Klavierkonzerte des 20. und 21. Jahrhunderts

  • Der australische Komponist Malcolm Williamson (1931-2003) dürfte hierzulande weitgehend unbekannt sein. In Sydney geboren begann er frühzeitig Klavier zu spielen und zu komponieren. Ausgebildet wurde er von dem emigrierten russischen Pianisten Alexander Sverjensky und Eugene Goossens. Ab den 50er Jahren lebte er überwiegend in England und war dort sowohl als Pianist wie auch als Komponist recht erfolgreich. Die Doppel-CD des Hyperion-Labels enthält alle seine Werke für Klavier und Orchester, d.s. zum einen vier Klavierkonzerte, ein Konzert für 2 Klaviere und Streicher sowie eine Sinfonia concertante für Klavier, drei Trompeten und Streicher. Die Werke entstanden zwischen 1957 und 1994.

    Das 1. Klavierkonzert ist von 1957, dreisätzig und 18 min lang. Rollenmodelle sind die Konzerte 1-3 von Prokofieff, die zwei von Ravel und das Konzert von Gershwin. Also spritzige melodiöse Musik mit Anleihen beim Jazz in den Ecksätzen und ein gefühlvoller an Ravel gemahndender Mittelsatz. Das Konzert könnte man durchaus in ein Silvesterkonzert integrieren.
    Piers Lane spielt das schwungvoll und perfekt, Howard Shelley und das Tasmanian SO begleiten inspiriert und das Ganze ist mit der gleichen Sorgfalt produziert wie die Romantic Piano Concerto Reihe. Ich bin gespannt auf die anderen Stücke und werde berichten.

  • Nachdem ich inzwischen auch die Klavierkonzerte 2-4 gehört habe, muss ich feststellen, dass das diesbezügliche Oeuvre von Malcolm Williamson in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ziemlich alleine steht, ich kenne jedenfalls keinen anderen Komponisten, der vier solche Konzerte hingelegt hätte. Alle sind hörenswert, das 2. und das 4. sind relativ kurz, um die 15 Minuten, das 3. und vielleicht gewichtigste, doppelt so lang. Alle haben "big tunes" aber auch ihre modernistischen Härten, Bartok, Prokofieff und Messiaen lassen grüssen. Und der orchestrale Hintergrund erinnert immer mal wieder an die symphonischen Arbeiten von Leonard Bernstein. Aber das ist ziemlich gute Musik, modern, witzig und spritzig, pianistisch brilliant, auch mal nachdenklich, gefällt mir.

  • Sie liegt schon mal im Wartekörbchen, diese Integrale! :thumbsup:


    Besten Gruß! Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Lieber Lutgra und Wolfgang,
    ich habe gerade die jpc-Hörschnipsel durchgehört und war auch positiv überrascht.

    Zitat

    Echte Entdeckungen
    Obwohl Malcolm Williamson 1975 den bedeutenden Posten des Masters of the Queen’s Music erhielt, ist er heute fast ganz vergessen und seine Musik wird praktisch nie aufgeführt. Williamson schrieb mit einem Reichtum an Emotion und melodischem Flair, welcher sich in der Musik aus der Mitte des 20. Jahrhunderts selten findet, dabei trotzdem immer vorwärtsgewandt. Seine Klavierkonzerte sind hierfür ein gutes Beispiel und allesamt echte Entdeckungen für den neugierigen Musikfreund.


    Warscheinlich hatte er nie gross Fuß fassen können, weil seine Stücke für 1957 - 1994 nicht wirklich zeitgemäss sind - eher an den Neoklassizmus mit klassischen Rückbesinnungen angesiedelt. Man erwartete von heutigen Komponisten eher was Neues.
    8o Mir ist das auch egal - ich schätze diese "moderne geniessbare Richtung".
    Ich bin jetzt mit dem Bestellklickfinger nicht so flott wie Du, Wolfgang ... aber diese Doppel-CD mit den KK will ich auch haben. Ausserdem hat Malcolm Williamson eine ganze Reihe Sinfonien geschrieben --- da kommt noch was auf uns zu !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Bestellt habe ich sie noch nicht, Meister teleton! Aber das lässt sich nachholen, wenn meine Frau die letzte Order verdaut hat ...


