Mein Spielzeithöhepunkt, "die tote Stadt" von Korngold im Theater Lübeck am 5.4.13, war zwar vom Publikum umjubelt, aber nicht auf dem gleichem hervorragenden Niveau wie der überragende Ring, die ausgezeichnete Turandot oder der sensationelle Rosenkavalier. Und das lag an der - bestenfalls - 08/15-Inszenierung von Dieter Kaegi. Mag ja sein, dass man nur bei den hinlänglich bekannten Stücken pfiffig und intelligente Ideen für die Inszenierung haben muß, aber NUR Standardideen zu liefern ist mir einfach zu wenig.
OK. Die tote Stadt ist für eine Oper schon in der Ausstattung und im Text sehr festgelegt. Ohne Bild, Kirche des Vergangenen, Schal, Schirm, Vorhang, Zopf geht es einfach nicht (wobei in Lübeck auch locker im Ring auf ein Pferd verzichtet werden kann, auch wenn Grane eine der meistbesungenen "Dinge" im Ring ist :-)) Das ist wenig Platz für Spielerein in Ausstattung und Gestaltung. Aber das einzige was die Regie einfällt ist ein blauer Vorhang und das abnehmen der Brille für die Traumsequenz?
OK. das ist nicht wahr. Es gibt doch einiges:
Ein großes Sitzkissen wird an den Bühnenrand gezogen, hier beginnt die Traumsequenz mit "Glück das mir verblieb". Die Laute (Glück das mir verblieb wir auch Mariettas Lautenlied genannt) ist eine Schallplatte.
Ab Beginn der Traumsequenz wir es auch in den Bildern surreal:
Als der blaue Vorhang sich öffnet ist das weiße Licht farbig und statt des großen weißen Vorhangs ist ein rotes Thatervorhang und eine Bühne. Von dort tritt schließlich auch Marie auf, sogar 2mal nach dem sie nach dem erstenmal in der Kirche des Vergangenen (ein Wandschrank mit Spiegel) verschwunden war.
Das zweite Bild - kompletter Traum - ist vollends surreal: Marietts Haus steht unmittelbar am Kanal mit der Haustür zum Kanal und die handlenden Figuren können über Wasser laufen.
Die Nonnen und Brigitta sind verschleiert und schreiten - genau wie die Theatertruppe teilweise - rückwärts.
Im dritten Bild rückt der Vorhang und die Prozession in den Mittelpinkt. Zum Höhepunkt offnet sich der weiße Fenstervorhang und die Prozession der blutroten Messdiener des Totenkopftragenden Bischoffs schreiten durch Pauls Wohnzimmer.
Ja ja ja.... das ist alles gut gemeint, aber pfiffig und intelligent? Nö. Das ist Inszenierung von der Stange:
Die weiß (Realität), blau (Traum Paul) rot (Tod) Farbsymbolik ist trivial (einzig die rot weißen Blumen vor Bild und Wandschrank also die Durchmixung von Tod und Realität gefallen mir ind er Farbsymbolik, aber das scheint mir lediglich abbildung des textes "Rosen und Levkojen" zu sein).
Und wenn ich noch einmal bedächtig schreitende Sambolfiguren sehe, dann schreie ich. Die gingen mir schon bei Ruth Berghaus (Tristan&Isolde in Hamburg) und Claus Guth (Ring, Hamburg besonders in der Walküre) so auf den Sack. Das ist ausgelutscht und voneinander abgeschaut.
Einzig könnte ich noch dem "über Wasser gehen können" in Bild 2 noch etwas abgewinnen, wenn es nicht technisch so erbärmlich schlecht gemacht wäre. Ein echtes Lob an die Statisterie, wenn sich nicht so gut das vorsichtige waten gespielt hätten, wäre die ganze schöne Idee (die einzige wirklich originelle im ganzen Regiekonzept) komplett verpufft.
Auch die Figurenanlage ist zu flach. Aus der Brigitta (einmal mehr famos: Wioletta Hebrowska) könnte man etwas machen und auch der Farnk (der Star des Hauses: Antonio Yang) bleibt streng nach Libretto abgebildet. Die Chance beide im 2. Bild als alter Ego zu zeigen, wird vertan, obwohl es ja im Programmheft klar analysiert wurde. Schon schade, wenn das Programmheft die Kernpunkte des Stücks besser herausarbeitet, als die Inszenieruzng selber.
Die Inszenierung erreicht also bei weiten nicht die Qualität des Lübecker Rings, des wunderbaren Rosenkavaliers und nicht mal der Turandot. Gott sei Dank gab es ja auch Musik und Gesang.
Aber auch hier Licht und Schatten.
Gott sei Dank ist Ausrine Stundyte (Mariette/ Marie) so eine großartige Sängerin und Schauspielerin. Sie singt immer klar und wechselt vom Vibrato im Gesang zu Nichtvibrato im Rezitativ, was ja eigentlich keins mehr ist, weil auch hier das Orchester voll dabei ist. Überthaupt das Orchester: ein traumhaft schöner Klang, immer satt, immer weich, aber zu laut. Der arme Paul (Richard Decker) singt ab seinem ersten Ton immer mit Orchester im tutti und forte und das wo die Partie immer an der oberen Grenze der Stimmlage eines Tenors angelegt ist. Brian Schembri hätte sich und seine (ansonsten wirklich famose) Truppe gerne etwas zurück nehmen können. So haben sie ihn platt gemacht. Im dritten Bild war er nur noch mit Mühe zu hören.
Wioletta Hebrowska und Antonia Yang singen wieder großartig, aber haben beide keine große Aufgabe, Yang als Fritz im zweiten Bild schon mehr, aber auch da fällt der Regie nichts berichtenswertes ein.
Und die Oper selbst? Immer überirdisch gut wo man sich dem Klang hingibt, aber die Stimmführung ist irgendwie seltsam. Aber vielleicht bin ich da zu sehr Wagnerianer. Obwohl es eigentlich eine Dialogoper ist, ist die Textverständlichkeit nicht das erste Interesse Korngolds. Am Satzende immer in die Höhe, Silbendehnung bis zur Unkenntlichkeit und seltsame Textwiederholungen. Egal. So traumhaft wie "Glück das mir verblieb" und "Mein Sehnen,m mein Wähnen" sind, spielt der Dialog keine wikliche Rolle.
Was bleibt? Ein tolles Stückdas zu unrecht so selten gespielt wird. Vielleicht hat ja jemand mal den Mut, die Partitur auf ein für kleine Häuser spielbares Maß zu stutzen und dann ist es die perfekte Oper für jedes Haus. Mit einer intelligenten und an der Psychologie interesierten Regie kann es ein Theatererlebnis sein.
Und in Lübeck ist es Dank Ausrine Stundyte, Wioletta Hebrowka und Antonio Yang (die Partie wird auch von Steffen Kubach gesungen) auch. Und es ist zu hoffen, das in dieser Spielzeit das Orchester auch Richard Decker irgendwann mal nicht platt macht.
Hingehen? Ja! Aber der dritte Rang reicht.