Die Beliebtheit dieses Stückes kann ich nicht nachvollziehen...

  • ...wie gesagt, die Zweite war mir nie wichtig. Bruckner ist mir generell nicht so wichtig.
    Kennt jemand den Mitschnitt der Zweiten Scherchens außer mir? Darf doch wohl nicht wahr sein!


    Wie bei Scherchen oft spielt das Orchester nicht auf höchstem Niveau, das schien ihm wohl einfach nicht wichtig genug.
    Dafür aber nimmt er das Werk nicht als "Frühwerk", sondern einfach als eigenständige Musik.
    Recht flüssig und, wie ich schon schrieb, wie eine weitere Sinfonie Schuberts.
    Was meinen "Eselsohren" gut passt, denn auch die Dritte klingt für mich sehr wohl sehr ländlerisch.
    Was Bruckner erst zu diesen "Brocken" macht, ist oft Schlampigkeit des Dirigats.
    Ein Szell würde sich im Grabe rumdrehen, würde sein Orchester bei jedem Decrescendo langsamer werden, beim Crescendo dagegen schneller-so wie es bei Jochum üblich ist.
    Und da Bruckner sich so gern selbst zitiert: warum nicht auch das Tempo zitieren im Schlußsatz, warum nur die Melodei?
    Also Relationen wahren. Den Blick über alles, was selbst Solti, so finde ich, oft abgeht, weil seine Sau mit ihm durchgeht, also sein Temperament.
    Hier für mich lieber Karajan, auch wenn er das Stück ersaufen lässt in sich selbst. Aber er hat einen nachhörbaren Plan!


    So: Watschen gern entgegennehmend,
    Mike

  • Ich habe jetzt 7 Nachrichten in den Thread Bruckner 2 kopiert. Bitte dieses Stück dort weiter diskutieren und ein bißchen drauf achten, dass man beim Thema bleibt. Gilt auch für andere Postings zu Lortzing oder Haydn, die mit dem Thema dieses Threads nichts zu tun haben.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • In dem Sinne komme ich aufs Thema zurück.
    Wobei ich vorerst nicht ein einzelnes Werk nennen möchte, sondern einen Komponisten: Mendelssohn. Ich finde, er wird überschätzt - warum er so oft gespielt wird, ist mir stets ein Rätsel gewesen und geblieben.
    Auch mit der bereits erwähnten Symphone Fantastique konnte ich bisher nicht viel anfangen.
    Weiters: obwohl ich Beethoven sehr schätze, gefallen mir folgende Werke überhaupt nicht: - Wellington´s Sieg - Chorfantasie.
    Die Klaviermusik Rachmaninows gefällt mir überdies auch nicht im Geringsten.
    Außerdem, um auf Berg zurückzukommen: Gegen den Wozzeck kann ich wirklich kein böses Wort verlieren, da ich ihn für eines DER Meisterwerke der Musikgeschichte halte. :)


    Soweit, sogut.
    Gruß

  • In dem Sinne komme ich aufs Thema zurück.
    Wobei ich vorerst nicht ein einzelnes Werk nennen möchte, sondern einen Komponisten: Mendelssohn. Ich finde, er wird überschätzt - warum er so oft gespielt wird, ist mir stets ein Rätsel gewesen und geblieben.
    Auch mit der bereits erwähnten Symphone Fantastique konnte ich bisher nicht viel anfangen.


    Hinsichtlich deiner Mendelssohn-Einschätzung wirst du dir mächtig Ärger mit unserem User 'Felix Meritis' einhandeln. Ich sehe das im Übrigen auch anders als du. Deine Meinung teile ich aber unumwunden im Hinblick auf Berlioz' Symphonie fantastique - total überschätzt, das Ding. Langweilt mich stellenweise vollkommen.


    Grüße
    Garaguly


  • Hinsichtlich deiner Mendelssohn-Einschätzung wirst du dir mächtig Ärger mit unserem User 'Felix Meritis' einhandeln. Ich sehe das im Übrigen auch anders als du. Deine Meinung teile ich aber unumwunden im Hinblick auf Berloz' 'Symphonie fantastique' - total überschätzt, das Ding. Langweilt mich stellenweise vollkommen.