    ;) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Boris wer???


    Sein Name klingt griechisch, und doch muss er als der wichtigste Komponist des 20. Jahrhunderts in Kroatien angesehen werden: Boris Papandopulo. Sein Vater war ein Aristokrat griechischer Herkunft, aber seine Mutter, Maja Strozzi, war die berühmteste kroatische Opernsängerin ihrer Zeit, eng befreundet mit Igor Strawinski, der schnell zum Mentor und Förderer des jungen Musikers wurde. Im Vorkriegskroatien machte sich Papandopulo schnell einen Namen als Komponist und Dirigent der wichtigsten Zagreber Ensembles, wie der Oper und dem Rundfunkorchester. Nach einer kurzen Zwangspause (wegen angeblicher Kollaboration) bestimmte er dann im neugeschaffenen Jugoslawien wieder schnell tonangebend das musikalische Leben. Er war ebenfalls als Musikschriftsteller, Publizist, Kritiker, Pianist und Korrepetitor tätig. Sein musikalisches Oeuvre ist imposant: in seinen mehr als 450 Kompositionen ist wohl jede Gattung vertreten. Stilistisch ist Papandopulo ungemein vielseitig: Folklore, Neoklassizismus und Neobarock, aber auch impressionistische und expressionistische Idiome fließen in seine Tonsprache ein. Aber vor allem: Seine Musik ist immer voller Optimismus und Lebendigkeit, von mitreißender Spannkraft. Sein 2. Klavierkonzert und die Sinfonietta sind der ideale Einstieg in diesen Künstlerkosmos. Sie werden danach mehr hören wollen... (Produktinfo cpo).


    Boris Papandopulo (1906-1991) ist eine weitere aktuelle Ausgrabung unseres Lieblingslabels und zumindest das 2. Klavierkonzert kommt schon mal ziemlich gut. Papandopulo ist so etwas wie der kroatische Bartok oder Kodaly, er vermengt folkloristische Themen seiner Heimat mit Neoklassizismus und gemässigter Moderne. Sehr gemässigter, das gut 30-minütige Klavierkonzert ist vielleicht so "modern" wie die rumänischen Tänze von Bartok oder Kodalys Tänze aus Galanta. Der Klaviersatz ist brilliant, das Ganze eher leicht und französisch angehaucht. Sehr unterhaltsam und perfekt präsentiert von Oliver Triendl und den Zagreber Solisten unter Sreten Krstic. 450 Kompositionen hat der Mann fabriziert, das kann uns dann - so cpo will - noch eine Weile beschäftigen.

  • Das Klavierkonzert Nr 1 von Charles Camillieri ist kein typisches Werk des 20, Jahrhunderts - gelinde gesagt, Dafür ist es umso gefälliger - soweit man das aus den Soundschnippsel bei jpc schliessen kann. Der Titel ist treffend gewählt, mediterranes Feeling wohin man schaut - äh hört. Der Komponist lebte von 1931-2009. Er hinterliess insgesamt DREI Klavierkonzerte (und einige Konzerte für andere Soloinstrumente) Das Konzert für Akkordeon und Orchester ist allerdings nicht mein Fall....



    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wer das 1. Klavierkonzert von Shchedrin kennt und mag, seine Examensarbeit im Stile von Rachmaninoff, wird mit dem 2. eventuell Probleme haben. Das ist ein ziemlich sperriges Stück Musik mit hohen Zwölftonanteilen. Man kann es als Fortentwicklung des Stils der späten Prokofieffkonzerte 4 und 5 ansehen, die ja auch nicht gerade popularitätsheischend sind. Mir gefällt das Stück jedenfalls nicht, weder in dieser sicher hochkompetenten Einspielung noch in der frühen mit dem Komponisten am Klavier. Spätere Konzerte (ich habe irgendwo noch eine Kassette mit einem Mitschnitt des 4. oder 5. KK mit Ashkenazy) gefallen mir wieder besser.

