Edward Elgar (1857 - 1934)

  • Zitat

    Michael
    Vielleicht bin ich zu nett.


    Du bist nicht nett, Du bist Cellist. Das erklärt alles. :D


    Das meine ich sogar ein bisserl im Ernst: Elgar liebte das Cello offenbar sehr, immer wieder diese schönen Cellomelodien; und dann natürlich das Konzert.
    Ich nenne so was Musikerbestechung...!


    Von den Oratorien Elgars ist der "Gerontius" das meistgespielte, es gibt eine sehr schöne Aufnahme unter Britten. Ob es allerdings wirklich das beste ist? Ich zweifle daran.
    Wenn schon groß dimensionierter Elgar, dann neige ich eher zu "The Apostles", wo die von mir störend empfundenen Stilmerkmale gemildert sind und der Klang wirklich schön ist in seinen gedeckten Farben.


    Im wesentlichen bin ich aber einer Meinung mit Robert: Elgar gibt sein Bestes in den kürzeren Werken: Cockaigne und Falstaff sind wirklich vergnüglich, auch Sospiri ist gediegene Musik - und dann gibt es noch ein sehr hübsches kleineres Chorwerk "The Music Makers" - das alles sind Stücke, die ich empfehlen kann, weil die Nachteile von Elgars Stil in ihnen IMO weniger hervortreten.


    Was ich ich weiters empfehle ist: Wenn jemand Elgar mag, dann lohnt vielleicht auch eine Beschäftigung mit der Musik des etwas älteren Hubert Parry, der in eine sehr ähnliche Richtung geht, aber, aufgrund seiner Lebensdaten, mit seiner Musik nicht gar so unzeitgemäß ist.

    ...

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Martin, sozusagen mein letztes Posting vor der Abfahrt nach Erding, und ohne viele Stücke beim Namen zu nennen: Die kleineren Orchesterwerke von Elgar solltest Du Dir mal näher anschauen. Bei jpc wirst Du sicher etliche Aufnahmen finden, wo Du reinschnuppern kannst, zB. In the South op. 50, Enigma-Variations op. 36, Serenade op. 20, Cockaigne op. 40. Falstaff op 68 wurde schon genannt, siehe auch mal Introduction & Allegro op. 47. Da ist manches schöne Stück dabei!


    Nun, die Enigma-Variationen gehören mit Sicherheit nicht zu den "kleineren" Werken Elgars.
    Zunächst mein Eingeständnis, daß ich Elgar zu wenig kenne, um mir ein näheres Urteil zu erlauben. In seine Sinfonien habe ich reingehört. Vom ersten Höreindruck kann ich weder die Geringachtung, noch die Lobeshymnen für mich persönlich nachvollziehen.
    Doch man sollte die Kirche im Dorf lassen und unbefangen und vorurteilsfrei an die Sache gehen. Vor allem scheint mir ein differenzierteres Bild angbracht. Dem Vorschlag mehr auf die Werke einzugehen anstatt Klassifizierungs-Plattitüden vom Stapel zu lassen, kann ich nachempfinden. Dies scheint vor allem bei Elgar angebracht, da seiner Person im Gegensatz zu einigen, wenn auch wenigen seiner Werke die internationale Bedeutung abgesprochen wird.
    Da sind zunächst einmal die Enigma-Variationen. Ihr internationaler Erfolg als auch die Anerkennung sind meines Wissens nach unbestritten. Sie gehören der Meinung vieler Kritiker nach zu den größten Variationssätzen für Orchester, die bisher verfasst sind. Vor allem für das 19. Jahrhundert gibt es neben Brahms und Elgar nichts vergleichbares. Ich würde sogar die Enigma-Variationen noch eine kleine Stufe höher ansiedeln. Warum? Nun, Elgar gelingt hier etwas wahrlich Meisterhaftes. Aus seinem provinziellen Umfeld heraus schafft er eine Musik, die den provinziellen Charakter weit hinter sich lässt. Mit der psycholgischen Deutung der portraitierten Personen mittels eines Dialogs mit der Musikgeschichte (fast jede Variation, die eine persönlich bekannte Person Elgars charakterisieren soll, steht im Zeichen - besser musikalischen Gestus - eines bestimmten Komponisten; von Beethoven(Nimrod) über Brahms bis hin zu Ponchielli, Liszt und Wagner nicht zu vergessen - das ist schone Glanzleistung, die nicht von der Hand zu weisen ist! Ganz abgesehen von dem vermeintlich rätselhaften bisher unentdeckten Thema, das sich in dem Werk versteckken soll, welches bisher jedoch nicht entschlüsselt wurde.
    Genauso sein cellokonzert. Meist Unbestriiten gilt es neben Dvoraks als bedeutentstes des 19.Jh (inkl. Jahrhundertwende).
    Seine Pomp & Circumstances (Nr. 1 & 4) sind zweifelsfrei international erfolgreich, was Kritiker bzw. Musikwissenschaft dazu sagen, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch wenn hier natrürlich die von Edwin sicher nachvollziehbare kritisierte Befindlichkeit viktorianischen Imperialgehabes am ehesten zu erkennen sein mag, auf diese Einfälle muss man erst einmal kommen. :)
    Nun ansonsten leidet Elgar unter ähnlichen Exportschwierigkeiten wie bis vor kurzem (oder vielleicht jetzt noch) Mahler.
    Woran mag das liegen? Nun zum einen ist wirklich nicht zu leugnen, dass die von edwin genannte Befindlichkeit des viktorianischen Imperialgehabes in so einigen Werken Elgars schlummern mag. Dies mag vielleicht sogar der Hauptgrund dieser Unfähigkeit zum Export sein. Zum anderen der wesentliche Unterschied des deutschen zum französischen als auch angeslsächsischen Musikverständnisses, welches Ansermet in seinem Buch "Die Grundlagen der Musik im menschlichen Bewußtsein" sehr schön auf den Punkt bringt: Die Deutschen versuchen in der Musik sich selbst auszudrücken, während die Franz./Engländer stets ETWAS auszdrücken versuchen. Ich denke wir sind gerne versucht diesen Befindlichkeitsausdruck als ultimatives Wertkriterium von Musik zu verwenden. Ob das seine Gültigkeit hat, sei dahingestellt.
    (Übrigens ein interessantes Buch - sieht man einmal von dem Ende des Buches ab, wo Ansermet sich mit haarsträubenden Argumenten gegen die Relativitätstheorie Einsteins auflehnt - leider äußerst lächerlich und einem so großen Geist wie Ansermet sicher unagemessen (was natürlich die Größe seines Geistes wieder etwas relativiert :))