    Grüße
    Garaguly


    Aber nein doch! Das muss wirklich erlaubt sein. Allerdings wurde die Vorgabe, ein bestimmtes Stück zu nennen, nicht eingehalten, weshalb ich nichts weiter dazu sagen kann als: "Mich wundert's, dass es jemanden wundert, dass Mendelssohn beliebt ist".

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  • Wobei ich vorerst nicht ein einzelnes Werk nennen möchte, sondern einen Komponisten: Mendelssohn. Ich finde, er wird überschätzt - warum er so oft gespielt wird, ist mir stets ein Rätsel gewesen und geblieben. (...)

    Da sieht man, wie sinnlos solche threads sind ... sie dienen nur der Aufzählung dessen, was man gerne oder nicht gerne mag. Die Liste kann ellenlang sein - und hinterher ist man so klug als wie zuvor.


    Mendelssohn schätze ich sehr, sein "Rondo capriccioso" habe ich mal gespielt - und was so leicht klingt, nämlich die Leichtigkeit seiner Kompositionen, ist recht schwierig umzusetzen (ich meine nicht die Technik). Bei Mozarts Werken ist dieser Aspekt nicht ganz unähnlich. Mendelssohn ist bestimmt nicht überschätzt, und man kann von Glück sagen, dass die Nachkriegszeit ihm wieder den Stellenwert beigemessen hat, der ihm m.E. zusteht. Irgendwie ist es schwierig, von Mendelssohn etwas nicht zu mögen. - Sehr sehr schön und noch immer unterbewertet sind übrigens auch die Werke seiner Schwester Fanny (ich kenne allerdings nur wenige).

  • Da sieht man, wie sinnlos solche threads sind ... sie dienen nur der Aufzählung dessen, was man gerne oder nicht gerne mag. Die Liste kann ellenlang sein - und hinterher ist man so klug als wie zuvor.


    Neiiin ;) - Adrian Tuttisolo hat's ja falsch gemacht! Er hätte z.B. die Italienische nennen sollen plus Begründung, weshalb er sie für überschätzt hält. Klar kann man vom subjektivem Eindruck nie abstrahieren, aber man kann sich schon bemühen, die eigenen Eindrücke möglichst nachvollziehbar zu schildern.

  • Die Liste kann ellenlang sein - und hinterher ist man so klug als wie zuvor.


    Eher doch so dumm als wie zuvor. Vielleicht sollte man untersuchen, welche Korrelation zum eigenen Psychogramm bei den persönlichen Vorlieben bestehen und wie dieses Psychogramm dann aussieht.

  • Ich gehe mal mit gutem Beispiel voran und nenne den Messias von Händel. Hier ist es wichtig zu betonen, dass ich seine Beliebtheit in Relation zu den anderen Oratorien Händels nicht verstehe (also nicht so sehr die "absolute" Beliebtheit), denn dieses Werk wird viel öfter aufgeführt (hier könnte man noch den Weihnachtsbonus anführen) und aufgenommen als alle anderen Oratorien Händels zusammengerechnet. Wieso? Ich verstehe nicht, inwiefern der Messias den anderen Oratorien Händels so überlegen sein sollte? Für meine Ohren ist er das nicht. Bis vielleicht auf das "Halleluja" gibt es keinen Chor, der sich qualitativ oder in der Stimmung weitgehend von denen aus Solomon, Judas Maccabäus, etc.. absetzt. Von der dramatischen Gestalung und der Schönheit der Arien würde ich die Theodora weit über den Messias stellen. Trotzdem wird Theodora fast nie aufgeführt.

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  • Ich gehe mal mit gutem Beispiel voran und nenne den Messias von Händel. Hier ist es wichtig zu betonen, dass ich seine Beliebtheit in Relation zu den anderen Oratorien Händels nicht verstehe (also nicht so sehr die "absolute" Beliebtheit), denn dieses Werk wird viel öfter aufgeführt (hier könnte man noch den Weihnachtsbonus anführen) und aufgenommen als alle anderen Oratorien Händels zusammengerechnet. Wieso? Ich verstehe nicht, inwiefern der Messias den anderen Oratorien Händels so überlegen sein sollte? Für meine Ohren ist er das nicht. Bis vielleicht auf das "Halleluja" gibt es keinen Chor, der sich qualitativ oder in der Stimmung weitgehend von denen aus Solomon, Judas Maccabäus, etc.. absetzt. Von der dramatischen Gestalung und der Schönheit der Arien würde ich die Theodora weit über den Messias stellen. Trotzdem wird Theodora fast nie aufgeführt.