  • Angeregt duch einen Beitrag von Alfred_Schmidt möchte ich noch auf ein Konzert aufmerksam machen, was bisher noch nicht aufgetaucht ist.


    Elliott Carter mit seinem Klavierkonzert aus dem Jahre 1965. Es spielt das Cincinnati Symphony Orchestra unter der Leitung von Michael Gielen. Solistin ist Ursula Oppens. Die Klangqualität ist ausgezeichnet (für eine Aufnahme von 1986)



    R-6172478-1413221108-9353.jpeg.jpg



    Das Konzert ist zum 85. Geburtstag von Igor Strawinski geschrieben worden und weist ein paar Besonderheiten auf. Klavier und Orchester agieren hier als miteinander kämpfende Opponenten, deren musikalischer Abtausch durch einen kleinen Ring von sieben Instrumentalisten zwischen Orchester und Klavier abgemildert wird. Auf diese Art enstehen faszinierende Klangschichten. Carter hat an dem Stück in der Nähe eines amerikanischen Schießplatzes gearbeitet und es geht das Gerücht, dass man das in der Musik hören kann.:)


    Wenn man gut zuhört, kann man tatsächlich zwei Stücke in einem hören. Das sollte man beim Kauf der Musik bei der Preisbetrachtung immer berücksichtigen ^^


    Auf jeden Fall ist es ein äußerst beeindruckendes Werk. Leider gibt es nicht viele Einspielungen davon.


    Die mit dem Cincinnati-Orchester unter Leitung von Gielen mit Oppens am Klavier gibt es auf jeden Fall auch auf youtube:



  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Klavierkonzerte des 20. Jahrhunderts“ zu „Klavierkonzerte des 20. und 21. Jahrhunderts“ geändert.
  • Schön, dass der Faden aufgewärmt wurde.


    Noch nicht genannt hier wurde das Concerto in modo misolidio, also im mixolydischen Modus, von Ottorino Respighi aus dem Jahr 1925. Spätromantik, aber doch sehr spezifisch. Spannende, aber vor allem äußerst stimmungsvolle Musik, die ganz im Sinne des Meisters Gregorianik virtuos aufarbeitet. Das Farbspektrum ist breit, aber selbst mild jazzoide Rhythmik trifft man im finalen Abschnitt an. Zwei Einspielungen liegen mir vor, aber es gibt noch wenige weitere:


           im Rahmen der Orchestermusik-Sammlung auf 8 CDs - sämtliche ... ist leider wieder mal übertrieben ...


    Ich schätze dieses Klavierkonzert seit rund 45 Jahren - die erste Einspielung, ein Mitschnitt auf der längst funktionsuntüchtigen Bandmaschine, war mit Pietro Spada und dem Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Franz Allers. Ich habe sie, trotz ihrer Bedächtigkeit - wie ich jetzt weiß -, rauf und runter gehört eine Zeitlang. Tempi passati - um in Italien zu bleiben - also das Medium und die konkrete Einspielung, die Musik für mich gewiss nicht.


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Als kleiner Nachtrag zu lutgras Beitrag weiter oben: Die Konzerte von Malcolm Williamson sind in der Tat äußerst originelll, witzig bis skurill.


    Das vermutlich bekannteste, das dritte, kann man auch mit dem Komponisten am Klavier erwerben. Er geht noch einmal unbekümmerter an die Materie heran - was keineswegs eine Abwertung des Solisten Piers Lane bei der anderen Einspielung bedeuten soll.


    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Und jetzt noch ins 21. Jahrhundert. Verblüffend gelungen scheint mir das Konzert von Dieter Ammann. Bedingt avantgardistisch, oder sagen wir, sehr bedingt avantgardistisch [;):)] wird hier ein wahres Feuerwerk abgebrannt:



    Diese Gran Toccata entstand von 2016 bis 2019.


    Der Ravel schlägt sich wacker, der Bartok ist weniger interessant im Angehör der großen Konkurrenz.

