Der Musiker Gräber

  • Lieber Stimmenliebhaber,


    schön, dass Du diese breite Ergänzung gebracht hast, in meinen Beiträgen kann ich da nur mal Andeutungen in einem dürren Satz machen. Auch das musikalische Tun der Verblichenen lässt sich in diesem Rahmen nicht wirklich befriedigend darstellen, da muss man aus anderen Quellen schöpfen ...


    In dem von Dir eingestellten Beitrag heißt es im letzten Satz: »... so stellt sich von neuem die Frage nach den Gründen ihres weltumspannenden Erfolgs nach 1945.«
    Zur Beantwortung dieser Frage glaube ich etwas beigetragen zu haben, aber ich hatte verschwiegen, dass Orffs Rhythmen neben der Nestlé-Schokolade auch noch zur Werbung für Iveco-Lastwagen eingesetzt wurden ...


    Eleonore Büning schrieb zu Orffs 100. Geburtstag in DIE ZEIT:
    »Schließlich, Orff war nicht der Schlimmste. Es gab neben ihm noch viele Musiker mehr, die im Tausendjährigen Reich eine schöne Karriere erlebt, die sich weit tiefer als er mit der Macht eingelassen hatten - und denen die Welt längst vergab und alles vergaß. Orff trat erst spät (1940) in die Partei ein, er war nie ein Funktionärsrädchen im Getriebe und hat, soweit bekannt, niemanden geschädigt.«


    Dieser Meinung kann ich mich auch zum 120. Geburtstag von Orff anschließen. Tiefgründige politische Diskussionen muss man nicht an Gräbern führen; da gibt es geeignetere Plattformen.

  • Ich finde es gut, lieber hart, dass du auch in diesem Thread auf Carl Orffs 120. Geburtstag Bezug nimmst, aber ich wundere mich immer wieder, dass auch in seinem Falle immer noch, nunmehr 70 Jahre nach Ende des "Dritten Reiches" seine "angebliche" oder "mögliche" Verstrickung in den "Nationalsozialismus" hervorgehoben wird.
    Vielleicht sollte man an diesem Tage, an den ich auch im Carl-Orff-Thread erinnert habe, einfach mal sagen, wie großartig die "Camina Burana" sind, die ich zweimal mit aufgeführt habe, und wie unendlich wichtig für die musikalisch Erziehung speziell in der Instrumentenkunde das sogenannte "Orffsche Instrumentarium" war, das uns (und mir als ungelerntem Musiklehrer im Besonderen) in der Musikerziehung an Hauptschulen so hilfreich und dem Lernstand der Hauptschulkinder angemessen war. Einer meiner Schüler hat es, nachdem er im Musikunterricht an den "Orffschen Instrumenten" auf den Geschmack gekommen war, im Heeresmusikkorps 6 der Bundeswehr zum Soloschlagzeuger gebracht. Das lag aber wohlgemerkt nicht an mir, sondern an seinem Talent.
    In diesem Sinne hoffe ich auf ein baldiges Ende der "dunklen Zeit", wie immer man das auch aktuell verstehen mag.
    Falls gar nichts mehr geht, sollt man vielleicht das "O Fortuna" anstimmen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich finde es gut, lieber hart, dass du auch in diesem Thread auf Carl Orffs 120. Geburtstag Bezug nimmst, aber ich wundere mich immer wieder, dass auch in seinem Falle immer noch, nunmehr 70 Jahre nach Ende des "Dritten Reiches" seine "angebliche" oder "mögliche" Verstrickung in den "Nationalsozialismus" hervorgehoben wird.


    Wäre das nicht immer wieder mal thematisiert worden, lieber Willi, die Rolle Orffs im Nationalsozialismus wären im Dunkeln und Unbestimmten geblieben, hätte also noch viel mehr Raum für Spekulationen geboten. Diese Debatte - auch nach siebzig Jahren - nützt also auch Orff selbst - und einem gerechten Gedenken. Auch deshalb ist sie immer noch notwendig.


    Nach wie vor sehr gut finde ich, was der kanadische Historiker Michael H. Kater über Orff und seine Rolle in Dritten Reich zusammengetragen hat. In diesem Beitrag geht es auch um Orffs Versuch, nach 1945 die eigenen Biographie dahingehend zu manipulieren, dass er sich dem Widerstand nahe gefühlt und Verbindungen zur "Weißen Rose" gehalten habe. Das allerdings - so stellte es sich heraus - ist nun wirklich Legende. Es hätte nicht sein müssen, und Orff soll dem Vernehmen nach bis zum Schluss daran sehr gelitten haben. Auch das gehört dazu, wenn wir uns heute an den 120. Geburtstag dieses Komponisten erinnern sollen. Würde es abgeschnitten und weggelassen, wird machten uns auch an ihm schuldig.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Stimmenliebhaber,
    schön, dass Du diese breite Ergänzung gebracht hast, in meinen Beiträgen kann ich da nur mal Andeutungen in einem dürren Satz machen.

    Lieber Hart, das ist auch völlig ok, ich hatte nur das Gefühl, dass dieser "dürre Satz" zu sehr auf Orffs Selbstsicht ruht, die man zu seinen Lebzeiten aus Respekt vor dem Komponisten und seinen musikalischen Leistungen zu lange unhinterfragt ließ.



    aber ich wundere mich immer wieder, dass auch in seinem Falle immer noch, nunmehr 70 Jahre nach Ende des "Dritten Reiches" seine "angebliche" oder "mögliche" Verstrickung in den "Nationalsozialismus" hervorgehoben wird.

    Es gehört einfach zur Wahrheit dazu - und von "angeblich" oder "möglich" kann, wer sich ernsthaft damit auseinandersetzt, nicht reden, das wäre zu schwach. Ich finde es auch bedenklich, dass man Egk und Pfitzner am liebsten komplett zu Seite schieben und ihre Werke nicht mehr spielen möchte (zumindest viele in verantwortlichen Positionen), bei Orff hingegen gerne ein Auge zugedrückt wird, weil man seine "Carmina" nicht so einfach zur Seite schieben KANN. Nein, man sollte sich mit dem auseinandersetzen - das erhöht in meinen Augen die Legitimation, die Werke auch zu spielen, und verringert sie nicht.



    In diesem Beitrag geht es auch um Orffs Versuch, nach 1945 die eigenen Biographie dahingehend zu manipulieren, dass er sich dem Widerstand nahe gefühlt und Verbindungen zur "Weißen Rose" gehalten habe. Das allerdings - so stellte es sich heraus - ist nun wirklich Legende. Es hätte nicht sein müssen, und Orff soll dem Vernehmen nach bis zum Schluss daran sehr gelitten haben. Auch das gehört dazu, wenn wir uns heute an den 120. Geburtstag dieses Komponisten erinnern sollen. Würde es abgeschnitten und weggelassen, wird machten uns auch an ihm schuldig.

    Richtig, und zu dem einen plumpen Versuch mit der "weißen Rose", der schnell aufflog, kamen eben viele Äußerungen von ihm nach 1945 über die Zeit vor 1945 hinzu, die sich inzwischen als unwahre Selbststilisierungen entpuppt haben, die sich freilich hartnäckig halten. Das Interessante an der von mir verlinkten Schrift ist meines Erachtens, dass der Autor das berühmteste Werk selbst unter der Fragestellung untersucht, wie gelegen oder ungelegen es den damaligen nationalsozialistschen Machthabern denn kam. Das fand ich persönlich hochinteressant.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Nach wie vor sehr gut finde ich, was der kanadische Historiker Michael H. Kater über Orff und seine Rolle in Dritten Reich zusammengetragen hat.


    Lieber Rheingold,
    wenn wir schon am Lesen sind, dann sollten wir auch noch Tonlage: Zwischen Gut und Böse lesen, wo der Feuilletonist, Musikjournalist und Barockbratscher Volker Hagedorn - neuerdings mit dem Ben-Witter-Preis dekoriert - das Buch von Michael H. Kater etwas näher in Augenschein nimmt. Einige Zeilen, die sich auch auf Orff beziehen, kopiere ich gleich mal hierher:


    »Mit Eifer werden vor allem Werner Egk und Carl Orff auf ihren Bräunungsgrad untersucht. Dass Schönberg seinem Kollegen Orff "ein Gräuel" war, lässt sich dabei so pauschal nicht behaupten von einem, der von Schönbergs Kammersymphonie einen Klavierauszug herstellte. Orffs Carmina Burana entsprechen laut Kater einer "spezifisch nationalsozialistischen Ästhetik und künden wie die vier Ehen von der Sexbesessenheit des Komponisten. Wem Kunst zu komplex ist, der schneidet sich die Künstler auf Klischeemaß zurecht.«


    DIE ZEIT Nº 47/2004

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  • Orffs Carmina Burana entsprechen laut Kater einer "spezifisch nationalsozialistischen Ästhetik"

    Das ist zumindest nicht ganz so absurd, wie es den ersten Anschein hat - mehr dazu kann man in dem von mir letzte Nacht verlinkten Text nachlesen (Beitrag 270 dieser Rubrik bzw. letzte Seite ganz unten).

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"




  • Auch über den Text im Sockelbereich ist die Zeit hinweggegangen, er kann nicht mehr flüssig gelesen werden; mein Leseversuch kam zu diesem Ergebnis:
    ALS ER DEM LEBEN GAB WAS ER LIEBTE
    NAHM IM DER TOD DAS LEBEN
    SEINE LIEBE GALT DER MUSIK
    SIE MACHTE IHN GLÜCKLICH IM STERBEN


    Er mochte Hans Pfitzner, Arthur Schopenhauer, Thomas Mann - und natürlich Richard Wagner, aber das ist nur eine sehr oberflächliche Betrachtung, denn man müsste noch Richard Strauss, den er vor allem auch als Dirigent sehr schätzte, und viele andere nennen.
    Die Sängerinnen und Sänger müssen unbedingt noch genannt werden, das war eine Sache auf Gegenseitigkeit, er war ein »Sängerdirigent« par excellence, wie die Aussagen vieler Vokalisten bestätigen.
    Was er nicht mochte bezieht sich nicht so sehr auf Personen, obwohl es die auch gab, aber er verzweifelte zumindest mit zunehmendem Alter an den Erscheinungen seiner Zeit.


    Seinem Sohn schrieb er einmal:
    »Der heutige Durchschnittsmensch liebt das Absurde, auf den Kopf-Gestellte unpoetische und kommt sich dann "fortschrittlich" vor.«


    Er sah sich im Kulturbetrieb auf verlorenem Posten und fühlte sich als vereinsamter Kämpfer in einer ihm fremd gewordenen Zeit.
    »Den Rosenkavalier dirigiere ich nicht mehr«, stellte er einmal fest.
    Er war unlängst unter einem anderen Dirigenten laut Presse zum ersten Mal »richtig« in München erklungen.


    Dietrich Fischer-Dieskau fand einmal ein Gespräch mit Keilberth so faszinierend, dass er seine Maschine auf dem Züricher Flughafen verpasste. In seinen späten Jahren schrieb der Sänger:
    »Nein, Keilberth bekäme heute keine so gute Presse, wie er sie damals hatte, denn wir leben in einer Zeit, die das Forte, das Plakative liebt, im Gesang, aber auch in der Orchesterbehandlung.«


    Sicher hatte er überwiegend eine eher zustimmende Presse zu seiner Zeit, sonst hätte er diesen Bekanntheitsgrad nicht erreicht, aber diese Presse erlaubte sich mitunter schon einiges ...
    Als Keilberth seine 55. »Salome« dirigierte, wurde er von einem Schreiberling abqualifiziert, dass der Dirigent »keine Ahnung von dem Stück« habe.


    In seiner letzten Lebenszeit hörte seine unmittelbare Umgebung zu wiederholten Malen: »Ich mag nicht mehr« und wenige Tage vor seinem Tode setzte er dann ganz leise erstmals hinzu: »Und ich kann nicht mehr.«


    Aber vor diesen teilweise resignativen Tagen lag ein reichhaltiges Leben, ein steter Aufstieg, der sich sehen lassen konnte - und gute Musik hörte er von Kindesbeinen an.


    Er wurde als Josef in eine musikalische Umgebung hineingeboren; der Vater war Solocellist am Karlsruher Theater, bei den Altvorderen der Familie spielte die Musik ebenfalls eine Rolle und der Freundeskreis der Familie bestand zum Großteil auch aus Musikern; es waren die besten Bedingungen für den kommenden Dirigenten.
    Bereits für den elfjährigen Schüler stand fest, dass er einmal Musiker werden würde und die Eltern begleiteten diesen Berufswunsch wohlwollend. Es wurde fleißig am Klavier geübt und ab 13 war er Celloschüler seines Vaters. In dieser Phase besserte er sein Taschengeld mit dem Kopieren von Noten auf.
    Als ersten Opernbesuch erlebte er »Freischütz« und das zweite Opernerlebnis war dann schon »Parsifal«, was zur Folge hatte, dass er Wagners Musik lebenslang zugetan war.
    Bei der allgemeinen Wagnerbegeisterung in der Familie wurde natürlich auch der Tod von Felix Mottl thematisiert, der viele Jahre am Karlsruher Theater tätig war; keiner konnte ahnen, dass sich Ähnliches wiederholen könnte.


    Der junge Cellospieler entwickelte sich so prächtig, dass man sich vorstellen konnte, dass das einmal zum Beruf werden könnte.
    Im gleichen Maß wie das Interesse an der Musik wuchs, sanken die schulischen Leistungen - eigentlich kein Wunder, denn anstatt dem Unterricht zu folgen, studierte der junge Mann unter der Schulbank hochinteressiert Partituren von Gustav Mahler und Richard Strauss. Aber sein Interesse galt auch der Musik von Pfitzner, Hindemith und Schönberg.
    1922 lernte er im Karlsruher Theater Pfitzners »Palestrina« kennen und war so begeistert, dass er jede Vorstellung besuchte; sein Platz war privilegiert, sein Vater nahm ihn mit in den Orchestergraben.
    Als er Pfitzner zum ersten Mal als Dirigent erlebte war er ein klein wenig enttäuscht, weil damals seine Fixpunkte Knappertsbusch und Clemens Krauss waren.


    Anfang 1925 wurde er aus der Schule hinauskomplimentiert, die Leistungen in den üblichen Fächern standen in keinem Verhältnis zu seiner musikalischen Potenz.
    Am Opernhaus erschien ein neuer Generalmusikdirektor und der Vater ließ von diesem sogleich die Fähigkeiten seines Sohnes prüfen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen; der Direktor machte den Vorschlag, dass der junge Keilberth zunächst für ein Jahr als unbezahlter Korrepetitor am Haus tätig sein sollte, um hier erste Berufserfahrungen zu sammeln.
    Nun änderte der 17-Jährige seinen Vornamen in »Joseph« um, damit er sich von seinem Vater »Josef« unterscheiden konnte. In der nun folgenden Spielzeit erhält der Nachwuchsmusiker eine feste Anstellung am Theater und wuchs langsam in die Dirigententätigkeit hinein.
    Als 1926 in Karlsruhe die »Palestrina«-Premiere anstand, begleitete der 18-Jährige die Bühnenprobe am Klavier. Keilberth bemerkte, dass er von Pfitzner akzeptiert wurde, was ihn mächtig aufbaute und sein Kontakt zu Pfitzner blieb auch danach erhalten.
    Und wieder kam ein neuer Chef nach Karlsruhe, weil der Vorgänger überraschend verstorben war, es war der erst 24-jährige Josef Krips.
    Nun wurden Keilberth wieder mehr kleinere Dirigate übertragen, aber Joseph Keilberth datierte offiziell seinen Karriereanfang als Dirigent mit dem 10. Januar 1928. - Auf dem Programm stand »Freischütz«.
    Mit Beginn der Spielzeit 1931/32 erhielt Keilberth die Position der 2. Kapellmeisters am Badischen Landestheater, aber schon wenig später war er dann Erster Kapellmeister geworden und ab dem 20. November 1935 konnte er sich Generalmusikdirektor nennen.