    @Edwin:
    Entschuldige, dass ich von Dir in der 3. Person spreche. Kommt nicht wieder vor :D


    LG
    Wulf.

  • Hallo Martin,


    bei Deinem Zitat fehlte natürlich der Grinser.
    Ich freue mich sehr und war mir dessen auch bewußt, daß Du so für die Elgar -Sinfonien eintrittst!



    Manchmal frage ich mich allerdings, warum einige der Werke, die ich sehr schätze, und da geht es mir natürlich nicht nur um den Elgar, bei einigen soo eindeutig 2.Klasse sind :( :(


    Vielleicht sollten wir uns auch einmal über die verschiedenen Aufnahmen der 2.Elgar-Sinfonie unterhalten.
    Ich habe nämlich durchaus einige Aufnahmen dieses Werkes gehört, die absolut farblos waren und überhaupt nicht von der Stelle kamen.
    Hätte ich solch eine Aufnahme beim Kennenlernen des Werkes gehört, wäre mein Interesse warscheinlich auch gegen null gegangen.


    Glücklicherweise lernte ich es aber durch die Einspielung mit dem LPO unter Vernon Handley(wer sonst) für EMI kennen.
    Und hier sprudelt es nur so, ich war vom ersten Takt ganz hellwach, wobei ich auch die Instrumentation als sehr farbig empfand.
    Jeder Satz ist stringent auf den Punkt gebracht und etwaige unnötige Längen oder gar Durchhänger sind mir nicht bewußt geworden.




    Hallo Edwin,


    waaas, ich bin nicht nett? :( :(


    okok, ich weiß, daß das ein Scherz war, aber lassen wir mal beiseite, daß ich Cellist bin.
    Es gibt nämlich sehr viele Musikhörer, die gerade das Cellokonzert von Elgar sehr lieben, obwohl sie ansonsten mit dem Cello nichts zu tun haben-eben weil es ein besonders schönes und lohnendes Werk ist.


    Ich habe schon so einiges von Elgar gespielt.Mir ist dabei jetzt kein übermäßiger Gebrauch von Cellomelodien aufgefallen. Jedenfalls nicht mehr als bei Brahms, Wagner, Strauß und wie sie alle heißen. ?(


    Zu anderen Werken Elgars kann ich beisteuern, daß der "Gerontius" schon ein sehr lohnendes Werk ist, ich fand ihn sehr beeindruckend, aber ich habe ihn "nur" selber gespielt und besitze keine Aufnahme von diesem Werk.
    Die angesprochene Naxos-Aufnahme kam vor vielen Jahren in der Kritik bei Gramophone nicht besonders gut weg.


    Des weiteren möchte ich Wulf beipflichten, daß die "Enigma"-Variationen absolut kein kleines Werk sind(@Edwin ja klar, da hast Du natürlich eine lange Cellomelodie, blöderweise von den Bratschen gedoppelt), überhaupt spricht mir Wulf in seinen Erörterungen sehr aus der Seele.
    Interessant der Absatz über Ansermet.
    Er war auch Mathematiker, oder?
    Deshalb der Ausrutscher gegen Einstein?


    Viele Grüße,


    Michael

  • Hallo Wulf!


    Nix zu entschuldigen - und schon gar nicht angesichts eines so interessanten Beitrags.


    Ich bin nicht ganz Deiner Meinung in Bezug auf den Wert der Enigma-Variationen. Ich finde das Konzept interessanter als die Durchführung. Und ich werde das flaue Gefühl nicht los, wenn ein Komponist ein Werk "Variationen" nennt, aber offensichtlich kein musikalisches Thema variiert, sondern wohl eher ein inhaltliches. (Andererseits ist das natürlich eine originelle Idee einer Finte.)


    Was mir gefällt, ist die Idee, die englische Musik wie die französische als quasi objektiv einzustufen.
    Ich finde, dass diese Unterscheidung einen eigenen Thread verdient, denn das müsste auf breiterer Ebene diskutiert werden als nur im Zusammenhang mit Elgar.


    LG

    ...

  • Hallo Michael!


    Zitat

    Deshalb der Ausrutscher gegen Einstein?


    Ich fürchte, das ist nicht der Grund. Ansermet hatte angeblich leider eine wenig sympathische Seite: Er soll ein ziemlicher Antisemit gewesen sein.



    Zitat

    blöderweise von den Bratschen gedoppelt


    Nicht mal instrumentieren hat er gekonnt... :D


    Aber es ist wirklich so, dass ich Elgars Melodien irgendwie als oft im sonoren Cello-Register angesiedelt empfinde. Da trügt eventuell die Erinnerung, aber für mich gehört die Cellokantilene zu Elgar dazu.


    Und das Konzert - na ja, was soll ein Cellist schon an großen Cellokonzerten der Romantik spielen? Entweder Dvorák, den jeder spielt, oder Schumann, bei dem man den Solisten nicht hört oder Tschaikowskij, der IMO leider kein sehr gutes Werk ist.