    Das ist ganz einfach: Der "Messiah" ist abgenudelt, und das hat historische Ursachen: es war - wie die "Water Musick" - eines der meist gespielten Stücke schon bei den jährlichen Londoner Händel-Aufführungen im 18. Jh. nach dessen Tod, aber auch später bei der Händel-Renaissance im späten 19. Jh. Sowas hält sich bekanntlich hartnäckig, so dass andere Werke (Oratorien) dann irgendwie untergehen. Heute werden sie aber durchaus gespielt und auch eingespielt.

  • Zitat

    Das ist ganz einfach: Der "Messiah" ist abgenudelt, und das hat historische Ursachen: es war - wie die "Water Musick" - eines der meist gespielten Stücke schon bei den jährlichen Londoner Händel-Aufführungen im 18. Jh. nach dessen Tod, aber auch später bei der Händel-Renaissance im späten 19. Jh. Sowas hält sich bekanntlich hartnäckig, so dass andere Werke (Oratorien) dann irgendwie untergehen. Heute werden sie aber durchaus gespielt und auch eingespielt


    Sehr hartnäckig, muss ich sagen. Von Alexander Balus gibt es meines Wissens nur eine Aufnahme (ich habe sie nicht), vom Messisas vielleicht 300.


  • Sehr hartnäckig, muss ich sagen. Von Alexander Balus gibt es meines Wissens nur eine Aufnahme (ich habe sie nicht), vom Messisas vielleicht 300.


    "Alexander's Feast" wird auch häufiger aufgeführt; oder die Karmeliter-Vespern (Teile daraus). So ist das halt - auch zum Kapitel "Rezeption" gehörig ... es hat halt in vielen Fällen nichts mit mangelnder Qualität zu tun, wenn Werke weniger aufgeführt werden, sondern es hat sehr oft historische Ursachen.
    Harnoncourt hat übrigens auch andere Oratorien als den "Messiah" eingespielt.

  • wenn Werke weniger aufgeführt werden, sondern es hat sehr oft historische Ursachen.
    Harnoncourt hat übrigens auch andere Oratorien als den "Messiah" eingespielt.


    Das ist mir schon klar, dennoch wird deshalb der Messias im Vergleich zu den anderen Oratorien Händels immer noch überbewertet. Nur das wollte ich damit ausdrücken. Dass es dafür historische Gründe gibt, verstehe ich schon. Die Trägheit mit der man solche Ungleichgewichte beseitigt aber nicht. Deshalb "....kann ich nicht nachvollziehen".

  • Die Erklärung der großen Beliebtheit im Falle des "Messiah" ist aber nicht so schwierig. Ein Grund ist sicher, dass das Stück musikalisch sehr eingängig und ziemlich kompakt ist (einige andere Oratorien sind erheblich länger). Was die eingängige Melodik betrifft, ist es m.E. allen anderen Händel-Oratorien, die ich gehört habe, überlegen.
    Dann natürlich das Thema. Es ist als einziges der Oratorien geistliche Musik in einem engeren Sinne, die anderen sind mehr (Saul, Belshazzar) oder weniger (Solomon, Judas Maccabaeus) dramatische Handlungen mit einem biblischen Thema, das jedenfalls heute vielen Hörern nicht mehr so präsent ist. (Alexander Balus ist ein Extremfall, die Story kennt wirklich niemand mehr). Diese Stücke hängen aus heutiger Sicht auch etwas eigenartig zwischen Oper und Oratorium. (Die nicht christlich-jüdischen Semele und Hercules sind im Grunde englische Opern, auch Theodora ist schon mehrfach inszeniert worden.)
    Schließlich ist Messiah auch weniger aufwendig als etliche andere Oratorien, da von Anfang an auf die etwas bescheideneren Verhältnisse in Dublin (gegenüber London) zugeschnitten, was für größtenteils aus Laien bestehend Ensembles auch relevant ist.