    Eine Zäsur kam 1939 mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs; noch konnte niemand ahnen, welche Folgen das in den nächsten Jahren haben würde. Aber Keilberth stellte zu diesem Zeitpunkt Überlegungen an, dass er nun schon seit 15 Jahren am Karlsruher Theater wirkte und es dort zum musikalischen Chef gebracht hat und die Position des GMD nun bereits seit fünf Jahren ausübt. Er fasste den Entschluss, seinen demnächst auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. In der Saison 1939/40 arbeitete er viel mit dem Orchester des Reichssenders Leipzig und war auch in Berlin tätig, wo er im Deutschlandsender Berlin dirigierte.
    In einem Brief an Pfitzner schildert er die aktuelle Situation am Karlsruher Theater und klagt, dass die Verhältnisse deprimierend sind; dass vom technischen Personal die Hälfte fehlt, ebenso wichtige Stimmen im Orchester und er berichtet »Dabei muss gespart werden, dass uns Hören und Sehen vergeht.« Außerdem teilt er mit, dass er nächstes Jahr - also 1940 - nicht in Karlsruhe bleiben wird. Am 30. Juni 1940 dirigierte er in Karlsruhe seine letzte Oper - »Meistersinger«.


    Keilberths nächste Station ist Prag, wo er ab der Spielzeit 1940/41 - auf Empfehlung Furtwänglers - in führender Position tätig war und neben diversen Partituren auch noch ein Parteibuch haben musste, die Zeiten waren so; er hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht den ganz großen Namen und war gerade dabei seine Karriere aufzubauen; da war schon Gefahr im Anmarsch, wenn er vom Minister gerügt wurde, dass er nie das Parteiabzeichen trage.
    Keilberth war nun Leiter des deutschen Philharmonischen Orchesters in Prag, ein Orchester mit beeindruckender Tradition, aber Keilberth hatte auch im Vorfeld gehört, dass das Orchester nicht in allerbestem Zustand sei.
    In dieser Zeit dirigierte Keilberth, im Gegensatz zu seiner Karlsruher Tätigkeit, nur wenige Opernaufführungen.
    1942 konnte in Prag noch trefflich musiziert werden, während die Truppen siegreich gegen Osten marschierten. Auch außerhalb Prags gab das Orchester viele Gastspiele.
    1944 war die Situation so prekär geworden, dass im Reich zum 1. September alle Theater geschlossen wurden, aber das deutsche Philharmonische Orchester in Prag konnte - wenn auch nicht gerade in üppiger Besetzung - weiterhin musizieren und gab Gastspiele in Pilsen und Budweis.


    Als Keilberth Anfang 1945 zu einem Konzert bei den Berliner Philharmonikern eingeladen war, sah er das zerstörte Berlin, auch die Philharmoniker hatten ihre Spielstätte verloren, das Konzert fand im Admiralspalast statt. Auch in Prag wurde nun die Lage ernster; Keilberth konnte im Februar von einer Anhöhe aus den Lichtschein des brennenden Dresden sehen. Am 1. Mai 1945 (!) gab das Prager Orchester sein letztes Konzert; in den folgenden Tagen gab es Unruhen in der Stadt.
    Als die Revolutionäre in die Dirigentenvilla eindrangen, setzte sich Keilberth an den Flügel und spielte Inventionen von Johann Sebastian Bach, aber ein offenbar unmusischer Eindringling schlug brutal den Deckel des Klaviers zu, die Musik war an ihre Grenze gestoßen.


    Keilberth wurde verhaftet, verhört und die Familie war dem Pöbel ausgeliefert, fand sich jedoch nach vielen schrecklichen Erlebnissen irgendwann nach 31 Tagen auf einem Elbdampfer und ging in Pirna, also kurz vor Dresden, an Land. Der Dirigent war verstört, durch die Ereignisse deprimiert und glaubte, dass nun alles vorbei sei. Er hatte als Zwangsarbeiter Straßen gepflastert und Leichen verscharrt; zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht damit gerechnet, dass er jemals wieder Musik machen kann.
    Seine Frau richtete ihn wieder auf, sagte ihm, dass er doch in Dresden eine Menge Leute kenne und schickte ihn in die zerbombte Stadt.
    Und das »Wunder« geschah, er traf dort Kollegen, die auf dem Weißen Hirsch, oberhalb von Dresden gelegen, in diesen Zeiten einen Bunten Abend veranstalteten und man sagte ihm allen Ernstes - nach herzlicher Begrüßung: »Auf Sie warten wir gerade. Die Dresdner Kapelle wird zurückgeholt.« (sie war vor der großen Katastrophe nach Bad Brambach evakuiert worden).


    Vor 70 Jahren, genau am 10 Juni 1945, begab sich Joseph Keilberth zur sowjetischen Militäradministration und der von ihr eingesetzten deutschen Behörden, wo man ihm auftrug, in Dresden so bald wie möglich wieder das Musikleben lebendig werden zu lassen. Die von seiner Seite geäußerten Bedenken, wegen seiner Parteizugehörigkeit wurden beiseite geschoben, den damals Verantwortlichen war wichtig, dass die kulturellen Interessen der Bevölkerung befriedigt wurden, damit ein gewisses Vertrauen in die Besatzungsmacht erzielt werden konnte.


    Bereits drei Tage später übersiedelte die Familie nach Dresden, natürlich zum Weißen Hirsch, weil da wenig zerstört war und dort traditionell viele Dresdner Künstler wohnten. Die Nachkriegsformation des Orchesters war etwas geschrumpft, hatte jedoch noch immer seine besondere Qualität. Im Unterschied zum Prager Orchester, das viel weniger mit der Oper zu tun hatte und auch aus jüngeren Musikern bestand, saßen in Dresden erfahrene altgediente Leute vor Keilberth, die vorwiegend in der Oper zu Hause waren und Keilberths Vorgänger hatten klangvolle Namen wie: Ernst von Schuch, Fritz Busch, Karl Böhm und Karl Elmendorff.


    Während Keilberths Kollegen Karl Böhm, Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan, Hans Knappertsbusch und Clemens Krauss mit Dirigierverboten belegt waren, eröffnete er am 16. Juli im Kurhaus Bühlau die Saison 1945/46; es war ein reines Beethoven-Programm - in seinem Dirigierbuch ist nachzulesen: »Dank an Gott!«


    Einerseits schenkte ihm die Regierung ein Auto und ernannte ihn zum Professor, andererseits war er dann aber doch politischen Diskussionen ausgesetzt und die Oper war städtisch geworden, es hatten also plötzlich andere Leute das Sagen.
    Als er 1949 den »Nationalpreis« der Sowjetzone bekam, reichte er diesen unverzüglich an die Dresdner Staatskapelle weiter.
    Keilberth blieb bis 1950 in Dresden, wirkte aber von 1948 bis 1951 als Leitender Kapellmeister der Staatskapelle Berlin, deren Spielort damals natürlich immer noch der Admiralspalast war.


    1951 nahm Joseph Keilberth dann den Ruf nach Hamburg als Leiter des Philharmonischen Staatsorchesters und seiner Symphoniekonzerte an, auch daran hatte Furtwängler gedreht und der unten erwähnte Flötist Schönfelder war an der Dirigentensuche aktiv beteiligt.


    Unter dem Namen »Bamberger Symphoniker« sammelten sich die Reste von Keilberths Prager Orchester in Franken. Es komplettierte sich zu einem hervorragenden Konzertorchester. Keilberth übernahm neben seiner Hamburger Tätigkeit wieder die Oberleitung und führte dieses inzwischen international renommierte Ensemble bis nach Amerika.
    1954 waren Mexiko City und Havanna die ersten Stationen, dann folgte das heikle New York, die Musiker wussten um die Geschichte mit Walter Gieseking, dessen Auftritt in der ausverkauften Carnegie-Hall verhindert wurde. Auch das Konzert der Bamberger war ausverkauft und der Empfang sehr reserviert, aber schließlich versuchte man dem Dirigenten, seines schnörkellosen Dirigierstils wegen, zu einem Engagement in den USA zu bewegen, aber Keilberth mochte nicht.


    Es gab zwar Gespräche bezüglich der Stellung des Chefdirigenten der Bayerischen Staatsoper, aber durch zweifelhafte Pressemitteilungen irritiert, verfolgte Keilberth die Sache nicht weiter und lehnte ab. Ab der Spielzeit 1951/52 liegen die Arbeitsschwerpunkte in Hamburg und Bamberg. Die Bayreuther Festspiele fanden zunächst noch ohne Keilberth statt, was dieser als Niederlage empfand. Schließlich kam dann aber eine nicht unbedingt erwartete Einladung der Brüder Wagner zu den Bayreuther Festspielen 1952.
    Zu Hans Knappertsbusch und Herbert von Karajan trat nun noch Joseph Keilberth vor das Festspielpublikum. Mit Karajan kam Keilberth in dieser Zeit ganz gut zurecht, was man von Platzhirsch Knappertsbusch nicht sagen konnte.


    1953 wurde »Lohengrin« für Schallplatten mitgeschnitten, Keilberth leitete sechs Aufführungen, aufgenommen wurde der dritte »Lohengrin« am 4. August. Keilberth hatte bemerkt, dass Aufnahmen auf Tonträger wegen des fehlenden optischen Eindrucks ein rascheres Tempo verlangen.


    1954 stand für Keilberth »Das Rheingold« und »Götterdämmerung« im Vordergrund, aber außerplanmäßig war dann noch »Tannhäuser« zu dirigieren.
    Der Markevitch-Skandal übertraf plötzlich die Diskussion der umstrittenen Inszenierung. Igor Markevitch, der noch nie ein Werk Wagners dirigiert hatte und auch sonst keine großen Erfahrungen im Operndirigat vorweisen konnte, hatte drei Tage vor der Premiere »krankheitshalber« abgesagt. Keilberth stand dem Dirigat Markewitchs von Anfang an reserviert gegenüber, aber nun war es eben passiert; er konnte die Wagners nicht hängen lassen und sprang ein. In der Presse konnte er dann ein Statement Markevitchs lesen:
    »In einem Theater, an dem man mehr auf den Regisseur und den Beleuchter als auf den Dirigenten hört, können nur viertklassige Kapellmeister arbeiten.«


    Schon bei den Bayreuther Festspielen 1955 zeichnete sich ab, dass Keilberths Bedingungen hier an Attraktivität verlieren könnten. 1956 steht Keilberth dann zum letzten Male hier am Pult und findet den Umbau des Orchesterraums schrecklich. Ein Blick in die Holländer-Aufführung zeigt: Astrid Varnay, George London, Josef Traxel, Jean Cox ...


    Nachdem Kollege Knappertsbusch entsprechend intrigiert hatte, notierte Joseph Keilberth am 20. August: »... ich werde wohl nicht mehr hier wirken. Ich will nicht mehr ...« Knappertsbusch hatte ultimativ gefordert, dass er beide Ringe für 1957 beanspruche.


    Joseph Keilberth hat in fünf Spielzeiten in Bayreuth 56 Aufführungen (von insgesamt 126) geleitet, er darf als wichtiger Dirigent an diesem Ort gelten. Wieland Wagner sprach bezüglich der Trennung von »Eheferien«, Keilberth selbst nannte es nüchtern »Hinauswurf«.


    Während dieser Bayreuther Jahre war Keilberth ein an vielen Orten begehrter Mann geworden und hatte den Kontakt nach München stets erfolgreich gepflegt und dort brillant musiziert. Am 18. Juli 1951 stand er während einer Festspielaufführung von »Tristan und Isolde« erstmals am Pult der Bayerischen Staatsoper. Das Bayerische Staatsorchester hatte er aber bereits in einem Akademiekonzert am 16. Januar 1939 dirigiert.


    Seit 1959 war er nun Bayerischer Generalmusikdirektor und damit musikalischer Leiter der Bayerischen Staatsoper während der wichtigen Phase der Wiedereröffnung des Nationaltheaters.
    In seinen Vertrag, datiert mit 1. September 1959, ließ er ausdrücklich hineinschreiben, dass er im Falle der Wiedererrichtung des Nationaltheaters die Eröffnungsvorstellung dirigiert. Dieser Vertragspunkt konnte zum 21. November 1963 erfüllt werden, GMD Keilberth dirigierte vor geladenen Gästen »Salome« von Richard Strauss und die erste öffentliche Vorstellung am 23. November mit »Die Meistersinger von Nürnberg« von Richard Wagner.
    Die Amtsdauer wurde bis zum 1. August 1973 festgelegt. Auf dieser Basis kaufte sich der Münchner Generalmusikdirektor eine ansehnliche Villa in Grünwald, nahe München.


    Am 19. Juli 1968 hatte Keilberth den ganzen Tag im Nationaltheater zu tun und erfuhr, dass Wolfgang Windgassen den »Tristan«, der am nächsten Tag über die Bühne gehen sollte, absagte und stattdessen der Däne Ticho Parly die Partie singen sollte. Während Keilberth noch - vor Einlass des Publikums - seine persönliche Tristan-Partitur am Pult zurechtlegte und dabei das schwache Pultlicht bemängelte, erfuhr er vom diensthabenden Korrepetitor, dass Ticho Parly seine Partie nicht zuverlässig beherrsche. »List, das versetzt mir den Todesstoß«, soll er dem Betriebsdirektor gesagt haben.
    Während sich der GMD für die Vorstellung umkleidete, nahm seine Familie in der linken Proszeniumsloge Platz. Die Vorstellung lief gut an und nach dem 1. Aufzug herrschte bereits großer Jubel. Im weiteren Verlauf der Vorstellung konnte Sohn Thomas von der Loge aus beobachten wie sich sein Vater ans Herz griff und bei der Textstelle »so stürben wir, um ungetrennt,-« vom Pult vor die II. Violine stürzte - Sänger und Orchester brachen jäh ab und es war ein Moment der Stille.
    Der aus der Loge herbeigeeilte Sohn, eine im Publikum anwesende Ärztin im Abendkleid und Orchestermitglieder bemühten sich, bis die Feuerwehrrettung eintraf.


    Der Dirigent hatte die Stätte seines Wirkens im Krankenwagen verlassen und die Leitung des Nationaltheaters bat die Sängerinnen und Sänger auf die Bühne und regte an, die Vorstellung weiterzuführen.
    Ingrid Bjorner protestierte energisch und fragte, ob auch nur irgendjemand im Hause ernstlich glaube, dass nach diesem Vorfall ein Sänger imstande wäre, weiterzusingen.


    Der Sohn war im Krankenhaus und Ingrid Bjoner war zusammen mit Herta Töpper in der Zwischenzeit ebenfalls dort eingetroffen. Nach einiger Zeit wurde den Wartenden mitgeteilt, dass man sich weiter bemühe, sie könnten nach Hause fahren. Kurz nach Mitternacht rief die Klinik an, um mitzuteilen, dass alle Mühen vergeblich waren.


    Joseph Keilberth wurde auf dem Waldfriedhof Grünwald in aller Stille beigesetzt. Die Bamberger Symphoniker gaben im Bamberger Dom ein Requiem. In München fand im Nationaltheater eine Trauerfeier statt und ein Requiem in der St. Michaelskirche.


    In einer Nachbetrachtung zur Zusammenarbeit mit Keilberth schreibt der Flötist Ernst Schönfelder:
    »Nach einer Probe mit der Mathis-Sinfonie von Hindemith sagte er mir leise, wie versonnen: "wenn ich einmal tot bin, spielt mir die Grablegung - aber bitte nicht mit einem Dirigenten, der in Achtelnoten unterteilt."So ist es dann auch geschehen in München, ohne Dirigenten.«


    Praktischer Hinweis:
    Seine letzte Ruhestätte fand Joseph Keilberth auf dem Grünwalder Waldfriedhof an der Tölzer Straße. Anhand des Friedhofsplans orientiert man sich am Grabfeld Nr. 14

  • Eine sehr bewegender Beitrag. Darf ich eine ganz winzige Anmerkung machen? Das Nationaltheater München wurde am 21. November 1963 nicht mit SALOME sondern mit DIE FRAU OHNE SCHATTEN vor geladenen Gästen wiedereröffnet. Davon gibt es auch bei der Grammophon einen Mitschnitt. Der zweite Aufzug wurde sogar im Deutschen Fernsehen gesendet.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Darf ich eine ganz winzige Anmerkung machen?