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Und jetzt noch ins 21. Jahrhundert. Verblüffend gelungen scheint mir das Konzert von Dieter Ammann. Bedingt avantgardistisch, oder sagen wir, sehr bedingt avantgardistisch [ ;) :) ] wird hier ein wahres Feuerwerk abgebrannt:

    Lieber Wolfgang ( WolfgangZ),


    dieses Album besitze ich auch und kann Dir nur zustimmen.

  • Nun zu einem weiteren Komponisten des 21. Jahrhunderts, wo die These mit dem Feuerwerk musikalisch voll, aber inhaltlich mit Einschränkungen zu verwenden ist :)


    Der britische Komponist, Pianist und Dirigent Thomas Adès dirigiert hier das Tanglewood Music Center Orchestra mit Kirill Gerstein als Pianisten. Es erklingt seine eigene Komposition In Seven Days for piano and orchestra aus dem Jahre 2008.





    Wer hier an die Schöpfungsgeschichte denkt, denkt völlig richtig. Das Stück hat X Sätze (bitte gut raten :)) Es fängt an mit Chaos-Light-Darkness, dann Separation of the Waters into Sea and Sky, Land-Grass-Trees, Stars - Sun - Moon (der einzige Satz, wo ein Feuerwerk angemessen wäre) und so langsam enstehen Erde und Universum vor unseren Ohren.


    Adès ist ein Talent, was Klanglichkeit und Rhythmik angeht. Verglichen mit dem oben besprochenen Klavierkonzert von Elliott Carter ist die Komposition wesentlich einfacher gestrickt, so will es scheinen. Farbigkeit und Eindringlichkeit der Musik ist überbordend. In den dreißig Minuten begegnen uns Strawinsky, Messiaen, musikalische Einfalt und Komplexität, wie es bei einer Schöpfung halt sein muss. :) Aber auch als jemand, der dem Kreationismus eher skeptisch gegenübersteht, kann ich dieses Werk in vollen Zügen genießen.


    Adès ist orignärer Pianist und so scheint das Konzert an einigen Stellen um das Klavier herum gebaut zu sein. Wirkung hat es an vielen Stellen.


    Die Musik hat trotz aller Gewalt etwas durchaus Gefälliges, was ich hier ganz positiv meine. Es macht Spaß, sie zu hören und sie zieht einen nicht nach unten. Die Aufnahmequalität gibt der besten HiFi-Anlage was zu tun. Gerade an manchen Stellen auch im Bass; spätestens, wenn sich die Geschöpfe des Himmels und der See melden, bebt die Erde ;).

  • Roberto ESPOSITO: Klavierkonzert Nr 1 op 8 in fis moll "Concerto Fantastico"


    Ich habe heute diese CD im Internet entdeckt (besitze sie also derzeitnicht selbst)

    Der Komponist und Pianist Roberto Esposito, Jahrgang 1986 hat hier ein eigenes Klavierkonzert , "Concerto fantastico" und eine ebensolche Sonate aufgenommen, erschienen am Label "GRAND PIANO"

    Das Konzert ist sehr traditionsbewusst obwohl es erst 2016 komponiert wurde - vielleicht ein beginnenderneuer Trend des 21. Jahrhunderts (?)

    Die CD enthält auch die Klaviersonate Nr 1

    Die Digitalaufnahme stammt aus 2017. Die CD ist derzeit als Sonderangebot um 8.99 erhältlich.


    Der Komponist schrieb über diese beiden Werke (aus dem englischen maschinell übersetzt):


    Zitat

    "Für jeden Pianisten-Komponisten ist das Schreiben für das Klavier, in diesem Fall ein Klavierkonzert und eine Klaviersonate, eine ehrgeizige Herausforderung, die den Künstler dazu bringt, Hindernisse auf dem Weg zur Selbstfindung zu überwinden. Das Klavierkonzert 'Fantastico' und Die Klaviersonate entstand aus dem persönlichen Bedürfnis heraus, den Weg der großen Komponisten der Vergangenheit zu gehen, und ließ sich auf dem musikalischen Weg der letzten zwei Jahrhunderte von Beethoven über Rachmaninow bis Kapustin inspirieren. Das Wunder, ein Lied dieser Tiefe aufzuführen, wurde geschrieben Für mich ist es eine Erfahrung, der sich jeder Künstler hingeben sollte. “


