Der Musiker Ehrenplätze

  • Seit langer Zeit bin ich mal wieder hier, und die Gräber und Ehrenplätze sind immer noch ein Ruhmesblatt dieses Forums. Neben den Fotos gibt es immer wieder ausführliche Texte. Da werde ich mir demnächst eine ruhige Stunde suchen und alles bedächtig lesen. Danke, lieber hart!
    Eine Kleinigkeit, die nicht einmal korrigiert werden muss: August Bungert wurde in Mülheim an der Ruhr geboren; wir Mülheimer brauchen für unsere Stadt nur ein-h-!

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Wo liegt denn Ölbronn-Dürrn? Das ist eine Frage die sich wohl viele Menschen stellen, falls sie nicht schon einmal dort waren oder in unmittelbarer Umgebung wohnen - zur Kreisstadt Pforzheim sind es 12 Kilometer, Stuttgart ist etwa 60 Kilometer entfernt.
    Ist man dann als Musikinteressierter erst einmal auf der Dürrner Straße in den Ort gekommen, fällt auf, dass es hier einen Gottlob-Frick-Weg gibt. Folgt man der Dürrner Straße weiter, kommt man direkt zum Rathaus Ölbronn, wo sich die Gottlob-Frick-Gedächtnisstätte befindet.




    Schild am seitlichen Rathaus-Eingang


    Gottlob Frick, der weltbekannte schwarze Bass, eine heute praktisch ausgestorbene Spezis, kam in Ölbronn, einem Ort, der damals noch nicht mit dem Nachbarort Dürrn verbunden war, am 28. Juli 1906 zur Welt. Diese Welt war für den jungen Gottlob überschaubar; dass er einmal die ganze Welt sehen würde, eher unwahrscheinlich. Gottlob Fricks Vater war Gemeindewaldschütz und Jagdführer, eine sicher wichtige Tätigkeit, aber man konnte dadurch nicht reich werden; der einzige Reichtum der Familie waren die Kinder, es waren deren 13, von denen jedoch, wie damals üblich, nicht alle überlebten. Dass der jüngste der Familie 1934 als Daland auf der Bühne des Coburger Theaters stehen würde, war 1906 mehr als unwahrscheinlich.
    In der bäuerlichen Umgebung wurde zwar, weil man YouTube und ähnliche Medien nicht kannte, viel und kräftig gesungen, aber dass man vom Singen leben könnte, glaubte hier niemand. Gottlob konnte zwar bei einem Auftritt zur Konfirmation einmal acht Mark Honorar einstreichen, die er damals durchaus als »Spitzengage« empfand, aber das war eine einmalige Sache.
    Musikmachen war in der Bevölkerung weit verbreitet und an Gesangvereinen bestand kein Mangel, und an Mitgliedern auch nicht. Praktisch überall war es üblich, dass sich aus den besten Stimmen Quartette bildeten. Beim Liederkranz Ölbronn war das nicht anders, dass Gottlob Frick dazu gehörte war keine Frage. Der Stimmbruch war für den Heranwachsenden kein Problem, singen konnte er immer. In einem solchen Gesangsquartett wurde also auf gehobenem Niveau gesungen, die Herren waren auf Volksfesten, Hochzeiten und ähnlichen Gelegenheiten zu hören.


    Drei der Frick-Brüder waren im Ersten Weltkrieg Soldaten geworden; einer kam nicht mehr zurück, einer starb später an den Kriegsfolgen. Der dritte Bruder, Karl, kam 1918 gesund zurück und hatte einige Musikinstrumente einer aufgelösten Militärkapelle mitgebracht, womit er die Familie versorgte. Man - das waren sechs Brüder von Karl, wobei Gottlob der jüngste war - beschloss nun eine Blaskapelle zu gründen. Damit das Ganze auch ordentlich zum Klingen gebracht werden konnte, versicherte man sich der Hilfe des Oberlehrers Österle, der es zuwege brachte, dass diese Neugründung als Tanz- und Unterhaltungskapelle Furore machte.
    Vermutlich war der musikalische Erfolg größer als der wirtschaftliche Gewinn; erste inflationäre Entwicklungen warfen ihre Schatten, als der Bruder Christian 1923 starb, hörte man auf.


    Als Gottlob Frick die Volksschule abgeschlossen hatte, fasste er eine Ausbildung als Techniker ins Auge und besuchte die Gewerbeschule im etwa 10 Kilometer entfernten Bretten. Mit 17 begann er eine Ausbildung zum Mechaniker in Mühlacker, einem Ort, der die gleiche Wegzeit beanspruchte, aber in der entgegengesetzten Richtung lag.
    Neben dem Beruf begleitete er seinen Vater in den Wald, im Wald wurde gejagt, und nach erfolgreicher Jagd gefeiert. Der Jagdpächter hatte honorige Herren zur Jagd geladen und Vater Frick lud als umsichtiger Jagdführer das Quartett des Ölbronner Liederkranzes ein.
    Das Quartett war gut, die Stimmung auch, die Darbietungen fanden den Beifall der Jagdgesellschaft. Einer der Gäste hörte besonders interessiert zu, ein Regierungsrat Dr. Paul, der, wenn er nicht jagte, Verwaltungschef der Stuttgarter Staatsoper war. Diesem Herrn waren Klagen seines Chorleiters bekannt, der dringend tiefe Bässe brauchte. Das schien zu passen, der junge Mann aus Ölbronn wurde zum Vorsingen nach Stuttgart gebeten. Gottlob Frick wollte da eine gute Figur machen und studierte mit seinem alten Lehrer Österle »O Isis und Osiris« ein; damit hatte sich der junge Herr Frick, er war gerade mal zwanzig, einen Vertrag als Eleve im Stuttgarter Opernchor ersungen. Am 15. Februar 1927 stand er erstmals auf der Bühne des Staatstheaters. Die Stuttgarter Anfänge waren kein Honiglecken, aber seine Eltern ließen ihm im Rahmen ihrer Möglichkeiten etwas zukommen, aber oft war das Budget doch sehr eng. Als hätten´s die Dörfler zu Hause geahnt, denn sie meinten auf gut schwäbisch, wenn er mal zu Besuch kam: »Mr ka doch net vom Singe lebe!« Nun, ab und an wirkte er beim feinen und renommierten Stuttgarter Liederkranz mit, wo es manchmal etwas an Zuwendung materieller Art gab.


    Viele in seiner musikalischen Umgebung - die waren ja alle sachverständig - bemerkten, dass in der Stimme Potenzial steckt. In zunehmendem Maße redete man ihm zu, dass er eine Solistentätigkeit anstreben sollte. Und er nahm die Sache in Angriff; zunächst bei Fritz Windgassen (also nicht bei dessen Sohn Wolfgang), wo Frick als Gast an den Unterrichtsstunden teilnahm. Aber Fricks Gesangslehrer, die ihn echt weiter brachten, waren der Bariton Julius Neudörffer-Opitz und der Bassist Hermann Horner.


    Im Stuttgarter Opernbetrieb tat sich Entscheidendes, das zwar auch mit Singen zu tun hatte, aber andererseits sehr privat war. Margarete Bayen, eine Sängerin aus dem Rheinland, kam von der Oper Düsseldorf und stammte aus einem sehr kultivierten Elternhaus. Als Fräulein Bayen in Stuttgart erschien, war sie nicht nur Chorsängerin, sondern wurde auch schon in kleineren Rollen als Solistin eingesetzt.
    Das gemeinsame Singen in Stuttgart hatte auch Einfluss auf das Privatleben. Am 28. Juli 1929, es war am Geburtstag des Bräutigams, wurde in der Dorfkirche zu Ölbronn geheiratet, aus Fräulein Bayen war Frau Frick geworden. Von Margarete Frick sind einige wenige Kunstlieder erhalten, aber mit dem Aufstieg ihres Mannes ließ sie ihre eigene Gesangskariere ausklingen.
    Für Eingeweihte ist klar, dass Margarete Frick ihren Partner nicht nur in seinen Anfängerjahren monetär unterstützte, sondern ihm auch stets künstlerisch beratend zur Seite stand. Ihre Ehe hatte mehr als 65 Jahre Bestand.


    1930 verpflichtete Siegfried Wagner den Herrn Frick nach Bayreuth, nicht als Wotan, sondern als Chorsänger. In Stuttgart gab´s die ersten kleinen Rollen für ihn und das hätte sich so über die Jahre hinziehen können. Als das Coburger Theater im Mitteilungsblatt für Bühnenangehörige einen 1. Bassisten suchte, hielt sich Frick für geeignet, sang vor und wurde sofort engagiert. Ein junger Sänger hatte in den damaligen Verhältnissen viel zu tun, weil viel mehr Stücke gezeigt wurden, als das heute üblich ist, es gab Neuinszenierungen am laufenden Band. Aber dem Anfänger Frick eröffneten sich auch Chancen gleich an große Rollen zu kommen; oben wurde bereits erwähnt, dass er als Daland auf der Bühne stand, es war Fricks Debüt am Landestheater Coburg. Es folgten Pogner, Fafner, Hunding und auch größere Rollen außerhalb des Wagner-Fachs. Der Intendant hatte recht bald bemerkt, dass man diesem jungen Mann das alles anvertrauen kann und wenn Frick in seiner Galauniform als Fürst Gremin »Ein jeder kennt die Lieb auf Erden« sang, war ihm Beifall sicher, den man sogar als frenetisch bezeichnen kann.


    Schon in der nächsten Spielzeit setzte man in Coburg »Parsifal« auf den Spielplan, und natürlich sollte Frick den Gurnemanz singen, wer denn sonst? Zar Ferdinand, der sich für sein Coburger Theater sehr engagierte, tat auf seine Weise etwas zum Gelingen der Vorstellung, indem er Gottlob Frick seinen Rolls-Royce nebst Fahrer zur Verfügung stellte, damit sich Frick direkt an der Quelle in Bayreuth Anregungen zur Gestaltung dieser Rolle holen konnte - in der von Frick besuchten Aufführung gab der Norweger Ivar Andresen den Gurnemanz; Andresen war zehn Jahre älter als Frick, und das darf man wörtlich nehmen, denn beide Sänger hatten am gleichen Tag Geburtstag. Noch heute lässt sich bei YouTube nachhören, dass ihre Stimmen auch nahe beieinander lagen. Man darf vermuten, dass die Fahrt nach Bayreuth ein Erfolg war, denn nach dem Coburger »Parsifal« schrieb die Zeitung über Frick:


    »Sein machtvoller Bass erwies sich als besonders für die große Wagneroper geschaffen. In gleicher Weise wie als Pogner imponierte er in "Parsifal" als Gurnemanz. Mehr und mehr zeigte sich, wie sehr der Künstler an Reife gewonnen hat.«


    Nachdem er zwei Jahre in Coburg gesungen hatte, wechselte Frick nach Freiburg, wo er ebenso wie vordem schon, ein breitgefächertes Repertoire sang und auch beim Publikum gut ankam. Aber ein in der Theaterwelt bedeutenderes Haus lockte, das Theater in Königsberg, wo er auf Kollegen traf, die sich in der Opernwelt schon einen Namen ersungen hatten. Als Frick in Königsberg den Daland sang, gastierte der aus Hamburg kommende Bariton Carl Kronenberg, der den Holländer sang.
    Der erfahrene Kollege gab Frick einige wertvolle Tipps zum weiteren Ausbau seiner sängerischen Möglichkeiten. Als Frick in Königsberg verabschiedet wurde, lobte man, dass der Sänger sowohl das Komische als auch das Seriöse Fach souverän beherrscht habe.
    Als an der Staatsoper Dresden Kurt Böhme einen Abend absagen musste, sprang Frick als Rocco kurzfristig ein und rettete den Abend. Natürlich hatte es in Dresden stimmkundige Leute, man lud Gottlob Frick zu drei Gastspielen ein. Karl Böhm hatte Frick in »Tobias Wunderlich«, einer Oper von Josef Haas, in Königsberg gehört. Zu den drei vorgesehenen Gastspielen kam es nicht, sein König Heinrich im »Lohengrin« hatte ausgereicht, man war sich in Dresden recht schnell darüber klar geworden, dass man diesen Sänger sofort festhalten muss; im November 1940 wurde der Vertrag unterschrieben, Frick war auf einem ersten Gipfel angekommen, ein Jahr später wurde er zum sächsischen Kammersänger ernannt.
    Beinahe hätte man ihn Ende 1943 auch noch zum Funker ernannt, denn er wurde zum Militär eingezogen. Aber ein hoher Offizier und Theatergänger hatte den Bassisten erkannt und Frick konnte sich im Rahmen der Verwundeten-Betreuung künstlerisch betätigen. Im Februar 1945 erlebte er die grausame Bombennacht in Dresden, aber die Fricks hatten Glück, weil sie relativ abseits der Innenstadt, in Blasewitz, wohnten.
    Im Mai 1945 kamen russische Soldaten in die Stadt, Frick sang im Offizierskasino Mussorgskis »Flohlied« - als Honorar gab´s Kohlen für den Winter. Schon im September des Jahres sang er in einer konzertanten Aufführung den Rocco. Mit dem Dresdner Ensemble gastierte Frick nun auch im osteuropäischen Ausland. Insgesamt zehn Jahre blieb Frick der Dresdner Oper verbunden.


    Gottlob Frick orientierte sich nun in Richtung Westen; es gab Gespräche mit Wien, aber er nahm die Angebote der Städtischen Oper Berlin und der Staatsoper Hamburg an.
    Rudolf Bing, der seit 1949 die Metropolitan Opera in New York leitete, ließ europäische Sänger suchen; auch Gottlob Frick stand auf der Wunschliste, aber politische Verhältnisse verhinderten einen vorliegenden Vertrag von 1950 zu erfüllen. So kam dann Frick mit einiger Verzögerung erst 1961 an die »Met«. Frick war in Europa eine bekannte Sängerpersönlichkeit geworden, was schon alleine an seinen Auftritten an der Wiener Staatsoper abzulesen ist. Sein erster Auftritt ist mit dem 4. März 1951 als Rocco in »Fidelio« dokumentiert; seine letzte Vorstellung an der WSO ist mit dem 4. Juni 1974 eingetragen, wo Frick unter Dohnányi den Gurnemanz singt, als Amfortas wirkt Siegmund Nimsgern.
    In Wien sang Gottlob Frick über Jahre hinweg in 24 Vorstellungen den Komtur, einmal findet man seinen Namen sogar als Verantwortlichen für die Inszenierung, das war die Vorstellung am 14. April 1964. Insgesamt kommt Gottlob Frick an diesem renommierten Haus auf 386 Opernvorstellungen, davon singt er 61 Mal den Serastro.


    Es wäre nun müßig, und wohl kaum möglich, in ähnlicher Weise seine Tätigkeit an anderen bedeutenden Häusern im In- und Ausland darzustellen, festzuhalten ist, dass er sich in München und Wien besonders wohl fühlte. Natürlich wirkte er bei den Salzburger Festspielen mit, selbstverständlich auch in Bayreuth, erstmals 1957 als Pogner und dann 1960 bis 1964 in verschiedenen Rollen.
    Im Laufe seines langen Lebens wurde er mit Ehrungen und Auszeichnungen überhäuft, war mehrfacher Kammersänger und blieb doch, trotz weltweiter Tätigkeit, immer seiner Heimat verbunden; in den Theaterferien war er oft zuhause anzutreffen. Den Erlös eines Konzerts stiftete er für die Kirchenglocken seiner Heimatgemeinde. 1961 gab er seinen Wohnsitz in München auf und ließ sich in Ölbronn direkt am Wald sein Jägerhaus »Waldfrieden« bauen. Auch Fritz Wunderlich kam nach Ölbronn und sorgte höchstpersönlich für das Gelingen eines Spießbratens. Gottlob Frick war Wunderlichs väterlicher Freund, die beiden waren leidenschaftliche Jäger, der Altersunterschied betrug 24 Jahre, dass der Ältere noch singen würde, wenn der Jüngere längst tot ist, ahnte damals niemand.
    Gottlob Frick kannte zwar die ganze Welt, war aber bodenständig und heimatverbunden, vielleicht gerade deshalb, weil er so weit herum kam, liebte er seine Heimat. Bei heimatnahen Veranstaltungen trat Frick auch oft mit Ruth Margret Pütz auf.
    Diese Heimatverbundenheit hatte Margarethe Frick, als Rheinländerin, nicht, aber die Fricks hatten neben dem Haus »Waldfrieden« noch eine Wohnung im exklusiveren Baden-Baden, nur eine dreiviertel Autostunde von Ölbronn entfernt. Während Gottlob Frick auf Tonaufnahmen, auch durch die lange währende Karriere bedingt, sehr häufig vertreten ist, sind von seiner Frau nur wenige Kunstlieder auf einer Schallplatte festgehalten.
    Auch Gottlob Frick musste dem Alter Tribut zollen, Spaziergänge hatten die Jagdereignisse ersetzt. Am 18. August 1994 starb Gottlob Frick im Alter von 88 Jahren. Eine große Trauergemeinde begleitete ihn zum Friedhof in Ölbronn - sein Grab ist im Thread »Der Musiker Gräber« im Beitrag Nr. 42 zu sehen.


    Schon unmittelbar nach der Trauerfeier war sich ein »harter Kern« von Frick-Gefährten und Bewunderern darüber einig, dass diese Künstlerpersönlichkeit nicht der Vergessenheit anheim fallen darf. Man beschloss an seinem Geburtsort eine Gedenkstätte einzurichten, die dann bereits 1997 in einem Festakt eröffnet werden konnte. An diesem Festakt nahmen auch ehemalige Kolleginnen und Kollegen Fricks teil.
    Diese Gedenkstätte präsentiert sehr viele Fotos in unterschiedlichen Formaten, Vitrinen mit einer Menge an Auszeichnungen, die dem Sänger verliehen wurden, originale Bühnenkostüme und natürlich eine breite Auswahl an besungenen Tonträgern, sowie die Aufzeichnung von zu Zeiten Fricks populären Fernsehsendungen.


    Spiritus Rector des Ganzen ist Hans A. Hey, der im Vorder- und Hintergrund die Fäden zieht und das Ganze am Laufen hält, im Tamino Klassikforum firmiert Hey unter dem Pseudonym »Operus«. Naturgemäß ist ein Museum dieser Art eine mehr oder weniger tote Sache, aber in den kleinen, schmucken Fachwerkort von nur knapp zweitausend Einwohnern kommt mindestens einmal im Jahr mächtig Leben, wenn sich im Herbst die Welt der Oper hier trifft.


    Beachtlich große Namen kommen immer wieder, um Erinnerungen auszutauschen und zu schauen, was der singende Nachwuchs so drauf hat, die Veranstaltungen in Ölbronn und im nahen Mühlacker, wo Gottlob Frick einst seine Lehrzeit als Mechaniker begann, sind also auch ein Sprungbrett für junge Künstler. Anlässlich des 100. Geburtstages von Gottlob Frick, hat man den Kultur- und Konzertsaal der Stadt nach dem berühmten Kammersänger benannt.
    Natürlich wird in Ölbronn primär Gottlob Frick, der große Sohn des Ortes, geehrt, dem die Gemeinde in ihrem Rathaus respektabel viel Platz einräumt, aber nicht nur ihm wird »gehuldigt«, man bezieht ganz bewusst das gesamten Umfeld Fricks mit ein.
    Weltweit einmalig ist hier die Sammlung von Handabdrücken. Es hat sich eine Tradition entwickelt, dass bei der herbstlichen Abschlussveranstaltung des Künstlertreffens alle Künstler, die erstmals teilnehmen, in einer rechteckigen Tonscheibe ihren Handabdruck mit Unterschrift hinterlassen. Diese Tafel wird gebrannt und verbleibt, durch Glas geschützt, im Museum. Inzwischen verfügt man hier über mehr als dreihundert Tonstücke. Mit der Lesbarkeit der Tonautogramme ist das so eine Sache, deshalb sind die Namen auch nochmals in Druckschrift auf der Glasscheibe angebracht.



    Treppenaufgang zur Gottlob-Frick-Gedächtnisstätte - Foto Augenstein



    Der Handabdruck von Josef Metternich



    Großfotos vom Wirken Gottlob Fricks



    Gottlob Fricks Falstaff-Kostüm, das er 1975 bei einer Aufführung an der Stuttgarter Staatsoper trug.

  • aber er nahm die Angebote der Städtischen Oper Berlin und der Staatsoper Hamburg an.

    Und der Deutschen Staatsoper Berlin! Dort (im Ausweichquartier Admiralspalast) debütierte er am 21. Juni 1947 in der Premiere der "Zauberflöte" als Sarastro und sang bereits einen Monat später mit dem Daland seine zweite Premiere am Haus. In der Spielzeit 1947/48 stand Frick regelmäßig (wenn auch mit dem Zusatz "a.G.") auf dieser Bühne, neben Sarastro und Daland auch ab 3.10. als Premierenbesetzung unter Wilhelm Furtwängler den König Marke in "Tristan und Isolde", ab 20.6.1948 auch als Premierenbesetzung Komtur in "Don Giovanni" unter Joseph Keilberth, ab 2.1.1949 stand er auch als Veit Pogner auf dieser Bühne, ab 29.03.1949 sang er auch den Falstaff in den "Lustigen Weibern von Windsor", ab 19.5.1949 auch den Osmin und ab 7.6.1949 auch den Fürsten Gremin in "Eugen Onegin" (alles mehrfach). In der Berliner Erstaufführung von Gottfried von Einems Oper "Dantons Tod" stand er als Herrmann auf der Bühne, am 13.7.1949 sang er die Solo-Bass-Partie in Pfitzners "Von deutscher Seele". Ab 25.12.1949 sag er auch den Pimen in "Boris Godunow". am 7.2.1950 war Frick die Premierenbesetzung des Capulet in Sutermeisters "Romeo und Julia". Am 17.2.1950 sang Frick im Hause die Solo-Bass-Partie von Händels "Messias". Am 7.4.1950 war Frick der Premieren-Gurnemanz im "Parsifal" unter Joseph Keilberth. Bis Sommer 1950 trat Frick in etwa 100 Vorstellungen regelmäßig am Hause auf, danach werden seine (Gast-) Auftritte seltener. Sein letzter Auftritt im Admiralspalast fand am 15. Juni 1952 als König Marke unter Erich Kleiber statt.
    Doch auch im 1955 wiedereröffneten Stammhaus der Staatsoper Berlin gastierte Frick einige wenige Male: im Januar 1956 in der Generalprobe und Premiere von "Tristan und Isolde" unter Franz Konwitschny als König Marke und dann ein letztes Mal am 15.10.1966 als Hagen in der "Götterdämmerung" unter Otmar Suitner.