    Lieber Rheingold,
    Du darfst nicht nur, solche Korrekturen muss man posten; natürlich war das »DIE FRAU OHNE SCHATTEN«, es war ein Übertragungsfehler - ich bitte um Entschuldigung.

  • Auch ich würdige diesen schönen Artikel (obwohl er doch eher in einen Keilberth-Thread passen würde). Ein Problem habe ich jedoch mit folgender Passage:

    1954 waren Mexiko City und Havanna die ersten Stationen, dann folgte das heikle New York, die Musiker wussten um die Geschichte mit Walter Gieseking, dessen Auftritt in der ausverkauften Carnegie-Hall verhindert wurde.


    Das war aber zu dieser Zeit schon Geschichte. Das passierte im Jänner 1949, wonach die ganze Amerika-Tournee von Gieseking abgesagt wurde. Aber Gieseking kam 1953 zurück und spielte in der Carnegie Hall vor ausverkauftem Haus ...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Ein Problem habe ich jedoch mit folgender Passage:


    Lieber Theophilus,
    dann wollen wir dieses Problem mal angehen. Anbei meine Quelle:
    Joseph Keilberth
    Ein Dirigentenleben im XX. Jahrhundert
    Originalzitat aus dem Buch - Autor Thomas Keilberth


    »Zum Abschluss der Tournee ging es zum politisch schwierigsten und gefürchtetsten Gastspiel: New York. Als erstes deutsches Orchester nach dem II. Weltkrieg traten die Bamberger Symphoniker und ihr Chef in der amerikanischen Metropole auf. Ihnen war bekannt, dass erst kürzlich ein Klavierabend von Walter Gieseking von deutschfeindlichen Gruppen verhindert worden war. «


    Es ist mir nicht möglich herauszubekommen, wie weit Ängste von Menschen zurückreichen - was ist kürzlich? Also kann ich nur vermuten, dass den Musikern noch der Text des Spiegel-Artikels von 1949 gewärtig war; warum sonst sollte Keilberth von Ängsten berichten, wenn solche nicht vorhanden waren?


    DER SPIEGEL berichtete 1949:
    »Walter Gieseking saß in New York im Gewahrsam der Einwanderungsbehörden, während sich Tausende vor der ausverkauften Carnegie-Hall drängten, wo der deutsche Pianist spielen sollte. Gleichzeitig hatte die Organisation jüdischer Kriegsteilnehmer vor der Konzerthalle Streikposten aufgestellt. Das Konzert fand nicht statt. Der Vorwurf der jüdischen Kriegsteilnehmer, Gieseking habe vor Hitler gespielt, vereitelte die Tournee durch 37 amerikanische Städte. Nach dreitägigem USA-Aufenthalt flog Gieseking ab. "Ich bin froh, wenn ich wieder in Frankreich bin", sagte er vor seinem Abflug. "Dort herrscht größere künstlerische Freiheit." Was er über den amerikanischen Protest gegen ihn denke, könne er nicht sagen.«


    Das war natürlich ein hartes Ding! Ein Text wie der unten stehende prägt sich wohl nicht so sehr ein ...


    Beitrag aus dem Hamburger Abendblatt 1953:
    DAS GIESEKING-KQNZERT in der ausverkauften New Yorker Carnegie Hall Ist ein voller Erfolg geworden. Die Demonstrationen der jüdischen Kriegsteilnehmerorganisation und einer zionistischen Gruppe auf der Straß hatten keinen Einfluss.


    Zitat

    obwohl er doch eher in einen Keilberth-Thread passen würde


    Manche Beiträge passen zu verschiedenen Themen, aber mir war es wichtig einen Bezug zum Grabbesuch bei Felix Mottl zu haben (NR. 265), weil sich doch diese beiden Dirigentenschicksale in ganz erstaunlicher Weise ähneln, zumindest was das Lebensende betrifft.

  • Anbei meine Quelle:
    Joseph Keilberth
    Ein Dirigentenleben im XX. Jahrhundert
    Originalzitat aus dem Buch - Autor Thomas Keilberth


    Irgendwie hatte ich beim Lesen gleich das Gefühl einer tendenziellen Ikonografie: er ist immer der Gute, alle anderen sind die Bösen. Dass der Autor nun auch Keilberth heißt, erklärt natürlich die fehlende Distanz, die mir aufgefallen war.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Stimmenliebhaber,


    Die 794 Seiten - und das sind große Seiten - stützen sich hauptsächlich auf die Dirigierbücher von Keilberth, näher kann man als Außenstehender kaum an einen Dirigenten herankommen, aber ich lasse mir gerne von Dir ein kritisches Buch zu Keilberth empfehlen, falls Du in Deinem Bücherschrank fündig wirst - irgendwo muss man ja seine Informationen herhaben, wenn man nicht selbst dabei war - und nur unter das Bild zu schreiben »Das Grab von Joseph Keilberth« wäre mir etwas dürftig erschienen ...


    PS: Die Lobeshymnen aus dem Mund von Sängerinnen und Sängern habe ich nicht aus diesem Buch, aber diese Quellen kennst Du ja als Stimmenliebhaber auch.

  • Lieber hart,


    das ist auch völlig in Ordnung, aber sowohl die Verteidigung der NSDAP-Mitgliedschaft als auch folgenden Halbsatz hätte ich wohl nicht so unkritisch vom Sohn(?) übernommen:

    Nachdem Kollege Knappertsbusch entsprechend intrigiert hatte, ...


    Ist aber eine Geschmacksfrage...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • hätte ich wohl nicht so unkritisch vom Sohn(?) übernommen:


    Lieber Stimmenliebhaber,
    nein, ich habe das nicht unkritisch von Keilberths Sohn übernommen, diese Formulierung »die Zeiten waren so« stammt von mir! Es berührt mich immer etwas seltsam, wenn die Selbstgerechtigkeit Purzelbäume schlägt, da fällt mir immer Lukas- Kapitel 18 ein ...


    Aber zu meiner Aussage bezüglich seiner Sängerfreundlichkeit:
    »er war ein "Sängerdirigent" par excellence, wie die Aussagen vieler Vokalisten bestätigen«

    füge ich gerne noch Stimmen an, die von Thomas Keilberth in keiner Weise beeinflusst wurden, sie stammen aus anderen Büchern von Sängerinnen und Sängern.
    Auch hier kommt das Böse nicht zum Ausdruck, muss man unbedingt danach suchen?


    Martha Mödl
    »Keilberth war ein Mann der Praxis, der sein Handwerk von der Pike an gelernt hat. Er hat ja als Hornist angefangen. Und nicht nur die Musiker, auch wir Sänger haben gesagt: "Der Keilberth ist einer von uns!" Er war auch einer der wenigen Dirigenten, mit denen ich mich geduzt habe - beim Furtwängler hätte ich das nie gekonnt und auch nicht gewollt. Das war für mich eine unantastbare Autorität. Während Keilberth ein Partner war, ein Partner, der mich bis zu seinem Tod begleitet hat.«


    Inge Borkh - Auf die Frage: »Bei welchem Dirigenten fühlten Sie sich richtig geborgen?
    »Bei Carlo Maria Giulini. Das war wirklich ein Gentleman par excellence; er hat uns alle so behandelt, wie man gern behandelt werden möchte. Leider hatte ich nur einmal das Glück, unter seiner Leitung zu singen, das war die "Euryanthe", 1954 bei den Maifestspielen in Florenz. Ganz wunderbar war es auch mit Josef Krips. Das war immer ein Miteinander-Atmen, ein Aufeinander-Eingehen - egal bei welcher Musik. Und wir haben ja von "Ah perfido" bis Brittens "Gloriana" einiges zusammen gemacht. Und natürlich Joseph Keilberth! Das waren einfach hervorragende Musiker, die enorm viel vom Singen verstanden haben.«


    Rudolf Schock
    »Joseph Keilberth machte am Schluß ein Ritardando, weil er wußte: Schock hält es aus. Er war einer jener Dirigenten, die die Individualität des Sängers berücksichtigen, sie fördern und auf diese Weise zu Höchstleistungen gelangen lassen. Nie gebärdete er sich als Herrscher, der seinen Taktstock als Szepter schwang: Seht her, der König bin ich! Nein, er wußte, wer auf der Bühne das Sagen, das heißt: das Singen hatte. Ich wünschte, alle Dirigenten wären so!«

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  • diese Formulierung »die Zeiten waren so« stammt von mir!


    ... und stimmt nicht, denn alle, auch nicht alle Künstler, die geblieben sind, sind nicht in die NSDAP eingetreten! Dass er ein Parteibuch haben MUSSTE, stimmt so also nicht, und das hat nichts mit "Selbstgerechtigkeit", sondern mit historischer Wahrheit zu tun!


    Deswegen war er trotzdem ein großer Dirigent und sicherlich auch ein sehr sängerfreundlicher und die Sängerstimmen sind alle ganz wunderbar, ändert aber nichts an dem anderen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"



  • Anfang Juli 2015 bot sich das Grab der einst berühmten Pianistin so dar. In diesem Fall ist vom Grabbesucher exzellente Ortskenntnis gefordert, sonst besteht keine Chance dieses Grab zu finden. Nur weil ich mich an Gräbern des Komponisten Franz Lachner und des Malers Carl Spitzweg orientieren konnte, war es möglich, das mit der Ansichtsseite auf dem Blätterwerk liegende Brett zu erkennen. Spontan fallen einem dann Worte aus Psalm 103 ein:
    »Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Feld; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.…«


    Auf Nachfrage beim Kulturreferat der Stadt München teilte man folgendes mit:


    »Die Grabdenkmäler im Alten Südlichen Friedhof werden jedes Jahr auf ihre Stand- bzw. Verkehrssicherheit überprüft. Hierbei wurde festgestellt, dass das Grabmal der Pianistin Sophie Menter - hier ein "Ersatzgrabmal" und nicht das Ursprüngliche - nicht mehr standsicher war. Damit nichts Weiteres passieren kann wurde es vorübergehend umgelegt.
    Selbstverständlich wird dieses Grabmal nach der Sanierungsmaßnahme wieder neu errichtet.«


    Dieser Friedhof hatte unter den Kriegseinwirkungen stark gelitten und das Grabmal von Sophie Menter war so zerstört, dass man um das Jahr 1950 eine Holzstele zur Bezeichnung des Grabes aufstellte.
    Das ist wohl auch der Grund dafür, dass der Name Sophie Menter auf der offiziellen »Prominentenliste« des Friedhofs, die 54 Namen aufführt, nicht zu finden ist.


    Im Folgenden soll etwas zu dieser in ihrer Zeit prominenten Pianistin gesagt werden:


    Sophie Menter wurde am 29. Juli 1846 in München geboren. Der Vater war Cellist, der durch Konzertreisen, die ihn bis nach England führten, einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichte; zudem wurden von ihm Kompositionen für das Cello veröffentlicht.
    Von der Mutter, einer Sängerin und Schauspielerin, sowie den älteren Schwestern - die Familie hatte neun Kinder - lernte Sophie zunächst Klavier spielen. Professionellen Unterricht bekam Sie dann - siebenjährig - von Sigmund Lebert, der damals in München ein gesuchter Klavierlehrer war und später die Musikschule in Stuttgart mitbegründete.
    Als Joseph Menter 1856 gestorben war, studierte Sophie Menter ab 1857 am königlichen Konservatorium in München bei Josef Gabriel Rheinberger Musiktheorie und bei Emil Leonhard Klavier. Auf Vermittlung von Franz Lachner erhielt Sophie Menter im Folgenden Unterricht bei Friedrich Niest. Interessanterweise konnte man vor einigen Jahrzehnten noch die Gräber von Rheinberger, Lachner und Menter auf dem Südfriedhof besuchen.
    Ihr Debüt gab die 15-jährige Sophie Menter am 24. November 1861 in München unter Franz Lachner mit dem Konzertstück f-Moll op. 79 von Carl Maria von Weber. Konzertreisen führten sie nach Stuttgart, Frankfurt und Leipzig, wo sie dem damals berühmten Pianisten Carl Tausig (siehe Beitrag Nr. 238) begegnete, der sie als Schülerin für zwei Jahre mit nach Berlin nahm und als Hofpianistin des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen nach Löwenberg (Schlesien), wo zwischen 1829 und 1833 schon ihr Vater tätig gewesen war. Ab April 1868 stellte der Hof Sophie Menter frei, damit sie intensiver bei Tausig arbeiten konnte.


    1872 heiratete die Pianistin den in Löwenberg angestellten Cellisten David Popper, mit dem sie in Konzerten auftrat. Als die Ehe 1886 geschieden wurde, nannte sich die Pianistin Menter-Popper, aber auf der Grab-Stele ist nur der Text: SOPHIE MENTER KLAVIERVIRTUOSIN 1846-1918 eingeschnitten. Als sie später Konzerte in Russland gab, passte sie ihren Namen entsprechend an und nannte sich Sof'ja Osipovna Menter.
    Sie eilte konzertierend durch Europa, ein Engagement in Amerika lehnte sie aus der Befürchtung ab, dass sie dort gesundheitliche Schäden erleiden könnte. 1884 übernahm sie am Konservatorium in Petersburg eine Klavierklasse, aber es gab Differenzen mit dem Konservatoriumsgründer Anton Rubinstein, so dass dieses Engagement schon 1887 wieder beendet war.
    Bereits 1883 kaufte die rührige Pianistin Schloss Itter bei Kitzbühel, was als Ruhepunkt während der konzertfreien Sommermonate dienen sollte. Ab 1886 wurde dies dann der ständige Wohnsitz und die Gästeliste des Hauses war beachtlich: Liszt, Rubinstein, Tschaikowsky ... 1902 trennte sich Sophie Menter von dem Anwesen, das sie einem Herrn May aus Berlin verkaufte.
    Sie selbst zog 1901 nach Berlin, hatte gesundheitliche Schwierigkeiten und war unterrichtend tätig. Ab 1911 lebte sie bis zu ihrem Tode in einem Landhaus bei München; ihr letzter öffentlicher Auftritt soll 1912 in der Münchner Tonhalle gewesen sein.


    Es wurden zwar 1906 einige Tonaufnahmen ihres Spiels gemacht, aber im Wesentlichen ist man auf überlieferte Rezensionen angewiesen, und die sind meist enthusiastisch. Ihre technische Virtuosität wird so gut wie nie angezweifelt. Liszt war von Menter geradezu begeistert, vielleicht auch deshalb, weil sie seine Werke mit Vorliebe auf das Konzertpodium brachte.
    Immer wieder taucht in den Kritiken die als männlich empfundene Spielweise der Pianistin auf - Beispiele: »Klänge der Frau Menter sind heller gefärbt, sie spricht alle Konsonanten sozusagen deutlicher aus. Ihr Spiel ist sehr bestimmt, beinahe hart.« ... oder: »überhaupt nicht von Frauenfingern bewältigt werden … es sei denn das geniale Mannweib Sofie Menter«.