    Ich sag's ja: Cellistenbestechung!


    :hello:

    ...

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  • @Edwin,
    ich habe vor kurzer Zeit auch die Enigma-Var. gespielt.
    Wie kommst Du darauf, daß Elgar hier kein musikalisches Thema variiert?


    Das Thema erklingt doch am Anfang, natürlich hat jede Variation dann auch noch einen außermusikalischen Hintergrund.


    Sei mir nicht böse, ich bewundere aufrichtig Dein riesiges Wissen.
    Natürlich hast Du als Komponist auch noch einen anderen Ausbildungshintergrund und ich respektiere und schätze viele Deiner Standpunkte.
    Ich habe halt mehr Zeit damit verbracht, im stillen Kämmerlein den Rücken über mein Instrument zu beugen, deshalb ist mir die intellektuelle geschliffene Konversation überhaupt nicht vertraut, schon gar nicht schriftlich.


    Ich schreibe dies nur, weil es mich machmal doch traurig macht, Werke, die ich mag, nicht adäquat verteidigen zu können.


    Das erinnert mich manchmal ein klein wenig an einen meiner Lehrer, und zwar York Höller, den Du sicherlich kennst.
    Ich schätze ihn, da er(zumindest damals in den 80ern) sehr vom Klang in der Musik herkam.
    Er hatte ungemein interessante Grundsätze, von denen ich auch sehr vielen beipflichten konnte.
    Leider war dann die Hölle los, als ich meine Abschlußarbeit vorlegte, und zwar über Fimmusik, mit besonderem Schwerpunkt auf Bernard Herrmann.
    Er machte wirklich Anstallten, aus dem Fenster zu springen :Dund war nicht im geringsten in der Lage, auf das Thema einzugehen.Er hat mir deutlichst zu verstehen gegeben, warum dies schlechte Musik ist, und ich konnte dagegen nicht angehen.
    Ich hatte halt einfach einen anderen Geschmack und legte andere Kriterien an die Musik an, wie heute immer noch.



    Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn es häufiger möglich wäre, nachdem die Standpunkte im großen und ganzen klar sind, daß wir uns auch etwas mehr über die Schönheiten und Vorzüge des jeweiligen Komponisten unterhalten.
    Denn davon gibt es doch einige?


    Zu den Cellokonzerten und vor allem zu Schumann muß ich sagen, daß es mir wirklich leid tut, wenn in Wien das Orchester sooo laut spielt, daß man den Solisten nicht hört.Ich versichere Dir, daß Du bei uns den Solisten hervorragend hören kannst. :D


    Welche Roccoco-Variationen meinst Du denn?Das Orginal, welches ich auch nicht gut finde, oder die Bearbeitung von Herrn Fitzenhagen, die doch eigentlich sehr schön ist? ;)


    Ich finde, daß es genug Cellokonzerte gibt, daß, was im 19.Jhdt zu wenig gerschrieben wurde, hat es dann halt im 20.Jhdt in größerem Umfang gegeben.
    Alleine bei den Briten gibt es da eine Menge toller Konzerte, ich kann auch nichts dafür, wenn die nicht so oft gespielt werden, das schmälert nicht ihren Wert(ich denke da an Bliss, Bridge, Britten, Finzi, Walton),und wer unbedingt 19.Jhdt haben will, der wird auch noch bei Raff,Rubinstein, Popper, Volkmann, Boellmann und wie sie alle heißen, fündig.
    Und dann gibt es ja noch Brahms, man muß der Violine ja nicht so viel Beachtung schenken :D.


    LG
    Michael


  • Also daß der Handley klasse ist, das glaube ich unbesehen. Ich habe ihn selbst mit den Vaughan Williams Sinfonien und den Planeten von Holst. Große Klasse. Der Handley ist übrigens auch die erste Empfehlung des Penguins Guide. Der Downes, den ich habe, kommt aber auch sehr gut weg, bekommt auch nur Lob und ich höre die Sinfonie in dieser Version sehr gerne. Bei der ersten habe ich halt den James Judd. Der ist dort die erste Empfehlung des Penguins Guide und ich finde ihn klasse. Wobei ich glaube, daß der Penguins Guide mit seinen Empfehlungen für Bruckner und Mahler nicht immer richtig liegt, aber den Elgar werden sie als Engländer wohl kennen.


    Von Downes und dem BBC Philharmonic Orchestra habe ich auch eine Einspielung von Miaskovskis 5. und 9. Auch sehr schön. Guter Dirigent und gutes Orchester.


    Gruß Martin

  • Hallo Martin,
    nicht zu vergessen seine Einspielung der Korngold-Sinfonie-auch sehr gut.
    Downes hat auch eine beachtliche Aufnahme von Bax's 3.Sinfonie gemacht, zu einer Zeit, als dieser Komponist vollständig vergessen war-hier ist er Handley sehr ähnlich, der für sein Schallplattendebut in den 60er Jahren(mit seinem damaligen Guildford P.O)Bax's 4.Sinfonie wählte.Sehr ehrliche und bewunderungswürdige Entscheidungen.


    Die Downes-Aufnahme ziehe ich mal in Erwägung, danke für den Tip!
    Keine Ahnung, ob die Classic for pleasure-EMI mit Handley noch im Handel ist.Sie war jedenfalls sehr preisgünstig und ich möchte Sie Dir unbedingt empfehlen.Bei Handley wirst Du im letzten Satz auch die Orgel hören, welche in der Partitur zwar nicht vorkommt, aber wenigstens auf Sir Adrian Boult zurückgeht.



    Handleys VW und Holst sind auch meine Referenzaufnahmen, überhaupt hat Vernon Handley keine mir bekannte schlechte Aufnahme gemacht-im Gegenteil, das meiste von ihm gehört(nicht nur für mich) zum Allerbesten.
    Insofern ist er mein Lieblingsdirigent.