    Ich weiß nicht, wie viele Rollen und Abende Gottlob Frick an der Städtischen Oper (West-) Berlin gesungen hat, aber ich finde, dass 13 Opernrollen und 2 Konzertpartien bei mehr als 100 Auftritten (darunter in 8 Premieren) durchaus eine Erwähnung dieses Hauses (Staatsoper Berlin) in seiner Vita wert sind. :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Hart,


    heute hast Du Ingrid, mir und sicherlich auch der großen Fangemeinde von Gottlob Frick eine große Freude gemacht. Dein Bericht vom Besuch der Gedächtnisstätte ist gewohnt informativ, umfangreich und aussagekräftig geworden. Die Fotos geben bereits einen gewissen Eindruck von dem Gebotenen in der Gedächnisstätte. Auch alle Fakten sind korrekt wiedergegeben. Also Anerkennung und Dank an Dich, lieber Hart. Vielleicht noch der Hinweis: Die Gedächnisstätte kann jederzeit besichtigt werden und nicht nur am 3. Sonntag im Monat. Auf dem Hinweisschild ist die Telefonnummer 0160/147 1966 vermerkt. Anrufen und kurze Zeit später ist ein Mitglied des Gedächtnisstättenteams vor Ort, meistens Erhard Werthwein, selbst Sänger, Dirigent und noch persönlich gut bekannt mit Gottlob Frick. Es ist also eine Führung mit Verstand Authentizität, Insiderwissen und Herz zu erwarten.
    Lieber Hart, nochmals herzlichen Dank, nicht nur für den Bericht über die Gottlob-Frick-Gedächtnisstätte sondern für die ganze ausgezeichnete, enorme Arbeit die Du in den Gedächtnistthreads der "Musiker Gräber" und hier bei der "Musiker Ehrenplätze leistest. Bedeutende Erarbeitungen mit historischem Wert für uns und das Tamino-Klassik-Forum.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Es wäre nun müßig, und wohl kaum möglich, in ähnlicher Weise seine Tätigkeit an anderen bedeutenden Häusern im In- und Ausland darzustellen.


    Lieber Stimmenliebhaber,
    es ist ja gut, wenn man einen kompetenten Spezialisten vor Ort hat - besten Dank für diesen wertvollen ergänzenden Beitrag! Aber wie oben zitiert, der Bericht eines Museums- oder Grabbesuchs kann nicht das leisten, was möglich ist, wenn man eine Biografie in Buchform schreibt. Gottlieb Frick hätte sich bestimmt darüber gefreut, dass seine Leistung in Berlin entsprechend gewürdigt wird, aber 88 Jahre sind eine lange Lebensspanne ...

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  • Ich weiß nicht, wie viele Rollen und Abende Gottlob Frick an der Städtischen Oper (West-) Berlin gesungen hat, aber ich finde, dass 13 Opernrollen und 2 Konzertpartien bei mehr als 100 Auftritten (darunter in 8 Premieren) durchaus eine Erwähnung dieses Hauses (Staatsoper Berlin) in seiner Vita wert sind.

    Lieber Stimmenliebhaber,


    Du überraschst immer wieder durch hervorragende Detailkenntnisse. Wir wußten selbstverständlich einiges über Fricks Berliner Zeit. Dass es jedoch über 100 Auftritte mit so vielen Premieren waren,wurde bei uns bisher nicht in der vollen Bedeutung gesehen. Aus persönlichen Gesprächen wusste ich nur, dass Frick zum Übervater der Städtischen Oper Berlin Heinz Titjen, dem verdienten Intendanten, dem großartigen Regisseur und Dirigenten, also einem Multitalent gute Beziehungen hatte. Dies erklärt wahrscheinlich, warum der Bassist doch so oft in Berlin, dem Stammhaus von Josef Greindl, in großen Partien und Premieren eingesetzt wurde.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,


    damit keine Missverstände aufkommen: Ich habe hier die Auftritte Fricks an der Staatsoper Berlin (Ost) nachgereicht. Über Fricks Auftrittszahl an der Städtischen Oper Berlin (West), die zum Stammhaus Josef Greindls wurde, nachdem er an der Berliner Staatsoper nicht mehr auftreten durfte, weiß ich bislang leider auch nichts.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"


  • Der Kuhhirtenturm, die ehemalige Wohnung von Paul Hindemith




    Die Große Rittergasse in Frankfurt ist eine autofreie Pflasterstraße, in der es wohl weltweit das dichteste Gedränge von Apfelweinwirtschaften gibt, allerdings waren das früher weit mehr als heute; der Stadtteil heißt Alt-Sachsenhausen. Von der Frankfurter Innenstadt kommend, ist die Mainquerung über die Ignatz-Bubis-Brücke wohl die beste Möglichkeit den Turm einfach und schnell zu erreichen. Vom Main her, beginnt dann nach dem Turm die Apfelweinkultur.
    Der Turm, der schon seit etwa 1390 hier steht, war einer von mehreren Wehrtürmen und wurde, wohl seiner Größe wegen, Elefant genannt. Ursprünglich einmal als Wehrturm konzipiert, verlor er diese Funktion und man nutzte ihn als Armeleute-Wohnung, die den Kuhhirten beherbergte.1923 erhielt der Turm eine enorme Aufwertung, indem er zur Produktionsstätte bedeutender Kunstwerke wurde, die Oper »Cardillac« und der Liederzyklus »Marienleben« sind zum Beispiel in diesem Turm entstanden. Ab diesem Zeitpunkt diente er nämlich dem Komponisten Paul Hindemith als Wohnung.



    Robert Rudolf Hindemith, der Vater von Paul Hindemith, wäre gerne Musiker geworden, schlug sich dann aber als Maler und Anstreicher durchs Leben und spielte zu seiner privaten Ergötzung mit Begeisterung Zither. Die Mutter kam aus einer Familie von Schäfern.
    Dem Paar wurde am 16. November 1895 in Hanau ihr erstes Kind geboren, dem sie den Namen Paul gaben, weil der Großvater auch so hieß. 1898 kam Pauls Schwester Toni zur Welt und 1900 Bruder Rudolf; das 1905 geborene Zwillingspaar hatte keine Überlebenschance.


    Ab 1905 lebt dann die Familie in Frankfurt. In der Literatur findet man die Aussage: »Paul Hindemiths Vater muss für seine Kinder wohl gleich den Musikerberuf bestimmt haben, denn er unterwarf sie schon in ihrer frühesten Kindheit einem erbarmungslosen musikalischen Drill.«
    Es stimmt traurig, wenn man liest, dass die Jahre 1899 bis 1902, bei den Großeltern in Naumburg, für Paul die einzige glückliche Zeit in seiner Kindheit waren.
    Das was der Vater für sich erträumt hatte, wollte er in seinen Kindern verwirklicht sehen; noch dem achtzehnjährigen Paul fordert er brieflich asketische Strenge ab. Aber dem musikbegeisterten Vater schwebte offenbar nicht vor, dass sein Sohn mal ein weltbekannter Komponist werden müsse, er war schon zufrieden, wenn seine Kinder in den Dörfern seiner Oberschlesischen Heimat als »Frankfurter Kindertrio« erfolg hatten. Paul und Toni spielten Violine und Rudolf Cello. Chronisten zweifeln daran, dass der Vater das tatsächliche außergewöhnliche Potenzial von Paul erkannte.
    Eugen Reinhard in Mühlheim am Main war Pauls erster richtiger Musiklehrer; als Familie Hindemith 1905 nach Frankfurt zog, übernahm die Schweizer Geigerin Anna Hegner Pauls weitere musikalische Ausbildung und empfahl ihn 1907 an Adolf Rebner, der Konzertmeister im Opernorchester war und auch in einem Streichquartett die erste Geige spielte.
    Bis zu Pauls Volksschulabschluss wurde er von Rebner als Privatschüler unterrichtet.
    Schließlich konnte ihm Rebner dann auch eine Freistelle am angesehenen Hochschen Konservatorium verschaffen. Dort war er ein sehr fleißiger Schüler, sein Vorbild war Adolf Busch.


    Bei allem Fleiß holte er aber einiges an freier Entfaltung nach, was ihm in seiner Kinderzeit nicht vergönnt war. Sein Lebensinhalt wurde lockerer und er kam auch mit etablierten Familien in Kontakt. Er spielte Sketsche, Puppentheater, fertigte skurrile Zeichnungen und spielte leidenschaftlich gern mit der Eisenbahn.
    Neben den vielen Lehrern, die er hatte, sollte man den privat so unglücklichen Arnold Mendelssohn nennen, der ihm in dieser Zeit ein wichtiger Lehrer in Komposition war.
    Als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg begann, hat das auch ganz beträchtlich in das Leben Paul Hindemiths eingegriffen. Wie viele mit ihm, war er von der Sache zunächst begeistert und freute sich, dass die Franzosen endlich was auf die Mütze bekommen sollten, als jedoch sein Vater 1915 als Soldat in Frankreich gefallen war, sah er diesen Krieg mit anderen Augen. Urplötzlich war er in der Situation, dass er Verantwortung für seine Mutter und die noch minderjährigen Geschwister zu tragen hatte.


    Da traf es sich gut, dass im Sommer 1915 im Frankfurter Opernhaus ein neuer Konzertmeister gebraucht wurde. Aus dem damals 19-jährigen Paul Hindemith war zwar ein hervorragender Geiger geworden, aber er hatte seine 1908 begonnenen Studien weder als Violinist noch als Komponist offiziell abgeschlossen. Allerdings war er bereits durch Vortragsabende einem fachkundigen Publikum recht positiv aufgefallen. Er bekam seinen Platz im Orchester und erreichte im Frühjahr 1916 sogar die Position des Ersten Konzertmeisters. Ganz so leicht, wie sich das in einer Kurzbiografie liest, war das aber nicht. Man hatte ihn mit dem Vorspiel-Termin überrascht, aber dennoch gelang es ihm, sein Können herauszustellen. Und noch einmal wurde er zu einem Vorspiel gebeten, bei dem der Amsterdamer Kapellmeister Mengelberg zugegen war; dieser versuchte dem jungen Anwärter Steine in den Weg zu legen, weil er sich an Hindemiths Jugend störte, es wurde aber gemunkelt, dass Mengelberg diese Stelle gerne einem Geiger aus seinem Dunstkreis zuerkannt hätte. Hindemith zeigte dann jedoch so viel von seinem überdurchschnittlichen Können, dass man ihm die Stelle zuerkennen musste. Diese Position erreicht zu haben, bedeutete für ihn auch einen großen sozialen Aufstieg. Nun war er also zum Konzertmeister bestellt und hatte immer noch kein abgeschlossenes Studium, aber im Juni 1916 legte er am Konservatorium dann ganz offiziell sein Examen ab, dies war dann allerdings nur noch Formsache.


    Am 13. August 1917 - an diesem Tag wurden auf Frankfurt Bomben geworfen und Menschen getötet - hatte es sich für Hindemith ausgefiedelt, er wurde zum Militär eingezogen, aber man gab ihm vorerst noch Gelegenheit weiterhin im Opernorchester zu spielen. Im Januar 1918 war dann damit Schluss, sein Regiment fuhr gegen Frankreich, zunächst ins Elsass, südlich von Muhlhouse, wo er noch notieren konnte: »Der Dienst ist nicht arg streng, ich habe viel freie Zeit und kann für mich arbeiten, was ich will.» Dort entstand dann tatsächlich sein 2. Streichquartett op. 10, in dieser Kriegsphase hatte er mächtig Glück, sein Kommandeur, Graf von Kielmansegg, war ein großer Musikfreund und erlaubte die Bildung eines Streichquartetts. Als dann das Regiment nach Flandern verlegt wurde, war es mit solcherart Lustbarkeiten vorbei und Hindemith erlebte das Grauen des Krieges; am 10. November 1918 ist in Flandern der Krieg für Paul Hindemith zu Ende.


    Diese Kriegserlebnisse haben Hindemiths weiteres Wirken sehr stark geprägt. Zwar tat er im Orchester weiter routiniert seinen Dienst, aber immer mehr widmete er sich dem Komponieren und in dieser Zeit hatte er auch seine Liebe zur Bratsche entdeckt.
    1919 wurde Geheimrat Dr. Ludwig Strecker, der Inhaber des renommierten Schott-Verlages, zu einem Konzertabend eingeladen, bei dem ausschließlich Kompositionen von Paul Hindemith auf dem Programm standen, konnte aber nicht an dem Konzert teilnehmen, weil die französischen Besatzer eine Ausreise nicht gestatteten. Aber Dr. Streckers Interesse war geweckt und er ließ sich die Partituren schicken. Für Hindemiths 2. Streichquartett f-moll op. 10, bot man 100 Mark, was Hindemith entrüstet ablehnte; dem Verlag teilte er mit, dass er mit sich reden ließe, wenn man ihm mehr als 500 Mark bieten würde; sei das für den Verlag nicht akzeptabel, möge man ihm bitte seine Arbeit zurückschicken.


    1921, bei der Gründung der «Donaueschinger Kammermusik-Aufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst», ergaben sich unerwartete Probleme, wegen der Uraufführung von Hindemiths drittem Streichquartett op. 16. Die für die Erstaufführung vorgesehenen Musiker warfen das Handtuch, der Schwierigkeitsgrad schien ihnen zu hoch.
    So kam es dann zur Gründung des Amar-Quartetts, Hindemith gründete es 1922 als Bratschist unter dem Namen des ungarischen ersten Geigers Licco Amar. Hindemiths Bruder Rudolf war als Cellist beteiligt. Paul Hindemith wirkt bis 1929 mit, 1933 löst sich das Quartett auf.
    Diese Donaueschinger Uraufführung war für den bisher als Komponist weitgehend unbekannten Hindemith ein voller Erfolg, der ihn mit einem Schlag bekannt machte.
    1922 befasst sich Hindemith bevorzugt mit alter Musik und entdeckt seine Liebe zu alten Instrumenten, so auch zur Viola d´amore. Seiner Freundin Emmy Ronnefeld schreibt er einmal: »Ich habe einen neuen Sport, ich spiele Viola d´amore, ein ganz herrliches Instrument, das ganz verschollen ist, und für das nur eine ganz kleine Literatur besteht.«


    Als Hindemith 1923 von dem gut betuchten Wiener Pianisten Paul Wittgenstein einen Kompositionsauftrag für ein Klavierkonzert erhält, rückt auch der Frankfurter Kuhhirtenturm so langsam ins Blickfeld der Musikgeschichte.


    Paul Wittgenstein hatte durch Kriegseinwirkung seinen rechten Arm verloren. Die Familie war so reich, dass er sich hätte zur Ruhe setzen können, aber er setzte sich nicht zur Ruhe, sondern setzte mit eisernem Willen seine Pianisten-Karriere fort, allerdings waren entsprechende Kompositionen dünn gesät, also vergab er Aufträge, vor allem an Komponisten, mit denen er teilweise schon als Knabe vierhändig gespielt hatte. Neben der Komposition Hindemithts waren da noch Richard Strauss, Franz Schmidt, Erich Wolfgang Korngold, Prokofjew, Ravel und Benjamin Britten im Gespräch.
    Paul Wittgenstein war ein schwieriger Kunde, ihm gefiel Hindemiths Arbeit nicht, vermutlich war es ihm zu modern geraten, er nahm es in Besitz, führte es aber nicht auf. Dessen ungeachtet zahlte Wittgenstein sofort, als ihn Hindemith - mit dem Hinweis, dass er sich in einem alten Wartturm eine Wohnung einrichten wolle - bat, ihm die Hälfte des Gesamtbetrags auszuzahlen. Aber das von Hindemith 1923 komponierte Werk - Klaviermusik mit Orchester op. 29 - fand erst im Jahr 2004 den Weg in die Öffentlichkeit und wurde somit über achtzig Jahre nach seiner Entstehung uraufgeführt – so lange hatten die Musikwelt und die Forschung keinen Zugriff darauf.
    Noch eine zweite Geldquelle hatte sich inzwischen aufgetan; mit dem Verlagshaus B. Schott's Söhne in Mainz, konnte 1922 ein Vertrag abgeschlossen werden, der die anfänglich mickrigen Angebote des Verlags - wie oben erwähnt - weit übertraf und Hindemith eine monatliche feste Zahlung garantierte.


    Hindemith hatte ein Auge auf diesen Wehrturm geworfen, weil er sich nun finanziell in der Lage sah, in das alte Gemäuer einen beträchtlichen Geldbetrag zu investieren. Im April 1923 verhandelte der Magistrat Hindemiths Antrag den Turm zu Wohnzwecken mit Zeitgemäßem Komfort wie Dampfheizung, Bad und Telefon ausbauen zu lassen. 1.000 US-Dollar war damals ein mächtiger Batzen Geld. Als Ausgleich für die von Hindemith bezahlte Renovierung, sollte der Musiker dann in den nächsten dreißig Jahren nur eine geringe Mietbelastung haben. Dass die Stadtverwaltung nun Hindemiths wertvolle Dollars unverzüglich in deutsches Geld eintauschten, das dann in rasender Geschwindigkeit zu fast Nichts verfiel, ärgerte Hindemith sehr. Dennoch konnte der Turm im Herbst 1923 bezogen werden; auch der Zeitung war dieses Ereignis einen Bericht wert und man stellte den spektakulären Vorgang so dar:
    »Am alten Kuhhirtenturm schwebten Klavier und Harmonium, Tische und Betten an einem Flaschenzug empor, um durch die Fenster im Innern zu verschwinden.« Endlich konnte Hindemith mit seiner Mutter und Schwester im Turm wohnen.


    Hindemith hatte sich praktisch mit allen Musikgenres befasst, so auch mit der Oper, wobei das nicht immer das war, was man sich so unter einer Oper allgemein vorstellt, da waren auch Miniaturopern wie »Hin und zurück«, »Mörder der Frauen« oder »Sancta Susanna« dabei, deren Spieldauer keine halbe Stunde beanspruchte; diese Werke erstanden alle vor 1930.
    Seine erste abendfüllende Oper war »Cardillac«, ein Werk, das 1926 seine Uraufführung erlebte und nach dem Zweiten Weltkrieg eine erhebliche Erweiterung erfuhr.
    Bei der Dresdner Erstsaufführung reagierten Publikum und Presse verhalten, wie es sich nachlesen lässt. Gleichwohl galt das Werk bei Kennern neuer Musik als Meilenstein in der Entwicklung des Musiktheaters.


    1924 hatte Hindemith Gertrud Rottenberg, die Tochter des Frankfurter Opernkapellmeisters Rottenberg, geheiratet. Während Paul Hindemith 1927 einer Berufung an die Musikhochschule Berlin folgte, wohnten Mutter und Schwester weiterhin im Turm, der dann in der Bombennacht am 5. Oktober 1943 zerstört wurde.
    In Berlin widmete sich Paul Hindemith nicht ausschließlich nur der Musik, er lernt dort auch Autofahren und nimmt Boxunterricht, wobei Boxlehrer Frank meint, dass das Boxen Hindemiths feinnervigen Händen in keiner Weise geschadet hat.


    Nach der politischen Wende 1933 verändert sich das gesellschaftliche Umfeld Hindemiths so, dass er von der nun herrschenden Kulturbürokratie missachtet und seine Werke als »kulturbolschewistisch« bezeichnet wurden. Auch Furtwängler, der für Hindemith eintrat, konnte nicht verhindern, dass Hindemith 1934 als Hochschulprofessor beurlaubt wurde. Hindemith betätigt sich dann im Auftrag der türkischen Regierung in den Jahren zwischen 1935 und 1937 in Ankara mit der Ausbildung von Musikern und Musiklehrern nach westeuropäischem Muster.
    Am 28. Mai 1938 wird »Mathis der Maler« in Zürich uraufgeführt, das Werk entstand jedoch im südlichen Schwarzwald, wohin sich der Komponist in aller Stille zurückgezogen hatte. (siehe »Der Musiker Ehrenplätze« Beitrag Seite 4, Nr. 110)
    In Zürich gefeiert und in Düsseldorf angeprangert, wo seine Musik als »entartet« bezeichnet wurde, verlegt Hindemith seinen Wohnsitz in die südliche Schweiz und geht, nachdem er seine Möglichkeiten in USA sondiert hatte, 1940 nach Amerika, wo Paul Hindemith an der Yale University als Professor für Musikgeschichte tätig sein kann und später dann auch die amerikanische Staatsbürgerschaft annimmt.


    In der Bombennacht 1943 verlor der Turm seine Spitze; als später die Amerikaner in die Stadt kamen, soll ein Soldat von dem zerstörten Turm Fotos gemacht haben, die den Flügel der ehemaligen Hindemith-Wohnung im Regen stehend zeigen.
    Unmittelbar nach dem Krieg erhielt der Turm ein ziemlich flaches Notdach. Für einige Zeit stand der Kuhhirtenturm dann der Jugendarbeit zur Verfügung. Nach Ablauf der Nutzung durch das »Haus der Jugend« konnte man eine andere Verwendung ins Auge fassen, es war die Absicht der Stadt Frankfurt, das ganze Viertel aufzuwerten, kulturelle Einrichtungen waren willkommen. Schließlich wurde das ganze Viertel mit erheblichem Aufwand umgestaltet. Dabei hatte man bei der Stadt Frankfurt auch Überlegungen angestellt, wie man den Kuhhirtenturm der Öffentlichkeit zugänglich machen könnte, was bisher nicht möglich war.
    2011 konnte das «Hindemith Kabinett im Kuhhirtenturm» mit Ausstellungsräumen zu Leben und Werk Hindemiths sowie einem Musikzimmer für Kammerkonzerte und Veranstaltungen eröffnet werden. Im Turm ist es schon etwas eng, was bereits bei Nennung der Maße deutlich wird:
    Die Turmgrundfläche beträgt 6,00 x 7,00 Meter und die Mauern sind 1,50 Meter dick, also darf man demnach keine großen Räume im Innern erwarten. Dennoch verfügt das Gebäude über einen Konzertsaal - vielleicht ist es der kleinste der Welt, aber zumindest der kleinste in Frankfurt. Es ist ein Raum, in dem vor Publikum konzertiert wird und der über einen Konzertflügel verfügt. Etwa 25 Besucher können zuhören, hier finden immer wieder Kammermusik-Veranstaltungen statt. Wenn man den Turm betrachtet wird deutlich, dass er oben breiter ist.
    Als der Turm 2010 wieder instand gesetzt wurde und die Turmhaube abgenommen war, nutzte man die Gunst der Stunde und hievte den Flügel, der sorgfältig in einer Holzkiste verpackt war, in die Höhe. Erst im Februar 2011 durfte er ausgepackt werden, als die Bauarbeiten abgeschlossen waren.