    Roberto Esposito


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wer glaubt, die Musik Rachmaninows sei ein Endpunkt, der kann hier eines Besseren belehrt werden. Sara Alexandrowna Lewina (*1906-†1976) (für Freunde der kyrillischen Notation Зара Александровна Левина) hat zwei durchaus beeindruckende und recht virtuose Klavierkonzerte geschrieben. Das erste ist 1942 entstanden und soll jetzt vorgestellt werden. Die ausführende schwedische Pianistin mit russischen Wurzeln Maria Lettberg hat die Komponistin wohl entdeckt (zumindest im Westen).



    Das Konzert ist eine interessante Mischung aus Rachmaninow und Prokofieff, hat aber gerade auch im zweiten Satz lyrische Elemente, die ich weder dem einen noch dem anderen zuordnen kann. Die Dame passt also wieder in keine fertige Schublade. Man muss sich die Musik wohl anhören :).



    Dank youtube ist das möglich, ohne unseren Sponsor zu belästigen ;)





    BTW: Sara Lewina ist die Großmutter des bekannten Pianisten Alexander Melnikow.



    Capriccio Music hat zu dieser Veröffentlichung auch einen kleinen Film gedreht, den man sich auf jeden Fall anschauen sollte:



  • Machen wir mit Klavierkonzerten des 20. und 21. Jahrhunderts weiter. Der Komponist Krzysztof Penderecki gehört zu den bekanntesten des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Trotzdem ist sein Klavierkonzert eher unbekannt und wenn doch, dann über die öffentliche Diskussion und an die Aufführung geknöpfte Skandale bekannt geworden, was in meinen Augen und Ohren meistens weniger mit der Musik zu tun hat. Der Komponist selbst referenziert mit dem Werk auf das schreckliche Attentat vom 11. September 2001, was natürlich für eine gewisse Offentlichkeit an sich garantiert. Ob die Diskssuion dann der Musik gerecht wird, wer weiß das schon.....;)



    Das Werk ist ziemlich in die Kritik geraten, von geschmacklos bis dem Vorwurf zusammengestöpselter Musikteile ist so ziemlich alles anzutreffen. Da mich der historische Kontext, den der Komponist sich zum Werk ausgedacht hat, nur peripher interessiert, nun meine Vorstellung.


    Ja, das Werk ist hochgradig eklektisch, was man bei Schnittke aber immer mit einem gewissen Respekt vermerkt. Das Werk hat Teile, die für sich gehört extrem "schön" bis kitschig wirken, die aber im musikalischen Kontext immer wieder relativiert werden. Die orchestrale Besetzung ist nach dem Hören von Komponisten wie Rachmaninoff und Bartok keine Überraschung und birgt außer dem Geschick Pendereckis beim Einsatz der Instrumente nichts Neues. Also alles Quatsch oder wie? ;)


    Zuerst einmal setzt das Werk dem Hörer keinen Widerstand entgegen und hört sich als solches durchaus interessant an. Damit jeder sich selbst einen Eindruck bilden kann, hier die youtube Ausgabe








    Mich würde das Urteil anderer Forumsmitglieder interessieren.

  • Gerne, werter astewes!


    Meine Aufnahme ist eine andere:



    Allerdings war mir schandhafterweise deren Existenz im Regal nicht so ganz bewusst - und gehört habe ich die Musik mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch nicht - und ich habe daher soeben auf eine youtube-Einspielung zurückgegriffen. Es ist ein Live-Mitschnitt aus Litauen, den ich jetzt allerdings nicht auch noch verlinken möchte. Er ist bei Interesse ohnehin leicht zu finden. (Deine Links wurden mir nicht sofort angezeigt, was alleine an meiner technischen Verbindung liegen dürfte.)