    Es war die Zeit eines Umbruchs, und es gab natürlich auch Musikverständige die von der Spielart Menters nicht so begeistert waren, als prominente Vertreterin der anderen Seite sei Clara Schumann genannt, die Sophie Menter 1882 in Frankfurt/M. hörte; da spielte also eine 36-Jährige vor einer 63-Jährigen ...
    Clara Schumann notierte streng:
    »leider muß ich sagen, daß sie mir ganz den Eindruck einer Kunstreiterin gemacht, vor allem ist sie mir kalt und unmusikalisch erschienen, im Vortrag ist nichts vermittelt, sondern ein fortwährender Wechsel von Ritardandos und Prestos. In Kunststücken ist ihre Technik und Sicherheit eminent, auch in der Geläufigkeit, aber sobald die Passagen ein edleres Gepräge tragen, wie z.B. in Schumann, sind sie ganz unvollkommen. ... Sie gehört ganz in die Schule des Pedal-Gerassel oder Verschiebungsgefühl, wie mein Vater sagte. ... Solch ein Spiel gefällt nun den Leuten, die junge Generation ahmt es nach und wo bleibt das schöne Clavierspiel? Wer bemüht sich nun dem Clavier einen edlen Klang abzugewinnen, wer macht es sich zur Aufgabe den Intentionen der Componisten gerecht zu werden? Wer charakterisirt? wo ist die Pietät, die die Compositionen getreu so giebt, wie sie gedacht sind? ... Das sind die Früchte des Liszt’schen Virtuosenthums. Die Fehler ahmen sie nach, die Genialität fehlt ihnen. Vor Liszt wurde gespielt, nach Liszt gehauen und gesäuselt! Er hat den Verfall des Clavierspiels auf dem Gewissen«


    Sophie Menter war unbestritten eine herausragende Virtuosin, aber auch eine eigenwillige Interpretin, die mitunter Publikum und Kritik polarisierte. Konservative Kritiker waren eher negativ eingestellt, wenn Liszt auf dem Programm stand, wie zum Beispiel bei ihrem Debüt im Leipziger Gewandhaus 1867, als sie unter anderem auch die »Zweiter Franziskus-Legende« Liszts im Programm hatte.
    Sophie Menter erfüllte die Hörbedürfnisse ihrer Zeit, das Publikum bewunderte motorische Meisterleistungen. Als sie in Kopenhagen spielte, mussten die Leute mit Extrazügen zum Konzert befördert werden.
    Sie spielte aber auch zusammen mit Franz Liszt und war mit diesem bis zu seinem Tod freundschaftlich verbunden; sein Lob: »... Sophie Menter, die ich seit vielen Jahren als die glänzendste und vollendetste der jetzigen Pianistinnen schätze.«
    Sophie Menter war Ehrenpräsidentin des Konservatorium Prag, Ehrenmitglied der Philharmonic Society London, die Universität Utrecht machte sie zur Ehrenstudentin und in Wien bekam sie den Titel einer k.k. österreichischen Kammervirtuosin.


    Wenn man dieses Künstlerleben Revue passieren lässt und bedenkt, welch große Lebensleistung zu erbringen ist, um eine solche Karriere machen zu können, sollte es den Verantwortlichen nicht schwer fallen, dieses Stück Holz wieder in die vertikale Position zu bringen.



    Paul Cézanne: »Man muss sich beeilen, wenn man etwas sehen will, alles verschwindet«



  • Hinter diesem Namen verbirgt sich ein so reiches Sängerleben, dass man nicht alle seine großen Auftritte nennen muss, sondern pauschal sagen kann, dass er an allen großen Häusern dieser Welt gesungen hat.


    Hopfs Leistungen wurden und werden in dem Thread »Hans Hopf – Ein deutscher Nachkriegsheld« von verschiedenen Seiten beleuchtet und auch das »da capo«-Interview mit August Everding wurde sogar mehrmals in diesen Thread eingestellt. Wenn man den beiden Protagonisten da über eine Stunde lang zuhört und zuschaut, bemerkt man schon, dass das stolze Selbstbewusstsein des Sängers aus allen Knopflöchern strahlt.


    Wenn jedoch glaubhaft aufgezählt wird, dass Hopf zum Beispiel den ganzen Ring 145 Mal, den Stolzing 300 Mal und hundert Mal Parsifal sang, was ja nur einige wenige Superlative aus diesem Sängerleben sind, dann hat man aber sicher auch einen Grund, darauf stolz zu sein.


    Hopf war ein echtes gestandenes Mannsbild aus Bayern, dessen baritonal grundierte Stimme auch in strapaziösen Rollen in aller Regel nicht ermüdete. »Erz in der Stimme hat man oder man hat‘s nicht; Hans Hopf hat‘s«, war einmal in der »Süddeutschen Zeitung« zu lesen und J. M. Fischer meint - im Rückblick auf einen »Siegfried« in den 1960er Jahren, den er in Bayreuth selbst erlebte -:
    »Da klang sein stämmiger Tenor saftig und üppig (welcher Siegfried hat sich seither dieses Prädikat verdient), und aus seiner lyrischen Vergangenheit war noch die Fähigkeit zurückgeblieben, ein schönes Mezza voce zu singen.«
    Ja, diese lyrische Vergangenheit - in dem bereits erwähnten »da capo«-Gespräch« erklärt Hopf, dass er mit Mozart-Technik Wagner gesungen hat.


    Man kann wohl davon ausgehen, dass die meisten Opernbesucher zufrieden nach Hause gingen, wenn Hopf auf der Bühne stand.
    Bei einer »Tiefland«-Aufführung, die er mit der Varnay sang, soll es einmal 54 Vorhänge gegeben haben.
    Die Deutsche Oper am Rhein war nach dem Krieg fast so eine Art zweite Heimatbühne für den bayrischen Tenor geworden; von 1950 bis 1976 war er diesem Haus durch Gastspielverträge verbunden. Mitte der 1950er Jahre trieb ihn die Frage um ob er sich dem Heldenfach nähern sollte.
    In dieser Sache gab es eine Autorität, das war Max Lorenz, mit dem Hopf seit seiner Dresdner Zeit freundschaftliche Kontakte hatte. Lorenz riet zum behutsamen Fachwechsel und meinte, dass hier Tannhäuser am Anfang stehen sollte.


    Er hatte seine Eigenheiten - warum auch nicht -, schleppte seine eigenen Kostüme und Perücken um die ganze Welt, wenn er den fernen Spielorten misstraute. Ebenso hegte er großes Misstrauen gegen die professionelle Musikkritik, die er grundsätzlich nicht anerkannte, aber er freute sich dann doch, wenn er mal von der Kritik mit Caruso verglichen wurde.


    Zu Hopfs Zeiten war es allgemein üblich, dass Sänger weit früher auf der Bühne standen, als dies heute der Fall ist. Hans Hopf wurde zunächst in München von Paul Bender ausgebildet, der ihn praktisch zur Bühnenreife führte. So gab er - 20-jährig - am Bayerischen Landestheater sein Debüt in der Rolle des Pinkerton in »Madame Butterfly«. 1939-42 war er am Stadttheater Augsburg als lyrischer Tenor engagiert.
    Seine nächste Station war das Deutsche Theater in Oslo in den Kriegsjahren 1942-44. Nach seiner eigenen Aussage erhielt er dort die für seine spätere Laufbahn entscheidenden Tipps von Ragnvald Bjärne, der auch der Lehrer von Jussi Björling war und ihm die richtige Atemtechnik und das Legatosingen vermittelte.


    In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war Hopf dann Mitglied der Berliner Staatsoper und der Staatsoper Dresden. Auch im Bayreuth der Nachkriegszeit war Hopf ein Mann der ersten Stunde; bei der Wiedereröffnung der Festspiele sang er unter Furtwängler den Tenorpart der 9. Symphonie von Beethoven. Im Verlauf seiner weiteren Karriere sang er praktisch unter allen bedeutenden Dirigenten seiner Zeit, was ja auch eine Art Qualitätsnachweis ist.
    Über einige Jahre gehörte Hopf zu den Stützen der Bayreuther Aufführungen.


    Ein großer Schritt war die Verpflichtung an die »Met«, wo er von 1952 bis 1955 erfolgreiche Auftritte absolvierte. In dieser Zeit gab es eine Meinungsverschiedenheit zwischen Hopf und dem Dirigenten Leinsdorf beim »Siegfried«, wegen des nach Hopfs Meinung zu schnellen Tempos, denn Hopf wollte, dass ihn die Leute auch verstehen können.
    Wen diese Diskussion interessiert, Rheingold hat die Stelle, um die es ging, im Hopf-Thread in seinem Beitrag Nr. 98 genau erläutert.


    Es sollte über seinem Wagner-Singen auch nicht vergessen werden, dass er den Italiener gab, und das mit stimmlicher Kraft und vokalem Glanz. Opern wie »Rigoletto« und »Troubadour« sang er gerne. Moderne Stücke waren ihm offenbar keine Herzensangelegenheit, aber er wirkte 1981 bei einer Studioaufnahme von Werner Egks »Peer Gynt« mit.
    Er sang, wie eingangs bereits bemerkt, auf der ganzen Welt, aber zu München hatte er eine besondere Beziehung. 1953 waren die Münchner Festspiele das Zentrum seines Wirkens und dem Nationaltheater gehörte Hopf bis zum Ende seiner Laufbahn an, die er 1988 mit seinem Goldenen Bühnenjubiläum beschloss.


    Praktischer Hinweis:
    Die letzte Ruhestätte von Hanns Hopf befindet sich in Steinebach am Wörthsee. Im Ort fällt gleich die Kirche St. Martin ins Auge, die von einem Friedhof umgeben ist; aber hier findet man den Sänger nicht. Man muss den etwas abseits im Grünen liegenden Friedhof im Buchteil suchen. Dort steht links des Eingangs eine Kapelle. Man geht vom Haupteingang aus etwa 60 Schritte geradeaus und wendet sich dann wenige Schritte nach links, wo das Grab nicht zu übersehen ist. Man steht davor und wundert sich - die Lebensdaten stimmen und der Titel »Kammersänger« steht auch auf dem Grabstein, aber so hatte ich den Namen des Sängers vorher noch nie gelesen ...

  • Lieber hart,


    wieder möchte ich mich bei dir bedanken für den ausführlichen und fachlichen Artikel in diesem Zusammenhang. Ich kann ja in meinen Erinnerungen bei bereits bestehenden Threads immer nur kurze Hinweise geben und wollte aus verschiedenen Aufnahmen eine geeignet auswählen und habe mich aber gewundert, wie wenig es an Aufnahmen gibt, wo ich doch in dem im originalen Hopf-Thread eingestellten You Tube-Film übr das Gespräch zwischen Hopf und Everding erfahren habe, wie unendlich viel er gesungen hat. Da war ich davon ausgegangen, dass es mehr Aufnahmen gäbe.
    Das mit der "Doppel-n-Schreibung" des Vornamens hat mich auch überrascht, und ich werde versuchen, bei meiner nächsten Erinnerung daran zu denken.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).



  • Den Namen Müller gibt es sehr häufig, aber wenn Geburts- und Sterbeort zusammen mit dem Namen genannt werden, weiß man, dass es sich um die einst weltberühmte Sopranistin handelt.


    Maria Müller studierte am Konservatorium in Prag und war später Schülerin des in New York lebenden Gesangspädagogen Max Altglass, der 16 Jahre als Tenor an der »Met« tätig war.
    Als Maria Müller 1919 bei ihrem Debüt am Stadttheater Linz die Elsa in »Lohengrin« sang, wurde diese Aufführung ganz allgemein von der Kritik schlecht beurteilt, aber die Debütantin bekam für ihre außergewöhnliche Leistung damals schon höchstes Lob.
    Der Weg ging steil nach oben, nämlich ans Stadttheater in Brünn, zum Deutschen Theater in Prag, an die Staatsoper nach München.
    Schließlich folgte sie 1925 einem Ruf an die Metropolitan Oper New York. Ihre Antrittsrolle war dort die Sieglinde in der »Walküre«.
    In diesen elf New Yorker Jahren sang sie in Amerika hauptsächlich Wagner-Rollen, aber sie war auch einige Male außerhalb des Wagnerfachs zu hören. So war sie zum Beispiel in der Metropolitan-Erstaufführung von Verdis »Simon Boccanegra« besetzt. Ihre Bilanz an der »Met«: 167 gesungene Vorstellungen in 19 Rollen.


    Aber sie kam auch 1926 an die Städtische Oper Berlin, und ein Jahr später an die Berliner Staatsoper, wo sie unter Bruno Walter als Desdemona in Verdis »Othello« einen außergewöhnlichen Erfolg feiern konnte. Natürlich sang sie auch an der Staatsoper Wien, an der Mailänder Scala, der Grand Opéra Paris und an der Covent Garden Oper London, um nur die wichtigsten Häuser in Europa zu nennen.
    Im Jahre 1930 wirkte sie erstmals bei den Bayreuther Festspielen mit, wo man sie bis zum Kriegsjahr 1944 als Elisabeth in »Tannhäuser«, Elsa im »Lohengrin«, Sieglinde in der »Walküre« und Eva in den »Meistersingern« hören konnte.
    1931-1934 sang sie bei den Salzburger Festspielen mit. Dort verkörperte sie 1931-32 die Eurydike im »Orpheus« von Gluck, 1932-34 die Rezia im »Oberon« von Weber und 1934 die Donna Elvira im »Don Giovanni«.


    In den frühen 1950er Jahren trat sie gelegentlich noch an der Städtischen Oper Berlin auf und beendete dann ihre Karriere 1952.
    Maria Müllers Stimme ist auf einigen Tonträgern konserviert, so zum Beispiel auf einem denkwürdigen Mitschnitt der Bayreuther Festspiele vom Juli 1944, wo das Publikum im Wesentlichen aus Soldaten und Rüstungsarbeitern bestand. Unter Furtwänglers Dirigat singt Maria Müller die Eva in »Die Meistersinger von Nürnberg«, ihre Partner sind: Max Lorenz. Jaro Prohaska und Josef Greindl.


    Nun geht im Festspieljahr 2011 der Radiojournalist Raymond Tholl aus Luxembourg mal wieder über den Bayreuther Friedhof und sucht das Grab der 1958 in Bayreuth verstorbenen Sängerin, hat aber mit seiner Suche keinen Erfolg.


    Als Journalist wusste Tholl was zu tun ist, er machte seine Kollegen von der Zeitung mobil und löste dadurch eine nicht unerhebliche Protestwelle aus. Dem Bürgermeister flatterten auch Schreiben mit prominenten Absendern ins Haus, so zum Beispiel ein Brief von Eva Märtens, der Präsidentin des Richard-Wagner-Verbandes International und auch von Kammersänger Bernd Weikl, der in Bayreuth einige Jahre auf der Bühne stand, schloss sich dem Protest an.


    Auch Nichtprominente äußerten sich in Leserbriefen; so schrieb eine Dame:
    »Maria Müller hat die Bayreuther Festspiele in schwerer Zeit gegen alle Tyrannei zu Sternstunden verwandelt.« Im gleichen Brief merkt die Leserin an: »Die Kultur eines Volkes erkennt man daran, wie es mit seinen Toten umgeht.«
    Im Zuge der Kostenreduzierung hatte die Stadtverwaltung die Grabstelle eingeebnet und ging wohl davon aus, dass das niemand bemerken wird. Erst 1983 hatte die Stadt die Pflege dieses Grabes übernommen, weil keine Angehörigen mehr da waren, die dies hätten leisten können. 1999 wurde die Grabpflege nochmal bis 2010 verlängert, dann war Schluss, das heißt. es wäre Schluss gewesen, wenn nicht ein Journalist und Musikfreund des Weges gekommen wäre.
    Nun begann das Rechnen und Feilschen im Stadtrat, mit dem Ergebnis, dass das aus Kostengründen das eigentliche Grab nicht mehr hergestellt wurde, aber man schaffte den Stein wieder herbei, um ihn an der gleichen Stelle wieder aufzurichten.
    Nun ist also die Stelle wieder gekennzeichnet, wo einst eine der größten Wagner-Stimmen des 20. Jahrhunderts begraben wurde.
    Vielleicht sollte man für solcherart Fälle, wie dem hier geschilderten, beim Defilee der prominenten Festspielgäste einen Hut herumgehen lassen ...


    Praktischer Hinweis:
    Den Eingang zum Friedhof Bayreuth findet man an der Ecke: Carl-Burger-Straße / Erlanger Straße. Dort steht eine kleine Kirche und etwa 50 Meter weiter die kapellenartige Grabanlage von Franz Liszt. Geht man vom Liszt-Grab aus noch 70 Meter weiter, findet man den Grabstein von Maria Müller; er steht etwa zwei Handbreit links des Weges vor einem Baum.