    Hoffentlich kann er noch vieles aufnehmen!


    LG :hello:


    Michael

  • Guten Abend,


    und Butter bei die Fische - eigentlich teile ich bisher die Einschätzung v.a. der zweiten Sinfonie (immerhin live unter Tate gehört) von Johannes und Edwin, weswegen auch keine der Sinfonien Elgars meine Sammlung ziert (ganz im Gegensatz zum vorzüglichen "Falstaff" und den Ouvertüren "Froissart" und "Cockaigne" sowie den "Enigma"-Variationen, zu denen mein Verhältnis wiederum eher gespalten ist). Will ich das ändern, so habe ich mir Handley und Downes bereits notiert, liebäugele aber mit einem preiswerten Dreierpack, das ich aufgrund bisher recht guter Erfahrungen mit dem London Symphony Orchestra und Sir Colin Davis in der LSO Live-Reihe im Auge habe:



    Kennt jemand die Aufnahme und kann etwas dazu sagen? Der rechte Weg, mich preiswert den Sinfonien Elgars mal wieder zu nähern?


    Beste Grüsse,


    C.


    der diese Diskussion bei aller Gegensätzlichkeit der Standpunkte weitaus interessanter findet, als wenn man einfach eine Aufnahme an die andere Reihen und sich nur über die Vorzüge der Kompositionen Elgars unterhalten würde. Die Kritik, wie auch immer geäussert, bringt mir immer mehr und macht mich, wie man sieht, auch wieder gespannt auf die Werke....

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

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  • Elgar zählt für mich zu den wenigen Komponisten, die es verstanden, für Chor zu komponieren und die damit Vertreter einer Tugend sind, die seltener im Umlauf sind, als man glauben sollte ! :rolleyes:


    Ich halte den "Gerontius" doch für sein bedeutendstes Oratorium, was zum einem an dem schönen Text Kardinal Newmans liegt, zum anderen an Elgars beachtlichem Einfühllungsvermögen und seinem beachtlichen Gespür für die Balance zwischen Orchester, Chor und Solisten !


    Das ist
    Musik, deren gebrochenes Licht durch ein schönes, prae-raffaelitisches Kirchenfenster den Hörrer mild überflutet und immer wieder sind da diese Stellen von geradezu berückender Schönheit, die mich mit anderem, vielleicht weniger gekonntem, versöhnen, das es in seinem Schaffen unüberhörbar gibt.


    Seine anderen Oratorien, wie z.b. "The Kingdom" klingen wie die "Titanic"bei ihrer Jungfernfahrt ZU sehr nach Schwermetall, das von seinem eigenen Gewicht in die Tiefe befördert wird....


    Von seinen Orchesterwerken schätze ich lediglich das Cellokonzert ausserordentlich, bei dem es sich wohl um das letzte, große Solistenkonzert des 19. Jahrhunderts handelt, auch wenn es erst nach dem Ende des 1. Weltkrieges fertiggestellt wurde. Eine etwas "deftigere" Lesart, wie sie z. b. Heinrich Schiff in seinen beiden Aufnahmen anbietet, bekommen dem schönen Werk deutlich besser, als ein allzu elegischer Zugriff auf die Noten...
    Seine 2 Sinfonien incl. der fragmentarischen "Dritten" berühren mich weniger. Die 1.beginnt großartig, aber nach wenigen Taketn ist dann auch schon alles vorbei.


    Elgar mag keiner von den "ganz Großen" der Musik gewesen sein, aber es gibt in seinem Schaffen Momente, die Größe haben.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich habe gerade mal wieder eine nette Mail aus England bekommen, von Julian, der an der Musikbibliothek in London arbeitet. Wie es sich für einen ordentlichen Engländer natürlich auch gehört, schätzt er Elgar selbstverständlich über alles.


    Seine Empfehlungen sind mir doch mal den Dream of Gerontius anzuhören, das sei doch der Klassiker unter den Elgarschen Oratorien. Er hat die Aufnahme mit Boult ( das muß allerdings natürlich schon eine ältere Aufnahme sein). The Kingdom hat er auch und findet er auch ein gutes Oratorium, hat er auch mit Boult. Dann hat er noch die Apostel mit Hiccox, wozu er allerdings nicht viel sagt.


    Den Falstaff hat er mir als "großes Meisterwerk" auch ans Herz gelegt. Und dann noch einiges andere, was ich sowieso schon habe.




    Lieber Michael,


    auch wenn ich den Downes bei Elgars 2. schätze, werde ich doch mal nach dem Handley Ausschau halten ( wo er denn vielleicht auch noch so günstig ist!). Danke für den Tip!


    Aber weiß niemand etwas zu Elgars 3. zu sagen? Irgendwie beschäftigt mich dieses rätselhafte Werk, das Elgar selber nicht vollendet hat, doch sehr. Ich glaube es ist auf Naxos auch raus gekommen. Wenn die unvollendete 3. auch nur annähernd so gut ist wie die ersten 2, dann müßte ich sie eigentlich haben.


    Gruß Martin

  • hallo, martin,


    ich habe elgar nach langen vorbehalten schätzen gelernt ...man muß sich eben einige zeit nehmen, sonst hält man die musik für zu verschroben... :rolleyes:


    was ich sehr schätze


    alassio --ein geniales stück, ein richtiges meisterwerk
    die 1. symphonie
    cockaigne
    sea pictures
    dream of gerontius (hier habe ich einige aufnahmen, die beste ist - so habe ich das in erinnerung - die barbirolli-aufnahme bei emi (ansonsten habe ich noch boult, britten, hickox, ich meine auch rattle ....)
    the kingdom
    the apostels - eine wunderbare nachtstimmung zu anfang des stücks
    das klavierquintett --ebenfalls genial
    sospiri
    music makers
    einige stücke aus dem starlight (vor allem das anrührende ende)


    und natürlich einiges weitere aus den oratorien z.b. charactacus, king olaf ...


    generell ist hier zu sagen, daß die boult aufnhamen die besten sänger haben und an anrührendsten interpretiert werden, sie kommen natürlich nicht an die aufnahme-pracht und den orchetsralen bombast eines hickox heran ... gerade von the kingdom sollte man beide einspielungen haben ... die 'pfingstszene' ist bei hickox geradezu überwältigend und eine herausforderung der lautsprecher ....


    die 2. symphonie, froissart, falstaff habe ich lange nicht gehört und kann mich dazu nicht äußern - will ich aber bald nachholen ..


    nicht verhehlen und damit bezugnehmend auf euren disput: es gibt auch vieles mittelmäßiges, langweiliges, gar schlechtes .. meine wertung ein guter komponist der zweiten reihe mit einigen außerordentlichen (meisterhaften) werken


    die 3. habe ich mir bei naxos gekauft ...außer ein paar schönen melodien und harmonischen einfällen ging sie gar nicht an mich .. nach einem weitern versuch, der auch nicht 'weiterhalf', habe ich sie ad acta gelegt ...


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    Original von klingsor
    es gibt auch vieles mittelmäßiges, langweiliges, gar schlechtes .. meine wertung ein guter komponist der zweiten reihe mit einigen außerordentlichen (meisterhaften) werken


    Der Unterschied besteht für mich lediglich darin, daß man sich bei Elgar traut, das "Mittelmäßige, Langweilige, gar schlechte" anzusprechen und bei jemandem aus der "ersten Reihe" dann aber eben nicht! Und was "erste Reihe", was "zweite Reihe" ist, das ist sehr kulturbedingt.


    Gruß Martin

  • Zitat

    Original von Martin
    Und was "erste Reihe", was "zweite Reihe" ist, das ist sehr kulturbedingt.


    Wohl meist nur bei ohnehin strittigen Fällen. Niemand könnte Wagner oder Brahms als ein deutsches, Debussy als ein französisches oder Schönberg als ein österreichisches Phänomen hinstellen ohne den tatsächlichen Verlauf der Kulturgeschichte von 1850 bis 1950 grob zu verzerren. Es gibt trotz der vielbeschworenen Vielfalt dennoch bis ins 20. Jhd. hinein so etwas wie einen europäischen Hauptstrom. Man guckt einfach (etwas vereinfacht :) ), wer wen beeinflußt hat, oder meinetwegen auch wer wo aufgeführt wird.
    Wenn Rimsky seinen Schüler Strawinsky (oder wer wars?) davor warnt, sich mit Debussys Musik zu befassen, "denn sie könnte ihm womöglich gefallen", spricht das Bände...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • hallo, martin,
    keine angst, ich getraue meine meinung (langweilig, zweitklassig schlecht etc. auch bei den anerkannt 'großen' anzubringen ..denn das gibt es bei haydn wie auch bei meinen hausgöttern mozart und beethoven und allen anderen) ... ich habe das bei elgar nur erwähnt wg. des erschöpfenden disputes und meiner diebzgl. einordnung ... :yes:


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo Martin,


    betreffend der Handley-Aufnahme habe ich mir erlaubt, kurz einmal zu suchen und habe bei einem einschlägig bekannten Anbieter, der mit Am beginnt, ein sehr preisgünstiges Exemplar gefunden.
    Die Preise rangieren von leider viel zu hoch bis richtig billig.
    Aber man kommt wirklich(noch)zu einem fast Naxos-Preis heran.



    Zu Hubert Parry, der hier ja auch erwähnt wurde, muß ich leider gestehen, daß ich nur eine Sinfonie von ihm kenne, welche in meiner Erinnerung zwar beachtlich ist, aber trotzdem für mich keine Alternative zu Elgar darstellt.


    klingsor hat ja auch eine nette Werkübersicht geschrieben und natürlich ist das Klavierquintett ein absoluter Hammer.Wenn ich mal viel zu viel Zeit habe und einen masochistischen Pianisten finde, würde ich das unheimlich gerne mal einstudieren.


    Darüberhinaus ist jetzt doch eigentlich eine ziemlich große Anzahl von Werken von allen hier zusammengetragen worden, die zu empfehlen wären.Das spricht doch eigentlich sehr für Elgar. :)


    LG


    Michael

  • Also Elgar hat meines Erachtens zwei sehr große Probleme:


    Erstens ist er ein musikalischer Konservativer ( damit ist er für Kulturhistoriker nur bedingt interessant).


    Zweitens ist er Engländer.


    Engländer haben es schwer. Vom Gröfaz stammt das Zitat von den Engländern als "dem unmusikalischsten Volk der Erde". Justament dasselbe aber sagt auch der sicher nicht über die Maßen dumme ( wenn auch in dieser Hinsicht höchst oberflächliche) Hermann Hesse. Solches dumme Gerede hält sich bis heute.