    Zunächst: So klingt er, der spätere Penderecki, der die Avantgarde hinter sich gelassen hat. Hoch pathetisch, griffig bis zur Direktheit - und dabei denke ich gar nicht so sehr nur an Blechchoräle oder die Glockenpassage, die genau so gut Respighi den Vöglein in den Pinien hätte folgen lassen können, sondern an die thematische Gestaltung. Denn für mich zerfällt das Werk keineswegs in heterogene Teile, sondern erscheint strukturell doch absolut stimmig.


    Man muss nun den Kontext nicht kennen, um die Musik überzeugend zu finden. Im Gegenteil: Eine solche plakative Zuspitzung halte ich eher für verengend. Könnte es nicht sein, dass manche Kritiker Kitsch-Potential gerade deshalb so bequem zu entdecken vermochten, WEIL sie den Kontext schon vorher kannten?


    Die Musik ist gewiss nicht über jeden Zweifel erhaben, aber ich halte sie für typisch, für durchaus nicht austauschbar, für geschlossen. Und mich spricht sie an. Inwieweit sie sich vielleicht doch sogar anbiedert, darüber kann man wohl lange diskutieren.


    EDIT: Lutgra hat all das gesagt, was ich noch nicht gesagt habe. :thumbup:


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • *** Meine Erwartungen wurden weit übertroffen: :angel: Das ist das beste Klavierkonzert was ich aus dem 21.Jhd überhaupt kennengelernt und gehört habe. Ich bin absolut begeistert. Bei aller zeitgemässen Tonsprache, die endlich mal mit dem herkömmlichen Orchesterklang aufräumt, ist da nichts ungeniessbares - fabelhaft packend.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Und mich spricht sie an. Inwieweit sie sich vielleicht doch sogar anbiedert, darüber kann man wohl lange diskutieren.

    Mich spricht sie auch an. Das ist für mich das Entscheidende. Ich lasse mir ungerne durch Theorie vorschreiben, was mir zu gefallen hat. Musikrezeption ist in erster Linie ein ästhetisches Erlebnis und kein theoretisches. :)


    lutgra Vielen Dank für die Verweise. Ich hatte sie nicht gesehen. Ich hatte nur im Thread nachgeschaut, ob Penderecki schon aufgetaucht ist.

  • In Bielefelder Oetker-Halle erlebte ich noch - es muss 2013 oder 2014 gewesen sein (?) - ein Konzert mit einer Penderecki-Symphonie mit den Bielefelder Philharmonikern, wo Penderecki persönlich auch anwesend war und vom Dirigenten begrüßt wurde. Sein Klavierkonzert hatte ich bisher nicht auf dem Schirm. Eigentlich spannend - eine musikalische Auseinandersetzung mit dem 11. September in der Tradition von Schostakowitsch bis Britten. Meine Höreindrücke beim Reinhören sind, dass die Musik in ihrer prägnanten Einfachheit doch konstruktiv und intelligent durchgebaut ist und sehr eindrucksvoll von der Wirkung her. Lediglich das Choral-Thema im triumphalen Dur finde ich doch ein wenig arg affirmativ und naiv-plakativ, um nicht zu sagen: platt. Aber ich werde mir eine Aufnahme besorgen und mir das intensiver zu Gemüte führen!


    Schöne Grüße

    Holger

  • Neben Benjamin Britten, der mit seinem Klavierkonzert im Thread schon Erwähnung fand, hat auch sein Freund Michael Tippet ein Klavierkonzert geschrieben. Etwa 15 Jahre später als Britten, aber von den modischen Strömungen der Zeit unberührt. Es ist eine Mischung aus klanglicher Gewalt und wirklicher Zartheit. Wenn auch tonal nicht wegweisend, so ist es doch rhythmisch interessant. Überhaupt kann man Bartók schon hin und wieder durchhören. Trotzdem weist das Konzert einen eigenen Klang auf.


    Tippett komponierte es zwischen 1953 und 1955. Julius Katchen, der für die Uraufführung 1956 als Pianist vorgesehen war, gab die Aufgabe im letzten Augenblick mit der Bemerkung zurück, das Stück sei unspielbar.... :(. Louis Kremer spielte es stattdessen.