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  • Inschrift der Grabplatte - Heute ist sein Sterbetag





    Der Bariton Johann Ludwig Leichner wird wohl nur wenigen Musikfreunden noch ein Begriff sein; er wurde 1836 in Mainz geboren und hatte keine Chance, dass seine Stimme der Nachwelt erhalten blieb. Aber er hat sich ein Denkmal gesetzt, indem er im Großen Tiergarten in Berlin ein Wagner-Denkmal finanzierte, das dort am 1. September 1903 mit großem Pomp eingeweiht wurde.
    Leichner hatte dergestalt eine persönliche Beziehung zu Wagner, dass er als junger Sänger den Komponisten einmal in Luzern besuchte und vom Meister wegen seiner Darstellung in einer »Meistersinger«-Aufführung am Stadttheater Stettin, wo Leichner den »Hans Sachs« gab, gelobt wurde.
    Gelobt wurde Leichner auch von der Preußischen Regierung, im Jahr 1897 avancierte er in seiner Eigenschaft als Fabrikant und Brotgeber zum Königlich Preußischen Kommerzienrat.


    Ein Mann wie Leichner passt natürlich in kein normales Reihengrab. Wenn man den Friedhof, an der St.-Annen-Kirche (Königin-Luise-Straße / Pacelliallee) vorbeigehend, betritt und sich etwas links hält, ist das in der Dimension herausragende Mausoleum des Sängers nicht zu übersehen - hier hat er seinen letzten großen Auftritt.
    Seinen musikalischen Lebenslauf kann man im Großen Sängerlexikon nachlesen:
    Er begann das Chemiestudium, musste dies aber nach dem frühzeitigen Tod seiner Eltern aufgeben. Seine Stimme wurde durch den Wiener Hofkapellmeister Heinrich Proch entdeckt und in den Jahren 1859-63 durch den Pädagogen Arlet in Wien kostenlos ausgebildet. Er begann seine Bühnenkarriere unter dem Pseudonym Carlo Rafael 1863 am Stadttheater von Bamberg. Es folgte eine dreizehnjährige Tätigkeit als Opernsänger an den Theatern von Linz (Donau), Lemberg (Lwów), Magdeburg, Stettin, Königsberg (Ostpreußen), an der Oper von Köln, in Würzburg, Zürich und an der Berliner Kroll-Oper. Er sang sehr erfolgreich Partien wie den Fliegenden Holländer, den Telramund im »Lohengrin«, den Hans Sachs in den »Meistersingern«, den Nelusco in Meyerbeers »Africaine« und den Grafen Luna im »Troubadour«.
    Trotz dieser Erfolge gab er 1876 seine Sängerkarriere auf und studierte nochmals Chemie an den Universitäten von Wien und Würzburg und schließlich an der Berliner Universität bei dem berühmten Chemiker A.W. Hoffmann. Er gründete dann eine Puder- und Schminkenfabrik in Berlin, die Weltruf erlangte. Es gelang ihm die für den Theaterbetrieb wichtige Herstellung einer brauchbaren fleischfarbigen Schminke ohne Zusatz von schädlichen Bleibeimengungen. Diese führte er bei der Berliner Gewerbeausstellung von 1879 als große Sensation vor. Er war später ein eifriger Kunstmäzen; er sorgte für das Richard Wagner-Museum in Eisenach und stiftete das Richard Wagner-Denkmal im Berliner Tiergarten.


    [Lexikon: Leichner, Johann Ludwig. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 14107 (vgl. Sängerlex. Bd. 3, S. 2034) (c) Verlag K.G. Saur]


    EGO SUM RESURRECTION ET VITA - (Ich bin die Auferstehung und das Leben),
    so steht es im Giebel des Grabmals geschrieben. Ludwig Leichner hatte ja Beziehungen zu Wien, vielleicht hatte er das dort über dem Hochaltar der Lueger-Kirche gelesen ...
    Irgendwie lebt seine Schminke immer noch bis zum heutigen Tag fort. Nach dem Tod des Sängers und Schminkefabrikanten führte sein Sohn Dr. Siegfried Ludwig Leichner die Firma weiter, die schließlich bis 1998 im Familienbesitz blieb. Dann sollte die Firma auf Wunsch der letzten Erbin aufgelöst werden. Der mit der Abwicklung beauftragte Rechtsanwalt Gereon Sandhage fand jedoch die Hinterlassenschaft so attraktiv. dass er beschloss das Unternehmen zusammen mit seiner Frau weiterzuführen. Die Produktion wurde in neue Räume verlagert und blieb bis 20003. Nachdem auch hier der Betrieb eingestellt wurde, griff eine Firma aus dem süddeutsche Raum zu, die früher einmal Kunde bei Leichner war, und führt diese Tradition weiter; das Produkt Leichner Camouflage schmückt immer noch eine Lyra.


  • Vom Kapellentor aus sind es nur etwa 150 Meter zum Grab.
    Man benutzt den linken Durchgang des Gebäudekomplexes; zur Orientierung können drei Birken dienen, die in unmittelbarer Nähe des Grabes stehen.




    Die drei unteren Zeilen auf dem Grabstein lauten:
    EVA PLASCHKE VON DER OSTEN
    KGL-KAMMERSÄNGERIN
    EHRENMITGLIED DER STAATSTHEATER


    Heute hat Eva Plaschke von der Osten Geburtstag. Sie wurde am 19. August 1881 auf der Insel Helgoland geboren und starb am 5. Mai 1936 im Kurort Hartha, etwa 65 Kilometer von Dresden entfernt.


    Evas jüngere Schwester Vali, die auch häufig "Vally" von der Osten geschrieben wird und sich auch mal van Osten nannte, ist 1882 geboren und heiratete 1916 den Tenor Fritz Windgassen (1883-1963).
    Aus dieser Ehe ging der bekannte Wagner-Tenor Wolfgang Windgassen (1914-1974) hervor, dessen Name Musikfreunden durch die modernen Tonträger dann schon eher ein Begriff ist.
    Es gibt zwar auch Tonaufnahmen mit der Stimme von Eva Plaschke van der Osten, aber die sind natürlich nicht besonders Aussagefähig; wenn jedoch zu dieser Zeit Aufnahmen gemacht wurden, dann ist das wohl ein Indikator dafür, dass das Publikum die Stimme damals als außergewöhnlich empfand.


    Die Eltern von Eva und Vali waren Schauspieler, man darf also annehmen, dass die beiden singenden Töchter problemlos ins Theatermilieu hineinwuchsen; eine dritte Schwester war Schauspielerin.


    Eva von der Osten wollte zunächst Pianistin werden, wurde dann aber in Dresden zur Sängerin ausgebildet und debütierte 1902 an der Dresdner Hofoper als Page Urbain in Meyerbeers Oper »Die Hugenotten«. Zunächst war sie in kleineren Rollen zu hören, bis man ihr die Tatjana in »Eugen Onegin« von Tschaikowsky anvertraute, das war im Jahr 1908. Danach wuchs ihre Beliebtheit an der Dresdner Oper stetig. Auch mit der Uraufführung des »Rosenkavaliers« am 26. Januar 1911 ist ihr Name verbunden, sie sang damals den Octavian.
    Sie gab auch Gastspiele an vielen bedeutenden Opernhäusern in Europa. 1911 heiratete sie den Bariton Friedrich Plaschke und führte dann den Namen Eva Plaschke von der Osten.
    Mit ihrem Gatten stand sie oft zusammen auf der Bühne. Auch bei der Nordamerikareise der German Opera Company 1923 / 24 war das Ehepaar dabei.
    1930 (man findet in Publikationen auch 1927) verabschiedete sich Eva von der Osten als Sängerin in Dresden von der Bühne; ihre letzte Rolle war die Brünnhilde in der »Die Walküre«.
    In der einschlägigen Literatur findet man, dass sie der Dresdner Staatsoper noch als Lehrerin und Vortragsmeisterin bis 1933 erhalten blieb. Sie soll auch bei der Uraufführung von »Arabella« als Regisseurin tätig gewesen sein, aber da werden in Publikationen mitunter auch andere Namen genannt. Nach gesundheitlichen Problemen starb Eva von der Osten auf ihrem Landsitz.


    Vali von der Osten erhielt ihre Gesangsausbildung in Dresden und debütierte 1904 am Hoftheater im thüringischen Altenburg. Elberfeld und Coburg waren die weiteren Stationen ihres künstlerischen Wirkens, zudem gab sie auch Gastspiele an anderen Bühnen. Ab 1910 bis zu ihrem relativ frühen Tod war Vali von der Osten am Hoftheater in Kassel engagiert.
    Ihr Repertoire reichte vom lyrischen bis ins jugendlich-dramatische Stimmfach.


    Praktischer Hinweis:
    Johannisfriedhof Dresden-Tolkewitz, Wehlener Straße




  • Die Inschrift auf dem Sockel des Kreuzes zeigt die Namen und Lebensdaten der Eltern und der Adoptivtochter Inge Siems.
    Auf der Grabplatte:
    MARGARETHE SIEMS
    KAMMERSÄNGERIN
    EHRENMITGLIED D. SÄCHS. STAATSTHEATER
    30.12.1879 - 13.4. 1952


    THILDE MÜHLMANN
    2.8.1894 - 4.2.1952


    Zum vorigen Beitrag Nr. 292 ist es passend auf das Grab von Margarethe Siems hinzuweisen, denn beide Künstlerinnen fanden auf dem gleichen Friedhof ihre letzte Ruhe.
    Während man sich zum Grab der von der Osten nach links wendet, findet man das Grab von Margarethe Siems gleich rechts des Eingangs, auf dem Friedhofsplan ist ihr Grab mit der Nr. 75 bezeichnet.


    Als am 26. Januar 1911 im Dresdner Königlichen Opernhaus »Der Rosenkavalier« von Richard Strauss seine Uraufführung erlebt ist das ein überwältigender Erfolg, für den sich auch die noch in den Kinderschuhen steckende Schallplattenproduktion interessiert. An Gesamtaufnahmen ist nicht zu denken, so hat man den Monolog der Marschallin und die großen Duette im Auge.
    Im Sommer des Jahres 1911 reisen Margarethe Siems, Eva Plaschke von der Osten und Minnie Nast nach Berlin, um die Szenen erstmalig aufzunehmen. Die Damen sind vermutlich besser als die zur Verfügung stehenden Aufnahmegeräte. Die Aufnahmen der Odeon-Werke weisen erhebliche Tonschwankungen auf.
    Ende August finden sich die drei Damen nun erneut zusammen, aber diesmal in dem Aufnahmestudio der Deutschen Grammophon Aktiengesellschaft. Man misst der Angelegenheit eine große Bedeutung zu, denn der Amerikaner Fred Gaisberg reist extra aus London an. Gaisberg bringt viel Erfahrung mit, denn er hatte bereits 1902 die erste Tonaufnahme mit Enrico Caruso produziert.
    Die Aufnahmen mit Teilen des »Rosenkavalier« vom 25. August 1911, also sieben Monate nach der Uraufführung, gelten heute als wichtige Tondokumente aus dieser Zeit.


    Kurz vor seinem Tod, es ist ein Brief vom 12. August 1949, schreibt Richard Strauss, in einer Art Empfehlungsschreiben:


    »Frau Kammersängerin Margarethe Siems hat im Jahre 1911 die Rolle der Marschallin in meinem Rosencavalier zum erstenmale gesungen und dann die Rolle 320 Mal an allen großen Bühnen gesungen. Sie war vorbildlich für alle Marschallinnen, was Stimme und Spiel betrifft. In Stuttgart hat sie die schwere Partie der Zerbinetta in meiner Oper Ariadne aus der Taufe gehoben und auch hierin grosse Erfolge gehabt. Heute noch besitzt Frau Siems eine höchst kultivierte Stimme und ist als Gesangspädagogin auf das Wärmste zu empfehlen. Möge die junge Generation von ihrer mit bester Dresdner Tradition verbundenen Erfahrung für die Bühne viel lernen, das ist der Wunsch des Komponisten Dr. Richard Strauss.«


    Der Mann kannte sich mit Frauenstimmen bestens aus, wer wollte das bestreiten? Eigentlich brauchte man hier nichts mehr hinzuzufügen, außer dass Strauss vergaß die Uraufführung von »Elektra« zu erwähnen, in der Frau Siems die Chrysothemis sang.


    Die Sängerin hat es verdient, dass man ihre Vita etwas im Detail vorstellt:


    Margarethe Siems wurde als einziges Kind in ein begütertes Elternhaus in Breslau (heute Wroclaw) hineingeboren; ihr Vater war Baumeister.
    Zunächst studierte Margarethe an der Musikhochschule ihrer Heimatstadt Klavier und Violine. Erst 1899 studiert sie Gesang bei Aglaia von Orgeni in Dresden, später auch bei der großen Gesangslehrerin Pauline Viardot-Garcia in Paris und dem Bariton Mattia Battistini.


    Ihr Debüt gab sie 1902 am Deutschen Theater in Prag als Marguerite de Valois in Mayerbeers »Hugenotten«. Der auch heute noch sehr bekannte Angelo Neumann, war damals Direktor am Prager Theater und schickte die noch junge Sängerin zur weiteren Perfektionierung zu Mattia Battistini nach Mailand. In der Folge sang sie als einziges Ensemblemitglied in Prag die großen italienischen Partien in der Originalsprache.
    Als Margarethe Siems 1908 das Prager Theater verließ, war das ein Abschied mit tumultartiger Begeisterung, aber man ließ sie mit weinenden Augen nach Dresden ziehen, denn dort spielte in jener Zeit die ganz große Musik.
    Angelo Neumann nahm bei der Verabschiedung seine Sängerin bei der Hand, trat mit ihr an die Rampe, und sagte:
    » Wenn auch mit großem Schmerze, so sehen wir Sie doch mit großer Genugtuung dem Rufe einer der vornehmst gestalteten Hofbühnen Folge leisten.«


    Das »Prager Tageblatt« berichtete am 13. September 1908:
    »Abschied Margarete Siems. Selten werden in der Geschichte irgend eines Theaters so außergewöhnliche Ehrungen verzeichnet stehen für eine Künstlerin, die in der Blüte ihrer Jugend einfach die Stätte ihrer Wirksamkeit wechselt, wie sie gestern Fräulein Margarete Siems zuteil wurden. Die lauten Ovationen, die im Theater, und nach Schluß der Vorstellung auf der Straße tobten, waren ein Beweis für die unbegrenzte Beliebtheit, deren sich Frl. Siems in allen Kreisen des deutschen Publikums erfreute, andererseits aber auch für die hohe Stufe künstlerischer Vollendung, welche sie dank ihrer glänzenden Stimmittel, ihrer ausgezeichneten, bei der Orgeni genossenen Ausbildung und ihres ausdauernden Fleißes befähigte, die verschiedenartigsten Opernpartien zu tadelloser Durchführung zu bringen und dadurch den Grund zu dieser ungewöhnlichen Beliebtheit legte.«


    In Dresden trat Margarethe Siems die Nachfolge von Irene Abendroth an. Sie hatte ein breites Rollenspektrum von immerhin 36 Rollen und sang neben den klassischen Koloraturpartien in italienischen Belcanto-Opern die Aida, die Amelia im »Maskenball«, die Venus im »Tannhäuser« und sogar die Isolde im »Tristan«. Gastspiele führten sie nach Amsterdam, Berlin, London, Mailand, München, St. Petersburg, Wien ...
    Margarethe Siems hatte im Laufe ihrer Karriere Kontakt zu Dirigenten wie Leo Blech, Gustav Mahler. Otto Klemperer, Arthur Nikisch ... und großen Sängerpersönlichkeiten dieser Zeit, wie zum Beispiel Enrico Caruso und Leo Slezak.
    Ab 1920 ist sie neben ihrer Bühnentätigkeit auch am Stern´schen Konservatorium in Berlin pädagogisch tätig. Die Altistin Sigrid Onegin ist wohl ihre bekannteste Schülerin.
    1925 nimmt Margarethe Siems mit ihrer Paraderolle, der Marschallin, in Breslau Abschied von der Opernbühne, war aber noch gelegentlich in Konzerten zu hören.
    1937 bis 1940 unterrichtet sie dann an der Musikschule ihrer Heimatstadt. In Bad Landeck hatte die Sängerin ein Landhaus erworben, das besonders im Sommer genutzt wurde.
    Die Kriegswirren verschonen auch Künstler nicht; sie konnte in ihrer Heimat nicht bleiben, im November 1946 musste sie binnen einer Stunde Bad Landeck verlassen und alle Besitztümer zurück lassen.
    Nun lag es nahe, sich im vertrauten Dresden niederzulassen. Im Villenviertel Blasewitz, in der Goetheallee, fand sich ein geeignetes Wohnobjekt, und gleich um die Ecke, in der Mendelssohnallee, ein Arbeitsplatz an der Akademie für Musik und Theater. Dieser Arbeitsplatz war wichtig, weil die einst gefeierte Sängerin nur über eine schmale Rente verfügen konnte.


