Lieber zweiterbass,
ich habe mich in meine Absicht verstrickt, eine in sich geschlossene Darstellung des Liedes "Auf einer Burg" zu geben, und habe infolgedessen versäumt, da und dort einen Bezug zu Deinen Ausführungen herzustellen. Ich möchte das hier nachholen.
Die Sache mit dem "alten Wieck" und diesem Lied hast Du wohl selber nicht so ganz ernst genommen. Da ist nichts dran. Das Gedicht stammt von Eichendorff, und Schumann hat es unverändert in seine Komposition übernommen. Übrigens im Unterschied zu MONDNACHT. Dort müsste es heißen "Von ihm nun träumen müsst" statt "Von ihm nur träumen müsst", wie der Vers bei Schumann lautet. Der Grund: Clara hat bei der Reinschrift einen Kopierfehler gemacht! (Dies als Nachtrag.)
Das Bild vom "alten Ritter" habe ich ein wenig anders gedeutet als Du. Das hat aber keine Auswirkungen auf das Verständnis des Liedes. Eichendorff spielt hier lyrisch mit dem Bild, das sich die Romantik vom Mittelalter gemacht hat. Das galt als eine - im Unterschied zur Gegenwart! - beseelte und vom christlichen Glauben sinnhaft erfüllte Zeit, in der es noch eine feste Ordnung mit einer unangezweifelten Wertwelt gab. Novalis hat dazu eine von allen Romantikern hochgeschätzte Schrift verfasst. Der alte Ritter ist ein mausetoter Überrest aus dieser Zeit. Er ist versteinert, und in den leeren Fensterbögen seiner zerfallenen Burg sitzen Vögel. Die Natur nimmt ihn wieder in sich auf. Für Eichendorff, den Spätromantiker, ist der Glaube an eine mögliche Neuausrichtung der Gegenwart auf die Wertwelt des Mittelalters als Zukunftshoffnung erloschen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er das mit diesem Bild sagen will.
Das Bild von der Hochzeit, das von Eichendorff ganz bewusst "da unten", also weitab vom versteinerten Alten, angesiedelt wird, soll zeigen, dass das gegenwärtige Leben von der versunkenen Welt des Mittelaters nichts mehr zu erwarten hat. Da gibt es keine irgendwie geartete Verbindung mehr. Dass er die Braut weinen lässt, kann eigentlich nur so verstanden werden, dass diese Gegenwart nicht uneingeschränkt positiv und von Zukunftshoffnung erfüllt erlebt wird. Das ist nun wieder ein typischer Bestandteil der romantischen Erfahrung von zeitgenössischer Gegenwart.