    Ich habe eine Einspielung von Steven Osborne auf hyperion, der mir schlüssig zeigt, dass Katchens Bemerkung doch eher dem damaligen Stress zu verdanken war und keineswegs uberzeitlich gültig ist.



    Auch Howard Shelley beweist uns auf youtube das Gegenteil



    Und nein, ich finde das Stück einfach schön und bin nicht weich geworden. Das Klavierkonzert von Lachenmann kommt auch noch dran ... :P

  • Das Schoenberg Klavierkonzert Op. 42 ist zwar schon erwähnt und dann auch noch durchaus verschieden bewertet worden. Da mir die Einspielung von Brendel auch nicht wirklich zusagt (die von Pollini ist allerdings grandios), möchte ich alternativ die Einspielung von Uchida erwähnen. Es mag erstaunen, dass jemand, der einen so wundervollen Zugang zu Mozart und Schubert hat, auch das Schoenbergsche Werk so überzeugend spielen kann. Allerdings scheint mir hier die Kombination mit Boulez auch wirklich geglückt. Uchida zeigt hier, wieviel Gefühl in dem Werk herausspielbar ist, ohne die Strukturen zu vernachlässigen.


  • RE: Schoenberg Klavierkonzert Op. 42

    Es mag erstaunen, dass jemand, der einen so wundervollen Zugang zu Mozart und Schubert hat, auch das Schoenbergsche Werk so überzeugend spielen kann. Allerdings scheint mir hier die Kombination mit Boulez auch wirklich geglückt.

    Welche Pianistin/Pianist solch eine Musik spielen kann und sich überhaupt in diese Klangwelten der zweiten Wiener Schule einfühlen kann, der muss schon zu den ganz Grossen gehören.

    Ich besitze nur die angesprochene Brendel/Kubelik - Aufnahme DG), weil sie eben auf der CD (die ich nur wegen des Berg-VC erworben hatte) mit drauf ist.

    Für Werke des 20.- 21.Jhd bin ich ja immer aufgeschlossen ... aber diese "Töne" von Schönberg lassen mich ratlos zurück und verursachen bei mir keinerlei Hörfreude ... so wie fast alle besprochenen in diesem Thread.

    8) :| Die Zweite Wiener Schule war noch nie meins !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Für Werke des 20.- 21.Jhd bin ich ja immer aufgeschlossen ... aber diese "Töne" von Schönberg lassen mich ratlos zurück und verursachen bei mir keinerlei Hörfreude

    Die zweiten Wiener sind melodisch gewöhnungsbedürftig. Allerdings höre ich sie mittlerweile seit meinem 14. Lebensjahr und habe deswegen kein wirkliches Problem mit den "Melodien". Wenn ich die Idee der Zwölftonreihe einigermaßen kapiert habe, geht es zum Teil auch darum, eben diese Hörgewohnheiten zu konterkarieren ...


    Bei Brendels Spiel der Klavierkonzertes fand ich Deine Formulierung recht treffend. Das Ganze wirkt auf mich auch beliebig und nicht organisch. Ganz anders die Einspielung von Uchida, die Du IMO völlig richtig zu den Großen zählst. Hier werden Zusammenhänge hörbar, die Brendel zumindest nicht herausspielt.


    Nur so als Tipp. Mir liegt nichts ferner, als andere bekehren zu wollen .....

  • RE: Schönberg KK mit Uchida

    Bei Brendels Spiel der Klavierkonzertes fand ich Deine Formulierung recht treffend. Das Ganze wirkt auf mich auch beliebig und nicht organisch. Ganz anders die Einspielung von Uchida, die Du IMO völlig richtig zu den Großen zählst. Hier werden Zusammenhänge hörbar, die Brendel zumindest nicht herausspielt.


    Nur so als Tipp. Mir liegt nichts ferner, als andere bekehren zu wollen .....

    Danke lieber Axel für den Hörtipp,

    ich werde mir Uchida mit Schönberg auf jeden Fall mal anhören.


    *** Dabei habe ich auf YT folgendes gefunden:


    Uchida erklärt ihr Experiment mit dem Schönberg KK.