    Margarete Siems war nicht verheiratet, hatte aber eine Adoptivtochter, die 37-jährig 1950 starb.
    Mathilde Mühlmann, die jahrzehntelange treue Hausdame, starb im Februar 1952.
    Am 13. April 1952 stirbt Margarethe Siems im Krankenhaus Friedrichstadt.


    Margarete Siems musste zwar ihren materiellen Besitz zurücklassen, aber Bühnenfotos und Zeitungskritiken konnte sie in ihre zweite Heimat hinüberretten. Ihre langjährige Freundin, die Kunsthistorikerin Gerda Weinholz, die 1989 starb, bewahrte diesen ideellen Schatz auf, der nun mit dem Nachlass der Historikerin archiviert ist.



  • Caroline Jagemann, so ihr weithin bekannter Name, lebte in einer Zeit als an den meisten Theatern das Schauspielern und Singen noch nicht so klar getrennt war, wie das heute üblich ist.


    Caroline Jagemann wurde 1777 in Weimar geboren, ihr Vater war fürstlicher Bibliothekar am Weimarer Hof. In der Kindheit wohnte Caroline im Nebenhaus der Christiane Vulpius, der späteren Frau Goethe.


    Das Mannheimer Theater hatte schon damals einen guten Ruf und so kam Caroline als Dreizehnjährige für sechs Jahre zur Ausbildung ans Mannheimer Theater, wo sie Schülerin bei der berühmten Sängerin Josepha Beck war und von dem nicht minder bedeutenden August Wilhelm Iffland in der Schauspielkunst unterwiesen wurde. In Mannheim debütierte sie im Oktober 1892.


    1796 erschien nun die durch Meister ihres Faches ausgebildete junge Dame am Weimarer Theater, wo, gemessen an den Mannheimer Verhältnissen, eher provinziell gearbeitet wurde. Auch Carl Maria von Weber bemerkte einmal, das war 1812, dass sich das schwach besetzte Orchester in Weimar allenfalls zur Begleitung von Spielopern eignet.


    Als Caroline Jagemann aus Mannheim zurück kam, war kein Geringerer als J. W. von Goethe in Weimar als Theaterdirektor tätig.
    Goethe hatte zu dem Jungstar von Anfang an ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits erkannte er ihr besonderes Talent und es erschien ihm zweckmäßig dies für »sein« Theater zu nutzen, andererseits scheint er die Opposition bereits zu wittern und entwickelt zu der jungen, selbstbewussten Künstlerin, die bald Sonderrechte für sich beansprucht, ein eher steifes bis ablehnendes Verhältnis.


    Caroline Jagemann sah die Sache so:
    »Zu Goethe trat ich nach dem Abschluss meines Engagements in dieselbe Stellung, die ich in Mannheim dem Intendanten gegenüber eingenommen hatte. Die Unterhandlungen waren zwischen dem Hofkammerrat und meinem Vater geführt worden, wobei sich Goethe so steif und gerade verhalten hatte, wie er sich in seiner äußeren Erscheinung zeigte. Ich glaube auch nicht, dass ihm meine Akquisition besonders angenehm war, denn meine Stellung, mein Talent und meine Neigung entzogen mich der sklavischen Unterwürfigkeit, in der er die Theaterdamen sich gegenüber zu sehen wünschte.«


    Frau Jagemann war ein absoluter Star in ihrer Zeit; sie gastierte in Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart, Frankfurt und anderen Städten und war auch Louis Spohr bekannt, der ihr einen Zyklus von 6 Liedern ergebenst zueignete.
    Sie festigt ihre Position in Weimar auf zweierlei Art; nämlich durch überdurchschnittliches Können und durch allerbeste Verbindungen zum Herzog. Die 32-jährige Opernsängerin und Schauspielerin war sogar für den um elf Jahre jüngeren Arthur Schopenhauer so attraktiv, dass der große Denker sich ein Liebesgedicht für sie abrang. Der junge Schopenhauer sagte zu seiner Mutter einmal:
    »Dieses Weib würde ich heimführen, und fände ich es steineklopfend an der Landstraße«


    - An Caroline Jagemann -


    Der Chor zieht durch die Gassen,
    Wir stehn vor deinem Haus;
    Mein Leid würd’ mir zu Freuden,
    Sähst du zum Fenster aus.


    Der Chor singt auf der Gasse
    Im Wasser und im Schnee:
    Gehüllt im blauen Mantel
    Zum Fenster auf ich seh.


    Die Sonne hüllen Wolken,
    Doch deiner Augen Schein,
    Er flösst am kalten Morgen
    Mir Himmelswärme ein.


    Dein Fenster hüllt der Vorhang:
    Du träumst auf seidnem Pfühl
    Vom Glücke künft’ger Liebe,
    Kennst du des Schicksals Spiel?


    Der Chor zieht durch die Gassen:
    vergebens weilt mein Blick;
    Die Sonne hüllt der Vorhang:
    Bewölkt ist mein Geschick.


    Zum Steineklopfen bestand für die Dame kein Anlass. Der Vater hatte seine Tochter eher als Primadonna in Venedig oder Mailand gesehen, aber kriegerische Ereignisse standen dem im Wege und sie kam, wie bereits erwähnt, von Mannheim aus wieder in ihre Heimatstadt zurück.
    Als sie in Weimar die Konstanze in Mozarts »Entführung aus dem Serail« singt, übertrifft die Jagemann alle Erwartungen als Sängerin und erobert mit ihrer Begabung als Schauspielerin das Weimarer Publikum; und glänzend ist auch ihre Donna Anna in »Don Giovanni«, in italienischer Sprache gesungen; sie war dieser Sprache natürlich mächtig.


    Außerhalb der Bühne konnte die Künstlerin ebenfalls einen großen Erfolg verbuchen - der Herzog ernannte seine Geliebte 1809 zur »Freifrau von Heygendorff« und überließ ihr das Rittergut Heygendorf.


    Schließlich wurde aber auch die göttliche Jagemann älter und die stimmliche Brillanz stand nicht mehr in ganzer Fülle zur Verfügung; es gab Querelen mit dem Dirigenten, der sein Dirigat den Möglichkeiten der Sängerin nicht anpassen mochte, natürlich musste der Dirigent gehen ...


    Die Jagemann hatte am Weimarer Hoftheater eine unangefochtene Sonderstellung und verlegte ihre Haupttätigkeit mit zunehmendem Alter immer mehr auf die Schauspielerei, wo sie weiterhin große Erfolge feierte.
    Am 12. April 1817 verabschiedete sich Goethe als Direktor des Theaters - Anlass war der Auftritt eines dressierten Hundes - und nun hatte Caroline Jagemann bis 1828 praktisch freie Hand. Sie war zwar nie offizielle Theaterleiterin in Weimar, aber sie konnte die Abläufe indirekt durch den Herzog und den Sängerkollegen Stromeyer steuern, der dann 1824 auch Theaterdirektor wurde.
    Zu Goethes 78. Geburtstag gibt sich die langjährige Widersacherin versöhnlich und huldigt dem Dichter.


    Schon im März 1827 hatte die Sängerin mit dem Singen aufgehört und zum letzten Male stand sie als Lady Macbeth am 11. Juni 1828 auf der Bühne.
    Der Herzog starb überraschend auf einer Reise am 14. Juni 1828 im Alter von 71 Jahren. Nun hatte Caroline Jagemann einige Gründe Weimar zu verlassen. Sie lebte in Berlin und Mannheim oder auf ihrem Gut in der Nähe von Dresden.
    Goethe schaute auf die Zusammenarbeit mit Caroline Jagemann so zurück:


    »Ich mag auf sie gewirkt haben, allein meine eigentliche Schülerin ist sie nicht. Sie war auf den Brettern wie geboren und gleich in allem sicher und entschieden gewandt und fertig, wie die Ente auf dem Wasser. Sie bedurfte meiner Lehre nicht, sie tat instinktmäßig das Rechte, vielleicht ohne es selber zu wissen.«


    Praktischer Hinweis:
    Das Grab befindet sich auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden-Johannstadt
    Den besten Zugang zur Grabstelle der Familie Heygendorff findet der Besucher an der Fiedlerstraße; man benutzt den Eingang 1 und orientiert sich links, oder den Eingang 3, wo man sich nach rechts wendet. Das Gräberfeld hat im Friedhofsplan die Bezeichnung ID und befindet sich ganz in der Nähe des Eingangsbereichs, das Grab hat im Plan die Nr. 11.

  • Zum heutigen Todestag


    Wer Daten und Fakten zu Engelbert Humperdinck sucht, muss aufpassen, dass nichts Falsches weitergegeben wird. So schreibt zum Beispiel eine Susanne-Haase-Mühlbauer, die eine wissenschaftliche Arbeit von Daniela Goebel - Thema Humperdinck - bespricht:
    »Er starb am 27. September 1921 in Neustrelitz, wo sich sein Grab befindet.«
    Da reibt man sich verwundert die Augen, wenn man gerade von Stahnsdorf kommt ...




    Er war Rheinländer und wollte eigentlich auf seine alten Tage wieder ins Rheinland zurück, hatte auch 1920 noch an eine zweite Heirat gedacht; seine Frau, mit der er vier Töchter und einen Sohn hatte, war schon 1916 gestorben.
    Engelbert Humperdincks einziger Sohn Wolfram, Patenkind von Cosima Wagner, war 1921 Opernspielleiter am Landestheater in Neustrelitz und sein Vater reiste dorthin, um den Proben und der Premiere von Webers »Freischütz« beizuwohnen.


    2010 wurde die Gedenktafel aus Granit mal wieder aufgefrischt, die anlässlich des 75. Geburtstages von Humperdinck im Jahre 1929 am Neustrelitzer Markt 3 - früher Hotel »Reichshof« - angebracht wurde und auf den letzten Aufenthalt des Komponisten in diesem Hause hinweist. Am 27. September 1921starb Humperdinck im Carolinenstift an den Folgen eines Schlaganfalles, nun ruht er im märkischen Sand und hat seine rheinische Heimat nicht wieder gesehen.


    Engelbert Humperdinck wurde am 1. September 1854 im Schulhaus von Siegburg geboren, es war eine Dienstwohnung, denn sein Vater war Rektor des Städtischen Progymnasiums in Siegburg. Heute beherbergt das ehemalige Schulhaus das Stadtmuseum.
    Seine Mutter war die Tochter des Paderborner Domkapellmeisters Franz Xaver Hartmann, die als Sängerin ausgebildet war, man darf annehmen, dass der Sohn seine Musikalität von dieser Seite hatte.
    Die Eltern strebten - wie viele andere Eltern von Musikern - an, dass der Sohn einen »ordentlichen« Beruf lernt, er sollte Architekt werden und begann nach seinem Abitur, das er 1871 ablegte, zunächst eine Lehre als Bauzeichner. Der Wunsch Musiker werden zu wollen saß aber so tief, dass sich der junge Humperdinck im April 1872 der Aufnahmeprüfung am Kölner Konservatorium stellte und diese erfolgreich absolvierte.
    Dazu ist zu bemerken, dass Engelbert bereits mit sieben Jahren (andere Quellen sagen neun) Klavierunterricht erhielt. Nach einem Besuch von Lortzings »Undine« wuchs bei dem damals 14-Jährigen der Wunsch Musiker zu werden. Bis 1876 studierte er unter anderem bei dem renommierten Ferdinand Hiller in Köln, der damals als rheinischer Musikpapst galt.
    Durch den Gewinn des Frankfurter Mozartstipendiums waren ihm weitere Studien bei Franz Lachner und an der Münchner Musikschule bei Josef Gabriel Rheinberger möglich. Zu dieser Zeit waren das erste Adressen, die allerdings für konservative Musik standen; die deutsche Musikwelt war in Brahms- und Wagner-Anhänger gespalten. Bei bestimmten Konstellationen konnte das als Karrierebremse wirken, so zum Beispiel als sich Humperdinck an der Universität Bonn bewarb und mit den Worten »Wagnerianer nehmen wir nicht«, abgelehnt wurde.
    Aber wie wurde Engelbert Humperdinck zum Wagnerianer? Der Besuch eines 1873 von Richard Wagner in Köln dirigierten Werbekonzerts für die Festspiele in Bayreuth hatte den jungen Mann infiziert. 1878 sah er dann in München die geschlossene Aufführung von Wagners »Ring des Nibelungen« und wandte sich zunehmend den Wagnerschen Kunstidealen zu.
    Schließlich traf er im Frühjahr 1880 den Meister selbst in Neapel, wohin Humperdinck mit Hilfe eines Mendelssohn-Stipendiums gereist war. Die Herren mochten sich und Humperdinck arbeitet in der Folgezeit an der Uraufführung des »Parsifal« als Assistent des großen Meisters.


    Als Wagner 1883 in Venedig stirbt, weilt Humperdinck in Paris und ist untröstlich, weil er sein Idol verloren hatte.
    In der Folgezeit sieht man den inzwischen 29-jährigen Humperdinck auf Reisen in Spanien, Algerien, Frankreich und der Schweiz; krank kommt er zurück nach Köln, wo seine Schwester wohnt, die mit dem Arzt und Schriftsteller Dr. Hermann Wette verheiratet ist. Dies zu erwähnen ist wichtig, weil hieraus einmal die große Wende im Leben des Engelbert Humperdinck resultieren sollte.


    Ein Meyerbeer-Reisestipendium nutzte Humperdinck 1882/83 zu einer Studienreise durch Frankreich, Spanien und Marokko und bis 1888 war er auch immer wieder bei den Festspielen in Bayreuth beteiligt.
    1885 lebte er einige Monate als musikalischer Gesellschafter Alfred Krupps - man kann auch sagen als musikalischer Lakaie - auf der Villa Hügel; wie man nachlesen kann, durfte er den Bechstein-Flügel als Geschenk mitnehmen. Aber Humperdinck war auch Lehrer am Liceo in Barcelona und am Kölner Konservatorium; später dann auch am Hoch´schen Konservatorium in Frankfurt am Main.
    Im Privatleben änderte sich für Humperdinck einiges, als er 1892 heiratete und im Laufe der Jahre eine Familie mit fünf Kindern zu ernähren hatte. Er arbeitete als Musikkritiker der Frankfurter Zeitung und war Lektor beim Musikverlag Schott in Mainz.


    Bei den Wetters - das war Humperdincks verheiratete Schwester - sah es um diese Zeit finanziell nicht gut aus. Am 2. Februar 1893 schreibt die Schwester dem Bruder: »Wir sitzen nämlich so arg in Not und Sorge, dass wir kaum mehr recht aufzuatmen wagen ...«
    Adelheid, Engelberts Schwester, schreibt ein Märchenspiel, das sie ihrem Mann von den Kindern zu seinem Geburtstag spielen lassen will, und sie schickt ihrem Bruder vier Lieder mit der Bitte um Vertonung. Dieser erfüllt die Bitte rasch und schickt die vertonten Texte retour.
    Irgendwie entwickelt sich dann bei Humperdinck der Gedanke das Ganze zu einem Singspiel auszubauen.
    Der Text wird erweitert, Musik dazu komponiert; inzwischen dichtet die ganze Familie an dem Text herum - zum Weihnachtsfest 1890 überreicht Humperdinck seiner Braut das fertige Particell, das die Grundlage zur weiteren Ausarbeitung bietet. Als er an der Instrumentierung der einzelnen Nummern arbeitet, beginnt er das ganze Werk durchzukomponieren. Im Oktober 1893 lag die Partitur vervielfältigt in fünfzig Exemplaren vor, aus einem Kinderspiel war eine richtige Oper entstanden, die kurz vor Weihnachten, am 23. Dezember am Weimarer Hoftheater erstmals aufgeführt wurde; am Pult stand kein Geringerer als Richard Strauss.
    Schon im Jahr darauf wurde die Oper auf 50 deutschen Bühnen gespielt, wenig später machte sie auch im Ausland ihren Weg. Humperdinck wurde durch dieses Werk berühmt und die Familie war aller finanziellen Sorgen ledig; er konnte sich in Boppard am Rhein eine ansehnliche Villa leisten, die er 1897 bezog. Als er zum Ausgang des Jahres 1900 zum Leiter einer Meisterklasse für Komposition an die Königliche Akademie der Künste berufen wurde, nutzte er sein »Schlösschen« am Rhein noch einige Jahre als Sommersitz.
    1911 wurde Humperdinck als Nachfolger von Max Bruch zum Direktor der Theorie- und Kompositionsabteilung der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin berufen.
    1905 reiste Humperdinck sogar zur amerikanischen Erstaufführung von »Hänsel und Gretel« zur Metropolitan Opera nach New York.


    Humperdinck schuf sechs Opern, wobei »Königskinder«, 1897 zunächst als Melodram mit Sprechgesang konzipiert und 1910 stark überarbeitet, an der Metropolitan Opera aufgeführt, zwar einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, aber nicht so erfolgreich war, wie »Hänsel und Gretel«. Seine später entstandenen Opern »Dornröschen« und »Heirat wider Willen« sind weitgehend vergessen; auch »Die Marketenderin« und seine letzte Oper »Gaudeamus« waren keine Erfolgsstücke mehr.
    Er schuf viele Bühnenmusiken, vor allem zu Shakespeare-Dramen, sein Gesamtwerk umfasst 170 Musikstücke.


    In der Hauptsache war Engelbert Humperdinck Vokalkomponist und sein Schaffen zeigt eine gewisse Volksnähe. Von seiner Ausbildung her stand er noch im alten Lager und wurde dann zum glühenden Anhänger Wagners, ohne diesen einfach zu kopieren, das hatte er bei seiner fundierten Ausbildung nicht nötig.


    Seinem Paradestück »Hänsel und Gretel« darf man noch eine lange Lebensdauer prognostizieren, für viele Menschen ist das der erste Opernbesuch ihres Lebens und die Opernhäuser setzen dieses Stück traditionsgemäß um die Weihnachtszeit auf den Spielplan, so dass diese Oper in aller Regel in der Statistik einen ordentlichen Platz behauptet.


    Am 150. Geburtstag von Engelbert Humperdinck waren immerhin um die zweihundert Gäste zum Stahnsdorfer Waldfriedhof gekommen, wo in der Stabholzkirche vielfältige Musik erklang, die einen entsprechenden Bezug zu Humperdinck hatte. An besonderen Tagen kann man auf diesem Friedhof sogar nachts Musik aus »Hänsel und Gretel« hören. Die Friedhofsleitung würdigt dann die Lebensleistung der hier begrabenen Persönlichkeiten.


    Praktischer Hinweis:
    Die Adresse: Südwestkirchhof Stahnsdorf, 14532 Stahnsdorf, Bahnhofstraße 2
    In den Sommermonaten findet man das Grab inmitten üppigen Grüns im Grabfeld »Erlöser« gerade mal 400 Meter vom Haupteingang des Stahnsdorfer Waldfriedhofs entfernt. Auf dem Friedhofsplan ist das Grab mit der Nr. 14 gekennzeichnet.

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  • Als Wagner 1880 in Venedig stirbt,


    Nee! Nur weil Humperdinck nicht in Neustrelitz begraben ist, wollen wir mal Wagner nicht um die letzten drei Jahre seines Lebens und die Vollendung seines Lebenswerkes mit "Parsifal" bringen, hm? :pfeif:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Stimmenliebhaber,


    es ist wunderbar, wenn man so aufmerksame Leser hat. Wie Du eingangs lesen konntest, muss man aufpassen, dass nichts Falsches weitergegeben wird. Natürlich sollte man sich an seine eigenen klugen Ratschläge auch halten, das siehst Du richtig.
    Wer nichts arbeitet, macht keine Fehler ... ich bitte darum diesen Tippfehler zu entschuldigen, es war keine böse Absicht, Wagners Leben zu verkürzen.

  • Lieber Stimmenliebhaber,
    es ist wunderbar, wenn man so aufmerksame Leser hat. Wie Du eingangs lesen konntest, muss man aufpassen, dass nichts Falsches weitergegeben wird. Natürlich sollte man sich an seine eigenen klugen Ratschläge auch halten, das siehst Du richtig.
    Wer nichts arbeitet, macht keine Fehler ... ich bitte darum diesen Tippfehler zu entschuldigen, es war keine böse Absicht, Wagners Leben zu verkürzen.


    Lieber Hart,


    dass das keine Absicht von dir war, davon gehe ich ganz fest aus. Und ja, wer viel macht, macht viele Fehler, wer nichts macht, macht keine Fehler. Deine Beiträge in dieser und anderen Rubriken lese ich immer gerne und mit großem Gewinn - Fehler, die mir auffallen, merke ich aber an, und zwar in der Hoffnung, dass sie noch zu korrigieren sind.


    Vielleicht kann ja ein Moderator aus der Zahl 1880 noch eine 1883 machen - und direkt danach aus dem 26-Jährigen den 29-jährigen Humperdinck.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"


  • Der Haupteingang - Alter Friedhof - Tutzing. Man geht ein paar Schritte auf den Kirchturm zu und findet links des Weges das Grab.




    Heute ist der Todestag von Therese Vogl. Im Sängerlexikon werden ihre Auftritte und Rollen so dargestellt:


    Sie hieß mit ihrem Geburtsnamen Therese Thoma, war die Tochter eines Schullehrers und erhielt ihre Ausbildung durch den Pädagogen Hauser in München. 1865 erfolgte ihr Debüt am Hoftheater von Karlsruhe in der Rolle der Casilda in »La Part du Diable« von Auber. Bereits ein Jahr später 1866 folgte sie einem Ruf an die Hofoper von München. 1868 heiratete sie den berühmten ersten Tenor dieses Opernhauses Heinrich Vogl (1845-1900). Beide galten bald als hervorragende Wagnersänger; man erblickte vor allem in ihnen die Nachfolger des Ehepaars Ludwig und Malvina Schnorr von Carolsfeld, die in der Uraufführung von Wagners »Tristan und Isolde« 1865 in München die Titelpartien gesungen hatten. Heinrich und Therese Vogl galten in diesen beiden schwierigen Partien als unübertroffen innerhalb ihrer künstlerischen Generation, seitdem sie diese erstmals 1869 in München gesungen hatten. Am 26.6.1870 sang Therese Vogl in München in der Uraufführung der »Walküre« von R. Wagner die Sieglinde, während ihr Gatte die Partie des Siegmund kreierte. 1878 und 1879 war sie in München die Brünnhilde in den ersten Aufführungen des »Siegfried« und der »Götterdämmerung« außerhalb von Bayreuth. 1881 gastierte sie an der Hofoper von Berlin als Elsa im »Lohengrin«. 1882 sang sie am Her Majesty's Theatre London die Brünnhilde in der englischen Erstaufführung des Ring-Zyklus unter Anton Seidl. Sie nahm auch 1882-83 an der Europa- Tournee mit Angelo Neumanns wanderndem Wagner- Theater teil. 1884 sang sie mit Heinrich Vogl zusammen in der Premiere des »Tristan« an der Oper von Frankfurt a.M., an der sie oft gastierte. Auch in Rußland trat sie als Gast auf. Sie sang gastweise am Stadttheater (Opernhaus) von Hamburg (1877), an den Hoftheatern von Mannheim, Weimar, Wiesbaden und Stuttgart (1887). 1885 wirkte sie in München, zusammen mit ihrem Gatten, in der Uraufführung der Oper »Der faule Hans« von Alexander Ritter mit, 1872 in der der Oper »Theodor Körner« von Wendelin Weissheimer. 1892 gab sie in München ihre Abschiedsvorstellung als Isolde. Sie wurde zum Ehrenmitglied der Münchner Oper ernannt. Neben dem Wagner-Repertoire war sie in Partien wie der Eglantine in »Euryanthe«, der Titelrolle in »Alceste« von Gluck, der Leonore im »Fidelio«, der Klytämnestra in »Iphigenie in Aulis« und der Agathe im »Freischütz« erfolgreich. - Der berühmte Chirurg Billroth, ein großer Musikliebhaber, schreibt über die Künstlerin an den Wiener Kritiker Hanslick: »Sobald die Vogls auf der Bühne standen, habe ich stets mit allen Sinnen genossen ... Ich erinnere mich kaum, je einen solchen Eindruck von einer dramatischen Sängerin gehabt zu haben...«


    [Lexikon: Vogl, Therese. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 25225 (vgl. Sängerlex. Bd. 5, S. 3624) (c) Verlag K.G. Saur]


    Soweit die Darstellung im »Sängerlexikon« - vielleicht sollte man noch hinzufügen, dass Therese Thoma als 16. Kind des Tutzinger Lehrers, Organisten und Mesners Jakob Thoma im Tutzinger Mesnerhaus gegenüber der Kirche St. Peter und Paul geboren wurde, dort, wo heute das Ortsmuseum steht, also ganz nahe am See.
    Entdeckt wurde sie vom Hofkapellmeister Franz Lachner, der oft im fünf Kilometer nahen Bernried Ferien machte und der sich dafür einsetzte, dass sie eine Gesangsausbildung am Münchner Konservatorium erhielt.


    Wenige Jahre nach ihrer Heirat hatte sich das Ehepaar Vogl neben dem Dampfersteg einen Sommersitz eingerichtet und 1871/72 den noch heute stehenden Pavillon erbaut.
    Johannes Brahms weilte 1873 im Tutzinger Gasthof Amtmann, wo zwar ein Klavier minderer Qualität stand, aber gepflegt wurde im Pavillon musiziert; hier erklangen erstmals die Lieder op, 59.
    Nun hatte der Herr Kammersänger auf dem Lande sein Herz für die Landwirtschaft entdeckt und kaufte 1875 das Gut Deixlfurt und baute es zu einem Musterbetrieb aus, was nur durch die nicht unbeträchtlichen Einnahmen des singenden Paares möglich war.


    Der Herr Kammersänger ergriff auch auf Bauernversammlungen das Wort und es wurde ihm einmal erwidert:

    »Jetzt hat der Herr Kammersänger gred. Der tut si natürlich leichter wia mir. Wen dem a Kuah verreckt, na fahrt er auf München eini und tuat a paar Plärrer und na hat er sei Kuah wieda.«


    Der Münchner Generalintendant fand diese Kombination von Sänger und Bauer nicht gut und wandte sich an Frau Kammersängerin mit der Bitte, sie möge ihn von seinen bäuerlichen Ambitionen abbringen; aber sie sagte:
    »Das müssen´s ihm schon selber sagen, Exzellenz, da werden´s keine gute Viertelstunde haben.«


    Aber beide waren auch weiterhin künstlerisch tätig und vor allem viel auf Gastspielreisen, als gesuchtes Wagner-Paar natürlich auch mit Angelo Neumann unterwegs.
    Und da ergab es sich, dass Therese Vogl - es muss etwa 1882/83 gewesen sein - von Hedwig Reicher-Kindermann, die aus einer Sänger-Dynastie stammte und tatsächlich eine ganz hervorragende Sängerin gewesen sein soll, überflügelt wurde. Die etwas jüngere Rivalin wurde vom Publikum als die attraktivere Stimme wahrgenommen. Eher als Randnotiz sei erwähnt, dass Therese Vogls Konkurrentin kurze Zeit später erkrankte und im Alter von nur 30 Jahren starb.


    Therese Vogls Stimme hatte nicht mehr die Schönheit vergangener Tage und sie beschloss Abschied von der Bühne zu nehmen, denn auch in München waren erste kritische Stimmen zu vernehmen, die auch anmerkten, dass an der Oper zu viel Wagner und zu wenig Verdi gespielt wurde.


    Aber noch 1884 wurde auch ein Büchlein veröffentlicht in dem zu lesen war:
    »"Armida" und "Donna Elvira" und der "Fidelio" von Therese Vogl sind herrliche Leistungen voll seelischen Adels, getaucht in tiefe Empfindung, gehoben von der Gluth innerer Leidenschaft ...«


    Am 9. Oktober 1892 nahm sie in der Rolle der Isolde Abschied von der Hofoper, sie war knapp 47 Jahre alt. Die Kritiken waren nicht einheitlich, wieder einmal hatte jeder etwas anderes gehört, ich zitiere eine positive Kritik ihres offiziell letzten Abends - die »Allgemeine Zeitung« schrieb:


    »Es war ein Abend, wie wir uns eines solchen an der Münchner Hofoper nicht entsinnen - und es ist nun bald ein Dutzend Jahre, daß wir die Aufführungen derselben mit uns´rer Teilnahme begleiten.«


    Allerdings gab es noch ein aller letztes Mal. Am 14. April 1894 rettete sie eine Vorstellung und verneigte sich als Sieglinde endgültig letztmals vor ihrem Publikum.


    Praktischer Hinweis:
    Man findet das aufwendig gestaltete Grab der großen Sängerin und ihres Gatten auf dem Alten Friedhof in Tutzing, ein kleiner Friedhof, nur wenige Meter vom Starnberger See entfernt an der Graf-Vieregg-Straße. Am besten orientiert man sich an den Hinweisschildern zum Ortsmuseum.
    Auf dem Alten Friedhof in Tutzing ist auch die berühmte Sängerin Zdenka Faßbender begraben; siehe Beiträge 266 und 268.

  • Heute ist der 60. Todestag von Frieda Hempel



    Jürgen Kesting schreibt zur Stimme von Frieda Hempel:
    »Sie besaß eine hohe, ungemein brillante, agile Stimme mit der Reichweite bis zum F in alto. In der tieferen Lage war die Stimme weniger gut genährt ...«
    Kein Wunder, denn ihre Lehrerin am Sternschen Institut zu Berlin, Selma Nicklass-Kempner, schärfte ihr ein, dass die tieferen Töne der Stimme der Schülerin schaden würden.
    Nach einer kritischen Übersicht der verfügbaren Hempel-Aufnahmen kommt Kesting zu dem Schluss:
    »Hempel zählt, trotz einiger grundsätzlicher Einwände - die weniger der Sängerin gelten sollten als dem Geschmack der Zeit - , zu den besten Sängerinnen der Epoche.«


    Frieda Hempel wurde in einer Handwerkerfamilie groß, wo sie das jüngste von sechs Kindern war. Als die ältere Schwester für ein Klavier sorgt, hält sich die Begeisterung bei der Kleinen in Grenzen, aber schon im Alter von zehn Jahren übt sie dann mit Begeisterung.
    Als junges Mädchen, sie ist 14 Jahre alt, kommt sie nach Berlin in die Praxis ihres Schwagers, einem Spezialisten für Hautkrankheiten, wo sie praktisch Mädchen für alles ist und auch Salben anrührt. Dieser Umstand ist deshalb erwähnenswert, weil sie in späteren Jahren, längst berühmte Sängerin in Amerika, sich ihre Schminke selbst zusammenrührt und eine kleine Schminke-Firma gründet, um das Produkt zu vermarkten.


    Aber noch befindet sie sich in der kleinen Arztpraxis bei Schwester und Schwager und äußert den Wunsch singen zu lernen, aber die meinten, dass Frieda doch ganz vorzüglich singen würde. Erst nach einer Weile schälte sich heraus, dass Frieda damit liebäugelte das Singen zum Beruf machen zu wollen. Der Arzt hatte einen Freund der Kontakte zu einer entsprechenden Ausbildungsstätte hatte; in Berlin gab es damals neben der Königlichen Hochschule für Musik, noch drei private Konservatorien, das älteste dieser Institute war Julius Sterns Konservatorium, und hier wurde sie nach einer Vorprüfung aufgenommen.
    Als das zweite Studienjahr noch nicht ganz vorüber war gedachte sie schon an die »Met« zu kommen, weil sich ein amerikanischer Agent tatsächlich für ihre Stimme interessierte, aber ihre Lehrerin und der Institutsdirektor setzten ihre Autorität ein, damit sie erst fertig studiert. Als sich jedoch der Direktor der Breslauer Oper in der Schule nach Nachwuchs umhörte, waren die Pädagogen einverstanden und es wurde ein nochmaliges Vorsingen in Breslau vereinbart. Man bot der jungen Frau einen Vertrag für fünf Jahre an. Sie war somit die einzige des Jahrgangs, die einen Vertrag in der Tasche hatte.
    Bevor es in Breslau losgehen sollte, gab sie ein Konzert in welchem auch Herren der Hofoper saßen, die Ohren spitzten und prompt im Konservatorium vorstellig wurden. Die Herren meinten, dass Breslau vielleicht nicht ganz das Richtige sei ...


    Von der Gesangsschule direkt an die Königliche Oper in Berlin, das war natürlich ein Riesending.
    Und der Vertrag mit Breslau? Juristisch war das eine Kleinigkeit, seinerzeit war man in diesem Alter noch nicht volljährig, die Eltern hatten das letzte Wort. Frieda Hempels Debüt fand also nicht in Breslau statt, wie es im Lexikon steht, sondern, wenn die Angaben von Frieda Hempel stimmen, am 22. August 1905 an der Hofoper in Berlin als Frau Fluth in Nicolais Oper »Die lustigen Weiber von Windsor«.


    Aber man riet ihr, dass sie sich zunächst Bühnenreife an der Hofoper in Schwerin erarbeiten sollte, um dann nach drei Jahren endgültig in Berlin zu singen. Schon im ersten Schweriner Jahr erreichte sie eine Einladung nach Bayreuth, Rheinmädchen und Blumenmädchen waren zu singen, keine großen Rollen, aber immerhin Bayreuth.
    In den Sommermonaten 1907 ging es dann auch mal hinaus in die große Welt zu Konzerten im damals exklusiven Ostende, wo einem Dirigenten der Metropolitan Opera New York die Stimme Hempels auffiel. Im gleichen Jahr reiste man zu dem Maifestspielen nach London. In Covent Garden »regierte« damals Nellie Melba und so wurde es mit der Violetta nichts für Frieda Hempel, sie musste die von ihr ungeliebte Gretel in Humperdincks Oper singen, aber man hörte sie auch in Wagner-Opern als Eva und als Elsa in »Lohengrin«.
    Der Kaiser war ihr stets wohlgesonnen und nannte sie neckisch »Hempelchen« und sie hatte den Beinamen »des Kaisers Lerche«. Wilhelm II. hatte dann auch dafür gesorgt, dass seine Lerche früher als ursprünglich geplant an der Hofoper in Berlin sang und erfolgreich war. Hier stand sie auch mit Caruso mehrmals auf der Bühne und später in ihrer New Yorker Zeit sowieso.
    Duette studierte sie damals schon italienisch ein und lernte die Sprache auf Anraten Carusos in Florenz, weil man dort das beste Italienisch spricht.


    Und dann, das war 1908, stand auch schon Signore Giulio Gatti-Casazza bei der Frau Kammersängerin im Wohnzimmer und präsentierte einen gut dotierten Vertrag der »Met«; mangelnde Englischkenntnisse waren kein Grund, den Vertrag nicht zu unterschreiben, die Zahlen sprachen für sich. Vertragsbeginn sollte das Jahr 1912 sein.
    Die komfortable Überfahrt nach New York dauerte mit der »George Washington« damals ab Bremerhaven 10 Tage. Auf den Komfort wird deshalb hingewiesen, weil Frieda Hempel während der Jahre des Ersten Weltkrieges im Kreis hochkarätiger Kollegen (an Bord waren u. a. : Arturo Toscanini, Emmy Destinn, Geraldine Farrar, Enrico Caruso, Pasquale Amato ...) die Strecke von Neapel nach New York im Zick-zack-Kurs auf einem englischen Kriegsschiff zurücklegte. Tausendsassa Giulio Gatti-Casazza hatte das damals organisiert, sonst wäre die Saison an der »Met« ins Wasser gefallen.
    Fast ins Wasser gefallen wäre das New Yorker Debüt, weil die Sängerin tatsächlich im medizinischen Sinne verschupft war; aber irgendwie gingen »Die Hugenotten« über die Bühne, die Inszenierung war genau nach dem Berliner Vorbild eingerichtet. Dem folgten viele erfolgreiche Vorstellungen, denn Frieda Hempel sang hier in einem teuren Ensemble der Weltbesten. Eine Reihe von Konzerten kam dazu, die kommerziell noch interessanter waren als Opernabende.
    Im privaten Bereich fand die Garderobe der Sängerin große Beachtung, Reisen nach Paris waren unverzichtbar und sie wirkte stilbildend und wurde nachgeahmt. Im Sommer 1918 erfolgte die Eheschließung und Frieda Hempel war Amerikanerin.
    Sie hatte erleben müssen, dass deutsche Lieder aus ihren Programmen gestrichen wurden, auch wenn sie auf der Bühne mal eine Fahne schwenkte, die der aktuellen politischen Situation nicht angemessen schien, wurde das mitunter kritisch kommentiert.


    1919 beendete sie ihr Engagement an der Metropolitan Opera. Ihr Mann managte weite Konzertreisen und in manchen Gegenden wurde in Wellblechhallen, auf Sportplätzen oder in Scheunen gesungen, aber wie bereits ausgeführt, solche Konzerte waren lukrativ.


    Etwas ganz Besonderes waren dann diese »Jenny Lind-Konzerte« - und die waren finanziell noch interessanter. Man hatte sich ausgedacht - die Idee stammte nicht von Frieda Hempel oder ihrem Mann - das erste Konzert, das Jenny Lind am 11. September 1850 in Amerika gab, anlässlich ihres 100. Geburtstages am 6. Oktober 1920, mit einem Double zu wiederholen; dazu hatte man dann Hempel irgendwann überredet. Sie studierte alte Zeitungsberichte, las Bücher, kurzum, sie wusste nach einiger Zeit der Vorbereitung alles über Jenny Lind; wie sie ging, wie sie sich verbeugte, welche Schals sie gerne trug und so weiter ...


    Außer dem Saal in welchem das Konzert seinerzeit stattfand - das Gebäude stand nicht mehr - war alles »original« gestaltet wie vor 70 Jahren. Also sang »Jenny/Frieda« in der Carnegie Hall.
    Die Leute waren von dem Gebotenen so begeistert, dass noch eine Menge Konzerte folgten, in denen Frieda Hempel als Jenny Lind auftrat, ihr Begleiter war der damals sehr gesuchte Holländer Coenraad V. Bos, der vordem lange mit Julia Culp zusammen arbeitete.


    1951 gab Frieda Hempel in New York noch ein Konzert, dann begann der Rückblick auf eine lange Sängerkarriere. Ihre Vorbilder waren: Adelina Patti, Marcella Sembrich, Nellie Melba, Luisa Tetrazzini ...
    Sie sang unter Dirigenten wie Richard Strauss, Arturo Toscanini, Leo Blech ... und hatte noch Gelegenheit sich von Strauss selbst in Berlin erklären zu lassen, wie er sich wünscht, dass die Marschallin gesungen wird. Aber er tolerierte auch die Eigenarten der Sänger - kurz vor einer Aufführung sagte Strauss zur Hempel:
    »I weiß jetzt halt net, wie lang Sie auf dem Triller bleib´n, oder was Sie sonst im Sinn hab´n. Aber ´s wird scho´ gehn. Singen ´s halt drauf los, i komm schon mit ...«


    Es wurde versucht, etwas in das Leben von Frieda Hempel hinein zu leuchten, das Sängerlexikon bietet folgenden Text zu der Sängerin an:


    »Sie studierte zunächst Klavierspiel am Konservatorium von Leipzig, seit 1902 Ausbildung der Stimme am Stern'schen Konservatorium in Berlin bei Selma Nicklass-Kempner. Sie debütierte 1905 am Opernhaus von Breslau und war 1905-07 am Hoftheater von Schwerin engagiert. Sie sang bereits 1906 bei den Bayreuther Festspielen die Woglinde im Nibelungenring und ein Blumenmädchen im »Parsifal«, 1908 den Waldvogel im »Siegfried«. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. bemühte sich um den Wechsel der Künstlerin von Schwerin in die deutsche Hauptstadt. 1907 wurde sie an die Hofoper von Berlin berufen (Antrittsrolle: Frau Fluth in Nicolais »Lustigen Weibern von Windsor«), wo sie bald triumphale Erfolge hatte. 1913 sang sie am Großen Schauspielhaus von Berlin in der Premiere der Erstfassung von »Ariadne auf Naxos« von R. Strauss die Zerbinetta. Bereits 1911 kreierte sie für Berlin die Partie der Marschallin im »Rosenkavalier«. Seit 1907 glanzvolle Gastspiele an der Covent Garden Oper London. 1912 folgte sie einem Ruf an die New Yorker Metropolitan Oper, wo sie am 27.12.1912 als Marguerite de Valois in den »Hugenotten« von Meyerbeer (zusammen mit Enrico Caruso und Emmy Destinn als Partnern) debütierte, und deren Mitglied sie bis 1920 blieb. Sie sang dort 1913 in der Erstaufführung des »Rosenkavaliers« die Marschallin, 1916 feierte man sie in »Elisir d'amore« von Donizetti als Partnerin von Enrico Caruso. Sie sang an der Metropolitan Oper ein vielseitiges Repertoire: die Gilda im »Rigoletto«, die Traviata, die Leila in »Pêcheurs de perles« von Bizet, die Marie in »La Fille du Régiment« und die Lucia di Lammermoor von Donizetti, die Susanna in »Figaros Hochzeit«, das Ännchen im »Freischütz«, die Eva in den »Meistersingern« und die Annetta in »Crispino e la comare« von F. und G. Ricci. Insgesamt hat sie an der Metropolitan Oper (in deren Haus in New York) 17 Partien in 155 Vorstellungen gesungen. Gastspiele in Berlin, Frankfurt a.M. (1907-14), Hamburg, London (1914 als Königin der Nacht und als Marschallin im »Rosenkavalier« am Drury Lane Theatre) und Paris führten zu immer neuen Erfolgen. 1914 und 1920-21 trat sie an der Oper von Chicago auf, mit deren Ensemble sie dann auch 1921 in San Francsico zu Gast war. Danach widmete sie sich ganz dem Konzertgesang und wurde namentlich durch ihre »Jenny-Lind-Konzerte« (das erste dieser Konzerte gab sie im Oktober 1920 zum hundertsten Geburtstag der großen Sängerin) berühmt, bei denen sie im Kostüm und mit dem Repertoire der unvergeßlichen schwedischen Sängerin in den Zentren des amerikanischen Musiklebens auftrat. Sie bereiste in überaus erfolgreichen Tourneen England (1935), Frankreich, Belgien und Holland (1938 und nochmals 1950), wobei sie sich besonders als große Liedersängerin erwies. Noch 1951 gab sie in New York einen Liederabend. Sie unterrichtete in New York und San Francisco. Sie gab ihre Erinnerungen unter dem Titel »Mein Leben dem Gesang« (Berlin, 1955) heraus. Sie starb plötzlich während eines Besuchs in Berlin. (Sie hatte nämlich trotz einer schweren Erkrankung im Herbst 1955 eine Deutschland-Reise aus Anlaß der Publikation ihrer Lebenserinnerungen unternommen). - Koloratursopran, dessen virtuose Stimmführung und dessen Reinheit der Tongebung ebenso bewundert wurden wie die musikalische Reife des Vortrages. Erstaunlich war die Vielseitigkeit ihres Bühnenrepertoires, das von der Königin der Nacht bis zu der Eva in den »Meistersingern« und der Marschallin im »Rosenkavalier« reichte.


    Zahlreiche schöne Aufnahmen auf Odeon (die frühesten Aufnahmen bereits von 1906 aus Schwerin), HMV (seit 1911, darunter eine erste Serie aus Berlin und London, eine zweite von 1924 aus London; zwei elektrische Aufnahmen von 1935 aus Berlin), Victor (in den USA aufgenommen), Polydor (1923), Edison- Platten (akustische Aufnahmen von 1917, zwei elektrisch aufgeommene Titel von 1928).
    [Nachtrag] Hempel, Frieda; sie trat als Gast an der Hofoper von München (1906-08), in Hannover, Wiesbaden, Wien (hier auch 1910 in einem Konzert), Mannheim und Bremen auf, 1908 auch an der Königlichen Oper Stockholm, 1909 an der Oper von Monte Carlo (Gilda im »Rigoletto«), 1909 am Théâtre de la Monnaie Brüssel, 1910 am Stadttheater von Basel und am Opernhaus von Riga, 1910 auch an der Grand Opéra Paris (Gilda und Marguerite de Valois in den »Hugenotten« von Meyerbeer), in Budapest und Warschau und noch 1936 in Konzerten in Kopenhagen. An der Covent Garden Oper London sang sie 1907 die Bastienne in »Bastien und Bastienne« von Mozart und die Gretel in »Hänsel und Gretel«, dann auch die Eva in den »Meistersingern« und die Frau Fluth in den »Lustigen Weibern von Windsor« von O. Nicolai. - Lit: P.H. Reed, T. Keating & S.F. Stone: The Recorded Art of Frieda Hempel (in »Record Collector«, 1955-56).«


    [Lexikon: Hempel, Frieda. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 10577 (vgl. Sängerlex. Bd. 6, S. 368) (c) Verlag K.G. Saur]


    1955 teilte das Hamburger Abendblatt seinen Lesern mit:


    »Im West-Berliner Franziskus-Krankenhaus ist gestern nach achtmonatigem schwerem Leiden im 71. Lebensjahr die früher weltbekannte Opern- und Konzertsängerin Frieda Hempel gestorben.
    Frau Hempel, die im Jahre 1912 nach großen Erfolgen in Berlin, Bayreuth, London und Stockholm einen Ruf an die New Yorker Metropolitan-Oper erhielt, kam vor zwei Monaten nach Deutschland, um sich in West-Berlin ärztlich behandeln zu lassen. In den zwanziger Jahren gastierte die Koloratursopranistin mehrfach in Deutschland und anderen europäischen Ländern, hatte ihren festen Wohnsitz aber in New York. Während der Nachkriegsjahre machte sie durch umfangreiche Hilfsaktionen für ihre deutschen Freunde von sich reden. Die Künstlerin wird in Berlin eingeäschert und beigesetzt werden.«


    Praktischer Hinweis:
    Der landeseigene Friedhof Heerstraße (Waldfriedhof Heerstraße), liegt im Berliner Ortsteil Westend des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, als Orientierungspunkt kann das Olympiastadion dienen.


    Waldfriedhof Heerstraße
    Trakehner Allee 1
    14053 Berlin



    Auf dem Friedhof selbst geht man vom Eingang in der Nähe der Verwaltung, geradeaus in Richtung Kapelle, das ist etwa die Hälfte der Wegstrecke zum Grab. Im Prinzip geht es von der Kapelle aus, leicht nach rechts versetzt, geradeaus weiter, bis zum Ende des Sausuhlensee, der jedoch tiefer unten liegt.

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