-Liedes:
    „Man kann sehr deutlich vernehmen, dass sich Schumann intensiver auf die sprachliche Struktur und die Metaphorik der einzelnen Verse einlässt, als Wolf dies bei diesem Lied tut.“ …war ursprünglich in Parenthese hinzugefügt: „eigentlich überraschend“.


    Ich habe das wieder gestrichen, denn nach einigem Nachdenken wurde mir bewusst, dass dies so überraschend gar nicht ist. Gewiss, es ist eine spezifische Eigenart des Liedkomponisten Wolf, sich in intensiver und detaillierter Weise musikalisch auf den lyrischen Text einzulassen, und er unterscheidet sich darin auch von Schumann. Dies aber nicht auf der rein faktischen Ebene. Auch Schumanns Liedkomposition ist in hohem Maße dem dichterischen Text verpflichtet und auf ihn gestützt. Der Unterschied zwischen beiden besteht in der dahinterstehenden kompositorischen Intention.


    Man kann dieses an diesen beiden Liedern in sehr markanter Weise erfassen. Dazu muss man gar nicht in den Notentext einsteigen, man kann es hören. Den Eindruck, der sich dabei einstellt, würde ich in folgender Weise sprachlich zusammenfassen:


    Schumann verbleibt kompositorisch ganz konsequent auf der semantischen Ebene des lyrischen Textes. Er gibt mit musikalischen Mitteln wieder, was er dort lesend vorgefunden hat. Das tut er gleichsam Vers für Vers. Infolgedessen klingen bei ihm die ersten beiden Strophen musikalisch eher deskriptiv. Hierzu gehört auch ihre eigentümliche Rhythmisierung. Eben weil es ihm darum geht, das lyrische Bild dieser „Prinzessin“ in seiner gleichsam erdabgehobenen Phantastik musikalisch zu erfassen, greift er zu diesem kompositorischen Element.


    Man kann die beiden ersten Strophen als eine Art Ouvertüre zu den nachfolgenden Strophen verstehen, in denen das lyrische Ich die „schönste Prinzessin“, genauer: deren „rosenfarbs Hütlein“, anspricht. Und ganz in der Folge dieses kompositorischen Ansatzes unterscheidet sich die musikalische Faktur dieser Strophen in der Struktur und der rhythmischen Gliederung der melodischen Linie der Singstimme deutlich von der der Strophen drei und vier. Hier darf sie sich kantabel entfalten. Das lyrische Ich gerät ja ins Schwärmen und will alles für eine Feder vom Hütlein geben.


    Das aber, die Aussage dieser beiden letzten Strophen, ist genau der Ansatz, von dem aus Hugo Wolf dieses Lied komponiert. Er geht in seiner kompositorischen Intention weiter als Schumann. Es genügt ihm nicht, Vers für Vers auf der semantischen Ebene des lyrischen Textes zu verbleiben und kompositorisch dem Verlauf von dessen lyrisch-sprachlicher Struktur Schritt für Schritt zu folgen. Er will mehr.


    Er will sich musikalisch in das lyrische Ich versenken, das angesichts dieser „schönsten Prinzessin“ zu dem Bekenntnis hinreißen lässt: „Nimm tausend für eine, nimm alle dafür.“ Aus dieser Haltung des Sich-hinein-Fühlens in das lyrische Ich muss er seiner Komposition einen einheitlichen musikalischen Guss verleihen, - eben diese schwelgerisch-kantable, leicht volksliedhaft geprägte Melodik, durch die es sich auszeichnet. Und dies auf der Basis einer durchgehenden tänzerischen Rhythmik.


    Wolf geht in seinem kompositorischen Umgang mit dem lyrischen Text also weiter als Schumann. Während dieser, wie er selbst gesagt hat, die Aufgabe des Komponisten darin sieht, „das Gedicht mit seinen kleinsten Zügen im feineren musikalischen Stoffe nachzuwirken“, will Wolf mit seinem musikalischen Mitteln ausschöpfen, was der lyrische Text eigentlich zum Ausdruck bringen wollte, mit seinen sprachlich begrenzten Mitteln aber – wie er meint - nicht voll auszudrücken vermochte.


    Wolf sah darin keine Eigenmächtigkeit des Komponisten. Ganz im Gegenteil: Er sah sich als Diener des lyrischen Dichters. Als einen freilich, der über Mittel des Ausdrucks verfügt, die diesem vorenthalten sind.
    Und darin geht er nun tatsächlich über Schumann hinaus.

  • Wolf geht in seinem kompositorischen Umgang mit dem lyrischen Text also weiter als Schumann. Während dieser, wie er selbst gesagt hat, die Aufgabe des Komponisten darin sieht, „das Gedicht mit seinen kleinsten Zügen im feineren musikalischen Stoffe nachzuwirken“, will Wolf mit seinem musikalischen Mitteln ausschöpfen, was der lyrische Text eigentlich zum Ausdruck bringen wollte, mit seinen sprachlich begrenzten Mitteln aber – wie er meint - nicht voll auszudrücken vermochte.