    Sie spielt einen Teil des Schönberg KK mit dem Rotteredam PO unter Jefrey Tate:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang ( teleton )


    vielen Dank für das nette Interview mit Mitsuko Uchida. Sie scheint eine freundliche und kluge Person zu sein. Vieles kann man nachvollziehen von dem, was sie sagt.


    Die pianistischen Unvollkommenheiten von Schoenberg sind damals schon einem der größten Pianisten seiner Zeit aufgefallen. Ferruccio Busoni schrieb deswegen eine Bearbeitung von op. 11 Nr. 2. (Uchida dachte dass der Komponist "mad" sei mit vierzehn, als sie op. 11 spielen musste, wie ich jetzt weiß! :) Busoni hatte anderes Im Auge, aber er war zu dieser Zeit auch schon was älter ...)


    Wie viele Transkriptionen von Busoni ist auch diese ins Kreuzfeuer geraten. Die Menschen fällen häufig ästhetische Urteile ohne wirklich zuzuhören und Transkriptionen galten zu jener Zeit als etwas Minderwertiges (Das Barock hatte damit weniger Probleme ;))


    Auch wenn es Soloklaviermusik ist, bringe ich es mal


    Schoenberg op. 11 Nr. 2 (1909) Glenn Gould spielt das Klavier



    und die Busoni Bearbeitung KiV B97 (1910). Urs Liska ist hier der Pianist


  • Ich empfinde es als große Lücke in diesem Thread, dass das Klavierkonzert von Viktor Ullmann noch keine Erwähnung fand. Ich habe es mittlerweile in uwei Einspielungen und es gibt sogar noch mehr auf dem Markt.


    Das Konzert entstand 1940 und damit nach der Besetzung der Rest-Tschechoslowakei durch deutsche Truppen. Es ist ein spritziges, klanglich interessantes Werk, dem man die politisch schwierige Situation des Komponisten nicht anmerkt.


    Die Vorstellung der Klavieres im ersten Satz hat ein wenig von einer Kondensierung der Klavierapotheose von Busonis Megawerk im ersten Satz an sich. Aber die Ähnlichkeiten beschränken sich auch darauf. Ullmanns Werk ist viersätzig und hat damit nicht die von Busoni angestrebte Symmetrie, sondern eher einen klassischen Aufbau.


    Der Einsatz der Bläser gefällt mir im ersten und dritten Satz ungeheuer gut. Der zweite Satz ist meditativ ohne auch nur im Ansatz melancholisch zu wirken, was man vielleicht erwarten könnte. Erinnerungen an Bartok und Strawinski sind unvermeidlich, ohne Verwechslungsgefahr :). Das Werk hat einen Wiedererkennungswert, obwohl ich solchen Dingen selten asthetischen Wert beimesse.


    Die sehr schöne Interpretation von Herbert Schuch mit dem WDR Sinfonierorchester unter Leitung von Olari Elts findet sich im Web





  • Nikolai Kapustin war ein von Jazz_Rhythmik und Harmonik begeisterter Komponist, der allerdings das im Jazz übliche Improvisieren nicht mochte :(. So entstanden viele viele Werke für Klavier, denen man eigentlich nicht anhört, dass sie Note für Note durchkomponiert sind.


    Bei seinen sechs Klavierkonzerten ist das etwas anders. Klassische Sinfonieorchester sind halt nicht gewohnt mit Pianisten zu jammen ....


    Hier sein Klavierkonzert Nr. 4 Op. 56 aus dem Jahre 1989. Eingespielt von dem mir unbekannten Pianisten Ljudmil Angelov, der schon für Hyperion ein romantisches Klavierkonzert eingespielt hat. Das Symphoniorchester sagt mir noch weniger .... Dafür sind aber die Noten zu sehen. Ein wenig Gershwin, a bisserl Bolling und ein ganz klein wenig Kapustin ;)



    Wer das Ganze mit mehr Schmiss hören möchte, dem sei die Einspielung von Frank Dupree empfohlen.


  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose