Lieber Helmut,
zumeist lohnt es sich, in solchen Fällen mal ins Grimmsche Wörterbuch zu schauen, was ich deshalb in dieser Angelegenheit gemacht habe. Die ursprüngliche Bedeutung von Hohn ist eine Erniedrigung, Schmach oder Schande, die einem widerfährt. Meistens bezieht sich das auf Handlungen, kann aber auch auf die Person bezogen sein. Hohn = Gegenstand der Schmach. In der "neueren Sprache" sagt das GWB, verbindet sich diese Grundbedeutung dann mit der der "übermütig spottenden Verachtung".
Meine Überlegungen dazu:
Das im Hintergrund kann man sicher sagen: Auf der textsemantischen Ebene ist das, was da beschrieben wird, eine Verhöhnung der "wahren" Liebe. Mörikes Lyrik engagiert sich aber nicht bzw. kaum in der Weise, daß sie irgendwie "wertend" eingreift. Es wird ein Faktum ungeschminkt in seiner ganzen Unschönheit vorgebracht - was an sich schon höchst ungewöhnlich ist. Der Ausdruck ist ganz unromantisch desillusioniert. Insofern würde ich sagen: Das, was dargestellt wird, verhöhnt sicher die Liebe. Aber der lyrische Ton selber ist nicht unbedingt höhnisch, eher bitter. Mit Ausnahme des Schlusses vielleicht: "... leider, freilich freilich..." das klingt in der Tat etwas spottend.
Die Vertonung finde ich, daß sie reflektierend nachdenklich ist. Für mich macht sie eher die Befremdlichkeit des ganzen Sachverhalts deutlich, die sogar Züge einer Groteske annimmt. Das "greulich" und "abscheulich" klingt wirklich widerwärtig verzerrt, daß man fast schon einen Schauder bekommt. Aber wenn das wirklich Spott wäre, der ja immer etwas Erhaben-Herablassendes hat, würde diese Stelle glaube ich nicht so eindringlich grotesk wirken.
Ich finde dieses Beispiel wirklich hoch spannend, wie Lyrik bzw. eine Vertonung solche Einstellungen wie Hohn. Spott, Ernst usw. vermitteln kann und wie das der Einzelne jeweils aufnimmt. Oft entscheiden da Nuancen!
Schöne Grüße
Holger