Erfolg im Kampf gegen das Regietheater: "Tannhäuser" in Düsseldorf nach Publikumsprotesten abgesetzt!

  • Wenn die Regie gegen die Handlungsstränge und gegen die durch die Musik unterstrichenen psychologischen Charakterisierungen der Figuren anarbeitet, dann sehe auch ich das als ein anmassendes Vergehen gegenüber dem Kunstwerk an.
    Bühnenbild und Kostüme müssen dem Verständnis, dem Miterleben des grossen menschlischen Dramas dienlich sein.
    Allerdings kann ich nicht jenen Standpunkt teilen, bei dem man z.B. bei Mozart meint, dass so eine Oper nur noch in Rokoko-Kostümen aufgeführt werden dürfe.
    Jetzt weiss ich nicht, ob Holgers Argumentation gemeint war, als hier jemand von "fadenscheinig" sprach.
    In seinem Fall wäre das ziemlich ungerecht. Ich respektiere seine Beiträge sehr und empfinde diese als bereichernd.
    Man wird gezwungen, die eigene Positionen zu überprüfen, was ich für ausserordentlich gesund halte.


    Genau wie ein Mensch mit einer Spenderniere leben kann, ist es mir auch (je nach dem, wie es realisiert wurde) möglich, einen solche "Organtransplantation" akzeptieren zu können. Was aber nicht geht, ist z.B. eine Herztransplantation machen zu wollen, und statt eines neuen Herzens eine Niere einzusetzen. Damit tötet man den Menschen, oder eben ein Kunstwerk.


    So gesehen kann ich mich Holgers Argumentation durchaus anschliessen, obwohl mein Regiegeschmack wohl eher konservativ ist. Am besten finde ich gemässigte Aufführungen, die - um beim Beispiel Mozart zu bleiben- die Handlung aus dem Rokoko ins Biedermeier oder vieleicht auch in noch eine andere Zeit holen.
    Es ist so ähnlich wie in der Politik: Ob extrem links oder rechts - beides taugt einfach nichts und führt zur Katastrophe. In der Mitte liegt die Vernunft, der Ausgleich, die Balance. Diese hinzubekommen ist sowohl in der Politik als auch in der Kunst eben die wirkliche Kunst.


    Wichtig ist wie gesagt, dass die Handlungs- und Rollenpsychologie verstanden und emotional nachvollzogen werden können. Wenn man also nach einer tragischen Oper auf keinen Fall mehr ins Restaurant gehen kann, dann haben die Leute im Opernhaus etwas richtig gemacht.
    Eine vom Libretto und der Musik her vorgesehene würdige Rolle darf man aber nicht lächerlich machen. Man würde bei "Lord of the Rings" ja auch nicht den Gandalf in Badehose und Schwimmflossen auftreten lassen.


    In jedem Fall bevorzuge ich bei solchen Diskussionen aber immer eine schlüssige Argumentation vor der einfach nur Stimmung machenden Agitation, selbst wenn die Argumente genau in jene Richtung gehen mögen, die meinem Geschmack eher nicht entsprechen.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Wer mal sehen möchte wie gut gemachtes RT aussieht, der sollte sich nach Gelsenkirchen zum Rosenkavalier in einer hervorragenden und kurzweiligen Inszenierung von Philipp Harnoncourt anschauen. Gestern war Premiere und ich werde gleich im Thread "Gestern in der Oper" darüber berichten.

  • Gelsenkirchen ist ein interessantes Haus. Dort gab es seinerzeit mal eine sehr gelungene 'Lustige Witwe'. Das Orchester saß auf der Bühne und spielte gelegentlich mit ... will sagen, wurde szenisch eingebaut. (Eine harmlose und charmante Form von Regietheater ...) Ist aber schon eine Weile her. Auch 'Tod in Venedig' und 'Fall des Hauses Usher' waren damals sehr sehenswert dort.