    Über diesen Weg kommt kein Klavier nach oben







    Ein Konzertsaal dieser Größenordnung ist rasch ausgebucht ...



    Der Wandschmuck im Konzertsaal ist ebenfalls ein Werk Hindemiths



    Hindemith schaute noch auf das alte Frankfurt - so ist der Ausblick für den Museumsbesucher heute.


    Nach dem Zweiten Weltkrieg, schon 1947, kam Paul Hindemith wieder nach Europa. Frankfurt hatte angefragt ob er die Leitung der Musikhochschule übernehmen möchte, aber er mochte nicht, sondern übernahm in Zürich eine Professur für Musikwissenschaft.
    Wenn er in den 1950er Jahren nach Frankfurt kam, dann hatte das den wesentlichen Grund zum Arzt zu gehen. 1963, nach einem Konzert in Wien, wird Hindemith schwer krank und seine Ärzte in Frankfurt stellen eine Bauchspeicheldrüsenentzündung fest, am 28. Dezember stirbt Paul Hindemith in Frankfurt. Bürokratische Gegebenheiten stehen einer Beisetzung in Frankfurt im Wege, obwohl seine Frau Gertrud, die in Frankfurt gebürtig war, diesen Wunsch hatte. Seine letzte Ruhe fand Paul Hindemith auf dem Friedhof des an Blonay angrenzenden Ortes La Chiésaz in der Nähe des Genfer Sees.

  • Lieber Hart,


    herzlichen Dank für diesen ausgezeichneten Bericht über die Gottlob-Frick-Gedächtnisstätte.
    Als Präsidiumsmitglied für "Öffentlichkeitsarbeit" der GFG kann ich nur sagen: Hut ab, vor diesem tollen Bericht. :jubel:
    Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, deine Ausführungen zu kopieren und als "Flyer" in unserer Gedächtnisstätte anzubieten. Aber da würde ich dann vermutlich urheberrechtliche Probleme mit dir bekommen, oder? ;)


    Herzliche Grüße,
    Stefan

    "...du holde Kunst, ich danke dir!"

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  • Hallo hart,

    Zitat

    Hindemith in Frankfurt am Main - ein enges, aber authentisches Museum

    .....jedem Musikliebenden Besuch der bei mir war, habe ich dieses interessante und sehenswerte Museum in Sachsenhausen gezeigt!


    Vielen Dank für die Erinnerung! LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • es ist nicht die Würmlinger von Uhland, sondern eine Kapelle, die der weltberühmte Dirigent Willem Mengelberg auf mehr als 1700 Meter im Schweizer Engadin erbauen ließ.






    Heute ist der Todestag des Dirigenten Willem Mengelberg, auch hoch in den Bergen erinnert eine Kapelle an ihn.


    Mengelberg war 1871 im Niederländischen Utrecht geboren, aber seine Eltern stammten aus dem Rheinland, wo Willems Großvater mit der künstlerischen Gestaltung von Kirchenmobiliar zu tun hatte und unter anderem auch für den Kölner Dom die Kreuzwegstationen und die Bronzetüren des Nordportals fertigte. Nun wurde der Kundenkreis immer größer und man registrierte in zunehmendem Maße Aufträge aus den relativ nahen Niederlanden, nach Utrecht sind es ein bisschen mehr als zweihundert Kilometer, also verlegten Willems Eltern zwei Jahre bevor er zur Welt kam, ihren Wohnsitz in die Niederlande.


    Durch die ursprünglich Kölner Herkunft der Familie bedingt, bot es sich an, dass Willem sein Musikstudium in Köln absolvierte. Während seines Studiums musste er einmal spontan als Glockenspieler einspringen, als Richard Strauss im Gürzenich »Don Juan« dirigierte, hier in den Schweizer Bergen entstand ein Glockenspiel mit einem gewissen Seltenheitswert.
    Zunächst hatte es so ausgesehen, dass aus Mengelberg ein Klaviervirtuose werden könnte, aber dann bot sich ihm 1892 die Gelegenheit als Allroundmusiker in Luzern zu arbeiten. Hier wirkte er als Orchesterdirigent, leitete verschiedene Chöre, war Klavierlehrer und Direktor einer Musikschule; daneben fand er sogar noch etwas Zeit zum Komponieren.
    Nun ergab sich 1895 in Amsterdam die Situation, dass das dort seit 1888 bestehende Concertgebouw-Orchester einen neuen Dirigenten brauchte. In den folgenden Jahren konnte er aus diesem Orchester einen Klangkörper formen, der weltweit Beachtung fand. Legendär ist dieses Mahler-Festival von 1920 in Amsterdam, wo sämtliche Mahler-Kompositionen aufgeführt wurden. Als man Otto Klemperer einmal fragte, ob Mengelberg einen besonderen Mahler-Stiel hatte, meinte Klemperer: »Nein. Mengelberg war doch eher ein hervorragender Trainer als ein großer Dirigent. Er verstand das Orchester zu bändigen, und er hatte ein sehr gutes Gehör.«
    Nun, es ist wohl nicht zu bestreiten, dass sich Mahler und Mengelberg künstlerisch sehr, sehr nahe waren, das war natürlich auch bei Bruno Walter ähnlich, der aber fünf Jahre jünger war als Mengelberg, ergo konnte der Amsterdamer Chef-Dirigent mehr für den Anschub Mahlers tun.


    Im Jahr 1900 war Mengelberg mit seiner Tilly auf der Hochzeitsreise wieder in die Schweiz gekommen. Mit Mengelbergs Ruhm stieg auch sein Einkommen, sodass er sich realistisch nach einem Ruheplätzchen für die konzertfreien Wochen umschauen konnte.


    Von alters her war bekannt, dass es im Val Sinestra, das auf dem Gemeindegebiet von Sent liegt, heilende Quellen gibt. Man begann allmählich einen Kurbetrieb einzurichten, der sich gut anließ, so dass man sich dazu entschloss, in dieser eigentlich gottverlassenen Gegend, sechs Kilometer von Sent entfernt, ein stattliches Kurhotel mit 120 Betten zu errichten, das 1912 eröffnet wurde. Kaum war das Hotel eröffnet ging es, bedingt durch unvorhersehbare Ereignisse, wirtschaftlich bergab; der Erste Weltkrieg war dann einem florierenden Kurbetrieb auch nicht förderlich.


    Von diesem ehemaligen Kurhaus aus, das durch eine schmale Fahrstraße vom Ort Sent her erreichbar ist, führt ein Wanderpfad, in dessen Verlauf man über zwei spektakuläre Hängebrücken kommt, in einer guten Stunde hoch zum Hof Zuort, der in Urkunden schon 1482 erwähnt ist. Zuort war jahrhundertelang Alpwirtschaft, Säumerstation - also eine Station für Lasttiere - und Zollamt, denn Österreich liegt gleich hinter dem nahen Fimberpass.
    1910 kam Mengelberg vom etwa vier Kilometer entfernten Vná und hatte den Flecken gleich ins Herz geschlossen, und es war ihm möglich, ein Stück Land zu erwerben, um sich dort ein Haus zu bauen. Mengelberg entwarf sein Haus selbst. Ab 1914 konnte man Gäste empfangen, aber der etappenweise fortschreitende Bau war dann erst 1922 in seiner jetzigen Form fertiggestellt. 1920 kaufte er auch noch das Bergheimanwesen dazu und setzte einen Bauern aus Sent zum Pächter ein.
    Die Gästeliste ist beachtlich und gespickt mit Berühmtheiten aus der Musikwelt wie zum Beispiel: Fritz Kreisler, Richard Strauss, Walter Gieseking, Paul Hindemith, CaselIa ...
    Hindemith als Gast in Zuort, wie doch die Zeit vergeht, 1916 versuchte Mengelberg den damals noch blutjungen Hindemith als Konzertmeister in Frankfurt zu verhindern.


    Aus Dankbarkeit, dass die Niederlande und die Schweiz vom ersten Weltkrieg verschont geblieben waren, ließ Mengelberg ganz in der Nähe seines Wohnhauses eine Kapelle im Stil einer norwegischen Stabkirche errichten, der man von außen nicht unbedingt ansieht, dass sie im Innern mit aufwändigen Schnitzarbeiten versehen ist.




    Die Arbeiten an der Kapelle wurden im Wesentlichen 1928 fertiggestellt. Eine Besonderheit ist das eingebaute Glockenspiel. Im Juni 1924 besucht Mengelberg selbst die Glockengießerei in Aarau und bereits Ende August des gleichen Jahres wurden die ersten sechs Glocken in Zuort angeliefert. Es kamen immer mehr Glocken dazu, letztendlich waren es 15 Glocken geworden. Wie aus alten Unterlagen ersichtlich, gab es bei der Beschaffung der Glocken mitunter finanzielle Engpässe.


    Ein Carillon in dieser Landschaft war schon etwas ganz Besonderes, schon die Bezeichnung sagt an, dass es sich um ein Turmglockenspiel handelt. Solche Instrumente haben ihren Ursprung in Belgien, den Niederlanden und Nordfrankreich. Mengelberg soll über hundert »Zuorter Weisen« für sein Glockenspiel komponiert haben, aber nur 17 stehen heute noch zur Verfügung, die anderen sind verschollen. Natürlich war Mengelberg höchstselbst hier Carrillonneur, aber noch viele Jahre nach Mengelbergs Tod spielte seine langjährige Assistentin Ellie Bysterus Heemskerk das Carillon, wenn die Gäste in Zuort eintrafen, dann ging die Zeit darüber hinweg ... Man plant nun eine mechatronische Aufrüstung mit elektronischer Klaviatur, damit irgendwann die Glocken wieder täglich erklingen können.


    In seinem Testament hatte Willem Mengelberg festgelegt, dass nach seinem Tode die Chasa für »Musiker aller Welt» offen stehen sollte, damit sie hier - wie er es selbst so gerne getan hatte - ihren Urlaub verbringen können. Das hatte viele Jahre so Bestand, erst in den letzten Jahren ergab sich hier eine andere Situation, weil die Weggefährten des Meisters auch den Gegebenheiten des Lebens Tribut zollen mussten. Vor einigen Jahren übernahm ein wohlhabender Arzt aus St. Moritz das Anwesen, aber die Idylle soll nicht angetastet werden und in Zuort können Fremde, wie zu Mengelbergs Zeiten, immer noch absolut ruhige Nächte verbringen.


    Anmerkung: Im Thread »Der Musiker Gräber« ist unter Nr. 525 ein etwas umfangreicherer Text zu Willem Mengelberg eingestellt.



    Die Chasa Mengelberg mit Kapelle

  • Am Karfreitag, es war der 30. März 1866, kam Richard Wagner mit seiner Geliebten, Cosima von Bülow, nach Luzern; sie waren aus Genf gekommen und hatten Luzern über die Reiseroute Lausanne, Bern und Interlaken erreicht.




    Der Blick aus Wagners Wohnräumen



    Während einer Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee entdeckte das Paar die Halbinsel Tribschen am Rand von Luzern mit einem imposanten Herrenhaus, das zwar leicht verwahrlost war, aber dieser Zustand ließ sich ja ändern.
    Wie sich herausstellte, stammte das Haus aus dem Spätmittelalter und wurde einst von den Herren zu Tripschen bewohnt. Im 18. Jahrhundert erwarb es eine Luzerner Patrizierfamilie und baute es in seine heutige Form um. Wagner mietete diesen Landsitz von einem Oberstleutnant Walter Am Rhyn und schloss für das möblierte Haus einen Mietvertrag ab; für ein Jahr war die Summe von 3000 Franken fällig. Da die vorhandene Möblierung nicht Wagners Geschmack entsprach, orderte er auf schnellstem Wege Mobiliar aus Genf, München und Wien. Auch einige Umbauten wurden schleunigst veranlasst, die Handwerker waren gefordert, Wagner drängte. Finanziell war die Sache abgesichert, weil der Bayernkönig Ludwig II. für die Miete und teilweise auch den Lebensunterhalt aufkam.
    Cosima war alleine nach München weitergereist, während sich Wagner darum kümmerte, dass man hier standesgemäß wohnen konnte und zog bereits am 15. April in das Haus ein. Erst am 12. Mai folgte auch Cosima, die zunächst einige Zeit eher vor der Welt verborgen lebte, es waren etwa fünf ehebrecherische Jahre, die zwar noch nicht einmal Hans von Bülow wahrhaben mochte, auch gegenüber Ludwig II. wollte man so tun als sei da nichts, aber der Sachverhalt war doch mehr oder weniger bekannt.


    In München hatte es Wagner 1865 auf die Spitze getrieben; dort war er nicht nur wegen seiner Verbindung mit der Frau des Dirigenten Hans von Bülow ins Gerede gekommen, die Öffentlichkeit betrachtete auch die hochfliegenden Pläne von Theaterprojekten und seine offensichtliche Verschwendungssucht mit steigendem Missmut. Als Wagner dann in einem Zeitungsartikel die Entfernung mehrerer Personen aus dem Kabinett verlangte, hatte er überzogen. Nun stellte man Ludwig II. ein Ultimatum: entweder würde Wagner aus München entfernt oder die Minister träten geschlossen zurück. Der König gab dem Druck seiner Regierung nach, im Dezember 1865 musste Wagner München verlassen; zunächst setzte er sich nach Genf ab.


    Es war nicht sein erster Besuch in der Schweiz, schon 1849, als man ihn in Dresden steckbrieflich suchte, hatte er sich in diese Richtung abgesetzt. Sein Freund Franz Liszt organisierte und finanzierte die Fahrt ins neutrale Zürich. Zwischen 1850 und 1861 entwickelte Wagner einen Plan seines zukünftigen Schaffens; er dachte alle Opern vor, die er in seinem Leben schreiben wollte. Damals, noch mit seiner ersten Frau Minna, wohnte er im Gartenhaus der reichen Wesendoncks mit Blick über den Zürichsee.


    Luzern kannte Richard Wagner schon lange bevor er mit Cosima die Idylle Tribschen entdeckt hatte. Erstmals war er am 28. August 1850 in der Stadt, dann im Mai 1858, im Frühling 1859, und bei seinem vierten Besuch, der vom 29. März bis zum 7. Dezember dokumentiert ist, vollendet er im Hotel Schweizerhof seine Oper »Tristan und Isolde«; Felix Draeseke, der Wagner dort vier Wochen Gesellschaft leistete und mit ihm viele Ausflüge unternahm, durfte ihm zuschauen, als er die letzten Noten in die »Tristan«-Partitur schrieb. Im Laufe dieses mehrmonatigen Hotelaufenthalts lernte er auch die Hotelbedienstete Verena Weidmann, »Vreneli« genannt, kennen und schätzen. Sie trat bei Wagners Umzug nach München in seinen Haushalt ein, diente ihm dann auch in Genf im Landhaus »Les Artichauts« und war dann auch der gute Geist in Tribschen.


    Wagners Frau Minna war im Januar 1866 in Dresden gestorben, während er sich weitab auf Reisen befand und in Marseille von ihrem Tod erst verspätet erfuhr und nicht an der Beerdigung teilnehmen konnte. Aber nun war es von Wagners Seite aus möglich, sein Verhältnis zu Cosima zu legalisieren.
    Im Februar 1867 wurde Wagners und Cosimas zweite gemeinsame Tochter Eva in Tribschen geboren, schließlich zog Cosima im November 1868 dann endgültig bei Wagner ein. Nach der Geburt des Sohnes Siegfried im Juni 1869 willigte Hans von Bülow endlich in eine Scheidung ein und überließ Cosima jetzt auch die gemeinsamen Kinder. Am 25. August 1870 wurde diese Verbindung legalisiert, Richard und Cosima heirateten in Luzerns evangelischer Kirche St. Matthäus. Es war keine aufwändige Hochzeit, nur die Wagner geistig verwandte ehemalige »Revolutionärin« Malwida von Maysenburg und des Meisters rechte Hand, der musikalische Sekretär Hans Richter, fungierten als Trauzeugen. Wie berichtet wird, soll der Brautvater von der Hochzeit seiner Tochter aus der Zeitung erfahren haben. Man erinnert sich - selbiger hatte 1849 Wagners Flucht in die Schweiz organisiert.


    Wagner gab den »Gutsherrn« und führte nach dem Einzug Cosimas ein großes Haus; neben den nun zahlreichen Familienmitgliedern waren da noch:
    Der musikalische Sekretär Hans Richter, der auch die Funktion eines »Maître de Plaisir« hatte und die Hauskonzerte organisierte, eine Erzieherin, ein Kindermädchen, eine Köchin, eine Haushälterin, und zwei bis drei Knechte.
    Daneben waren noch eine Menge Tiere zu versorgen: die Hunde »Ruß« und »Koß«, das Pferd »Fritz« und das von Cosima aus München mitgebrachte Pfauenpaar »Wotan« und »Fricka«, sowie ein Goldfasanenpaar, Hühner, Schafe, Katzen ...


    Nach Tribschen kamen einige prominente Besucher, der wohl ranghöchste dürfte König Ludwig II. gewesen sein, der schon am 22. Mai 1866 zu Richard Wagners 53. Geburtstag in aller Heimlichkeit anreiste und seinen Auftritt inkognito als Walther von Stolzing hatte. So ganz geheim scheint die Sache dann aber doch nicht gewesen zu sein, denn dieser Ausflug des Königs - er weilte in Tribschen zwei Nächte - sorgte in München für Irritationen, weil dieser Besuch bei Wagner stattfand, als in München wichtige politische Entscheidungen anstanden.


    Zu diesem Ereignis kursierte eine mehrstrophige Ballade, deren erste Strophe lautet:


    Im Bayernland, in Bayernland,
    Da war der König durchgebrannt;
    Verschollen und verschwunden
    Seit einundzwanzig Stunden;
    Die Bayern sind sehr übel dran -
    Was fängt man ohne König an?


    Ein zweiter, ganz bedeutender Geburtstag, war zu Weihnachten 1870 zu feiern, Cosimas 33. Geburtstag. Ein halbes Jahr vorher, am 6. Juni 1869, hatte sie Richard Wagner den ersehnten Stammhalter geboren - Siegfried. Nun war endlich mal Ruhe im Hause Wagner eingekehrt, nach all den Turbulenzen der letzten Jahre.
    In aller Heimlichkeit hatte man Cosimas musikalisches Geburtstags- und Weihnachtsgeschenk vorbereitet. Schon im Oktober 1870 hatte er dieses intime Werk, das ursprünglich mit »Tribschener Idyll« bezeichnet wurde und dann als »Siegfried-Idyll« in die Musikgeschichte einging, komponiert.
    Am 4. Dezember übergab Wagner die Partitur seinem Sekretär Hans Richter, der rasch Kopien fertigte und unverzüglich nach Zürich eilte, um dort aus dem städtischen Orchester einige Musiker auszuwählen, mit denen das Stück im Theaterfoyer geprobt wurde; dem folgte dann noch eine Probe, die in einem Luzerner Hotelsaal abgehalten wurde. Dann wurde es am Weihnachtstag in Tribschen spannend: Die Instrumente wurden in der geräumigen Küche gestimmt, dann nahm das kleine Orchester im Treppenhaus Aufstellung - Wagner ganz oben, dann die Violinen, Bratschen, Holzbläser, Hörner und unten Violoncello und Bass.
    Den Eindruck dieser Überraschung konnte man viele Jahrzehnte danach in Cosimas Tagebuch nachlesen:


    »Wie ich aufwachte, vernahm mein Ohr einen Klang, immer voller schwoll er an, nicht mehr im Traum durfte ich mich wähnen, Musik erschallte, und welche Musik! Als sie verklungen, trat R. mit den fünf Kindern zu mir ein und überreichte mir die Partitur des »Symphonischen Geburtstagsgrußes«–, in Tränen war ich, aber auch das ganze Haus. Auf der Treppe hatte R. sein Orchester gestellt und so unser Tribschen auf ewig geweiht! … – Nun begriff ich R.’s heimliches Arbeiten, nun auch des guten Richter’s Trompete (er schmetterte das Siegfried-Thema prachtvoll und hatte eigens dazu Trompete gelernt), die ihm viele Ermahnungen von mir zugezogen hat.«


    Nur ganz allmählich und zögerlich fand dieses Werk seinen Weg in die Öffentlichkeit. Das Siegfried-Idyll ist im Original für Streichquartett mit Kontrabass, Flöte, Oboe, zwei Klarinetten, Fagott, zwei Hörnern und Trompete instrumentiert. Mit größerer Streicherbesetzung wurde das Idyll am 20. Dezember 1871 in Mannheim zum ersten Mal vor geladenem Publikum aufgeführt. Auch in die Aufführung in Meiningen am 10. März 1877 fand noch als geschlossene Veranstaltung statt; so ein bisschen »halbprivater« Charakter blieb erhalten. Es war ja ursprünglich nicht für die große Öffentlichkeit gedacht und so sah es Cosima nicht gerne, dass ihr ganz persönliches Geburtstagsgeschenk vermarktet werden sollte. Aber später war Wagner durch eine finanzielle Zwangslage genötigt, das Werk gegen den Willen Cosimas beim Verlag B. Schott’s Söhne, Mainz, zu veröffentlichen.



    Der Erard-Flügel, ein Prachtstück des Museums




    Man kann über Tribschen nicht berichten, ohne den Namen Friedrich Nietzsche zu erwähnen; dieser war übrigens sowohl bei den Proben zum »Siegfried-Idyll« als auch bei der Uraufführung im Treppenhaus anwesend.
    Nietzsche hatte Wagner schon außerhalb von Tribschen kennengelernt, das war am Abend des 8. November 1868 in Leipzig, in Basel war er dann schon näher an Wagners aktuellen Wohnsitz herangekommen und Wagner hatte ihm gesagt, dass er ja mal in Tribschen vorbei kommen könnte.
    Im April 1869 war der erst 24-Jährige Nietzsche als frischgebackener Professor in Basel eingetroffen. Zu Pfingsten 1869, gleich an den ersten freien Universitätstagen, erscheint Nietzsche, der Wagners Werke seit seiner Jugend gut kannte, unangemeldet in Tribschen; diesem Besuch sollten noch zweiundzwanzig folgen, wie Historiker notiert haben. Nietzsche fand bei den Wagners so eine Art Ersatzfamilie, denn an Festtagen wie Weihnachten gehörte er einfach mit dazu und man beschenkte sich gegenseitig. Der Altersunterschied zu Wagner war beträchtlich, immerhin drei Jahrzehnte, aber die altersmäßige Differenz zu Cosima war geringer. Sie gab dem jungen Besucher stets das Gefühl ein besonders wichtiger Gast der Familie zu sein; Spekulationen inwieweit sich Nietzsche verliebt hatte führen hier zu weit ab.
    Aber beide Gastgeber registrierten erfreut, dass sich der intelligente junge Mann auch gut als Propagandist für die Bayreuther Sache einspannen lässt, Nietzsche besucht mehrmals Bayreuth und ist auch bei der Grundsteinlegung des Festspielhauses mit dabei gewesen. Er soll sogar erwogen haben, sich von der Universität beurlauben zu lassen, um die Bayreuther Pläne propagandistisch vorantreiben zu können.
    Allerdings schaute Friedrich Nietzsche nicht immer und ewig zu Meister Wagner auf. Nietzsche hatte an dem Brahms-Werk »Triumphlied« op. 55 Gefallen gefunden, das er im Sommer 1874 in einem Konzert des Basler Gesangvereins gehört hatte. Bei seinem Bayreuth-Besuch im August 1874 nahm er die Noten mit und versuchte, dieses Werk Wagner näher zu bringen, was dieser heftig ablehnte - »mit Wut und Toben«, heißt es in der Literatur. Nietzsche war von dieser Reaktion schwer enttäuscht, weil er nicht verstehen konnte, dass Wagner nicht die Größe hatte, auch andere Werke anzuerkennen.
    Als Nietzsche 1876 wieder nach Bayreuth kam, schenkte ihm das Ehepaar Wagner kaum Beachtung, weil man mit scheinbar Wichtigerem beschäftigt war - kein Vergleich mit der gemeinsamen Zeit in Tribschen. Das in Bayreuth zwischenzeitlich entstandene Milieu war nicht im Sinne Nietzsches und Wagners Hinwendung zu christlicher Symbolik behagte ihm noch weniger. Man begegnete sich noch einmal im Frühherbst 1876 in Sorrent, dann blieben nur noch Erinnerungen an schönere Zeiten in Tribschen.


    1872 war das noch ein besseres Verhältnis zwischen den beiden gewesen. Am 25. April war Nietzsche nach Tribschen gekommen und dachte Wagner dort anzutreffen, aber der hatte Tribschen schon am 22. April verlassen, weil die Entscheidung für Bayreuth gefallen war, im Februar hatte er dort ein Grundstück erworben und die Grundsteinlegung des Festspielhauses sollte zu seinem 59. Geburtstag stattfinden.
    So fand er nur noch Cosima und die Bediensteten beim Packen vor und beschrieb die Situation so:


    »Tribschen hat nun aufgehört. Wie unter lauter Trümmern gingen wir herum. Die Rührung lag überall, in der Luft und in den Wolken; der Hund fraß nicht, die Dienerschaft war, wenn man mit ihnen redete, in beständigem Schluchzen. Wir packten die Manuskripte, Briefe und Bücher zusammen - ach, es war so trostlos!«


    Fünf Jahre nach seinem Weggang aus Tribschen, kehrte Wagner, aus London kommend, noch ein einziges Mal ins Tribschener Haus zurück. Nachdem die Wagners sich in Bayreuth ein neues Heim geschaffen hatten, stand das Haus in Luzern einige Jahre leer. Als Wagner dort am 19. Juli 1877 mit seiner ganzen Familie aufkreuzte, war das Haus von einer französischen Familie bewohnt, die sich taktvoll zurückzog und den berühmten Gast mit seinen Erinnerungen alleine ließ.
    In der Folgezeit lebten viele andere Mieter in diesem Landhaus, bis sich 1929 eine Kommission mit der Idee gründete aus dem Haus ein Museum zu machen. Am 1. Juli 1933 wurde die Gedenkstätte feierlich eröffnet. Auch nachdem aus dem Wohnhaus ein Museum geworden war, behielt man den Charakter eines Wagner-Wohnhauses bei. Das erste Stockwerk wurde den Nachkommen Richard Wagners als Sommerwohnung zur Verfügung gestellt; sie machten davon regen Gebrauch und bedankten sich dafür, indem sie dem Museum einige Erinnerungsstücke überließen.


    Die WAGNER-BÜSTE vor dem Museum
    Die in Zürich ansässige Schweizerische Richard Wagner-Gesellschaft schenkte aus Anlass ihres 50 jährigen Bestehens dem Richard Wagner-Museum in Luzern diese Büste. Der Künstler Thomas Hunziker hat sie aus Neusilber gefertigt. Wagner ist in der Lebensspanne dargestellt, in der er das Haus bewohnte.
    Dieses erste Wagner-Denkmal in der Schweiz wurde am 17. September 2006 eingeweiht. Ursprünglich war von Hunziker keine Beschriftung des Denkmals vorgesehen, aber auf Wunsch des Museums und der Stadt Luzern hat er diese jedoch nachträglich angefertigt.



    Adresse:
    Richard Wagner Weg 27, CH- 6005 Luzern
    In den Wintermonaten ist das Richard Wagner Museum nicht geöffnet, in diesem Jahr ist es ab 1. April besuchbar.




  • Das Haus wurde 1874 fertiggestellt und wechselte dann einige Male den Besitzer. 1891 war der Pianist und Komponist Eugen d´ Albert für sich und seine Familie auf der Suche nach einer Wohnung, das Haus stand leer, war ruhig gelegen und bot ausreichend Raum.
    Beide Ehepartner waren zu dieser Zeit schon sehr berühmte Leute und hatten stets zahlreiche Konzertverpflichtungen in den bekannten Musikmetropolen und Kontakte mit fast der ganzen Welt. Da war es günstig, dass Coswig bereits über einen Eisenbahnanschluss und ein Post- und Telegrafenamt verfügte.


    Damit sich das künstlerisch arbeitende Paar nicht gegenseitig beim Musizieren störte und auch die sonstigen Umtriebe der zahlreichen Kinder, Angestellten und Besuchern d´ Albert nicht beim Arbeiten beeinträchtigten, ließ er sich in der äußersten Ecke des parkähnlichen Grundstücks einen zweistöckigen Pavillon zum Komponieren bauen; so etwas ähnliches hatte er schon vor Jahren in Eisenach praktiziert.


    Eine Patchworkfamilie, wie man heute sagt, war damals eine seltene Konstruktion. Als das Paar hier einzog, hatte Eugen d´Albert eine gescheiterte Ehe hinter sich und seinen Sohn Wolfgang in die neue Verbindung eingebracht. Teresa Carreño, d´ Alberts neue Ehefrau, hatte schon zwei gescheiterte Ehen vorzuweisen und brachte ihre Tochter Teresita und Sohn Giovanni in die neue Ehe ein. Aus der neuen Verbindung mit d´Albert gingen zwei Töchter hervor, so dass nach einer gewissen Zeit fünf Kinder zu versorgen waren, wofür natürlich entsprechendes Personal bereit stand.
    Es ist die Episode überliefert, dass Teresa mal ihren Mann um Hilfe bat und rief: »Eugenio, komm und schaffe Ordnung, meine Kinder und dein Sohn hauen unsere Kinder.«


    Als 1891 die große Tonkünstlerversammlung in Berlin stattfand, traf Eugen d´Albert erstmals mit dieser exotischen Schönheit aus Venezuela zusammen, die Dame soll d´Albert zunächst kühl begegnet sein, wurde aber zutraulicher als sie in einer öffentlichen Orchesterprobe von ihrem Klavierkonkurrenten hörte, wie er das G-Dur-Konzert von Beethoven spielte. Die beiden näherten sich immer mehr an, gaben gemeinsame Konzerte und eine Heirat wurde ihnen von allen möglichen Seiten eingeredet, führende Zeitungen berichteten von der Heirat, was jedoch nicht den Tatsachen entsprach. Hans von Bülow betätigte sich dann auch noch als Ehevermittler und redete den beiden gut zu. Am 27. Juni 1892 gab man sich in London das Ja-Wort.


    Da die Immobilie den Namen «VILLA TERESA« trägt, soll auf das Leben der Namensgeberin etwas näher eingegangen werden:


    Teresa Carreño wäre fast ein Christkind geworden, sie wurde am 22. Dezember 1853 in Caracas geboren. Sie kam aus einer angesehenen Familie, ihr Vater war ein hochrangiger venezolanischer Politiker und privat ein recht guter Pianist, daneben ist er noch als Verfasser eines spanischen »Knigge« bekannt geworden.
    Teresas Mutter hatte erhebliches musikalisches Erbgut mit eingebracht, ihr Vater war Musiker.
    Teresas Großvater väterlicherseits war ein bedeutender venezolanischer Komponist.
    Den ersten Klavierunterricht bekam das Mädchen von ihrem Vater. Mit fünf Jahren spielte Teresa, die im Kindesalter Teresita genannt wurde, schon leichte Stücke und dann dauerte es nicht lange bis sie mit größter Leichtigkeit Etüden von Czerny und Bertini spielte, auch Phantasien über Opernarien sollen ihr keine Schwierigkeiten bereitet haben.
    Als Achtjährige gab sie ihr erstes öffentliches Konzert, hatte aber auch schon eine Polka komponiert, die von einer namhaften Militärkapelle gespielt wurde. Natürlich lag es bei so viel Talent nahe Teresita als »Wunderkind« zu bezeichnen, was jedoch der Familie nicht gefiel, aber die Eltern ahnten schon, dass da ein ganz außergewöhnliches Talent heranreift, aber es war ihnen auch klar, dass es wenig bringt, wenn man nur in Venezuela »weltberühmt« ist ...
    Nach langen und eingehenden Beratungen beschloss der Familienrat in die Vereinigten Staaten überzusiedeln. Im Juli 1862 schifft sich die Familie auf einem Segler ein, ihr Ziel ist Philadelphia. Nach einer kurzen Ruhepause ging es weiter nach New York.
    Das Besondere am Klavierspiel der Kleinen war die Unbekümmertheit ihres Spiels, das so gar nicht nach harter Arbeit aussah. Der Vater muss ein kluger Mann gewesen sein, denn er versuchte jeglichen Wunderkind-Rummel von seiner Tochter fernzuhalten.
    Die Familie konnte es sich leisten, das alles in Ruhe anzugehen, man besaß in Caracas Ländereien, die einiges abwarfen. Die Situation änderte sich schlagartig, als man erfuhr, dass der heimatliche Verwalter betrügerisch tätig war und von dort nichts mehr zu erwarten war.


    Hoffnung keimte auf, als sich Louis Moreau Gottschalk, der damals als pianistische Lichtgestalt unterwegs war, nach einigem Zögern die kleine Teresita anhörte, von ihrem Spiel begeistert war und anbot sie zu unterrichten, wann immer er in New York sei. Die leere Kasse einerseits und das positive Urteil Gottschalks andererseits, bewogen Vater Carreño zuzustimmen, dass seine nun neunjährige Tochter vor großem Publikum auftritt - das Konzert fand am 7. November 1862 in der Irving Hall, einem Konzertsaal für zwölfhundert Personen, statt. Das Mädchen hatte einen ganz großen Erfolg und bei einem Konzert, das vierzehn Tage später am gleichen Ort stattfand, soll der Jubel noch enthusiastischer gewesen sein. Teresa konzertierte in Boston und anderen Städten, man reiste herum, die Tochter war zur Ernährerin der Familie geworden. Sie gab Konzerte in Kuba und komponierte zwischendurch immer mal wieder eigene Stücke - zum Ende ihres Lebens hatte sie über vierzig Klavierwerke komponiert. Ein weiterer Höhepunkt war 1863 die Einladung ins Weiße Haus nach Washington, wo sie Abraham Lincoln vorspielte.


    Aus musikalischer Sicht hatte Europa kulturell eine nicht zu überbietende Tradition, Familie Carreño beschloss diesem Umstand Rechnung zu tragen und schiffte sich auf dem Dampfer »City of Washington« nach Europa ein, die Überfahrt soll dramatisch gewesen sein, erschöpft ging sie in England an Land; Anfang Mai überquerte man den Kanal und traf in Paris ein. Empfehlungsbriefe an Monsieur Érard waren wertvoll wie Gold. Die Érards bemühten sich sehr um das Mädchen und sie kam unverzüglich in Kontakt mit den besten Musikern Europas. Sie spielte mit dem alten Rossini Klavier, hatte eine Begegnung mit Franz Liszt, traf Claude Debussy, Charles Gounod ... und stellte mit der weltberühmten Adelina Patti, die feststellte, dass Terese über einen wohllautenden Mezzosopran verfügt, Versuche mit ihrer Stimme an.


    1866 musste Teresita Carreño den Tod ihrer Mutter Clorinda verkraften, nach einigen Monaten kehrte sie in den Konzertsaal zurück. Der berühmte Impresario Moritz Strakosch stellte eine Künstlertruppe für eine Konzertreise nach USA zusammen, Carlota Patti und der Violinist Émile Sauret waren ebenfalls mit von der Partie. Teresita und Émile waren fast gleichaltrig, fanden Gefallen aneinander und schlossen eine Zivilehe, aus der ein Mädchen und ein Junge hervorgingen; das zweitgeborene Kind, der Junge, wurde nur einen Monat alt. Der ideale Papa war Émile Sauret nicht; nach nur zwei Jahren trennte sich das Paar. Theresa musste weiterhin ihr Geld verdienen und gab das Töchterchen zur Adoption frei.


    In Boston trat sie in die Gesangsschule einer Frau Rudersdorff, die mit Hans von Bülow befreundet war, als Klavierbegleiterin ein. Und frau Rudersdorff entdeckte, wie schon vor einiger Zeit Adelina Patti, dass bei Teresa auch Stimme war. Sie studierten die Rolle der Zerline aus »Don Giovanni« ein, in der Teresa Carreño tatsächlich in einigen amerikanischen Städten erfolgreich auftrat. Nun war sie also in der Strakosch-Truppe als Sängerin gelandet. Wo Zerline ist, ist Don Giovanni nicht weit, in der Truppe trug er den bürgerlichen Namen Giovanni Tagliapietra, der als der arroganteste und schönste Bariton galt. Ende 1874 hat sie diesen Traummann geheiratet, im März 1878 war sie wieder Mutter einer Tochter geworden. Als das Kind einige Monate alt war, nahm sie ihre pianistische Tätigkeit wieder auf, die Ehe war nicht besonders gut und als das gemeinsame Kind starb, war es kaum drei Jahre alt geworden. 1882 kam Töchterchen Teresita zur Welt, die Mutter komponierte »Mi Teresita«, eine bis heute erhaltene Komposition. 1885 kam noch der Stammhalter Giovanni zur Welt.


    Aus Venezuela kam eine ehrenvolle Einladung von der Regierung, der Empfang war im Heimatland war enthusiastisch, Giovanni Tagliapietra stand etwas enttäuscht dabei, weil hier unbestritten seine Gattin der umjubelte Star war. Man glaubte bei all der Begeisterung in Caracas, dass man auch hier - wie in den USA üblich - eine Operntruppe erfolgreich durchs Land schicken könne, die Regierung stellte einen erheblichen Batzen Geld zur Verfügung und Teresa und ihr Mann engagierten Künstler für dieses Unternehmen, das letztendlich nicht gefallen konnte, man schob dem schlechten Tenor die Hauptschuld zu und es waren politische Querelen mit im Spiel. Nachdem man den Dirigenten bedroht hatte, nahm dieser Reißaus und in einigen Opernaufführungen schwang Teresa Carreño den Dirigentenstab, aber das Ganze endete als großes Fiasko.


    Giovanni Tagliapietra war ein guter Bariton, aber als vorbildlicher Familienvater war er nicht zu gebrauchen, er spielte eher die Rolle eines flotten Junggesellen. Der Bruder des Baritons, Arturo Tagliapietra kam, um die Kinder zu betreuen und Teresa Carreño kam, von einer Freundin schon oft dazu gedrängt, zum Schluss, dass sie ihre Kunst im in dieser Sache aufnahmebereiten Europa darbieten sollte.
    Als Teresas Gatte zu einem Gastspiel reiste, nutzte sie die sich bietende Gelegenheit und buchte für sich und ihre beiden Kinder eilig eine Schiffspassage nach Europa. Die 5000 Dollar Reisegeld waren geliehen, ihre Freundin hatte den Betrag bei einem Freund der Künste locker gemacht, der das Geld leihweise zur Verfügung stellte, und es dann später von der erfolgreichen Teresa Carreño zurück bekam.
    Arturo Tagliapietra fiel die pädagogische Aufgabe zu, seinem Bruder mitzuteilen, dass Teresa nicht mehr zurück kommt und die Scheidung eingereicht hat.


    Im Juli 1889 kam die vaterlose Familie in London an und reiste von dort nach Paris weiter, wo sie von Teresas Bruder, Manuel Carreño, der dort im diplomatischen Dienst stand, erwartet wurden. Die aus New York Kommenden staunten nicht schlecht, man hatte hier gerade das höchste Gebäude der Welt errichtet, den Eiffelturm.
    Ende Oktober traf Teresa Carreño in Berlin ein und nahm Kontakt zur damals größten und renommiertesten Konzertagentur Wolff & Sachs auf. Man beriet sie dahingehend, dass sie für ihr Berliner Debüt ein Klavierkonzert mit Orchester wählen sollte. Im Mittelpunkt stand das a-Moll-Konzert von Grieg. Die Veranstaltung fand in der Singakademie statt, es spielte das Philharmonische Orchester Berlin. Die Pianistin wird als beindruckend und von stattlicher Gestalt und Schönheit geschildert, was, gepaart mit exzellentem Spiel, das sehr sachverständige Publikum voll überzeugte. Rasch war sie in Berlin eine bekannte Größe geworden und unternahm von hier aus auch Konzertreisen, wo sie dann auch einmal Edvard Grieg persönlich kennenlernte, der von ihrem Spiel sehr angetan war. Im Januar 1891 begab sie sich auf eine Tournee durch Russland, wo sie nach zwanzig Jahren mal wieder Anton Rubinstein traf, mit dem sie schon einmal über den Atlantik geschippert war.
    Große »Reklame« in Berlin machte auch Hans von Bülow, der ja selbst ein ganz ausgezeichneter Pianist war, für Teresa Carreño - als dann noch Eugen d´ Albert hinzukam, hatten sich die Richtigen gefunden ...
    Das Berliner Tonkünstlerfest 1891 war eine Musik-Großveranstaltung allererster Güte, da kam die Crème de la Crème zusammen. Hier trafen die beiden Kometen - wie es in der Literatur heißt - erstmals zusammen Teresa und Eugen; noch war man nicht beim vertraulichen »Du« angelangt, das erste Zusammentreffen fand in der Konzertagentur statt, sie konnte an dem kleinen Engländer nichts finden und war entsprechend kühl, er war von ihrer stattlichen Erscheinung sogleich angetan und Feuer und Flamme und als er sie dann erst spielen hörte, wusste er augenblicklich, dass das eine außergewöhnliche Pianistin war.


    Teresa wurde zutraulicher als sie in einer öffentlichen Orchesterprobe von ihrem Klavierkonkurrenten hörte, wie er das G-Dur-Konzert von Beethoven spielte. Die beiden näherten sich immer mehr an, gaben gemeinsame Konzerte und eine Heirat wurde ihnen von allen möglichen Seiten eingeredet, führende Zeitungen berichteten von der Heirat, was jedoch nicht den Tatsachen entsprach. Hans von Bülow betätigte sich dann auch noch als Ehevermittler und redete den beiden gut zu. Beide Partner hatten gescheiterte Ehen hinter sich und aus diesen Verbindungen waren Kinder da. Am 27. Juni 1892 gab man sich in London das Ja-Wort und die neue Familienplanung konnte in Angriff genommen werden. In Coswig, knappe zwanzig Kilometer von Dresden entfernt, hatte man ein großes Grundstück mit einem geräumigen Haus erworben, Eugen ließ sich an einer abgelegenen Ecke des Parks einen Pavillon zum Arbeiten bauen; so war gewährleistet, dass sich beide bei ihrer künstlerischen Arbeit nicht störten.
    Es war ein für jeden sichtbar ungleiches Paar, sie groß, schön und stattlich, er wirkte daneben eher unvorteilhaft, der Altersunterschied betrug elf Jahre.
    Neben einigen Kompositionen - Eugen und Teresa komponierten -, war auch Eugenia, die gemeinsame Tochter von Teresa und Eugen entstanden.
    In Coswig war Ende 1893 Herta, die zweite Tochter, zur Welt gekommen und die Kinderschar auf fünf angewachsen, von Eingeweihten ist die Episode überliefert, dass Teresa mal ihren Mann um Hilfe bat und rief: »Eugenio, komm und schaffe Ordnung, meine Kinder und dein Sohn hauen unsere Kinder.«


    Der Geburt von Herta folgte ein Paukenschlag; d´Albert setzte sich ans Wochenbett seiner Frau, um ihr mitzuteilen, dass er die Scheidung möchte. Wie Zeitgenossen mitteilen, sei das wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen, es seien keine Unstimmigkeiten vorausgegangen. Teresa nahm sich in Berlin gute Anwälte. Da sie auch während der Ehe stets gut verdiente und zur aufwändigen Haushaltsführung erkleckliche Geldbeträge beisteuerte, argumentierte man nun, dass hierzulande die Familienfinanzierung Männersache sei und die Frau im Trennungsfall ihr investiertes Geld zurückfordern könne, das Ganze sollte 70.000 Mark kosten. Erwähnenswert ist, dass beide - Pacta sunt servanda - noch in gemeinsamen Konzerten auftraten.


    Dann stand Teresa mit ihren vier Kindern wieder alleine da, aber inzwischen war sie so bekannt, dass sie keine Schwierigkeiten hatte, den Lebensunterhalt zu verdienen; 1896 absolvierte sie in der Konzertsaison mehr als siebzig Veranstaltungen in ganz Europa. 1897 gab sie auch wieder Konzerte in Nordamerika. Dort hatte sie auch ihren Schwager Arturo wieder getroffen, mit dem sie immer bestens zurechtkam. Eines Tages stand Arturo Tagliapietra in Berlin vor der Tür. Endlich hatte Teresa den richtigen Familienvater gefunden, die Initiative soll von ihr ausgegangen sein, im Sommer 1902 war die Hochzeit.


    In den folgenden Jahren war Teresa Carreño weltweit unterwegs. 1907 war sie erstmals in Australien und Neuseeland, 1908 gab sieallein in den Vereinigten Staaten achtzig Konzerte und die Chronik verzeichnet für 1909 einhundertzweiunddreißig Konzerte - es sei daran erinnert, dass der erste gesteuerte Motorflug der Brüder Wright erst 1903 stattfand ...


    Während des Ersten Weltkriegs musste auch Teresa Carreño ihre Konzerttätigkeit einschränken, kam aber nochmals in der Herbstsaison 1916 nach Amerika, wo sie auch nochmal im Weißen Haus spielte. Teresas Töchter waren inzwischen verheiratet.
    Es war eine große Tournee durch Südamerika geplant, aber vorher machte sie noch einen Abstecher nach Kuba. Als sie in Havanna am Flügel saß, sah Teresa die Tastatur doppelt. Man diagnostizierte eine teilweise Lähmung des Sehnervs. Noch einmal unternahm sie einen Versuch, es ging nicht mehr. Teresa Carreño starb am 12. Juni 1917 abends um sieben Uhr, ein ereignisreiches Leben war zu Ende gegangen. Sie wurde zunächst in New York beigesetzt; 1938 überführte man ihre Urne nach Venezuela. Ihr zu Ehren trägt ein 1983 eingeweihter Kulturkomplex in Caracas den Namen Complejo Cultural Teresa Carreño. Und der Name dieser Ausnahmepianistin ist seit 1991 sogar im Weltraum präsent, einer der Einschlagkrater auf der Venus wurde nach Teresa Carreño benannt.


    Man kann auch heute noch ihr Klavierspiel - wie das von Eugen d´Albert und anderen Künstlern - hören, weil auch sie Aufnahmen auf diesem »Welte-Mignon-Reproduktionsklavier« gemacht hat, das auch die Anschlagsdynamik weitgehend originaltreu wiedergeben kann.


    Eugen d´Albert verkaufte 1896 die Villa an den reichen Schweizer Paul Matter, der ein Faible für neuzeitliche Technik hatte und das Anwesen in diesem Sinne aufmöbelte, aber der Reichtum des neuen Besitzers schmolz hinweg. Nach den Kriegswirren wurde das Haus mit Flüchtlingen und Ausgebombten belegt. Die verwitwete Elisabeth Matter ist so verarmt, dass sie die Rhododendronblüten des Gartens in den Coswiger Blumenläden zum Kauf anbietet. Nach ihrem Tod geht das Haus 1961 in das Eigentum der Stadt über und wird zu einem Sechsfamilienhaus umgebaut, wobei das Haus seine historische Fassade und einiges mehr verliert. Zum 70. Todestag von Teresa Carreño lässt der Botschafter Venezuelas eine Gedenktafel am Haus anbringen. Als der einstige Botschafter Venezuelas in der DDR, der inzwischen Botschafter seines Landes in Deutschland geworden war, nach der Wende in Coswig anfragt, wie die 1987 versprochene Sanierung der Villa vorangekommen sei, kommt Bewegung in die Sache. Ein Förderverein wird gegründet und der Plan für eine Gedenkstätte entwickelt; im Jahr 2000 wird mit dem Umbau des Gebäudes begonnen.


    Die aufwändige Wiederherstellung der historischen Fassade zeigt weitgehend wieder das ursprüngliche Gesicht; auch das Herrenzimmer, der Damensalon, das frühere Speisezimmer und die Bibliothek werden wieder hergerichtet. Der große Salon - einst Treffpunkt für Musiker und Literaten um Eugen d´Albert und Teresa Carreño - wird als Kammermusiksaal eingerichtet.
    Neben Kammermusikabenden, Lesungen und kleinen Theaterstücken finden in den Räumen der Villa Teresa standesamtliche Eheschließungen, sowie private und geschäftliche Feiern statt.



    HIER LEBTE VON 1891-1895
    EUGEN d´ ALBERT*1864 †1932
    KOMPONIST DER OPER TIEFLAND MIT SEINER FRAU
    TERESA CORRENO *1853†1917
    EINE DER HERVORRAGENDSTEN PIANISTINNEN DER WELT
    DIE ZEIT IN KÖTITZ GEHÖRTE MIT ZU IHREN
    SCHÖPFERISCHSTEN LEBENSABSCHNITTEN



    Adresse:
    Villa Teresa
    Kötlitzer Straße 30
    01640 Coswig


    Anmerkung:
    In der Literatur findet sich auch der Hinweis, dass »Tiefland« in der VILLA ERMINIA am Lago Maggiore entstanden ist - eine Oper kann zu Teilen schon an verschiedenen Orten entstehen ...




  • Das Kunstwerk ist etwas in die Jahre gekommen ...


    Die meisten Passanten waren erstaunt, als ich in Bayreuth nach der Stadtmauer fragte, aber nach einem Dutzend Frageversuchen war das Ziel erreicht.
    In der Nähe des Zentralen Busbahnhofs am Hohenzollernring sind zwei Marmorreliefs in die um 1665 in der jetzigen Form errichteten Stadtmauer eingelassen; zwischen den Marmorplatten findet sich auf einer Metalltafel eine dürftige Erklärung, die dürftig sein muss, weil die dahinter stehende ungeheuerliche Geschichte nicht in einigen Zeilen dargestellt werden kann.
    Die zwei Kalkstein-Relieftafeln wurden 1976 anlässlich des 100-jährigen Festspieljubiläums hier angebracht; es war ein langer Weg bis zu diesem Bestimmungsort. Die Entstehungsgeschichte reicht bis ins Jahr 1931 zurück.



    Schlicht, aber monumental ... eine fast unendliche Geschichte


    Im Sommer 1931 sah man in Leipzig den 50. Todestag von Richard Wagner auf sich zukommen und bildete ein hochkarätig besetztes Gremium, um zu prüfen, in welcher Form eine entsprechende Würdigung vorbereitet werden kann; auch das Haus Wahnfried war in Erwartung einer würdigen Ehrung des Meisters. Schließlich wurde von dort daran erinnert, dass Leipzig den Abriss des Geburtshauses zugelassen habe und es nun endlich an der Zeit wäre ein Denkmal zu errichten.
    Aber es waren wirtschaftlich keine rosigen Zeiten und Oberbürgermeister Goerdeler entwickelte den bescheidenen Plan, den Klinger-Sockel, der sich versteckt im Palmengarten befand, an einer hervorragenderen Stelle zu platzieren.
    Einen Denkmalsenthusiasten weist er darauf hin, dass öffentliche Gelder für eine großzügige Anlage nicht zur Verfügung stehen und die Gelder durch Privatinitiativen aufgebracht werden müssten. Wörtlich heißt es im Brief des OB:


    »... ich bedauere, dass Frau Winifred Wagner in ihrem Schreiben vom 9. November von einer Blamage für die Stadt Leipzig spricht und die ungeheure Not und den Hunger der Gegenwart übersieht, wenn sie jetzt meint, es wäre höchste Zeit, dass die Stadt Leipzig jetzt ein Denkmal errichtet. Solche Äußerungen von Frau Winifred Wagner werden auch keineswegs geeignet sein, etwaige Privatinitiative zu fördern, und ich kann daher nur dringende empfehlen, dieses Schreiben von Frau Winifred Wagner nicht in die Öffentlichkeit gelangen zu lassen.«


    Von Seiten der Stadt wurden nun eine Denkmalslotterie und andere Geldbeschaffungsmaßnahmen angedacht; im Oktober 1932 erfolgte ein Ideen-Wettbewerb für ein Richard Wagner-Denkmal in Leipzig; in den Vorgaben hieß es unter anderem, dass das Denkmal schlicht, aber monumental sein sollte ..
    Es gingen 658 Entwürfe ein; 10 Einreichungen kamen in die engere Wahl. Am meisten überzeugt der Entwurf des 40-jährigen Stuttgarter Bildhauers Emil Hipp, der ein Denkmal im Neo-Klassizistischen Stil konzipiert hatte. Das Votum von Winifred Wagner soll den Ausschlag für Hipp gegeben haben.
    Als Oberbürgermeister Goerdeler am 12. Februar 1933 im Gewandhaus den Bau des Richard-Wagner-Denkmals ankündigte, saß Adolf Hitler, gerade eben Reichskanzler geworden, mit Winifred Wagner in der ersten Reihe.
    Als die Entwürfe dann in der Reichskanzlei präsentiert wurden, explodieren die Kosten, weil der Herr Reichskanzler, wie es so seine Art war, in größeren Dimensionen dachte.
    Das war nun künftig kein Denkmal einer Stadt, sondern ein »Nationaldenkmal des Deutschen Volkes«. Die Gesamtkosten lagen bereits 1938 bei 4,5 Millionen Mark.
    Die Grundsteinlegung erfolgte am 6. März 1934. Der »Führer« reist mit entsprechender Entourage an, das begeisterte Volk saß sogar auf den Dächern. Der »Führer« und Wagner-Verehrer hielt eine Rede, dann nahm er den Hammer zur Hand und sprach:


    »Ich lege hiermit den Grundstein zum Richard-Wagner-Nationaldenkmal in Leipzig«.


    Emil Hipp beschreibt sein Denkmal so:


    »Ich habe es absichtlich und bewusst vermieden, Gestalten aus Wagners Werken für meine Arbeit zu verwenden. Es lag mir vielmehr daran, den Wagnerischen Ideengehalt und die musikalische Ausdeutung in plastische, zeitlose Form zu bringen. Die vier Seiten des Reliefs sollen Folgendes bezeichnen: Schicksal, Mythos, Erlösung, Bacchanal.«


    Die Dimensionen sind riesig, der von der Stadt Leipzig hergerichtete Denkmalplatz im Richard-Wagner-Hain, ist eine 150 mal 80 Meter große streng geometrische und terrassenförmige Anlage, die am östlichen Ufer des Elsterbeckens der angemessene Standort des Denkmales sein sollte. Dazu gehörte eine umfassende und gestaltete Gartenanlage. Reste der Anlage sind heute noch zu sehen.
    Während der Standort des Denkmals hergerichtet war, gab es in Kiefersfelden, Oberbayern, wo Hipp für diesen Großauftrag in Steinbruchnähe ein Extra-Atelier errichtet hatte, durch kriegsbedingte Einwirkungen immer mehr Probleme, im Laufe der folgenden Jahre wurden noch viele Einweihungstermine genannt, aber aufgrund der dramatischen Kriegsereignisse dann immer weiter nach hinten geschoben, spätestens als Leipzig im Dezember 1943 durch einen Luftangriff schwer getroffen wurde, hatte ein Wagner-Denkmal dort wirklich keine Priorität mehr.


    Zum Kriegsende lagerten die fast ganz fertiggestellten Denkmalteile in Kiefersfelden und die inzwischen politisch ganz anders ausgerichtete Stadt verweigerte die Annahme des Denkmals, das zwar bereits fast ganz bezahlt war, aber es ging um Lager- und Versicherungskosten, die Transportwege waren marode und man hatte in dieser Zeit wirklich andere Sorgen, als ein Denkmal von Kiefersfelden nach Leipzig zu transportieren.
    Die damalige Stadtverwaltung schrieb dem Bildhauer unter anderem:


    »Ihre ehemaligen Vertragspartner sind seit dem siegreichen Einmarsch der Truppen der vereinten Nationen restlos verschwunden. Damit ist Ihren Aufträgen und Abmachungen die Rechtsgrundlage entfallen und Sie könnten Ihre Forderungen nur noch bei den Kriegsverbrechern in Nürnberg mit anmelden.«


    Eigentlich hatte der Bildhauer keinen Vertrag mit Kriegsverbrechern, sondern einen Vertrag mit der Stadt Leipzig, unterschrieben von Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler, der am 2. Februar 1945 in Plötzensee hingerichtet wurde.
    Emil Hipp hatte sich noch einige Jahre um die Aufstellung seines Richard-Wagner-Denkmals in anderen deutschen Städten bemüht - vergeblich.
    In einem Brief bedauert er, dass er von der Familie Wagner keine Unterstützung erhoffen darf und teilt mit, dass er sogar auf Widerstände stößt, welche unverständlich sind:


    »Diese jungen Herren geben überall hin negative Urteile über meine Arbeit ab, sie hätten aber doch mehr die Pflicht über eine Sache, welche ihren Großvater ehrt, gut zu sprechen.«


    Als die Marmor-Industrie 35 Kubikmeter von den Wagner-Blockreliefs absägt, um sie zu Fensterbänken zu verarbeiten, überwirft sich Hipp mit der Werksleitung und erhält Hausverbot.
    Heute sind die Denkmalteile weit verstreut:
    Ein Arzt hat sich die Wände »Mythos«, »Schicksal«, »Liebe« und »Erlösung« in seinen Garten stellen lassen, ein Bauunternehmer erwarb ein Relief, das Seejungfrauen zeigt, für seinen Swimmingpool, am Haus eines Architekten hängt ein kleines Relief mit Hans Sachs ... man könnte noch einige Beispiele nennen ...

    »Senta und Mägde in der Spinnstube« aus dem »Fliegenden Holländer« und »Hagen tötet Siegfried« aus »Götterdämmerung«, sind zwar an der Stadtmauer von Bayreuth noch vorhanden, aber man sieht den Reliefs auch an, dass sie schon seit 42 Jahren hier zu Gast sind ...


    Demnach wurden also offensichtlich doch Gestalten aus Wagners Werken für das Denkmal verwendet. Das Wissen um dieses Denkmal ist bruchstückhaft wie das Denkmal selbst.
    Hipp hatte zwar ab 1936 auch eine Professur an der Staatlichen Kunsthochschule Weimar, aber zwölf Jahre seines Lebens an diesem Werk gearbeitet und in dieser Zeit gab es Veränderungen und Ergänzungen, wie zum Beispiel die Figur des Siegfried zeigt, die manchen markigen Herren als zu weichlich erschien - ein Stadtbaudirektor schrieb:


    »Es ist kaum anzunehmen, dass der Führer eine derart weichliche Auffassung der Siegfriedfigur im Denkmalsganzen billigen würde.«


    Emil Hipp ließ sich da nicht viel dreinreden und fühlte sich in erster Linie seiner Kunst verpflichtet.

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  • Fünf Jahre lang konnte man hier als Bayreuth-Besucher nicht mehr rein; seit der Festspielsaison 2015 ist es nun wieder möglich; für viele, die Bayreuth besuchten, war es ein Ärgernis - manche sprachen sogar von einem Skandal - dass hier ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2013 eine Baustelle war, denn so ganz überraschend kommt ein 200-jähriger Geburtstag ja nicht.



    Wahnfried von vorne gesehen, rechts davon ist ein Stückchen vom Neubau zu erkennen



    Die Rückseite der Villa - links im Bild ist der geduckte Neubau zu sehen, der unterirdisch
    mit Wahnfried verbunden ist, die Häusergiebel haben mit dem Museum nichts zu tun.


    Seit 1976, dem Gründungsjahr des Museums, war es in Wahnfried so, dass die Vitrinen oben standen und unten im Keller die Bühnenbildmodelle. Im Saal stand als Prunkstück der Flügel. an welchem der Meister noch selbst spielte und sein Schwiegersohn Liszt auch. Übers Jahr kamen etwa 25. 000 Besucher, die meisten während der Festspiele.


    Das Haus am Rande des Bayreuther Hofgartens war bis 1973 im Besitz der Familie Wagner. Mit der Gründung der Richard-Wagner-Stiftung am 1. Mai 1973 ging Wahnfried durch Schenkungsurkunde vom 24. April 1973 in das Eigentum der Stadt Bayreuth über, die es wiederum der Richard-Wagner-Stiftung als Dauerleihgabe zur musealen Nutzung zur Verfügung stellte.


    Seit der Eröffnung des Richard-Wagner-Museums im Jahre1976 hatte sich in der Museumslandschaft weltweit, aber auch in Deutschland, einiges getan, was man natürlich auch in Bayreuth bemerkte.
    Der Stadtrat beschloss am 15. Dezember 2010 mit einer Gegenstimme den Um- und Neubau des Museums. Die Stadt Bayreuth schrieb einen europäischen Realisierungswettbewerb zur Erweiterung des Museums aus; 25 Architekten wurden geladen; den ersten Preis gewann Volker Staab aus Berlin, ein renommierter Museumsexperte.
    Wie andern Orts auch, gab es zunächst heiße Dispute wegen der Kosten, die ursprünglich auf etwa 12 Millionen Euro geschätzt wurden und sich im Endeffekt dann auf stolze 20 Millionen auswuchsen.
    Gegen den Neubau, rechts der Villa Wahnfried, der das Museum erweiterte, also einen Bau, den es bisher nicht gab, hatte sich eine Bürgerinitiative formiert, die gegen das Fällen von Bäumen auf dem Wahnfried-Gelände protestierte.
    Aber irgendwann stand dann der Bauzaun, in den man in verschiedenen Höhen Gucklöcher eingearbeitet hatte, damit die interessierte Öffentlichkeit wenigstens den Fortgang der Bauarbeiten beobachten konnte.


    Wenn man durch die Baumallee kommt und auf das Gebäude zugeht, sieht man zwar Wagners Villa als zentralen Punkt in seiner ursprünglichen Form, aber beim Studium der Geschichte des Hauses wird klar, dass Wahnfried am 5. April 1945, also kurz vor dem Kriegsende, durch eine britische Fliegerbrandbombe zu etwa 60 Prozent zerstört wurde, wenn man Fotos des zerstörten Anwesen sieht, ist klar, dass Wesentliches des Wagnerwohnsitzes unwiederbringlich verlorengegangen ist.


    Nun hat man also hier neuerdings nicht nur die restaurierte Wagner-Villa, sondern ein völlig neues Museums-Areal, das aus drei Gebäude-Komplexen besteht.


    Rechts von Haus Wahnfried steht noch ein einfaches altes Haus, das heute ein Café beherbergt und früher das Gärtnerhaus war. Im Anschluss an das Museumscafé entstand auf einem schmalen Geländestreifen, der bereits 1930 von Winifred Wagner hinzugekauft wurde, weil sie ein Gewächshaus brauchte, ein völlig neuer in zeitgemäßer Architektur gehaltener Museumstrakt, der durch einen unterirdischen Verbindungsgang mit der Villa Wahnfried verbunden ist; so gelangt man in das Untergeschoss von Haus Wahnfried, wo die spektakulären Schätze des Hauses aufbewahrt werden. Hier befinden sich zum Beispiel die Original-Partituren und Handschriften Wagners.



    Das alte Gärtnerhaus - heute Museumscafé - ist mit dem Museumsneubau verbunden.


    Hatte man in der Zeit von 1976 bis 2010 in Bayreuth nur ein Wagner-Museum, verfügt man nun immerhin über drei der Öffentlichkeit zugänglichen Gebäuden, denn diese Häuser zur Linken von Wahnfried stehen zwar schon lange da, aber dienten nach dem Tod der prominenten Bewohner - Winifred Wagner starb 1980 - administrativen Zwecken
    Das Herzstück der Anlage ist immer noch die Villa von Cosima und Richard Wagner. Wer sie heute unvorbereitet betritt ist überrascht. Nicht mehr vorhandene Möbel wurden durch weiße Hussenmöbel ersetzt, das heißt, dass die Möbel und Bilder, die nicht mehr im Original vorhanden sind, mit weißen Tüchern bedeckt wurden. Das wird so interpretiert, dass es den Anschein hat, als seien die Wagners gerade mal eben nach Italien gereist.
    Durch noch vorhandene Fotografien weiß man sehr genau, wie der große Salon ausgestaltet war. Zwei Uhrgläser, Wagners Brille und ein Federhalter sowie der Flügel, den Wagner 1876 von der Firma Steinway & Sohns zu seinen ersten Festspielen als Geschenk erhielt, sind noch originale Stücke aus Wagners Zeit.
    Über die Ausgestaltung des Obergeschosses zu Wagners Zeit weiß man wenig, weil es damals keinen Anlass gab dies im Bild festzuhalten. Hier findet man zum Beispiel Biografisches, die Noten zu »Rienzi«, »Siegfried-Idyll« ... in der neuen Konzeption schließlich auch das Sterbesofa Wagners aus Venedig, vorsichtshalber in einer Glasvitrine, denn bei ebay wurde schon mal für 63,50 Euro ein Stück Stoff angeboten, das von diesem Sofa stammen soll.



    Das Sterbesofa Richard Wagners


    Der Neubau, ein weitgehend gläserner Pavillon, flankiert das Haus Wahnfried auf der westlichen Seite. Hier geht es vor allem um die Festspiele; zu sehen sind unter anderem historische Bühnenbildmodelle und Kostüme, alles ästhetisch hervorragend und großzügig präsentiert. Für Besucher, die viel Zeit zum Verweilen haben, stehen Audiostationen und Arne-Jacobsen-Egg-Chairs bereit.
    Natürlich bietet sich hier auch Raum für Sonderausstellungen zu besonderen Themen.


    Mit der Neukonzeption als Gesamtanlage kamen nun 2015 auch die Gebäude westlich von Wahnfried ins Blickfeld, die einst berühmten Besuchern wie zum Beispiel Richard Strauss, Arturo Toscanini und Adolf Hitler Herberge boten.
    1894 wurde hier für Siegfried Wagner, Richard Wagners Sohn, ein Wohnhaus im Stil der Neurenaissance gebaut, dem in den 1930er Jahren erhebliche Erweiterungsbauten hinzugefügt wurden. In einer Veröffentlichung ist zu lesen, dass dies der historisch am meisten belastete Ort auf dem Gelände sei.
    Siegfrieds Ehefrau Winifred - seit 1930 Witwe - hatte hier viele Politgrößen des Dritten Reiches zu Gast, absoluter Stargast war Adolf Hitler, der hier ein und aus ging - ein Gast mit Familienanschluss, der bereits 1923 schon einmal in der Villa Wahnfried zu Besuch war. später erschien er hier als Reichskanzler; mal leger, mal im Frack.


    Winifred Wagner hatte nach dem Tod ihres Gatten in Bayreuth alle Fäden fest in der Hand und konnte aus ihrer Nähe zu den Machthabern des Dritten Reiches sehr viel für den Erhalt der Festspiele tun.
    Umso tiefer war ihr Fall nach Kriegsende. In den feudalen Räumen richtete die US-Armee zunächst einen Offiziersclub ein, etwas später sollen die Räumlichkeiten als Bordell genutzt worden sein.
    Seit 1957 durfte die ursprüngliche Hausherrin wieder hier wohnen. Als Hans-Jürgen Syberberg 1975 den Film »Winifred Wagner und die Geschichte des Hauses Wahnfried 1914-1975« herausbrachte, waren diese 302 Filmminuten ein Riesen-Aufreger und die Aufgeregtheiten waren auch mit der Eröffnung des Siegfried-Wagner-Hauses zu musealen Zwecken noch längst nicht beendet.
    Da man mit der Öffnung des Siegfried-Hauses auch die nichtmusikalischen Aspekte der Festspiele darstellen wollte, war zunächst angedacht den Syberberg-Film hier in voller Länge laufen zu lassen, wie Syberberg sagte »habe man ihm Kränze gewunden«, man war der Meinung, dass der Winifred-Film in diesem neuen Museum unverzichtbar sei.
    Wie man heute weiß, hat man inzwischen - sehr zum Leidwesen von Syberberg - darauf verzichtet.



    Eine Blick in den Salon



    Im Eingangsbereich von Wahnfried



    Im Obergeschoss von Wahnfried



    Eine güldene Huldigung im Untergeschoss


    Ein recht persönliches Resümee des Museumsbesuchs:
    Bald wird über diese 20 Millionen Ausgaben Gras gewachsen sein. Das Geld hat sich ja schließlich nicht in Luft aufgelöst; hier ist ein Gegenwert entstanden und zu besichtigen, der nicht nur eine neue, sondern auch wesentlich bessere Situation geschaffen hat.
    Natürlich gibt es nicht nur Bewunderer, sondern auch kritische Stimmen. Während einige die politische Seite noch besser ausgeleuchtet sehen wollen, fehlt den anderen das Licht im Kellergeschoss des Neubaus, und so weiter und so fort ...
    Wer hier seine Freude und einen schönen und interessanten Tag haben will, kann durchaus auf seine Kosten kommen.
    Im Neubau findet man Ästhetik pur, wenn ich jedoch vor der Museumstür stehe, fühle ich mich eher abgewiesen als eingeladen, aber das ist wahrscheinlich darin begründet, dass ich ein Bewunderer von Richard Meier bin.


    Anmerkung für Leser, die noch nie in Bayreuth waren:
    Die drei Museen sind nicht beim Festspielhaus, sondern am Rande des Bayreuther Hofgartens - Richard-Wagner-Straße 48, 95444 Bayreuth

  • Im Saal stand als Prunkstück der Flügel. an welchem der Meister noch selbst spielte und sein Schwiegersohn Liszt auch


    Bei den familiären Verhältnissen im Hause Wagner kann man schon mal durcheinander kommen; natürlich war Franz Liszt der Schwiegervater von Richard Wagner, da er dessen Tochter Cosima geheiratet hatte ...


  • Der Reichardtsgarten ist heute eine Grünanlage im Stadtteil Giebichenstein; bis 1900 war Giebichenstein selbständig, dann wurde es in die Stadt Halle an der Saale eingemeindet. Der Garten ist nach dem ehemaligen Besitzer, dem Komponisten Johann Friedrich Reichardt benannt, der das 5 ha große Grundstück im Jahr 1791 von der Fürstin Luise von Anhalt-Dessau für 9.300 Reichstaler erwarb.
    Reichardt schuf hier für sich und seine Familie ein ruhiges Refugium, die Anlage sollte nach dem Vorbild eines englischen Landschaftsparks gestaltet werden, und man orientierte sich an den Ideen Rousseaus.
    Zu Reichardts Zeiten gehörte hierzu noch ein Gehöft, in welchem die berühmtesten Kulturschaffenden der Zeit ein- und aus gingen. Dieses Gehöft wurde dann durch Napoleons Truppen verwüstet, und 1902 verschwand es ganz von der Bildfläche, weil man hier eine elektrische Straßenbahn baute.


    Den Reichardts Garten gibt es aber immer noch und man findet im Park auf einer Stele auch eine Büste von Johann Friedrich Reichardt, sowie einen Gedenkstein Goethes und eine Goethe-Bank. Noch heute bezeichnet man das grüne Stück Land als »Giebichensteiner Dichterparadies«.
    Reichardt war zwar in erster Linie Musiker, aber er betätigte sich auch sehr umfänglich journalistisch, schrieb Reiseberichte und sonst zu allen möglichen Themen und veröffentlichte eine Menge Druckwerke.
    Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen? Clemens Brentano, Achim von Arnim, Ludwig Tieck, Wilhelm Grimm, Friedrich Freiherr von Hardenberg - Novalis genannt ...
    Wenn Freunde der Familie beisammen waren, las Reichardt seinen Gästen oft etwas vor, zum Beispiel aus »Des Knaben Wunderhorn« und der Dichter Adam Oehlenschläger bemerkte einmal dazu: »Er las gut, besonders trug er die ‹Fischpredigt des heiligen Antonius› vortrefflich vor.«
    Immer wieder wird auch auf Reichardts auffallend schöne Töchter hingewiesen, wobei eine der Töchter - es war Louise, die älteste - ihrem Vater folgend, auch Gedichte Goethes vertonte.
    Reichardts Gutshaus lag auch relativ nah bei Bad Lauchstädt, die Entfernung beträgt so um die zwanzig Kilometer. Dort hatte Goethe immer mal wieder etwas zu tun und die Theaterleute kamen von dort zuweilen rüber ins gastliche Giebichenstein; auch Madame Mara und Karoline Jagemann beehrten Reichardts Haus mit ihrem Besuch.


    Henrich Steffens, Reichardts Schwiegersohn, berichtet, dass seine Schwiegermutter nicht verstehen konnte, dass man auch außerhalb des Gartens irgendeine Freude haben konnte und Steffens meint zu diesem Stück Land:

    »Allerdings war dieser sehr anmutig. Reichardt hatte seinem Kutscher und seinem Bedienten Unterricht geben lassen im Waldhornblasen, seine Töchter bildeten zusammen Gesangschöre, die in ihrer einfachen Weise großen Eindruck machten. Nicht allein um das Klavier versammelt hörte man sie gern singen. Wenn, oft an schönen lauen und stillen Sommerabenden die alten wehmütigen lyrischen deutschen Gesänge, von dem Waldhorn begleitet, in dem stillen Garten erklangen, war der Eindruck hinreißend. Der Garten war einfach, ohne alle Ziererei; eine Fülle einheimischer und Nordamerikanischer Bäume zierten ihn; ansteigende Höhen und kleine Täler gaben ihm eine erwünschte Mannigfaltigkeit der Ebene, die sich dem Hause anschloß, ruhige Bequemlichkeit; der in dieser sanften Umgebung mächtige Reilsberg erhob sich dicht hinter dem Garten. Der Küchengarten war von dem anmutigen Park abgesondert, in einem Winkel angelegt. Es durfte in diesem Garten kein Schuß fallen; alle Singtiere und Vögel, die ihn betraten, waren geschützt; Hasen knabberten an den Kräutern, ein Volk Rebhühner brütete ungestört in dem Küchengarten, eine große Schar von Nachtigallen nistete in den Gebüschen; eine stille friedliche idyllische Ruhe herrschte auf dieser geweihten Stätte und es war, als wollte hier das unruhige und unstete Leben des Besitzers eine versöhnliche Vermittlung finden.«


    Diese Idylle war vergänglich. Als Napoleons Truppen 1806 vom Süden kommend gegen Mitteldeutschland zogen, bevorzugten die preußischen General bei der Quartiersuche das gepflegte Gut in Giebichenstein. Gespräche über Kunst waren nun nicht mehr angesagt, alles drehte sich um den immer erfolgreicher werdenden Napoleon Bonaparte, der dann auch im Herbst bei Jena und Auerstedt siegte. Nun wurde es für Reichardt und seine Familie brenzlig, denn es war öffentlich bekannt, dass Reichardt ein Gegner Napoleons war. Reichert verfügte zwar nicht über Truppen, aber als Vielschreibender, der sich zu allen möglichen Sachverhalten äußerte, hatte er 1804 etwas mit einer Veröffentlichung zu tun, die Napoleon nicht gefallen konnte. Als nun der neue Herrscher in der Gegend war, ließ er nach dem »professeur de musique« fahnden und ordnete an dessen Gut zu verwüsten.
    Reichardt floh nach Danzig, wo er sich in der Form an der Verteidigung Danzigs beteiligte, dass er beim Generalfeldmarschall Graf von Kalckreuth den Dienst eines Sekretärs versah.
    Seine Familie hatte Reichardt vorher noch auf einem Gut in der Mark Brandenburg untergebracht.
    Im Mai 1807 traf Reichardt in seiner Vaterstadt Königsberg ein, im Sommer begegnete er dort Achim von Arnim und Clemens Brentano wieder.
    Inzwischen hatte Luise versucht, die Wohnung in Giebichenstein wieder notdürftig herzurichten, so dass man wohnen konnte.
    Am 3. November 1806 fragt Goethe bei dem Altphilologen Friedrich August Wolf an:
    »Wie sieht es in Giebichenstein aus? Ist jemand von der Familie daselbst? ...«
    Reichardt hatte weder die Kraft noch das Geld, hier die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen, aber er wird nun für kurze Zeit Theaterdirektor, unternimmt auch wieder ausgedehnte Reisen und lernt dabei einige interessante Leute kennen - wie eh und je ...



    Der Reichardts Garten ist auch heute noch eine Oase der Ruhe



    -------------------------------------------------------------------------


    Sich an seine Jugendzeit erinnernd dichtet Eichendorff 1841:


    Bei Halle
    Da steht eine Burg überm Tale
    Und schaut in den Strom hinein,
    Das ist die fröhliche Saale,
    Das ist der Giebichenstein.


    Da hab ich so oft gestanden,
    Es blühten Täler und Höhn,
    Und seitdem in allen Landen
    Sah ich nimmer die Welt so schön!


    Durchs Grün da Gesänge schallten,
    Von Rossen, zu Lust und Streit,
    Schauten viel schlanke Gestalten,
    Gleich wie in der Ritterzeit.


    Wir waren die fahrenden Ritter,
    Eine Burg war noch jedes Haus,
    Es schaute durchs Blumengitter
    Manch schönes Fräulein heraus.


    Das Fräulein ist alt geworden,
    Und unter Philistern umher
    Zerstreut ist der Ritterorden,
    Kennt keiner den andern mehr.


    Auf dem verfallenen Schlosse,
    Wie der Burggeist, halb im Traum,
    Steh ich jetzt ohne Genossen
    Und kenne die Gegend kaum.


    Und Lieder und Lust und Schmerzen,
    Wie liegen sie nun so weit –
    O Jugend, wie tut im Herzen
    Mir deine Schönheit so leid.


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    Anmerkung:
    Das Leben des Gartengründers wurde im Thread »Der Musiker Gräber« etwas ausführlicher dargestellt.


  • Ein historisches Foto


    Claude Debussy war am 22. August 1862 das Erstgeborene Kind in der Familie, vier weitere Geschwister folgten. Die Eltern betrieben dort draußen, etwa 25 Kilometer vom Stadtkern Paris entfernt, ein Steingut- und Porzellangeschäft, womit sich kein Reichtum erwirtschaften ließ, der Vater gab den Laden mangels Rentabilität Ende 1864 auf und zog mit seiner Familie nach Paris; Claude Debussy hat also nur seine ersten Kindheitsjahre hier in der 38 rue au Pain verbracht.
    Saint-Germain-en-Laye ist heute eine Stadt von etwa 40.000 Einwohnern. Wenn man mit der Bahn von Paris aus anreist - zum Beispiel von den Haltestellen Auber oder Charles-de-Gaulle-Etoile aus mit der RER-Linie A - erreicht man das Geburtshaus vom Bahnhof Saint-Germain-en-Laye aus in wenigen Minuten, praktisch grad um die Ecke und kann auf diesem kurzen Weg sogar noch das dem Komponisten gewidmete Denkmal sehen.
    Hinweis:
    In dem Thread »Der Musiker Gräber« ist im Beitrag 526 das Leben von Claude Debussy ausführlicher dargestellt.



    Früher war hier auch das Tourismus-Büro untergebracht.



    Das Tourismus-Büro ist inzwischen umgezogen.



    So sieht das aktuell aus.



    Ein Schild am Eingang weist auf die Öffnungszeiten hin.



    Man kann den Eingang kaum verfehlen



  • Das Denkmal ist in unmittelbarer Nähe zu dieser imposanten Kirche zu finden.




    Dieses Schild ist vorne am Sockel des Denkmals angebracht.




    Auf dem Weg vom Bahnhof zum Museum kommt man am Place de L´Abbe Pierre de Porcaro vorbei, wo des Denkmal steht.




    Wegweiser zeigen zum Museum.

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  • Heinrich Werner wurde am 2. Oktober 1800 in Kirchohmfeld geboren.





    In diesem heute zu Worbis gehörenden Ort, der, wenn man es großzügig auslegt, am Rande des Harzes liegt, aber eindeutig zum Eichsfeld gehört, wurde der Komponist der wohl bekanntesten Vertonung des zum Volkslied gewordenen Goethe-Gedichts »Heidenröslein«, am 2. Oktober 1800 in der Schulmeisterwohnung des alten Dorfschulhauses geboren. Noch vor einigen Jahren war der Ort für einen westdeutschen Musikfreund kaum erreichbar, denn er lag auf dem Staatsgebiet der DDR.
    Als erwachsener Mann lebte Heinrich Werner viele Jahre im etwa 130 Kilometer entfernten Braunschweig, wo er 1833 starb. Zum letzten Male weilte er zu Ostern 1832 in Kirchohmfeld, es war ein Abschied für immer. Als sein Sohn Heinrich gestorben war, schrieb Vater Simon Werner an seinen ältesten Sohn:


    »Er hat in der kurzen Lebenszeit viel gewirkt auf Erden und ist nun an dem Orte, wo er ungehindert wirken kann. Eben durch diese seine Wirksamkeit und durch sein musterhaftes Leben hat er sich einen besseren Grabstein gesetzt, als Du ihm bei aller guten Absicht wirst setzen können.«


    Hier, an seinem Geburtsort, wird sein Andenken immer noch liebevoll erhalten, was kaum zu übersehen ist, wenn man durch den Ort kommt. Betrachtet man die Bilder von den Einweihungsfeierlichkeiten des Denkmals, wird deutlich, dass das am 31. Juli 1910 ein großartiges Ereignis gewesen sein muss. Wie die hier eingestellten Fotos zeigen, wird die Anlage bis auf den heutigen Tag gepflegt


    1929 gab es hier ein großes Sängerfest, auf dem der Erstaufführung des von Werner komponierten Liedes vor hundert Jahren gedacht wurde, und 2010 versammelten sich hier 43 Gastchöre, um das Hundertjährige des Gedenksteins zu feiern.


    Heinrich Werner hatte zwar kein großes und bedeutendes Gesamtwerk hinterlassen - er hinterließ etwas über 80 Werke -, aber diese eine Komposition schaffte es zu einer überragenden Bedeutung. Es stammt aus einem Liederbuch von 1828, in dem sechs Kompositionen von Heinrich Werner enthalten sind.


    Originale Erinnerungsstücke aus Werners Zeit sind rar, aber das für 18 000 Mark restaurierte Hammerklavier von Vater Simon, auf dem der kleine Heinrich spielen lernte, existiert noch. Die Geige von Heinrich Werner, die sich noch nach dem zweiten Weltkrieg im Besitz der Familie befand, wurde in ihrem historischen Wert unterschätzt und in einer Zeit des Hungerns für ein Stück Speck eingetauscht.


    Die Bekanntheit von Werners Melodie beschränkt sich nicht nur auf die deutschsprachigen Länder, sondern ist vor allem auch in Japan sehr populär. Schon zur DDR-Zeit besuchten Japaner Kirchohmfeld, um auf den Spuren des Schöpfers der »Heidenröslein«-Melodie zu wandeln. Wie man in einer Zeitung nachlesen kann, kam etwas später auch der Goethe-Heidenröslein-Chorus aus Sapporo einmal auf seiner Deutschlandreise ins Heinrich Werner - Haus, und 2014 tauchten zwei japanische Filmemacher in Kirchohmfeld auf, um dort Aufnahmen für eine japanische Musiksendung zu machen; sie kamen über Paris, Rom, Bologna, Wien und Weimar - Werners Denkmal in Kirchohmfeld durfte in ihrem Film nicht fehlen ...
    Japanische Besucher, die in Deutschland unterwegs sind, berichteten sogar, dass »Heidenröslein« in ihrem Land so ein Hit sei, dass es mitunter sogar in Karaokebars gesungen wird.




    Anmerkung:
    In dem Thread »Der Musiker Gräber« ist das Leben von Heinrich Werner im Beitrag Nr. 574 etwas ausführlicher dargestellt.



  • Im Beitrag Nr. 189 wurde gezeigt, dass beim Bach-Denkmal in Weimar einige Buchstaben fehlen; es ist Chronistenpflicht festzuhalten, dass das aktuell nun nicht mehr der Fall ist ...



    Aufnahme Oktober 2018



  • Gedenktafel mit den richtigen Daten



    Diese Gaststube im Gablerbräu trägt noch heute den Namen Richard-Mayr-Stube


    Richard Mayr war einer der bekanntesten Sänger seiner Zeit. Er wurde in diesem Hause, Linzer Gasse Nr. 9 in Salzburg geboren. Wie die Daten auf der Gedenktafel kundtun, war das am 18. Oktober 1877 - in der Literatur wird mitunter der November als Geburtsmonat und Henndorf als Geburtsort angegeben.
    Richards Vater, der »Gablermayr« war ein sehr erfolgreicher Salzburger Gastronom und Brauereibesitzer, der in der Stadt vier Gastwirtschaften betrieb. Richards Mutter starb als der Junge 14 Jahre alt war.


    Nachdem Richard Mayr zunächst ein Medizinstudium begonnen hatte, fiel er mit seiner außergewöhnlichen Stimme im engeren Freundes- und Bekanntenkreis auf; 1897, also zwanzigjährig, wurde er Mitglied der Wiener Akademischen Burschenschaft »Libertas«. Es kam zu ersten öffentlichen Auftritten, unter anderen in Antonín Dvořáks »Requiem«, die zur Folge hatten, dass man sogar im fernen Bayreuth auf ihn aufmerksam wurde und ihm in der Bayreuther Stimmschule durch Julius Kniese die notwendige Stimmschulung angedeihen ließ, was Richard Mayr dort dann 1902 einen ersten Auftritt als Hagen in »Die Götterdämmerung« ermöglichte.


    Er sang 33 Jahre an der Wiener Staatsoper, wo Gustav Mahler zum Beginn seiner Tätigkeit Sängerpersonal suchte, mit dem er seine Vorstellungen eines Tondramas verwirklichen konnte. Die Gesangsstars neben Richard Mayr waren damals: Anna von Mildenburg, Marie Gutheil-Schoder, Selma Kurz, Leopold Demuth, Georg Maikl, Erik Schmedes, Leo Slezak ..., um nur einige Namen zu nennen. Mahler wollte nicht nur Stimmen, sondern glaubhafte Figuren auf der Opernbühne haben. In dieses Ensemble passte Richard Mayr hervorragend.


    Erst nach seinem Bayreuth-Debüt kam er an die Wiener Hofoper, wo er am 2. Oktober 1902 in der Rolle des Don Silva in Verdis Oper »Ernani« sein Debüt hatte. Danach ging es mit Richard Mayrs Karriere steil aufwärts, bereits in seinem ersten Jahr sang er dort 16 Opernrollen und schon 1905 ernannte man ihn zum Kammersänger. Absolute Maßstäbe setzte er 1911 bei der Wiener Erstaufführung des »Rosenkavalier«; mit der Figur des Barons Ochs auf Lerchenau war er nun für den Rest seines Sängerlebens untrennbar verbunden und hat damit häufig gastiert, zum Beispiel an der Covent Garden Oper London, wie auch der Metropolitan Oper New York.


    Eingangs wurde erwähnt, dass als Mayrs Geburtsort mitunter fälschlicherweise Henndorf angegeben wird. Dieser Ort hat heute etwa 5000 Einwohner, ist etwa zwanzig Kilometer von Salzburg entfernt und liegt am Wallersee.
    Dort hatte der Onkel der Brüder Carl und Richard Mayr das »Caspar-Moser-Bräu« besessen, das er seinen beiden Neffen vererbte. Carl war der um zwei Jahre Ältere und hatte an der Kunstgewerbeschule in Wien studiert. Carl führte diesen Gasthof zunächst weiter, machte sich jedoch später einen Namen mit ländlich gestalteten Textilien; die prominenten Künstler und Festspielgäste trugen Henndorfer Dirndl und Bauernhemden.


    Richard wurde als Sangeskünstler immer berühmter und hatte entsprechende Kontakte zu Künstlerkreisen, denen er diese Idylle vor den Toren der Stadt Salzburg schmackhaft machte, was dem Gasthof mächtig Auftrieb gab. Es ist überliefert, dass Richard oft in der alten Gaststube ganz wundervoll sang.
    Auch Carl Zuckmayer hatte mit seiner Familie die Idylle Henndorf entdeckt und gedachte sich hier für immer niederzulassen. Stefan Zweig, Gerhart Hauptmann, Bruno Frank, Thomas Mann, Franz Werfel und die Gattin Alma, Alexander Lernet-Holenia, Thornton Wilder, Erich Maria Remarque ... waren auch da; adäquate Sängerprominenz natürlich auch, Fjodor Schaljapin sang in Zuckmayers »Wiesmühle«...


    Ein Architekt hatte 1934 den Auftrag erhalten für Richard Mayr in Henndorf einen Sommerpavillon zu bauen, aber dieser wurde erst zwei Jahre nach dem Tod von Richard Mayr vollendet. 1917 hatte der Sänger die Schauspielerin Berthe Maria Denk, die ehemalige Verlobte Wedekinds, geheiratet, die noch bis 1974 in Henndorf lebte.


    Anmerkung: Ausführlichere Informationen zum Leben von Richard Mayr findet man im Thread »Der Musiker Gräber« im Beitrag Nr. 579


  • Zum heutigen 150. Todestag von Gioachino Rossini


    Heute vor 150 Jahren starb Gioacchino Rossini in seiner Villa bei Paris an den Folgen einer Darmoperation. Das im Bild gezeigte Häuschen, welches direkt an der Avenue Principale, die vom Haupteingang auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise in den Friedhof hineinführt, nach 150 Metern links des Weges steht, zeigt lediglich Rossinis vorletzte Ruhestätte. 1887 wurden seine Gebeine in die Florentiner Kirche Santa Croce überführt - ins Pantheon der Italiener.


    Gioachino - ursprünglich Giovacchino Antonio Rossini - ist in einer Künstlerfamilie aufgewachsen. Seine Mutter war Sängerin, der Vater spielte Horn und Trompete.


    Die Eltern kommen erst im September 1791 zum Heiraten. Der einzige Sohn Gioachino erhält von seinem Vater früh Unterricht im Cembalospiel. 1806 schrieb er sich am Musiklyzeum in Bologna ein, um seine Kenntnisse zu vertiefen, aber er blieb nur bis 1810 an dieser Institution. Dort entstanden in den folgenden Jahren seine ersten Kompositionen und erste Erfolge stellten sich ein, vor allem mit »Il Signor Bruschino«, »Tancredi« und »L’Italiana in Algeri«. Schon im Alter von zwanzig Jahren wurde er mit der Leitung der renommierten königlichen Theater in Neapel betraut. In erster Ehe ist er mit der spanischen Sängerin Isabella Colbran, die zu den berühmtesten Sängerinnen ihrer Zeit gehörte, verheiratet. 1830 trennte er sich von seiner Frau; die neue große Liebe seines Lebens war die Französin Olympe Pélissier.


    Gioachino Rossini verbrachte einen erheblichen Teil seines Lebens in Frankreich, vorwiegend natürlich in Paris. Im Jahre 1823 hielt er sich vom 9. November bis zum 7. Dezember erstmals in der französischen Metropole auf, um von dort aus nach London weiterzureisen. Im Juli 1824 kehrte er nach Paris zurück, um Kompositionsaufträge abzuschließen. In dieser Zeit übernahm er auch die Leitung des Théâtre Italien; seine Pariser Zeit endete dann zunächst 1829, und damit auch sein Opernschaffen, nämlich mit »Guillaume Tell«. Vordem hatte er 39 Opern geschrieben.


    In den Jahren 1830 bis 1836 hielt sich Rossini zwar auch häufig in Paris auf, aber in dieser Zeit reiste er auch nach Spanien und unternahm ausgedehnte Reisen durch ganz Frankreich. Ein Abstecher nach Bologna ist auch dokumentiert und zu Rothschilds Hochzeit nach Frankfurt am Main musste sich Rossini auch sehen lassen.


    Im Herbst 1836 verließ der Komponist Frankreich, um sich für etwa zwei Jahrzehnte meist in Bologna aufzuhalten, wo er die Direktion des Konservatoriums übernahm; nur den Sommer 1843 verbrachte er krankheitshalber in Paris, eine urologische Erkrankung war der Anlass, wobei Fachleute heute auch noch zusätzlich eine manisch-depressive Psychose vermuten.


    1855 kehrte Rossini als alter kranker Mann nach Paris zurück, es war wohl seine Frau Olympe, die ihn zum Umzug bewogen hatte. Sein Gesundheitszustand besserte sich und er entwickelte neue Aktivitäten und komponierte seit dem Frühjahr 1857 auch wieder. Von seiner Berühmtheit hatte er nichts verloren und musste entsprechend repräsentieren. 1861 bezog er eine für ihn erbaute Villa im Stadtteil Passy am rechten Seineufer, die ihm als Sommersitz diente. Rossinis Salon galt als hervorragende Adresse, die Einladungen waren begehrt und die Presse berichtete darüber, wer sich da so alles traf; 1860 war auch Richard Wagner dort. Die letzte dieser Veranstaltungen fand am 26. September 1868 statt.


    Es war eine große Beerdigung auf dem Le Cimetière du Père-Lachaise, aber der große Italiener ruhte nur noch knappe zwei Jahrzehnte in Paris, dann holte man ihn heim.


    Unter dem Eindruck von Rossinis Tod lud Verdi die zwölf bedeutendsten Komponisten Italiens seiner Zeit ein, sich an der Gemeinschaftskomposition einer Totenmesse für Rossini zu beteiligen, die am ersten Todestag aufgeführt werden sollte. Die »Messa per Rossini« wurde 1869 fertiggestellt, geriet jedoch in Vergessenheit und wurde 1988 erstmals von der Gächinger Kantorei unter der Leitung von Helmuth Rilling aufgeführt.

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    Links an der gelben Wand findet man den Hinweis, dass das der Ehrenplatz eines Musikers ist.


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    Mehr als 40 Jahre lebte der Dirigent Nikolaus Harnoncourt in St. Georgen im Attergau, das eine knappe Autostunde von Salzburg entfernt liegt. Die Gemeinde verlieh ihm 2009 die Ehrenbürgschaft. Rund ein Jahr nach seinem Tod benannte man in einer feierlichen Zeremonie am Freitag den 5. Mai 2017, den Marktplatz in Nikolaus Harnoncourt Platz um. Der Bürgermeiste wünschte sich für die Zukunft des Platzes: »Einen Platz friedlicher Art im Sinne des Namensgebers« und fügt hinzu: »Das Erbe Nikolaus Harnoncourt sorgsam mit Würde und Ehrfurcht im Sinn der Familie zu verwalten.« Nikolaus Harnoncourts Sohn, Dr. Franz Harnoncourt, gab in seiner Rede der Vermutung Ausdruck, dass diese Geste Nikolaus Harnoncourt sehr gefreut hätte.


    Nikolaus Harnoncourt wurde 1929 in Berlin geboren und ist in Graz aufgewachsen. Er war nach dem Cellostudium an der Akademie in Wien zunächst 17 Jahre lang als Cellist bei den Wiener Symphonikern tätig, wo er sogar eine höherrangige Beförderung durch Karajan ablehnte. Nebenbei widmete er sich der historischen Aufführungspraxis von Renaissance- und Barockmusik, die insbesondere in dem 1953 von ihm gegründeten Ensemble »Concentus Musicus« ein Forum erhielt. Als Professor am Salzburger Mozarteum unterrichtete er ab 1972 in den Fächern »Aufführungspraxis und historische Instrumentenkunde«. Harnoncourt machte sich sowohl im symphonischen als auch im musiktheatralischen Genre als Dirigent von zahlreichen Werken der Wiener Klassik und der Romantik bis hin zur Musik des 20. Jahrhunderts einen Namen. Sein Wirken als Dirigent wurde mit zahlreichen Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden honoriert.


    Von 1952 an hatte Harnoncourt - außer mit Furtwängler - fast unter jedem Dirigenten gespielt – selbst noch mit dem alten Kleiber, aber auch unter Strawinsky oder Hindemith. Während seiner Zeit als Orchestermusiker nahmen Gedanken für Alte Musik und die Suche nach alten Musikinstrumenten und deren Handhabung immer mehr Raum ein.

    Durch die Hilfe einer Tante fand die noch zu gründende Familie eine geeignete Wohnung in der Josefstädter Straße in Wien und zog dort mit einem »Handwagerl« im November 1953 ein. Die Harnoncourts lebten einen spartanischen Lebensstil; in der Wohnung fehlten die üblichen Möbel, man musizierte auf Holzkisten sitzend. Die Hauskonzerte - mit zunächst vier Herren und der Dame des Hauses - waren auch für Musiksachverständige interessant geworden, ab Herbst 1954 waren unter den Zuhörern sogar Musikkritiker anwesend und das halbprivate Tun kam durch öffentliche Blätter auch Harnoncourts Vorgesetzten zu Ohren, zum Beispiel, dass sie fast immer nur Kartoffeln und Salat äßen. An höherer Stelle fand man diese Lebensumstände für einen Wiener Symphoniker nicht standesgemäß. Harnoncourt wurde von der Direktion streng angemahnt; man argumentierte, dass ein Symphoniker durchaus in der Lage sei, täglich Fleisch zu essen ...

    Alles verfügbare Geld wurde in die Anschaffung historischer Musikinstrumente gesteckt; sie stöberten auf Dachböden von Klöstern und Kirchen herum; viele dieser Funde bedurften einer mehr oder weniger aufwändigen Restaurierung. Aber auch eine nagelneue und doch alte Flöte aus dem Besitz von Friedrich II. gelangte in die Hände der Harnoncourts.

    Auf diesen historischen Instrumenten, in Originalbesetzung also, spielte der »Concentus Musicus« - Harnoncourt leitete das Geschehen vom Cello oder der Gambe aus - dann Monteverdis »Orfeo« und »Ulisse«, Händels »Messias« und »Jephta«, Bachs »Brandenburgische Konzerte«, die »Hohe Messe« und die »Johannes-Passion«.

    Als am 25. Mai 1957 das restaurierte Schwarzenbergpalais glanzvoll eröffnet wird, tritt »Concentus Musikus« im Kuppelsaal erstmals öffentlich auf. Sie hatten das alles selbst organisiert - für die Plakatierung gesorgt, die Stühle im Saal gestellt und an der Garderobe standen die Frauen der Musiker. Gleich das erste Konzert hatte großen Anklang gefunden und mussten wiederholt werden. Bald saßen die Vertreter der internationalen Schallplattengesellschaften in den Konzerten 1959 entstehen erste Aufnahmen.

    Am Ende einer großen Deutschland-Tournee stellte Nikolaus Harnoncourt 1987 sein Barockcello in die Ecke, um es dann nur noch einmal zum 50-jährigen Jubiläum des »Concentus Musikus« zu spielen.


    Wie oben bereits erwähnt, dirigierte Harnoncourt die relativ kleine Besetzung des »Concentus Musicus« vom Cello aus; erstmals stand er 1972 an der Mailänder Scala vor einem modernen Orchester. Danach dirigierte Harnoncourt

    Spitzenorchester wie das Concertgebouw-Orkest Amsterdam, das Chamber Orchestra of Europe, die Wiener und die
    Berliner Philharmoniker und wurde damit zum Weltstar. Allerdings gibt er erst als Siebenundfünfzigjähriger sein Debüt an der Wiener Staatsoper.


    Als er ab 1973 an der Hochschule Mozarteum in Salzburg »Theorie und Praxis der Alten Musik« unterrichtet, macht das einen Zweitwohnsitz in der Nähe von Salzburg notwendig. Im Salzkammergut fühlte er sich schon in seiner Kindheit wohl, wenn er dort bei Tante und Onkel zu Besuch war, und auch seine Frau Alice hatte dort in der Gegend das Kriegsende erlebt und war mit der Gegend vertraut. Nun entdeckte das Ehepaar Harnoncourt eine knappe Autostunde von Salzburg entfernt einen alten, eigentlich abbruchreifen Pfarrhof; ein Gelegenheitskauf, nur der Grundstückswert ist als Kaufpreis zu entrichten. Aber die Abrissgeräte treten hier nicht in Aktion; die Harnoncourts stecken so viel von dem Grundstück ab, wie sie sich leisten können und gehen an die Arbeit, um das als abbruchreif eingestufte Gemäuer bewohnbar zu machen. Die bei alten Gemäuern ansonsten so gefürchtete Feuchtigkeit scheint ihnen sogar für ihre Instrumente von Vorteil zu sein, denn bisher hatten die Instrumente unter der Trockenheit gelitten. Erst nach dem Kauf stellte sich heraus, dass das festungsartige Gebäude unter Denkmalschutz steht; da sind nämlich Spitzbogenfenster, Kreuzrippengewölbe und ein hölzernes Glockentürmchen. Man versteht es, sich mit Lesezimmer und offenem Kamin urgemütlich einzurichten; es war ursprünglich nicht geplant, dass man dort seinen Lebensmittelpunkt einrichtet, aber es ergibt sich mit der Zeit so, dass man sich in Wien nur noch aufhält, wenn man dort zu tun hat. Zu Gegend und Lebensstil passten auch des Hausherrn karierte Hemden und die beigen Hosen, von welchen er 10 Stück in der gleichen Farbe besaß, so dass es den Anschein hatte als trüge er immer das gleiche Kleidungsstück. Als er mit großen Orchestern arbeitete, riet ihm seine Frau von den karierten Hemden ab und sagte dem Gatten: »Du, das ist eine ästhetische Verfehlung«; er stieg dann auf normale Hemden um.


    Als Nikolaus Harnoncourt sehr viel in Zürich zu tun hat, reift der Gedanke sich auch hier in der Nähe eine Wohnstatt zu schaffen. Zunächst versuchte man es mit einem Appartement, aber dann zog man in ein Haus, das hoch über der Stadt gelegen war, es handelte sich um einen mit Holz verkleideten Bau, alles schlicht gehalten, aber wenn man bei klarer Sicht aus dem Fenster schaute konnte man zwischen Seeblick und Alpenblick wählen. Es war ein ländliches Idyll mit dem Vorteil, dass das Zürcher Opernhaus mit dem Auto in zwanzig Minuten erreichbar war. 1984 hat das Ehepaar die »Schweizerische Niederlassung« erhalten. Seit 1995 musste diese Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr jährlich erneuert werden und ist auch nicht mehr an den Nachweis einer Tätigkeit gebunden.


    Harnoncourts Ästhetik war nicht nur von der historischen Aufführungspraxis inspiriert, sondern intuitiv immer auch gegen die Auffassung Karajans gerichtet. Das Kantige und Raue, das Harnoncourts Aufführungen prägte, und sich von Beginn an auch immer deutlich unterschied von dem, was etwa englischen Alte Musik Dirigenten präsentierten, war eben auch eine Antwort auf Karajans geschmeidige und abgerundete Ästhetik.


    In einem Vorgespräch zu einem im Jahre1970 geplanten »Spiegel«-Gespräch - das dann wegen politischer Großereignisse (Suezkrise) nicht zustande kam - sorgten Gesprächsnotizen für Irritationen. Es gab nämlich dann ersatzweise doch einen Artikel im »Spiegel«, wo Harnoncourt Sätze in den Mund gelegt wurden, die er so nie gesagt hatte. Einer davon lautete: »Ich betrachte Karajan als Genie – im Autofahren.« Tatsächlich hatte Harnoncourt von gemeinsamen Tourneen und von Karajans Auto-Leidenschaft erzählt. Harnoncourt hatte von da an das Gefühl, dass Karajan wohl unversöhnlich wütend auf ihn war – was nach und nach allgemein bekannt wurde. Er schrieb ihm auf Wunsch der Salzburger Festspiele einen Brief und versuchte, die Sache richtig zu stellen. Karajan hatte dann sehr nett geantwortet: Dass er keine Zeitungen liest und dass er Harnoncourt sehr schätzt und seine Arbeit mit großem Interesse verfolgt. Als man bei der nächsten Sitzung der Festspiele eine Opernproduktion mit Harnoncourt vorschlug, soll Karajan gesagt haben: »Solange ich lebe, kommt mir der Mann nicht zu den Festspielen!«

    Als Herbert von Karajan1989 gestorben ist, war für Harnoncourt der Weg zu den Salzburger Festspielen frei. Die »Salzburger Nachrichten« bekunden ihre Genugtuung, dass Harnoncourt »nun endlich auch als Operndirigent in Salzburg in Erscheinung treten darf«, und vermelden einen überwältigenden Erfolg.


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    Noch immer wird sein Andenken in St. Georgen wach gehalten.


    Anmerkung:
    Im Thread »Der Musiker Gräber« wird im Beitrag 593 etwas ausführlicher über das Leben und Wirken von Nikolaus Harnoncourt berichtet.

  • Der Park von Tiefurt und seine Musikerdenkmale


    Als Herzogin Anna Amalia Ende 1782 von einem Besuch des Dessauer Hofes zurückkam, wo sie den großen Park in Wörlitz kennen gelernt hatte, brachte sie eine Menge Ideen mit, welche sie durch eine bedeutende Erweiterung ihres eigenen Sommersitzes verwirklichen wollte; umgehend wurde mit den Arbeiten begonnen, die 1786 abgeschlossen werden konnten. Sie veranlasste zudem die Aufstellung verschiedener Monumente und architektonischer Beigaben. Der Schlosspark von Tiefurt erstreckt sich auf einer Fläche von 21 Hektar zu beiden Seiten der Ilm, das jenseitige Ufer ist über Brücken erreichbar, gewundene Wege erschließen den Park, der im englischen Stil angelegt ist.

    Unweit des kleinen Schlösschens findet man das erste Mozart-Denkmal, das außerhalb seiner Heimat Österreich entstand, man schrieb das Jahr 1799. Es handelt sich um einen Rundaltar mit einer Lyra und zwei Masken, welche die Sinnbilder für Musik, Tragödie und Theater darstellen.


    Das erste Mozart-Denkmal in Deutschland


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    In seinem Buch »MOZART Leben und Musik im Zeitalter der Aufklärung«, stellt Laurenz Lütteken den Park in Tiefurt mit seinem Mozart-Denkmal ausführlich vor und man liest mit einigem Erstaunen den Satz: »Die Werke Mozarts spielten im höfischen Musikleben Weimars zudem eine untergeordnete Rolle«. Weimarer Chronisten berichten da etwas ganz anderes, nämlich dass Mozart um 1800 zu den am meisten gespielten Komponisten gehörte. »Immer wieder«, so heißt es da, »führte man den ›Don Giovanni‹ auf, ›Die Hochzeit des Figaro‹ und ›Cosi fan tutte‹. Die Lieblingsoper der Weimarer aber war ›Die Zauberflöte‹, sie wurde zwischen 1791 und 1817 ganze 82 Mal gespielt«. - Genau dies schreibt Lütteken auch ...

    Zum Denkmal liest man unter anderem auch diese Gedanken:

    »In der Verbindung von Kunst und Natur, die doch den gesamten Tiefurter Park prägt, wird ein organischer Kunstbegriff reklamiert, als dessen spektakulärer Vertreter nun Mozart erscheint. Damit ist das Denkmal auch ein Monument der Selbstvergewisserung, aber mit Perspektiven weit darüber hinaus«.


    Ein Gedenken an Corona Schröter

    Älter als das Mozart-Denkmal ist eine Ehrentafel für einen Gesangsstar am Weimarer Hof. Unweit des Mozart-Denkmals, auf der anderen Seite der Ilm, befindet sich ein idyllisches Plätzchen mit einer Bank, über der sich eine Inschrift befindet, die Goethe bereits 1782 zu Ehren der von ihm vergötterten Hofsängerin Corona Schröter entworfen hatte.

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    Die Erstfassung des Textes sandte der Dichter an Charlotte von Stein: »Der Nachtigall. Dich hat Amor gewiß o Sängerinn fütternd erzogen / Kindisch reichte der Gott dir mit dem Pfeile die Kost / Damals saugtest du schlürpfend den Gifft in die liebliche Kehle / Denn wie Cypriens Sohn trifft Philomele das Herz.«


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    Zwei Jahre später fügte man oberhalb der Tafel noch die Figur Amors hinzu, der eine Nachtigall füttert. Der Entwurf stammt von Adam Friedrich Oeser, einem Künstler, bei dem sowohl Goethe als auch Corona Schröter sich einst in der Zeichenkunst unterrichten ließen.


    Die Fürstin Anna Amalia hatte am Abend des 22. Juli 1762 ein ausgewähltes Publikum in den Tiefurter Park geladen. Am Ufer der Ilm fand die Uraufführung von Goethes Singspiel »Die Fischerin« statt; die Vertonung stammt von Corona Schröter, welche an diesem Abend auch die Fischertochter Dortchen sang; erstmals hört man - Dortchen bei ihrer Arbeit singend - den von Schröter vertonten Text des »Erlkönig«; Goethe hatte die von Herder adaptierte Ballade auf diese Weise in das Stück eingebaut. Durch eine raffinierte Beleuchtungsszenerie mit Hell-Dunkel-Kontrasten soll die Szene sehr beeindruckend gewesen sein.


    Praktische Hinweise:
    Vom Mozart-Denkmal bis zu der Bank mit Inschrift und Amor ist es normalerweise nicht weit, wenn man die nahe liegende Schafbrücke benutzen kann, die zurzeit noch wegen Bauarbeiten gesperrt ist, aber ab Sommer 2019 wieder begehbar sein soll; bis dahin muss die Salonbrücke zur Überquerung der Ilm benutzt werden.