    Lieber Helmut,


    dann versuche ich mal durch Deine schönen Überlegungen angeregt meine anzuschließen. Ich bin nicht gerade der ganz große Schumann-Experte, was seine Schriften angeht, muß ich bekennen. Aber interessant ist an dem Zitat doch, daß er von den "kleinsten Zügen" beim Gedicht spricht. Was meint er damit? Die kleinsten Einheiten sind doch wohl die Worte. Also orientiert er sich am Wortlaut - was eine gewisse Nähe zur rhetorischen Tradition verrät. Die zweite Hälfte ist glaube ich nicht so schwer zu deuten: die feineren musikalischen Stoffe sind die Empfindungen, welche die Musik auszudrücken vermag besser als jede Wortsprache es kann. Bezeichnend ist hier der Plural. Entsprechend vielfältig ist auch Schumanns Vertonung - gibt vornehmlich den Wechsel der Empfindungen wieder. Ich finde, daß er hier näher am Wortlaut ist als Wolf. Denn die ersten beiden Strophen erzählen, erst in der dritten kommt die Anrede "Du". Diesen Übergang kann man bei Schumann nachvollziehen und auch den zum hymnischen "O....". Bei Schumann spaltet sich die dritte Strophe und es ergibt sich zusammen mit der vierten eine strophenübergreifende Einheit. Schumann orientiert sich also an dem, was die Worte als "kleinste Einheiten" sagen (weniger an den "größeren" Einheiten, der Form des Gedichts - er mißachtet ja nicht nur das Metrum, sondern auch die Stropheneinteilung), dem Wechsel von Rede und Anrede, den verschiedenen Formen der Anrede, die er musikalisch durch einen Wechsel von Empfindungen wiedergibt.


    Ganz anders Wolf. Bei ihm gibt es eine durchgängige Einheit. Er liest das Gedicht gleichsam von hinten nach vorne, als Selbstbekenntnis eines lyrischen Ich und seiner Intention, wie es sich am Schluß zu erkennen gibt. Das ist so ein unterschwelliger Tonfall persönlicher Betroffenheit, der - so sehe ich das auch - auf der semantischen Ebene so gar nicht erscheint, wo der Wechsel von Rede und Anrede dominiert. Wolfs Vertonung hält sich in der Tat an das Unterschwellige und nicht direkt Ausgesprochene in allen Zeilen. Die Rechtfertigung dafür ist die Schlußstrophe, deren zentrale Aussage er durch die Musik und ihre Kontinuität auf das ganze Gedicht überträgt. Bei Schumann herrscht Mannigfaltigkeit der Empfindung vor, bei Wolf Einheit einer sich durchziehenden Stimmung. Ich glaube, da meinen wir mit verschiedenen Worten ungefähr dasselbe... :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Nach der aufmerksamen Lektüre Deines interessanten und den Liedvergleich um weitere Aspekte bereichernden Beitrags, lieber Holger, meine ich Deiner Schlussfeststellung zustimmen zu können.

  • Grausame Frühlingssonne,
    Du weckst mich vor der Zeit,
    Dem nur in Maienwonne
    Die zarte Kost gedeiht!
    Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
    Das auf der Rosenlippe mir
    Ein Tröpfchen Honig beut,
    So muß ich jämmerlich vergehn
    Und wird der Mai mich nimmer sehn
    In meinem gelben Kleid.


    Bei diesem Gedicht kommt einem die – hier schon einmal zitierte – spöttische Anmerkung Heinrich Heines zur Lyrik Mörikes in den Sinn: „Man sagt mir, er besinge nicht bloß Maykäfer, sondern sogar Lerchen und Wachteln, was gewiß löblich ist.“


    Nun, hier besingt er keinen „Maykäfer“, sondern einen Falter. Und die völlige Unangemessenheit von Heines Spott wird einem bei diesem Gedicht in ganz besonderer Weise bewusst. Denn hier wird kein irgendwie käferhaftes Lebewesen „besungen“, sondern lyrisch überaus zarte Naturbilder werden von Mörike als poetisches Vehikel eingesetzt, um eine für den Menschen existenziell relevante dichterische Aussage zu machen: Die elementare Gefährdung des Lebens in seinen zartesten und gerade deshalb so schönen Erscheinungsformen.


    Man kann in dieses Leben „vor der Zeit“ kommen. Und wenn man dann zwar ganz besonders schön, aber nicht robust im vitalen Sinne ist, weil die sinnliche Schönheit geradezu auf diesem Manko an Robustheit und elementarer Vitalität beruht, dann ist man auf Hilfe angewiesen. Das aber kann nur eine liebende sein, eine, die diese Schönheit erkennt, zu schätzen weiß und sich ihr zuwendet, um ihr die Dauer zu geben, die sie braucht, um zu einem Geschenk für diese Welt zu werden.


    Mörikes so zarte lyrische Bilder wollen genau dies sagen. Im Grunde sind seine Verse ein Liebesgedicht in Gestalt einer naturhaften Metaphorik. Ohne das „Tröpfchen Honig“ von der Lippe eines liebenden Mädchens muss schönes, aber schutzwürdiges, weil vor der Zeit in diese Welt gekommenes Leben „jämmerlich vergehn“.

  • Wie bei „der Gärtner“ atmet auch bei diesem Lied die Melodik die Schlichtheit und Eingängigkeit des Volksliedtones. Freilich ist – dem lyrischen Text geschuldet – die melodische Linie der Singstimme ein wenig graziler in ihrer Struktur, und auch die Harmonik, in die sie eingebettet ist, wirkt komplexer.


    Mit in ihrer Bewegung zögerlich wirkenden Klangfiguren setzt das Vorspiel ein. Wie nach einem Anlauf mündet ein Sechzehntel und ein Zweiunddreißigstel in einen Viertel-Noten-Akkord, der allerdings harmonisch vermindert ist. Hört man dieses Klaviervorspiel, das als Zwischenspiel nach dem vierten Vers wiederkehrt, auf dem Hintergrund der Aussage des lyrischen Textes, so kann man es in seiner chromatisch verfremdeten Zögerlichkeit durchaus als musikalische Evokation eines zaghaften Leben-Wollens mit ungewissem Ausgang interpretieren.


    Die melodische Linie der Singstimme, die auf dem ersten Vers liegt, ist ganz dazu geeignet, diese Interpretation zu bestärken. Die ersten Silben („Grausame Frü-…“) werden syllabisch exakt auf demselben Ton deklamiert. Das Wort „grausam“ gewinnt dadurch eine hohe musikalische Eindringlichkeit. Danach fällt die melodische Linie um eine ganz Sexte ab, vom Klavier mit perlenden Achteln und Sechzehnteln im Diskant umspielt, die eine wehmütig klingende Moll-Harmonik entfalten.


    Die ersten beiden Verse werden von je einer eigenen Melodiezeile getragen. Durch zwei Pausen in Taktlänge werden sie musikalisch besonders hervorgehoben. Lyrisch steckt ja eine Anklage in ihnen, und Wolf vermag es sehr gut, diese sowohl in der Struktur der melodischen Linie als auch durch die Akzentuierung mittels Pausen musikalisch zum Ausdruck zu bringen.


    Moll-Harmonik dominiert zunächst. Aber dieses Lied bezieht seinen ganz spezifischen klanglichen Reiz aus dem Ineinandergreifen der Tongeschlechter. So werden schon mit dem dritten Vers die Moll- von Dur-Harmonien abgelöst. Das nachfolgende Bild von der „Maienwonne“, bei dem die in hohe Lage aufsteigende Vokallinie einen lieblichen Ton annimmt, kann sich in einer Dur-Harmonisierung besser entfalten. Aber schon bei den Worten „die zarte Kost gedeiht“ drängen sich wieder Moll-Klänge in die melodische Linie.


    Die Verse fünf bis sieben bilden eine eigene musikalische Einheit. Wolf hat sie deutlicher aus dem lyrischen Kontext hervorgehoben, als Mörike dies wollte. Schon durch das kurze, die Motivik des Vorspiels aufgreifende Zwischenspiel ist diese Versgruppe von der vorangehenden abgesetzt. Sie entfaltet sich melodisch in einem lieblich perlenden Spiel von Sechzehnteln im Klavierdiskant. Und auch die Vokallinie selbst nimmt einen lieblichen Ton an.


    Bei dem Bild von der „Rosenlippe“ beschreibt sie einen lebhaften, nämlich von Achteln getragenen Bogen, und bei den Worten „Honig beut“ erklingt ein solcher Bogen noch einmal. Er mündet freilich am Ende (Bei dem Wort „beut“) in einen überraschend auftauchenden und mit einer harmonischen Rückung versehenen Sekundfall. Der Bitte wird damit musikalischer Nachdruck verliehen.


    Nach einer kurzen (Achtel-)Pause, in der eine in Sechzehnteln fallende Bewegung im Diskant einsetzt, erklingt die melodische Linie der letzten Versgruppe, die klanglich ganz und gar von dem lyrischen Wort „jämmerlich“ geprägt ist. In zwei Anläufen aus hoher Lage fällt sie immer wieder ab, und sie wird dabei von ebenfalls von steigenden und wieder fallenden Sechzehnteln im Klavierdiskant umspielt. Im Pianissimo ereignet sich das. „Immer ein wenig zurückhaltend“ lautet hier die Anweisung.


    Ein Klageton liegt auch auf den Worten „in meinem weißen Kleid“, die wiederholt werden. Die Vokallinie bewegt sich hier in ruhiger, melodisch gestreckter Form. Und nach einer Aufgipfelung mit Dehnung auf dem Wort „Kleid“ senkt sie sich langsam auf ihren Ruhepunkt, den Grundton, ab.


    Bemerkenswert ist der Schluss des Liedes. Im Nachspiel erklingen nach einer Gruppe aufsteigender Sechzehntel im Diskant die zögerlichen Klangfiguren des Vorspiels noch einmal. Danach vernimmt man einen über zweieinhalb Takte gehaltenen Akkord im Diskant, unter dem sich im Bass eine aufsteigende Tonbewegung entfaltet, die harmonisch-melodisch eigentlich eine Fortsetzung verlangt.


    Diese findet aber nicht statt. Das Lied verklingt mit einem akkordischen Abbruch im Piano-Pianissimo. Das ist ein offener Schluss, der im Ungewissen lässt, was mit dem Zitronenfalter wird. Die Harmonik signalisiert: Nichts Gutes!

  • Dieses Lied entstand am 6. April 1888. Es ist in seiner Melodik ähnlich schlicht und eingängig gehalten wie das Lied „Der Gärtner“, und es lässt – wie dieses auch – die Vielfältigkeit der Liedsprache Hugo Wolfs erkennen: Er war sowohl zur Komposition volksliedhaft phrasierter Melodik in der Lage, wie auch zu einer, die in ihrer Struktur hochkomplex ist. Die bereits besprochenen Lieder „Im Frühling“ und „Auf einer Wanderung“ stehen für letzteres. Maßgeblich sind jeweils die lyrische Sprache und die Metaphorik des Gedichts.


    Das Faszinierende am Corpus der Mörike-Lieder Wolfs ist dessen Fähigkeit, sich mit einer je eigenen Liedsprache auf die Vielfalt und die Bandbreite der lyrischen Themen und der jeweiligen Metaphorik in einer Weise musikalisch einzulassen, die zu einer derart vollkommenen Verschmelzung führt, dass man von einer Amalgamierung sprechen möchte. Man höre nur einmal – um ein beliebiges Beispiel herauszugreifen – nebeneinander diesen bedrückenden Halbtonanstieg der melodischen Linie auf den Versen „Tödlich graute mir der Morgen“ (Lied 1, „Der Genesene an die Hoffnung“) und die tänzerisch leichte Melodik des Verses „Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee“ („Lied 4, „Jägerlied). Man kann guten Gewissens behaupten – und das wird sich am Ende dieses Threads wohl gezeigt haben – dass Wolf mit seinen Liedern die ganze Breite der Lyrik Mörikes in adäquater Weise abgedeckt hat.


    „Zitronenfalter im April“ weist ist in der Schlichtheit seiner Melodik dem Lied „der Gärtner“ ein wenig ähnlich, gleichwohl ist es in seiner Faktur differenzierter und wirkt klanglich subtiler. Schon im Vorspiel mit seinen rhythmisierten Klangfiguren, die wie zögerlich wirken, weil sie aus einem Sechzehntel-Anlauf, der in einen verminderten Akkord im Wert einer Viertelnote mündet, bestehen, ist das zu vernehmen. Hier drängt sich einem unwillkürlich das Bild dieses Naturgeschöpfes auf, das vor seiner Zeit in eine Welt gekommen ist, in der es sich nur unsicher und zögerlich zu bewegen vermag.


    Das dem Gedicht zugrundliegende lyrische Bild ist es, das Wolf zu dieser klanglich differenzierteren Komposition bewogen hat. Hierbei spielt vor allem der Klaviersatz eine entscheidende Rolle. Die melodische Linie wird bei ihren ruhigen Entfaltung durchgängig von bogenförmig sich bewegenden Sechzehnteln im Klavierdiskant umspielt, die bei den ersten vier Versen – ganz der Aussage des lyrischen Textes gemäß – ganz in Moll und verminderter Harmonik gehalten sind, danach aber (ab Vers fünf: „Ist nicht ein liebes Mädchen hier…“9 in ein klangliches Aufatmen wirkendes A-Dur übergehen.


    Dort, wo diese bogenförmigen Sechzehntel dann deutlich weiträumiger phrasiert sind und Moll-Klänge wieder in sie eindringen, bei den Versen „So muß ich jämmerlich vergehen ; // Und wird der Mai mich nimmer sehn“ nämlich, empfindet man sie endgültig als musikalischen Ausdruck jenes Lebenswillens, der den kleinen Falter bewegt und so sehr auf Hilfe angewiesen ist. Insofern sind diese immer mehr in fließende Bewegung übergehenden Sechzehntel-Figuren eine Art klanglicher Kontrapunkt zur Einleitung des Liedes und zu dem kleinen Zwischenspiel vor dem Übergang zum zweiten Teil des Liedes.

  • Lieber Helmut,


    dieses Wolf-Mörike-Lied finde ich besonders schön! Das gefällt mir sehr! "Zarte Kost" ist das wahrlich - die ersten zarten Sonnenstrahlen, die blinken leise im Klavier, wie funkelnde Edelsteine, aber irgendwie märchenhaft fremd und sonderbar. Das lyrische Ich wirkt entsprechend noch nicht richtig wach, wie im Schlaf und Traum, als wisse es noch nicht recht, wie ihm geschieht. Der Zauber eines noch nicht greifbaren Erwachens in seiner unwirklichen Schönheit. Meisterhaft eingefangen diese Stimmung von Wolf!


    Der Heine-Spott erinnert mich an Hegel. Er schreibt in seiner Ästhetik über die Romantik und ihre Verwandlung des Poetischen ins Prosaische, wonach auch der nichtigste Gegenstand zum Objekt künstlerischer Darstellung werden kann. Hegels auch schon komisches Beispiel sind u.a. die Nachttöpfe bei Shakespeare. Offenbar hat Heine etwas Ähnliches gemeint - die "Prosaisierung" des Poetischen am Beispiel Mörikes. Kann man nicht wirklich doch so etwas bei Mörike konstatieren?


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Wenn Du bekennst, lieber Holger: „…dieses Wolf-Mörike-Lied finde ich besonders schön! Das gefällt mir sehr!“ …

    … so haben wir das gemeinsam. Die zarte lyrische Metaphorik und die ihr ganz und gar angemessene Musik mit ihrem leisen Klageton haben mich bei diesem Lied immer schon fasziniert. Wolf ist wie kaum ein anderer Liedkomponist in der Lage, lyrische Bilder in ihrem ganzen evokativen Potential musikalisch einzufangen und auszuleuchten.


    Eben sehe ich gerade, dass ich mich hier im Forum schon einmal – allerdings nicht so gründlich - auf dieses Lied eingelassen habe. Fast drei Jahre ist das schon her (Beitrag 44, vom 10. April 2010, im Thread "Lieder von Hugo Wolf").


    Besonders das Klaviernachpiel beschäftigte mich damals. Darin erklingt noch einmal dieselbe musikalische Figur wie bei der Einleitung, aber sie läuft in einer wie zögerlichen Bewegung so aus, dass man am Ende sogar einen Schlusston oder -akkord vermisst. Sie verharrt einfach und bleibt harmonisch unaufgelöst stehen.


    Wenn man der Musik dieses Liedes gefolgt ist und dieses permanente Umspielen des verhaltenen Klagetons in der Melodik durch die Sechzehntel im Klavierdiskant auf sich hat wirken lassen, dann meint man aus diesem Liedschluss die Ungewissheit herauszuhören, die dem Leben eines solch zarten Wesens in einer ihm feindlichen Umwelt beschieden ist.


    In einem solch kleinen Detail ist die ganze Subtilität der Liedkomposition Wolfs fassbar.

  • Lieber Helmut,


    ich habe Deinen schönen Beitrag im anderen Thread gelesen. Der "offene" Schluß des Klaviers ist wirklich verblüffend. Was soll er bedeuten? Ist es die Betonung einer flüchtigen Momentaufnahme? Oder die des Widerspruchs, daß Frühling eigentlich "Werden" und "Erneuerung" bedeutet, aber das lyrische Ich emotional "stillgestellt" ist, unfähig sich zu bewegen und zu verändern, aber zugleich auch innerlich haltlos - es kommt kein haltgebender Grundton am Schluß? Beim Wiederhören kommt mir die melodische Linie "So muß ich jämmerlich vergehen" fast schon etwas kauzig vor, ein bisschen verschroben, wie es halberwachsene Junggesellen sein können, die von der Liebe eigentlich nur träumen, anstatt sie wirklich zu erleben. Irgendwie klingt das für mich so kindlich-kindisch enttäuscht wie das trotzige "nein" in Mahlers Lied "Ging heut morgen übers Feld...", das Erwachen aus dem allzu schönen Naturtraum am Schluß, das so wirkt, als ob ein Kind auf die heiße Herdplatte gefaßt hat und die Fingerchen eiligst zurückzieht.


    Schöne Grüße
    Holger

  • In Reclams „Liedführer“ wird dieses Lied „Zitronenfalter im April“ unter der Kategorie „humoristisch-liebenswürdige Miniatur“ eingestuft. Diese Einschätzung kann ich in gar keiner Weise nachvollziehen.


    Wie ich den – kompositorisch bemerkenswerten - Schluss dieses Liedes verstehe, habe ich anzudeuten versucht. In seiner musikalischen Struktur besteht er aus einer Art melodischem Anlauf von aufsteigenden Sechzehnteln, die in das wie zögerlich wirkende Motiv des Vorspiels münden, das zweimal erklingt. Danach folgt ein im Piano-Pianissimo über drei Takte gehaltener Akkord, der nach einer harmonischen Auflösung verlangt. Die kommt aber nicht, so dass das Lied sozusagen musikalisch offen endet.


    Vorausgegangen ist die Klage des „jämmerlich Vergehen-Müssens“, wobei die Worte „in meinem gelben Kleid“ auf einer fallenden, aber nach einem kurzen chromatischen Innehalten durchweg in A-Dur harmonisierten melodischen Linie wiederholt werden.