    Keine Frage, dass die Zurücksetzung all der anderen Werke nicht gerechtfertigt ist, aber die Dominanz ist schon erklärbar, wenn auch vielleicht nicht ganz in diesem Maße.

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  • Schließlich ist Messiah auch weniger aufwendig als etliche andere Oratorien, da von Anfang an auf die etwas bescheideneren Verhältnisse in Dublin (gegenüber London) zugeschnitten, was für größtenteils aus Laien bestehend Ensembles auch relevant ist.


    Dessen war ich mir gar nicht bewusst. So etwas kann natürlich eine große Rolle spielen.

  • Das gleiche Problem wie mit dem Messias (wir haben ihn gestern aufgeführt hier in einer Vorortkirche, und das Publikum wollte das Hallelujah am Schluss noch mal hören) gibt es auch mit dem Weihnachtsoratorium. Es gibt keinen vernünftigen Grund, immer nur 1-3 zu spielen, 4 und 5 sind genau so gut, nur 6 kann ich nicht leiden, weil es sehr spröde ist. Es sind halt immer auch außermusikalische Strukturen, die eine Rolle spielen. Und: der Messias ist tatsächlich für ein Laienensemble gut zu singen. Das sieht man an den Chören, die Probleme bereiten und daher gestrichen werden. Gestrichen wird immer: "Und er wird reinigen", weil das richtig schwer ist. Und sehr geübt werden muss immer: "Durch seine Wunden sind wir geheilet", weil dieser Chor im Stil der alten Polyphonie geschrieben ist, die Laienensembles meist nicht drauf haben!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Auch wenn ich sicher gegenüber den Bach- und Geistliche Musik-Apologeten ein Sakrileg begehe, muss ich bekennen, dass eine Hürde für die Liebe zu Bachs geistlicher Musik die Rezitative im Predigtton sind. Ich habe das erst heute morgen für mich festgestellt, als ich den Tag mit einer Bachkantate (BWV 97, "In allen meinen Taten") unter Masaaki Suzuki begonnen habe. Ich kann noch nicht definieren, warum mir das als Bruch innerhalb der Musik erscheint, aber für mich ist es eine echte Hürde, was die Wertschätzung der zweifellos vorhandenen Schönheit dieser Musik ist. Und da ich ein Ganzes-Werk-Hörer bin, löst die "Nächster-Track-Taste" das Problem leider auch nicht zufriedenstellend.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



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  • "And he shall purify" wird mir allerdings von den professionellen Chören auf CDs oft einen Tick zu schnell und virtuos, ohne das notwendige Gewicht runtergespult...
    Bei den Arien gibt es von etlichen mehr oder weniger virtuose Fassungen (aber die Solisten sind ja i.d.R. Profis); ich habe mal eine Laienchoraufführung erlebt, da wurde "His yoke is easy" von den Solisten gesungen, anscheinend war der Chor damit überfordert oder die Probezeit hatte nicht mehr gereicht.
    Es gibt zB im Ggs zu "Israel in Egypt" und "Solomon" keine Doppelchöre, Trompete nur in ca. vier Nummern; das Orchester ist in den meisten anderen Oratorien deutlich größer usw.
    Wichtiger Grund dürfte aber sein, dass kaum ein Kantor sich die erhebliche zusätzliche Mühe machen will, ein neues Oratorium, das nicht ein Teil der Choristen schon gut kennt, einzustudieren und dann mit weniger Publikum belohnt zu werden.

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  • Auch wenn ich sicher gegenüber den Bach- und Geistliche Musik-Apologeten ein Sakrileg begehe, muss ich bekennen, dass eine Hürde für die Liebe zu Bachs geistlicher Musik die Rezitative im Predigtton sind. Ich habe das erst heute morgen für mich festgestellt, als ich den Tag mit einer Bachkantate (BWV 97, "In allen meinen Taten") unter Masaaki Suzuki begonnen habe. Ich kann noch nicht definieren, warum mir das als Bruch innerhalb der Musik erscheint, aber für mich ist es eine echte Hürde, was die Wertschätzung der zweifellos vorhandenen Schönheit dieser Musik ist. Und da ich ein Ganzes-Werk-Hörer bin, löst die "Nächster-Track-Taste" das Problem leider auch nicht zufriedenstellend.


    Möglicherweise liegt das daran, dass die Musik dem Text übergeordnet interpretiert wird: die meisten Musiker "leben" den Text nicht. Versuche mal eine Kantate mit Harnoncourt oder Leonhardt, und lass Kurt Equiluz oder einen Knaben (besonders Peter Jelosits) singen. Da gibt es (nach meinem Dafürhalten) eine Einheit zwischen Text und Musik, wodurch das Rez kein "notwendiger, aber lästiger Übergang" zur Arie ist, sondern völlig natürlich erfolgt.


    Dr. Pingel,
    die Kantaten 4-6 habe ich schon sehr oft im Konzert gehört: wenn es 2 Konzerte in Folge gibt. (Nr. 6 finde ich übrigens gar nicht spröde.) Sie werden halt oft weggelassen, weil ein einzelnes Konzert sonst zu lang wird: und mit Nr. 4 kann man schlecht anfangen ...

  • Auch wenn ich sicher gegenüber den Bach- und Geistliche Musik-Apologeten ein Sakrileg begehe, muss ich bekennen, dass eine Hürde für die Liebe zu Bachs geistlicher Musik die Rezitative im Predigtton sind. Ich habe das erst heute morgen für mich festgestellt, als ich den Tag mit einer Bachkantate (BWV 97, "In allen meinen Taten") unter Masaaki Suzuki begonnen habe. Ich kann noch nicht definieren, warum mir das als Bruch innerhalb der Musik erscheint, aber für mich ist es eine echte Hürde, was die Wertschätzung der zweifellos vorhandenen Schönheit dieser Musik ist. Und da ich ein Ganzes-Werk-Hörer bin, löst die "Nächster-Track-Taste" das Problem leider auch nicht zufriedenstellend.


    Herzliche Grüße


    Christian


    Da ist was dran; also ist es auch kein Sakrileg. René Jacobs hat sich dazu mal geäußert anlässlich seiner Aufnahme der "Calisto" von Cavalli, dem Nachfolger Monteverdis. Cavalli war der letzte berühmte Opernkomponist, der ohne Secco-Rezitative auskam, und René Jacobs rühmt ihn dafür und verfluchte sinngemäß alle Komponisten, die diese Trennung danach einführten. Eine meiner Lieblingsopern ist "Partenope" von Händel; ich habe mir von der CD später eine rezitativfreie Arienfassung hergestellt. Allerdings gibt es Ausnahmen. Die Rezitative in der Matthäus- und Johannespassion scheinen mir so genau auf den Text komponiert zu sein, dass ich da eine Ausnahme machen würde.

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  • Die Rezitative können tatsächlich ziemlich widerborstig sein. Deshalb wundert es mich ein wenig, sie hier unter den "allzu beliebten Stücken" genannt zu finden. Ich habe noch nie jemanden getroffen der sagte: "Ich kann ja mit Bach wenig anfangen, aber seine Secco-Rezitative könnte ich mir stundenlang anhören!"

  • Tuonela schrieb auf dr. pingels Beitrag 319:


    Dr. Pingel,
    die Kantaten 4-6 habe ich schon sehr oft im Konzert gehört: wenn es 2 Konzerte in Folge gibt. (Nr. 6 finde ich übrigens gar nicht spröde.) Sie werden halt oft weggelassen, weil ein einzelnes Konzert sonst zu lang wird: und mit Nr. 4 kann man schlecht anfangen ...

    Meine Erfahrung zu diesem Thema, sie liegt zugegebenermaßen schon über 50 Jahre zurück, ist die, daß die Kantaten 1 bis 3 wesentlich mehr Interesse beim Publikum fanden, weil sie das Weihnachtsgeschehen aus Lukas 2 berichten - und die kennen viele noch aus Kindertagen, die Texte des Evangelisten wecken da Erinnerungen noch in der hintersten Gehirnrinde. Die Kantaten 4 bis 6 dagegen lassen sich thematisch nun mal nur um oder nach Neujahr aufführen - und dann ist bei den meisten Menschen das Interesse erlahmt - Weihnachten ist schon weit weg, Karneval, Fasching, Fassenet kommt näher.


    Damals, in den Fünfzigern und frühen Sechzigern, wollte die Kantaten 4 bis 6 jedenfalls keiner mehr hören, eine Aufführung war ein finanzieller Reinfall. Also ließ man es in der Zukunft bleiben; die wenigen Bachliebhaber hätten für die Eintrittskarten mindestens 5 blaue Scheine hinlegen müssen - und die Zeiten sind heute diesbezüglich bestimmt nicht besser geworden.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Die Rezitative in Bach-Kantaten und -Passionen sind fast nie Secco-Recitative, sondern oft ariose accompagnato-Rezitative, manchmal rhetorischer und ausdrucksstärker als die Arien selber ("Du lieber Heiland, du", "Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken")
    Ausnahme ist der Evangelist bzw. die Personen (Petrus, Jesus (der in der Matthäuspassion ja fast immer Streicherbegleitung hat) usw.) in den Passionen. (Auch in Händels Messiah gibt es, glaube ich, kein einziges Secco). Auch hier gehören zB das einleitende Rezitativ (Comfort ye/Tröstet mein Volk) und das Tenorrezitativ im Passionsabschnitt (eine der harmonisch kühnsten Stellen) zu den Höhepunkten.
    Aber oft sind Rezitative eben nur Überleitungen oder bringen die Handlung voran.


    Bei Opern ist halt besonders auf Aufnahmen oft das Problem, dass man nicht viel versteht (weil zu schlecht italienisch) und dass die Recitative nicht in einem zügigen Konversationston gebracht werden.

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  • Beim WO spielt außer dem Kern der Weihnachtsgeschichte vielleicht auch eine Rolle, dass die bekanntesten Arien fast alle aus den ersten Teilen stammen: Bereite dich Zion, Großer Herr und starker König, Schlafe mein Liebster. (Ich bin gerade gar nicht sicher, ob ich je ein Weihnachtsoratorium live erlebt habe, beide Passionen und die h-moll-Messe mehrfach; die interessieren mich allerdings auch mehr.)

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  • Im Messias gibt es tatsächlich kein einziges Secco-Rezitativ; die accompagnati sind außerdem prägnant und sehr kurz. Die Sache mit den Arien im Weihnachtsoratorium ist zwiespältig, weil die Arien berühmt wurden, weil sie so oft gespielt wurden. So gibt es im 5. Teil eine grandiose Sopranarie (am besten hört man sie von Ruth Ziesack in der Aufnahme von Ralf Otto, meine Lieblingsaufnahme), deren Titel ich gerade nicht parat habe. Außerdem enthalten die Teile 4 und 5 großartige Chöre, z.B. "Ehre sei Gott" (aber nicht das aus dem 2.Teil), für mich der beste Chor des WO überhaupt.

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  • Im Messias gibt es tatsächlich kein einziges Secco-Rezitativ; die accompagnati sind außerdem prägnant und sehr kurz. Die Sache mit den Arien im Weihnachtsoratorium ist zwiespältig, weil die Arien berühmt wurden, weil sie so oft gespielt wurden. So gibt es im 5. Teil eine grandiose Sopranarie (am besten hört man sie von Ruth Ziesack in der Aufnahme von Ralf Otto, meine Lieblingsaufnahme), deren Titel ich gerade nicht parat habe. Außerdem enthalten die Teile 4 und 5 großartige Chöre, z.B. "Ehre sei Gott" (aber nicht das aus dem 2.Teil), für mich der beste Chor des WO überhaupt.


    Vermutlich meinst Du "Ehre sei Dir Gott gesungen"?
    Die Echo-Arie?
    Ich muss ja zugeben, dass ich gerade in den späteren WO-Kantaten ein paar Stücke nicht allzu gut passende Parodien finde, neben der Echo-Arie auch das hektische "Ich will nur Dir zu Ehren leben" (was viele Bach-Freunde allein wegen der Fuge in Ekstase versetzt, aber vom Affekt her passt es für mich nicht). Andererseits ist "Bereite dich, Zion" eigentlich auch eine unmögliche Parodie (im Mittelteil wanden sich in der Vorlage Schlangen statt nun prangender Wangen), wirkt aber (jedenfalls im A-Teil) nicht unpassend.

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