    Ich kann nur sagen, daß ich etliches der sogenannten Großen gehört habe, was mich einfach unsterblich gelangweilt hat. Das fängt bei meinem Hausgott Händel schon mal an, setzt sich fort über Bach, Haydn, Mozart ( der sowieso), Beethoven ( sind wirklich alle Klaviersonaten gut?), Schubert, Schumann, Mendelsson, Brahms, Verdi, Wagner, Debussy ( mein Gott, was waren einige von den orchestralen Sachen, die ich neulich hörte, langweilig). So gesehen kann ich eigentlich die gesamte Musikgeschichte niedermachen und die einzigen, die da etwas besser da stehen sind allerhöchstens die, mit denen ich mich noch nicht näher auseinander gesetzt habe. Und selbst Mahler, der für mich der erste Kandidat eines vollkommenen Komponisten war ( und der sicher auch selbstkritischer war als andere), selbst da mußte ich vor einiger Zeit denken, na, ob der 4. und 5. Satz der 7. wirklich Musik allerhöchsten Ranges ist? Bruckner mag ich zu sehr, um gegenüber ihm objektiv zu bleiben. Über vieles was Richard Strauss schrieb, sollte vielleicht auch besser der Mantel des Schweigens gedeckt werden. Was ich von Schostakowitschs Streichquartetten gehört habe, hat mich nicht vom Hocker gerissen. Villa Lobos Streichquartette meistens auch nicht. Ich könnte diese Reihe fast endlos fortsetzen. Es gibt wirklich keinen Komponisten, bei dem mir alles gefällt und wo ich auch alles gut finde.


    Nur mit dem Elgar kann mans ja machen. Der war ja auch nur Engländer.


    Gruß Martin


  • Hey,


    das war aber jetzt der echt ultimative Rundumschlag! :D


    Du kannst einem echt leid tun, bei diesem reduzierten Hörmaterial, das da noch übrig bleibt...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • Lieber Theophilus,


    das Problem ist, daß trotz meiner wählerischen Ader, eben doch immer noch viel zu viel übrig bleibt. Also kein Mitleid nötig.


    Gruß Martin

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  • Zitat

    Original von Martin
    Also Elgar hat meines Erachtens zwei sehr große Probleme:


    Erstens ist er ein musikalischer Konservativer ( damit ist er für Kulturhistoriker nur bedingt interessant).


    Für Kulturhistoriker ist interessant wer seinerzeit (oder etwas später) für andere Komponisten und/oder das Publikum interessant war. Das mögen zwar häufiger fortschrittliche, können aber auch vergleichsweise konservative Künstler (wie Bach oder Brahms) sein. Natürlich ist Einfluß nicht gleichbedeutend mit Qualität und es gibt gewiß regionale Unterschiede (oder gab sie noch sehr stark bis vor wenigen Jahrzehnten), wie man heute noch merkt, wenn man etwa die internationale (d.h. angelsächsische dominierte) usenet-Gruppe zur Klassik liest (bei Google archiviert). Aber dennoch kann man bei einigen Unterschieden in der Rezeption ziemlich klar feststellen, woran das liegt, nämlich am Oeuvre des jeweiligen Künstlers, nicht an Verschwörungen der Kritiker und Historiker


    Zitat


    Zweitens ist er Engländer.


    Engländer haben es schwer. Vom Gröfaz stammt das Zitat von den Engländern als "dem unmusikalischsten Volk der Erde". Justament dasselbe aber sagt auch der sicher nicht über die Maßen dumme ( wenn auch in dieser Hinsicht höchst oberflächliche) Hermann Hesse. Solches dumme Gerede hält sich bis heute.


    Das "Land ohne Musik" war seinerzeit keineswegs bloß dummes Gerede von Kontinentaleuropäern, sondern die verbreitete musikalische Ignoranz auch der gebildeten Schichten wurde am heftigsten von englischen Musikern und Komponisten beklagt, z.B. von dem konservativen Elgar-Verehrer Donald F. Tovey noch in Texten aus der Zeit nach dem I. Weltkrieg. Natürlich sind es teils Klischees, aber als angemessene Freizeitbeschäftigungen für Gentlemen wurde im 19. Jhd. in Großbritannien hauptsächlich Sport wie Reiten oder Segeln, dann alle Arten von Jagd angesehen, jedenfalls noch eher Käfersammeln als Musizieren. (Man erinnere sich an Filme wie "Howard's End" (oder den Roman))


    Englische Schriftsteller(innen) wie Dickens, Austen, Thackeray, die Brontes etc. werden seltsamerweise kaum von Kulturhistorikern ignoriert; es ist doch absurd hier irgendwelche nationalen Vorurteile als entscheidends Kriterium zu wittern. Umgekehrt ist es außerdem völlig verständlich, wenn Engländer sich an ihre wenigen Komponisten klammern und diese hoch einschätzen.


    Niemand hat bestritten, dass Elgar seinerzeit einer der wichtigsten englischen Komponisten war, aber er war nur mit ziemlicher Nachsicht einer der wichtigsten europäischen Komponisten, völlig unabhängig von seiner Nationalität.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Jetzt bin ich aber erleichtert! :D


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Das "Land ohne Musik" war seinerzeit keineswegs bloß dummes Gerede von Kontinentaleuropäern, sondern die verbreitete musikalische Ignoranz auch der gebildeten Schichten wurde am heftigsten von englischen Musikern und Komponisten beklagt, z.B. von dem konservativen Elgar-Verehrer Donald F. Tovey noch in Texten aus der Zeit nach dem I. Weltkrieg.


    Davon habe ich gehört.


    Zitat

    Englische Schriftsteller(innen) wie Dickens, Austen, Thackeray, die Brontes etc. werden seltsamerweise kaum von Kulturhistorikern ignoriert; es ist doch absurd hier irgendwelche nationalen Vorurteile als entscheidends Kriterium zu wittern.


    Was hier absurd sein soll, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Die Musik und Literatur der Russen wird auch nicht ignoriert, aber wer redet bitteschön über die russische Philosophie? Aber vielleicht ist die gut, wer weiß, trotzdem hätte vermutlich jeder Furz aus Frankreich größere Chancen, hier wahr genommen zu werden als selbst der brillianteste russische Philosoph ( wenn es ihn denn gibt).


    Zitat

    Umgekehrt ist es außerdem völlig verständlich, wenn Engländer sich an ihre wenigen Komponisten klammern und diese hoch einschätzen.


    Es waren ja auch nur so ein paar Leutchen, an die sich die Engländer halt "geklammert" haben. Nur Elgar, Vaughan Williams, Bax, Britten, Arnold usw. usw.. Na, wenn halt nichts besseres da ist ...


    Zitat

    Niemand hat bestritten, dass Elgar seinerzeit einer der wichtigsten englischen Komponisten war, aber er war nur mit ziemlicher Nachsicht einer der wichtigsten europäischen Komponisten, völlig unabhängig von seiner Nationalität.


    Die wichtigsten Komponisten werden die sein, die in hundert Jahren oder besser 200 Jahren wahrgenommen werden. Und da wird es sicherlich noch einige "Unschichtungen" geben, da bin ich sicher.


    Gruß Martin

  • Lieber Martin!


    Dein obiger Rundumschlag ist schon beachtlich. Er hat nur einen Fehler: Er ist, verzeih das harte Wort, Unsinn.


    Ich will Dir auch sagen, weshalb: Wenn Du die schlechtesten Werke von einigen Komponisten mit den besten eines anderen vergleichst, kommst Du nie zu einem vernünftigen Ergebnis. Auf dieser Basis führe ich Dir spielend vor, dass der in Wahrheit bestenfalls mittelmäßige Russe Tichon Chrennikow ein besserer Komponist als Bruckner war.


    Miss doch Gleiches mit Gleichem. Und dann sehe ich, bei aller Liebe, die ich für einige Werke Elgars durchaus empfinde, schwarz für unseren wacker komponierenden Briten. Er hat einer 6. Mahler, einem "Lied von der Erde", einer 9. Mahler etc. etc. nichts, absolut nichts entgegenzusetzen. Er hat auch nichts, was Debussys "La Mer" oder den "Nocturnes" auch nur ansatzweise gleichkommt. Und schon gar nicht hat er eine Note geschrieben, die einer "Winterreise" Schuberts auch nur das Wasser reichen könnte.


    Richard Strauss, nun gut: Der war ein unglaublicher Handwerker und hat aus dem Nichts noch etwas gemacht - und ich gebe ganz offen zu: Ich mag ihn nicht. Aber wenn ich Werke höre wie "Salome", "Elektra", die "Vier letzten Lieder" oder den "Till Eulenspiegel", dann ist Elgar auch mit seinen besten Werken dagegen einfach nur zweitklassig.


    Das hat nichts mit Engländer zu tun oder mit konservativ, sondern mit Gestaltungskraft, mit Erfindung. Ein großer Komponist ist eben nicht nur einer, dem eine nette Melodie einfällt (Beethoven war etwa kein besonders begnadeter Melodiker), sondern einer, der eine Vision in Tönen auszudrücken versteht, der Form und Inhalt ausbalanciert (oder absichtsvoll die Balance stört), der auch etwas wie Magie besitzt.


    Von all dem hat Elgar zweifellos ein ganz klein wenig, was ihn zu einem tüchtigen Komponisten der zweiten Garnitur macht. Das ist nichts Schlechtes, es gibt viele Komponisten dieser zweiten Garnitur, die ich heiß liebe und mit Zähnen und Klauen verteidige. Dennoch würde ich niemals einen Respighi, einen Rachmaninow oder einen Szymanowski gegen einen Mahler, einen Wagner oder einen Debussy ausspielen.
    Und zwar deshalb nicht, weil sie dabei nur verlieren können.

    Dem von Dir so geliebten Elgar hast Du mit Deinem Seitenhieb auf Mahler leider einen Schaden zugefügt: Ja, Du hast recht, das Finale von Mahlers 7. ist ein problematischer Satz, weil er einer sehr genauen Tempodramaturgie und eines feinen Gefühls für die ironische Übersteigerung der Festlichkeit bedarf; dieser Satz ist keine Musik, die sich "von selbst" spielt. Aber wo in seinem ganzen Oeuvre hat Elgar auch nur ein paar Takte geschrieben, die diesem Satz, seiner grandiosen Klanggebung, seiner verwegenen Harmonik und seinem sogar mitten im Sonnenlicht noch abgründigen Inhalt gleichkommen?


    Bitte, Martin, verteidige Elgar, liebe ihn, verehre ihn; erkläre, dass Du seine Musik lieber hörst als die von Schubert, Mahler, Debussy etc; das ist Dir unbenommen, niemand würde Dich wegen Deines Geschmacks scheel anschauen. Aber spiele Elgar nicht im Versuch einer Objektivierung gegen eine Oberliga von Komponisten aus, in der er nichts verloren hat.


    LG


    P.S.: Der Russe Wladimir Sergiewitsch Solowjow (auch Soloviev und Solowjew transkribiert) gilt als einer der bedeutendsten Philosophen des 19. Jahrhunderts. Es mag schon sein, dass Du ihn nicht kennst; aber dieses Faktum sagt nichts aus über das reale Vorhandensein russischer Philosophie.

    ...

  • Ich schlage Martin für die Verleihung des Elgar Verdienstordens 1. Klasse vor. Diese unbeugsame und wehrhafte Nibelungentreue dem großen Sohn englischer Kompositionstradition gegenüber muss irgendwie honoriert werden!


    :hello: :D :D :D :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Hallo Theophilus!
    Recht so. Nur würde ich nicht von Nibelungen-Treue reden, sondern von Nebelungen-Treue. In Bezug auf das englische Wetter, wo der Nebel bekanntlich die klare Sicht der Dinge mitunter verhindert.
    LG

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Theophilus!
    Recht so. Nur würde ich nicht von Nibelungen-Treue reden, sondern von Nebelungen-Treue. In Bezug auf das englische Wetter, wo der Nebel bekanntlich die klare Sicht der Dinge mitunter verhindert.
    LG


    Gutes Argument! :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Lieber Martin!


    Dein obiger Rundumschlag ist schon beachtlich. Er hat nur einen Fehler: Er ist, verzeih das harte Wort, Unsinn.


    Ich will Dir auch sagen, weshalb: Wenn Du die schlechtesten Werke von einigen Komponisten mit den besten eines anderen vergleichst, kommst Du nie zu einem vernünftigen Ergebnis. Auf dieser Basis führe ich Dir spielend vor, dass der in Wahrheit bestenfalls mittelmäßige Russe Tichon Chrennikow ein besserer Komponist als Bruckner war..


    Lieber Edwin,


    ich verzeihe Dir alles, schon mal weil ich in meinem innersten Herzen ein zutiefst verzeihender Mensch bin, aber Dir werde ich sowieso alles verzeihen. Trotzdem kann ich der Bezeichnung meines Beitrages als "Unsinn" denn doch nicht zustimmen.


    Was ich nur sagen wir mal ein bißchen karikieren wollte, ist die Unterscheidung der musikalischen Welt in Komponisten, die zwar voller lichter Momente stecken, aber leider leider doch nur zweitrangig sind und denen die voller schwacher Momente sind aber doch erstrangig.


    Zitat

    Bitte, Martin, verteidige Elgar, liebe ihn, verehre ihn; erkläre, dass Du seine Musik lieber hörst als die von Schubert, Mahler, Debussy etc; das ist Dir unbenommen, niemand würde Dich wegen Deines Geschmacks scheel anschauen. Aber spiele Elgar nicht im Versuch einer Objektivierung gegen eine Oberliga von Komponisten aus, in der er nichts verloren hat.


    Wenn ich dagegen jetzt wieder argumentiere, wird sich die Diskussion nur ewig im Kreis drehen. Ehrlich gesagt interessiert es mich überhaupt nicht, welche Komponisten Du für erstrangig und welche für zweitrangig hältst. Ich schätze alle diese Komponisten, die ich - anscheinend - niedergemacht habe sehr.


    Ich mag ja im übrigen auch durchaus Kontroversen. Was mich nur an der ganzen Sache stört, ist der Respekt, den man einem genialen Komponisten wie Elgar schuldet. Und ich finde alle solche Ausdrücke wie "zweitrangig", oder "nicht Oberliga" oder "wie schlechtes englisches Essen" oder "englischer Nebel" oder "dabei muß man zur Uhr gucken" oder "die Engländer klammern sich an ihm fest" etc. etc. einfach über die Maßen respektlos, eine Respektlosigkeit, die mich gegenüber Mahler nun zweifellos kaum stören würde ( wo ich nur müde drüber lächeln würde), die mich aber bei Elgar nun doch stört. Abgesehen davon aber: Wenn Du schon mit einer solchen Haltung an Elgar herangehst, ist das natürlich eine "self fullfilling prophecy", das Du bei Elgar genau das finden wirst, was Du erwartest, etwa in der 2. Sinfonie, die sicher nicht ganz so zugänglich ist wie Khataturians Säbeltanz.


    Bei "Erstklassigkeit" denke ich einfach nur an die Geschichte von Ravel und Gershwin, als Gershwin Kompositionsschüler von Ravel werden wollte und Ravel antwortete: Warum wollen sie ein zweitklassiger Ravel werden, wenn sie ein erstklassiger Gershwin werden können. Das ist die richtige Haltung.


    Jedenfalls gehen mir deine ewigen "Rangvergleiche", überhaupt diese ewigen zum Teil wirklich abwegigen Vergleiche einfach entschieden auf den Senkel.


    Gruß Martin







    Lieber Michael,


    ich werde mir den Handley mit der 2. Sinfonie auf jeden Fall mal holen. Worüber ich auch nachdenke, ist das Violinkonzert mit Kennedy und Handley ( Orchester habe ich schändlicherweise vergessen). Das ist ja sehr billig ( 5 Euro) und vielleicht ist dies ja eine Interpretation, die die Längen des Violinkonzerts doch ein bißchen besser auffängt ( vielleicht ist die Naxosaufnahme ja auch nicht so gut?). Kennst Du diese Aufnahme?


    Gruß Martin

  • Martin:


    Zitat

    Bei "Erstklassigkeit" denke ich einfach nur an die Geschichte von Ravel und Gershwin, als Gershwin Kompositionsschüler von Ravel werden wollte und Ravel antwortete: Warum wollen sie ein zweitklassiger Ravel werden, wenn sie ein erstklassiger Gershwin werden können. Das ist die richtige Haltung.


    Hallo Martin, also ich kenne die Geschichte ein wenig anders: Gershwin fragte bei Strawinski an, ob er ihm Kompositionsunterreicht erteilen würde: Strawinskis erste Frage: Wieviel verdienen Sie im Jahr ?
    Als Geshwin darauf eine beachtliche Summe nannte, soll Strawinski gesagt haben:" Wir machen es so herum: ICH nehme bei Ihnen Unterricht !!!!! :D :D :D

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Martin, freu Dich doch, dass Du hier folgendes nicht zu lesen bekommst:


    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Uwe schrieb:



    Genau: nett anzuhören, nicht mehr und auch nicht weniger !


    oder


    Zitat

    Original von klingsor
    hallo, bbb, ich teile deine auffassungen voll und ganz. ich hatte auch mal für einige zeit in die gernsheim-werke hineingehört, sie dann aber als zu 'harmlos' und 'uninteressant' verworfen.
    vielleicht war ich zu voreilig, mag sein, aber mir sagten sie nichts. das geht mir auch bei vielen anderen brahms-zeitgenossen so.


    nichtsdestotrotz finde ich die idee von alfred, hier unbekanntere komponisten vorzustellen, außerordentlich begrüßenswert! :yes:


    (zu den Symphonien von Gernsheim)


    Hier hat doch jeder Elgar als Komponist mit erfreulichen Werken gewürdigt!

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