    Ich teile Deine Auffassung nicht, lieber Holger, dass dieser Teil des Liedes „kauzig“ wirkt. Der Klageton, der ihm zugrundliegt, wirkt auf mich durchaus ernsthaft. Ich habe mir, um mich dieser Auffassung zu versichern, einmal die gesanglichen Interpretationen angehört, die mir von diesem Lied vorliegen. Sie bestätigen mich in meinem Klangeindruck: Irgendwie kauziger Humor ist in dieser melodischen Linie nicht zu vernehmen. Und ihre kompositorische Faktur gibt das auch nicht her.


    Wenn Wolf am Schluss des Liedes diese in Chromatik mündende und stockend rhythmisierte musikalische Figur des Vorspiels zitiert und sie in einen harmonisch offenen Akkord münden lässt, dann will er doch wohl sagen:


    Zarte Schönheit, wie sie in diesem gelben Schmetterling aufleuchtet, ist – da sie in diesem Falle vorzeitig in ein lebensfeindliches Umfeld geraten ist – dem Untergang geweiht, so sich denn nicht Schutz und Lebenshilfe findet.
    Diese Hilfe wird aber nur herbeigefleht. Ob es sie wirklich geben wird, das bleibt offen. Also muss auch der musikalische Schluss des Liedes ein offener sein.
    Der Hörer verbleibt in der Ungewissheit, in der jener „Zitronenfalter“ sich auch befindet. Und im Hintergrund schwingt bei ihm dabei die Ahnung von der Gefährdetheit und der Zerbrechlichkeit aller Schönheit auf dieser Welt mit.


    In diesem Sinne nehme ich dieses Lied Hugo Wolfs und auch den ihm zugrunde liegenden lyrischen Text völlig ernst, - jenseits irgendwelcher Erwägungen von potentieller dichterischer und musikalischer Humoristik.

  • Lieber Helmut,


    ich werde mir auch nochmals verschiedene Sänger anhören. Das war halt ein Eindruck, der sich bei mir einstellte. Die Idiomatik einer ausdrucksvollen Phrase, wie erfaßt man sie? Hören wir die Musik heute eventuell anders als Wolf zu seiner Zeit? Alles durchaus schwierige Fragen! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Gelassen stieg die Nacht ans Land,
    Lehnt träumend an der Berge Wand,
    Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
    Der Zeit in gleichen Schalen ruhn;
    Und kecker rauschen die Quellen hervor,
    Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
    Vom Tage,
    Vom heute gewesenen Tage.


    Das uralt alte Schlummerlied,
    Sie achtets nicht, sie ist es müd;
    Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
    Der flüchtgen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
    Doch immer behalten die Quellen das Wort,
    Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
    Vom Tage,
    Vom heute gewesenen Tage.


    Dieses im Oktober 1827 entstandene Gedicht ist eine der ganz großen lyrischen Schöpfungen Mörikes. Alles, wozu er in seinem poetischem Ingenium sprachlich in der Lage war, ist hier in gleichsam auf wunderbare und unmittelbar anrührende Weise versammelt.


    Allein dieses anthropomorphe Bild von einer „gelassen ans Land“ steigenden Nacht besitzt höchste evokative Kraft. Vor allem dadurch, weil es in seiner lyrischen Gestaltung nicht konstruiert, sondern in seinen sprachlich-bildlichen Elementen gleichsam elementar und unmittelbar zugänglich wirkt. Man sieht diese Gestalt der Nacht vor sich, wie sie in ihrer naturhaften Größe, die mit dem Wort „gelassen“ lyrisch evoziert wird, träumend an der Berge Wand lehnt.


    Genauso elementar plastisch ist das Bild von der „goldenen Waage“ und ihren Schalen, in denen mitternächtlich die Zeit in ausgeglichener, weil die Balance ihres täglichen Fließens einen Augenblick lang wahren könnender Weise innehält. Das Wesen der „Mitternacht“ wird in diesem Bild – jenseits aller abstrakt-analytischen Gedanklichkeit darüber – auf unmittelbare Weise metaphorisch-sinnlich erfahrbar.


    Dieses Gedicht ist höchst kunstvoll gebaut. Seine beiden Strophen sind in sich noch einmal metrisch untergliedert. Weisen die ersten vier Verse einen jambischen Versfuß auf, so ist das bei der zweiten Vierergruppe ein daktylischer. Und das hat einen tiefen, weil die dichterische Aussage konstituierenden Sinn: Der „gelassenen“ Nacht stehen die tänzerisch lebhaften „Quellen“ gegenüber, die ihr vom „heute gewesenen Tage“ ins Ohr singen. Diese metrische Divergenz ist ein höchst effektives Bauelement dieses Gedichts. Die das Leben des Tages repräsentierenden und es behaupten wollenden „Quellen“ sprechen beharrlich ihre Sprache. Es ist eine sich von dem Metrum der Nacht absetzende und noch im Schlaf der Nacht beharrlich such fortsetzende: In ihrem höchst lebendigen daktylischen Tanz.


    Aber dieses Gedicht bleibt auf faszinierende Weise in seinem so evokativ plastischen Bild von der anthropomorphen Nacht. Sie schläft und ruht dabei in ihrer kosmischen Größe. Die vom Leben der Menschen plaudernden munteren Quellen singen ein altes Lied, das sie nicht wirklich berührt, das sie längst müd ist. Vom Tage, dem heute gewesenen, sind nicht diese Quellen-Lieder das eigentlich wesentliche. Es ist des Himmels Bläue und das gleichförmige, von allem menschlichen Leben unberührte Fließen der Zeit, das in ihr nachklingt, während sie sich dem Schlaf überlässt.


    Mitternacht ist die Erfahrung der kosmischen Dimension von Zeit. Mörike hat sie mit höchst evokativen, weil elementar plastischen und einfachen lyrischen Bildern sprachlich zu fassen vermocht.

  • Es gibt Gedichte, bei denen man fühlt: Die sind nicht vertonbar. Sie sind es nicht, weil sie selbst schon Musik sind. Man meint, wenn man sich ihre Sprachmelodie und die darin sich entfaltenden Bilder lesend vertieft, dass dies alles sich selbst genügt, - weil es vollkommen ist.


    Und man denkt weiter: Eigentlich wäre ein autonomes musikalisches Kunstwerk nach der Art einer Klavier-Phantasie oder einer sinfonischen Dichtung, dem lyrischen Gedicht zur Seite gestellt und beigegeben, die richtige und angemessene Antwort des Komponisten auf die Rezeption dieses sprachlichen Kunstwerks.


    Hugo Wolf hat dies in seiner hochentwickelten Sensibilität für lyrische Sprache wohl genauso gesehen. Denn sein Lied ist im Grunde ein kleines – nur dem Umfang nach „kleines“ – sinfonisch-dichterisches Gebilde. Die lyrischen Worte und die sie tragende melodische Linie wirken wie eingewoben in eine wiegend-wogende Klangflut, die ein wenig an Wagners „Waldweben“ erinnert. Alternierende Terzen, Sexten, und Sekunden entfalten ein Klanggewebe, in dem sich eine melodische Linie so ruhig bewegt, als sei sie hier zu Hause, weil sie ihm entsprungen ist.


    Mit einem tiefen „cis“ einsetzend, steigt sie langsam (punktierte Viertel!) nach oben und verharrt bei dem Wort „Land“ in Form einer Dehnung. Diese Bewegung wiederholt sich beim zweiten Vers, nur dass jetzt die melodische Linie einen Halbton tiefer einsetzt und im letzten Schritt keinen Sekund-, sondern einen Terzsprung macht und bei „Wand“ auf einem Ton höher landet, - dies zusammen mit einer harmonischen Modulation. Eine stark suggestive Wirkung geht von dieser melodischen Figur aus. Man sieht die Nacht ans Land und vom Ufer aus weiter in die Höhe steigen, - eben weil die melodische Linie im zweiten Fall auf größerer Tonhöhe endet.


    Auch das nächste lyrische Bild ist musikalisch großartig eingefangen. Einen Augenblick hält der Fluss der Zeit in gleichen Schalen ruhend inne. Und weil die Nacht dies träumend wahrnimmt, nicht mit wachem Auge also, verharrt die melodische Linie in ruhiger Deklamation wie schwebend auf einer Tonebene, nur um eine kleine Sekunde davon abweichend. Erst bei dem Wort „Zeit“ macht sie einen kleinen Terzsprung, um danach wieder um die Tonebene zu pendeln, von der sie ausgegangen ist. Bei dem Wort „ruhn“ stellt sich wieder das Gefühl des melodischen Schwebens ein, weil innerhalb dieses Wortes eine Rückung um eine kleine Sekunde, gepaart mit einer harmonischen Modulation, erfolgt, der dann eine lange melodische Dehnung folgt. Das ist klanglich von höchster Subtilität.


    Das lyrisch Wort „keck“ bewirkt, dass die Vokallinie beim fünften Vers in hoher Lage einsetzt (mit einem „es“) und sich danach lebhafter bewegt. Allerdings ist diese Bewegung eine in zwei Ansätzen leicht fallende, denn die melodische Linie will herab zu dem Wort „Nacht“. Mit einem verminderten Sextfall tritt sie in dieses ein, und sie will dann aus der tiefen Lage nicht mehr weg. Mit langer Dehnung und einem kleinen Terzfall erklingen die Worte „vom Tage“. Und beim letzten Vers der Strophe liegt auf dem Wort „gewesenen“ ein Oktavfall, der die lyrische Evokation von Zeit und Vergänglichkeit, die sich in diesem Vers ereignet, auf höchst expressive Weise musikalisch zum Ausdruck zu bringen vermag. Am Ende erneut ein Oktavfall bei dem Wort „Tage“, nun aber noch tiefer hinab, zum tiefsten Ton des Liedes.


    Diese Komposition ist einer der seltenen Fälle, in denen Wolf sich der Form des Strophenliedes bedient. Die zweite Strophe erklingt – mit nur minimalen Veränderungen – in der Faktur der ersten. Vielleicht ist es der die beiden Strophen zur Einheit machende Geist der lyrischen Bilder und die rhythmische Grundstruktur der Sprachmelodie, die Wolf bewogen haben, dieses Mal nicht durchzukomponieren. Man kann es auch einfacher sagen: Die Musik der ersten Strophe sitzt so perfekt, dass jede Modifikation zu einem Fehlgriff werden müsste.

  • Ich teile Deine Auffassung nicht, lieber Holger, dass dieser Teil des Liedes „kauzig“ wirkt. Der Klageton, der ihm zugrundliegt, wirkt auf mich durchaus ernsthaft. Ich habe mir, um mich dieser Auffassung zu versichern, einmal die gesanglichen Interpretationen angehört, die mir von diesem Lied vorliegen. Sie bestätigen mich in meinem Klangeindruck: Irgendwie kauziger Humor ist in dieser melodischen Linie nicht zu vernehmen. Und ihre kompositorische Faktur gibt das auch nicht her.

    Lieber Helmut,


    humoristisch würde ich das auch nicht nennen wollen. Aber ein Klageton? Dafür ist die Stimmung finde ich viel zu traumhaft-irreal. Der Gesang vermittelt den Eindruck, Distanz zu sich selbst zu haben. Er erzählt ja auch über sich - eine gewisse Form der Objektivierung. Und auf mich wirkt die Bewegung dieser Linie mehr wie eine Erregung denn eine ernste Klage. Es ist ein sehr verhaltenes Nachsinnen, ein Anflug von stiller Trauer sicher darin. Aber Klage? Klagen tut man doch eigentlich eher laut und nicht leise verhalten, oder? :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • "in gleichen Schalen stille ruhn" .... hast Du vergessen! :)


    Ein Lied, das wirklich sehr beeindruckt: Man hört musikalisch die Nacht die Bergwand geradezu raufkriechen. Die Pendelbewegungen im Klavier haben etwas Unheimliches. Das Strophenlied paßt in der Tat - in der 2. Strophe wird aus den Pendeln eine Art Berceuse.


    Hier glaube ich, lohnt es sich, zumindest ein bisschen auf die verschiedenen Intepretationen einzugehen. Bei Gerard Souzay ist das lyrisch verinnerlicht und zugleich sehr impressionistisch stimmungsvoll. Fischer-Dieskau ist im Tempo flotter und setzt in der 1. Strophe einen dramatischen Höhepunkt, wird "emphantisch", worauf Souzay verzichtet. Dadurch kommt der Kontrast zwischen gespenstischer Ruhe und Bewegung (die rauschenden Quellen) nicht so deutlich heraus. Mir persönlich gefällt die Interpretation von Souzay besser! Aber darüber kann man sicher lange diskutieren! :angel:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Tut mir leid. Hab das "stille" beim Abtippen vergessen. Ich sollte, wie das heute üblich ist, aus dem Internet kopieren. Statt dessen tippe ich, - wie ehedem mit der Schreibmaschine - aus Büchern ab. Und da passieren die mir sattsam bekannten Tippfehler.
    Danke für den Hinweis, lieber Holger.


    Aber nebenbei: Du kannst Dich auf die sängerischen Interpretationen gerne einlassen Ich werde konsequent bleiben und alleine in die Noten schauen. Das ist es, was mich eigentlich interessiert.
    Ich scheide also diesbezüglich als Gesprächspartner aus.


    Und überhaupt: Ich bin zu stärkerer dialogischer Zurückhaltung gezwungen. DasTempo, in dem hier in diesem Forum einer auf den Beitrag eines anderen reagiert, überfordert mich. Ich verfolge das mit regelrecher Atemlosigkeit. Zum Abfassen eines Beitrages wie dem zu diesem Lied "Um Mitternacht" brauche ich Tage und Stunden. Und dann vertippe ich mich auch noch. Peinlich!

  • Lieber Helmut,


    macht ja nichts! Bei so kleinen Fehlerchen merkt man, ob die Leser wirklich auch mithören! :)


    Ich will ja auch nicht den Stil Deines Threads "untergraben", wo es um die Werke geht. In diesem Fall fand ich aber mal - das ist natürlich nicht immer so - die Interpretationsfrage doch essentiell. Solche dezenten Anmerkungen werde ich mir also erlauben, wenn es Recht ist.


    Es wäre vielleicht eine Überlegung, irgend wann mal einen extra Tread zu machen mit einem Intepretationsvergleich eines bestimmten Liedes um solche Frage zu erörtern. Das fände ich spannend.


    Schöne Grüße
    Holger

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