    Adresse: Schloss und Park Tiefurt: 99425 Weimar-Tiefurt, Hauptstraße 14


    Anmerkung: Weiter gehende Ausführungen zu Corona Schröter findet man unter »Der Musiker Gräber« im Beitrag Nr. 595


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    Diese alte Ansichtskarte zeigt das ursprüngliche Denkmal im Geburtsort der Sängerin


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    In dieser Form wird sei 2015 in Guben der berühmten Tochter der Stadt gedacht

    Ansprache von Andreas Peter zur Einweihung des rekonstruierten Corona-Schröter-Denkmals am 20. Mai 2015 auf der Theaterinsel

    „Der Mai, das ist ein Monat, wie wir ihn gerne seh‘n, denn da gibt es Tage,

    an denen Wunder gescheh‘n.“

    Vor einem dieser Wunder stehen wir hier heute, liebe Gäste. Am 20. Mai 1905 – genau vor 110 Jahren – wurde dieses Denkmal der Öffentlichkeit übergeben. Es war damals schon ein ganz besonderes Denkmal, hatten doch gekrönte Häupter Europas zu seiner Finanzierung beigetragen. Ja, Sie haben richtig gehört und bitte lassen Sie das in seiner Bedeutung auf sich wirken: Keine Geringeren als Kaiser Franz Joseph von Österreich und das damalige schwedische Königspaar gehörten mit zu jenen, die Geld spendeten, damit der vielseitig talentierten Corona Schröter aus Guben in ihrer Geburtsstadt ein Denkmal erstehen konnte.

    Der Weg bis zur Einweihung erwies sich jedoch als sehr lang, denn die Idee dazu entstand bereits 1878, wie ein Aufruf in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ in jenem Jahr zeigt. Dies war mir bewusst, als ich Anfang Januar 2011 zu Spenden für die Rekonstruktion des Denkmals aufrief.

    Nun sind nicht mal viereinhalb Jahre vergangen und es wird heute hier der Öffentlichkeit übergeben. Und wieder ist es ein ganz besonderes Denkmal, eines das wiederum ganz allein aus privaten Spenden finanziert wurde. Allen, die dabei mit kleineren oder auch etwas größeren Beträgen geholfen haben, danke ich an dieser Stelle ganz herzlich für ihr Engagement!

    So waren dafür keinerlei öffentliche Fördermittel erforderlich.

    Dieses Denkmal entstand in deutsch-polnischer Zusammenarbeit – das ist umso bemerkenswerter, da es genau 70 Jahre her ist, als das Denkmal und mit ihm die Stadt in Schutt und Trümmer sanken und sich Deutsche und Polen in tödlicher Feindschaft gegenüber standen.

    Wir sind also noch immer dabei, Kriegsschäden zu beseitigen – nach 70 Jahren!

    Es ist auch deswegen ein besonderes Denkmal, weil es seine eigene Geschichte, seine Narben und Wunden, nicht hinter einem neuen Anstrich versteckt, sondern dem Betrachter ohne Scheu vor Augen hält: Schau mich an – das haben mir Menschen angetan!

    Wiedererstanden ist die einstmals im Sockel eingelassen gewesene Inschrift mit einem Vers von Goethe: „Es gönnten ihr die Musen jede Gunst und die Natur erschuf in ihr die Kunst.“ Diesmal in deutscher und polnischer Sprache. Ein zweiter Vers von Goethe ziert das Denkmal, ein Vers, der das Schicksal dieser Stadt in wenigen Worten zusammenfasst: „Manches Herrliche der Welt ist in Krieg und Streit zerronnen, wer beschützet und erhält, hat das schönste Los gewonnen.“

    Dieser Vers ist viel mehr als Poesie, er ist die Aufforderung, diese Stadt, ihre beiden Teile rechts und links der Neiße, mitzugestalten – jeder in dem Bereich, der ihm am vertrautesten ist! Als der Fischmännchenbrunnen vor zwei Jahren nach Guben zurückkehrte, begrüßte ihn ein Gedicht. In der letzten Strophe heißt es da: „Er will uns dran erinnern, wie schön es einst hier war – und auch wieder sein kann, wenn wir nur woll‘n, nicht wahr!“

    Damit ist alles gesagt: Woll‘n wir, oder woll‘n wir nicht?! Wollen wir uns wirklich damit begnügen, dass es hier günstig Benzin und Zigaretten zu kaufen gibt? Belassen wir es beim Lamentieren über den Wegzug so vieler Menschen oder über falsche Entscheidungen von „denen da oben“, oder machen wir unsere Doppelstadt gemeinsam wieder zur „Perle der Niederlausitz“ wie sie früher voller Stolz genannt wurde?! Wir haben es in unserer Hand! Wir alle sind Guben und Gubin!

    Gern schaut man sich die alten Bilder von der Blütezeit der Obstbäume und der Stadt von vor 1933 an. Oft höre ich dann: Das war ja schön hier. Aber schade, dass es das alles nicht mehr gibt. Ja, das ist wirklich sehr schade! Aber es kann doch auch Neues entstehen!

    Jetzt gibt es dieses Denkmal wieder und seit 2012 gibt jenes an der Stelle ihres Geburtshauses. Und Corona Schröter hat es mehr als verdient!

    Sie war eine emanzipierte, eigenständige Künstlerin, die uns auch heute noch viel zu sagen hat: Nämlich, dass man mit den Talenten und Fähigkeiten, die einem gegeben sind und die man erweitert und ausbaut, überall Anerkennung finden kann, egal in welcher Stadt oder in welchem Land. Schließlich ging die Familie Schröter von Guben nach Warschau und Corona begeisterte danach ihr Publikum in Leipzig und Weimar! Ihr Bruder Johann Samuel in London!

    Dass es ihr als schlichtem Mädchen aus Guben gelang, im erlauchten Kreis der Weimarer Klassik Aufnahme und Anerkennung, ja Bewunderung zu erfahren, hält uns vor Augen, welche Möglichkeiten dem gegeben sind, der sich ernsthaft den schönen Künsten widmet. Eben haben sie die Schüler der Gubener Musikschule „Johann Crüger“ gehört, so können wir gewiss sein, dass sie - vielleicht ohne es zu wissen oder daran zu denken – sich auf den Spuren von Corona Schröter befinden. Sie tragen auf ihre Weise den Namen unserer Stadt in die Welt, als einer Stadt, die im wahrsten Sinne des Wortes einen guten Klang hat.

    Die Bronzebüste, einst geschaffen vom Bildhauer Karl Donndorf aus Stuttgart, fehlt – leider! Doch das Porträt der Corona schaut uns freundlich an. Sie steht nicht mehr auf hohem Sockel, sondern ist jetzt mitten unter uns, bei uns. Nehmen wir sie freundlich auf und sorgen gemeinsam dafür, dass ihr Denkmal diesmal länger besteht als 40 Jahre!

    Ich danke dem Gubiner Bürgermeister Bartczak und der Gubener Stadtverwaltung für die Unterstützung meines Vorhabens. Dem Steinmetzmeister Glockann aus Guben und dem Steinmetz Czeslaw Janczura aus Gubin danke ich für ihre gelungene Arbeit! Allen Gästen soll ich herzliche Grüße von der Schriftstellerin Rosemarie Schuder aus Berlin ausrichten, mit der unser gemeinsames Buch „Goethes schöne Krone – Corona Schröter und ihr Denkmal in Guben“ entstand!

    Wie Sie sehen, fallen Wunder nicht vom Himmel, sondern Menschen vollbringen mit ihren Ideen und Händen Wunder. Seien Sie mit dabei und aus vielen kleinen Wundern entsteht eine wundervolle Stadt!


    Guben, den 20. Mai 2015 – Andreas Peter


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    Die Rechte an den Bildern hat der »Niederlausitzer Verlag, Guben«, der sie freundlicherweise für diesen Beitrag zur Verfügung stellte.








  • Zum heutigen 150. Todestag von Hector Berlioz


    Hector Berlioz im Badischen - Baden-Baden und Karlsruhe


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    Die Bronze-Büste von Hector Berlioz wurde - fast im Schatten des 1998 eröffneten neuen Festspielhauses - im Jahr 2005 hier aufgestellt. Schon 2003, zum 200. Geburtstag des Komponisten, hatte der Platz den Namen Hector-Berlioz-Anlage erhalten.


    Berlioz hatte eine vieljährige Beziehung zu Baden-Baden, den Annalen ist zu entnehmen, dass Berlioz zwischen 1853 und 1863 insgesamt neun Mal eingeladen wurde, um seine Musik und die Klassiker der Musikgeschichte vorzustellen. Auch im nur 40 Kilometer entfernten Karlsruhe wurde Spektakuläres für Berlioz´ Werk getan, allerdings war es ihm nicht vergönnt, das noch zu erleben.


    Berlioz war im 19. Jahrhundert ein eher unbeachteter Außenseiter in der Musikwelt, auf den der Spruch zutraf, dass der Prophet im eigenen Land wenig gilt. Geschätzter war er eigentlich in Deutschland, wobei Baden-Baden eine besondere Rolle einnahm. Als ranghöchsten Kurgast begrüßte man hier über viele Jahre Kaiser Wilhelm I., der als Prinz, König und Kaiser immer wieder hier weilte und natürlich entsprechendes Publikum anzog. Musikalische Darbietungen benötigen ja ein bestimmtes Umfeld, um sich präsentieren zu können. 1810 suchte der junge Carl Maria von Weber hier zwar noch verzweifelt und erfolglos einen Konzertflügel und musste sich dann mit der Gitarre begnügen, aber in Baden-Baden wurde es diesbezüglich im Laufe der Jahre besser. 1817 kam Louis Spohr in seiner Eigenschaft als berühmter Geiger in die Stadt und 1830 trat Niccoló Paganini in Baden-Baden auf; 1840 hatte Franz Liszt hier sein erstes Konzert, dem mehr als ein Dutzend weitere Auftritte folgten.1844 schaute auch Albert Lortzing hier vorbei.


    Am 11. August 1852 dirigierte Hector Berlioz in Baden-Baden erstmals eines seiner großen Konzerte mit weit über 100 Mitwirkenden - und Berlioz soll auch erstmals von einem »Festival« gesprochen haben. Der Begriff ist keine Hochstapelei - Charles Gounod präsentiert hier die Uraufführung seiner Oper »La Colombe«, immerhin sechs Jahre bevor das Stück in Paris aufgeführt wurde. 1859 dirigierte Berlioz in Baden-Baden Teile seines Werkes »La Damnation«, als Solistin wirkt Pauline Viardot Garcia mit, die zu dieser Zeit das kulturelle Leben in der Stadt wesentlich beeinflusste und schließlich auch Clara Schumann in die Stadt an der Oos lockt - man kann hier nicht alle Musiker und sonstige Berühmtheiten nennen, es soll nur etwas die Situation beleuchten, in der Berlioz hier wirkte. Unter der Ägide der Bénazets (Vater und Sohn), welche die Spielbank betrieben, wurde viel Geld in die Kultur investiert und Edouard Bénazet sorgte schließlich dafür, dass auch wieder ein Theater an den Ort kam, nachdem man für den Zeitraum von acht Jahren auf ein solches verzichten musste. Unter dem Einfluss von Edouard Bénazet entstand ein Theater, das am 6. August 1862 mit Conradin Kreutzers Oper »Das Nachtlager in Granada» durch die Karlsruher Hofbühne eingeweiht wurde, diese Hofbühne spielte dann übrigens für Berlioz´ Werk noch eine bedeutende Rolle, als der Komponist längst gestorben war. Zur Einweihung des neuen Hauses hatte Edouard Bénazet bei Berlioz eine neue Oper in Auftrag gegeben, die in dem neuen Haus uraufgeführt werden sollte, das Werk hieß »Béatrice et Bénédict« und wurde durch französische Künstler am 9. August 1862 unter der Leitung des Komponisten aus der Taufe gehoben. Das Libretto hatte Berlioz selbst verfasst, wobei er Shakespeares »Viel Lärm um nichts« als Vorlage benutzte. Berichten zufolge sollen die Komponisten-Kollegen Georges Bizet, Charles Gounod und Giaccomo Meyerbeer zu der Aufführung in Baden-Baden gewesen sein. Die neue Oper wurde damals flugs ins Deutsche übersetzt und in dieser Form im April 1863 auch in Weimar aufgeführt.


    Für viele Jahre galt die Regelung, dass die Hofoper Karlsruhe jede Woche ein Gastspiel im neuen Theater in Baden-Baden gibt. Das Karlsruher Hoftheater kann sich auch rühmen Berlioz´ spektakulärstes Werk erstmals aufgeführt zu haben; die treibende Kraft war der Dirigent und Wagner-Spezialist Felix Mottl. Es handelt sich um die Oper »Die Trojaner«, heutzutage als »Les Troyens« bekannt. Berlioz hatte an seinem gewaltigen Werk dichterisch und musikalisch von 1851 bis 1858 gearbeitet und es der Prinzessin Carolyne von Sayn-Wittgenstein, der Lebensgefährtin von Franz Liszt, gewidmet, die dem Stück auch einiges mitgegeben hatte. Obwohl Berlioz persönlich bei Napoleon III. vorstellig wurde und ihm das Libretto übergab, konnte er nicht erreichen, dass seine Oper zu seinen Lebzeiten aufgeführt wurde. Es kam lediglich zu einer verstümmelten Aufführung der drei letzten Akte; das war am 4. November 1863 am Pariser Théatrelyrique. 27 Jahre nach dieser Pariser Teilaufführung und 21 Jahre nach dem Tod des Komponisten, wagte es Felix Mottl das gewaltige Werk am Großherzoglichen Hoftheater zu Karlsruhe erstmals zur Gänze aus der Taufe zu heben. Wegen der außergewöhnlichen Länge von insgesamt mehr als sechs Stunden Spielzeit hatte man sich zunächst entschlossen die Aufführung auf zwei Abende zu verteilen, was vom Opernkonzept her auch gut möglich ist. »Die Einnahme von Troya« (I. und II. Akt) und »Die Troyaner in Karthago« (III., IV., V. Akt) wurden auf die Tage des 6. und 7. Dezember 1890 verteilt. Aber bei einer späteren Wiederholung schaffte man es tatsächlich das monumentale Werk dem Publikum an einem Tag, nämlich mittags und abends darzubieten; dazwischen gab es eine großzügig bemessene Pause. Im Vorfeld zu dieser Uraufführung waren in Karlsruhe andere Werke von Berlioz aufgeführt worden, sodass das Karlsruher Orchester nebst Ensemble mit Berlioz` eigenwilligem Stil vertraut war. Die Karlsruher Theaterleitung stellte ihr Licht nicht unter den Scheffel, sonder lud die Intendanten und Hofkapellmeister der größten deutschen Theater ein. Auch viele bekannte Dirigenten hatten ihren Besuch angesagt, darunter Richard Strauss und Felix von Weingartner, sowie die Komponisten Engelbert Humperdinck und André Messager. Daneben schickten mehrere Zeitungen aus Frankreich und England ihre Korrespondenten, die in der Regel positiv von diesem Ereignis berichteten. »La Gaulois« aus Paris schrieb etwas erstaunt und beeindruckt, dass der große französische Meister zum ersten Male derart geehrt worden sei - und das in Deutschland! »Die Troyaner« standen noch für einige Jahre auf dem Spielplan des Karlsruher Theaters. Und Mottl wirkte noch weiter mit der Präsentation des französischen Komponisten; im November 1893 gab es gar eine Berlioz-Woche mit fünf Aufführungen: »Benvenuto Cellini« - »Beatrice und Benedict« - »Symphoniekonzert mit Orchesterwerken und Liedern« - »Die Einnahme von Troya« - »Die Troyaner in Karthago«. Das war damals auch für die »Neue Musikzeitung« berichtenswert, die feststellte, dass Felix Mottl der einzige Kapellmeister sei, der sämtliche Opern von Berlioz im Repertoire habe, und es heißt wörtlich: »Jetzt hat er es unternommen, dieselben in chronologischer Reihenfolge vorzuführen!«. Und Mottl setzte da noch eins drauf. Am 5. Dezember 1900 brachte er im Symphoniekonzert zum ersten Mal Berlioz´ »Romeo und Julia«, und zwar die vollständige, sechzig Minuten dauernde »Dramatische Symphonie nach Shakespeare«.


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    Noch heute weist diese Tafel am Theater in Baden-Baden auf die große Vergangenheit hin.

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    Etwas umfangreicher wird im Thread »Der Musiker Gräber« (Beitrag 604) über das Lebenvon Hector Berlioz berichtet.

  • Joseph Martin Kraus (1756-1792) - Die Ehrenplätze des Komponisten im Odenwald


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    Das Geburtshaus des Komponisten - am rechten Eck der Fassade weist eine Inschrift darauf hin.


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    In diesem 1750 erbauten Haus, an dem der Übergang vom Barock zum Rokoko ablesbar ist, wurde Joseph Martin Kraus am 20. Juni 1756 in Miltenberg am Main geboren. Nur ein paar Monate früher in diesem Jahr, kam in Salzburg ein anderer großer Musiker zur Welt, dessen Name heute weit bekannter ist, als der des Komponisten Joseph Martin Kraus, Wolfgang Amadeus Mozart. Obwohl Kraus in Europa weit herumreiste, sind sich die beiden Herren vermutlich nie begegnet.


    Das Kraus-Geburtshaus ist nicht weit vom Mainufer entfernt, wo die Schiffe anlegen und sich die Autoparkplätze befinden. Von hier aus überquert man die parallel zum Fluss verlaufende Straße und erreicht nach wenigen Schritten den Marktplatz, in dessen unmittelbarer Nähe sich das stattliche Geburtshaus befindet. Das Haus ist nicht als Museum oder Gedenkstätte eingerichtet, aber vor dem Haus steht seit 2006 ein aus Bronze gefertigtes Denkmal, das der Fremdenverkehrsverein anlässlich des 250. Geburtstages von Joseph Martin Kraus stiftete.


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    Der Vater des Komponisten, Joseph Bernhard Kraus, war Kurmainzer Beamter, und so ergab es sich, dass die Familie in das etwa zwölf Kilometer entfernte Amorbach übersiedelte, wo der Vater Stadtschreiber war und der kleine Kraus die ersten drei Jahre seiner Kindheit verbrachte. Die Stellung des Vaters brachte es mit sich, dass man schon 1761 weiterzog, über Osterburken nach Buchen.


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    Bezirksmuseum Buchen, Kellereistraße 25 / 29, 74722 Buchen
    Hier ist eine recht informative Gedenkstätte in verschiedenen Räumen eingeroichtet.


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    Ein Hinweis an der Fassade des Museums


    Ein kleiner optischer Eindruck von den Innenräumen ...


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    Buchen im Odenwald, wo der junge Kraus seine eigentliche Kinder- und Jugendzeit verbrachte, liegt etwa dreißig Kilometer von seinem Geburtsort Miltenberg entfernt. In Buchen besuchte der Knabe die Schule, wo bereits seine Lehrer an der Lateinschule entdeckten, dass bei dem Jungen eine ausgeprägte musikalische Begabung vorhanden war. Kantor Wendler und Rektor Pfister förderten ihren Schüler im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Ab 1768 besuchte Joseph Martin Kraus das Jesuitengymnasium in Mannheim, das, wenn man übers Land fährt, etwa 90 Kilometer von Buchen entfernt ist, was bedeutete, dass er von seiner Familie getrennt war.

    Hier erlebte der aus dem hintersten Odenwald kommende Junge eine für ihn neue Welt, die seinen musikalischen Interessen sehr entgegenkam, weil die »Mannheimer Schule« unter Musikfachleuten in Europa damals einen sehr guten Ruf hatte, so dass sich auch Leopold Mozart und sein Sohn dafür interessierten. Aber obwohl Martin Kraus in seiner Gymnasialzeit das Musikseminar - Seminarium musicum - besuchte, riet sein sich in der Verwaltungshierarchie auskennender Vater zu einem Jurastudium; väterlicher Rat hatte in diesen Zeiten noch einiges Gewicht. Also studiert er ab 1773 an der Universität Mainz Jura, um recht bald seinen Studienplatz nach Erfurt zu verlegen, wo er sich schon mehr der Musik und Literatur zuwendete.


    Jäh unterbricht er 1775 seine Studien, als sein Vater mit einem Verleumdungsprozess gegen sich in ernsthafte Schwierigkeiten gerät; als des Sohnes Fürsprachen für den Vater keinen Erfolg haben, wird das in Martins Mannheimer Zeit geprägte Weltbild erschüttert und seine Einstellung zu Staat und Gesellschaft ändert sich grundlegend.

    Als er während des laufenden Prozesses zu Hause weilt, sind die Eltern entsetzt, dass sich ihr Sohn im Garten die Zeit mit der Dressur von Hunden vertreibt, aber es ist auch zu vermerken, dass in dieser Buchener Zeit fast sein gesamtes kirchenmusikalisches Werk entstand, unter anderem auch das Requiem d-moll.


    Nachdem sich 1776 für den Vater ein günstiger Prozessverlauf abzeichnete, konnte Joseph Martin Kraus sein Jurastudium fortsetzen, wählte nun aber den Studienort Göttingen. Er schreibt eifrig Briefe an seine Eltern, in denen mal mehr oder weniger verklausuliert von fehlendem Geld die Rede ist. Dass dem Studenten solches mitunter fehlte hatte zum Beispiel auch damit zu tun, dass er sich eine goldene Taschenuhr leistete, die dann oft im Pfandhaus zeigte, was die Stunde geschlagen hatte. Im September 1777 sendet er den Eltern seinen Schattenriss, der im Wesentlichen auch als Orientierungspunkt für die Miltenberger Bronzefigur diente.


    Gegen den Willen seiner Eltern bricht der Jurastudent Kraus sein Studium ab und führt sowohl musikalische als auch politische Gründe ins Feld. Seine persönliche Freiheit und Selbstverwirklichung sind ihm wichtiger geworden als eine sichere Existenz in der öffentlichen Verwaltung. Von ihm ist die Aussage überliefert, dass er lieber darben wolle, als Despoten die Füße zu lecken; das damals absolutistisch geprägte Deutschland war ihm suspekt.

    Es hatte sich offenbar bis Göttingen herumgesprochen, dass diesbezüglich in Schweden zu ganz anderen Bedingungen gelebt werden konnte, zumal was das Künstlerische betraf, herrschten am schwedischen Königshof unter dem kunstsinnigen Gustav III. scheinbar ideale Bedingungen. Als er am 3. Juni 1778 in Stockholm eintraf, bemerkte er recht schnell, dass ein Neuankömmling auch hier nicht gleich die erste Geige spielen konnte und es ging ihm finanziell miserabel, so dass die fernen Eltern dem verhinderten Juristen unter die Arme greifen mussten.

    Nachdem er für etwa drei Jahre am eigenen Leib erfahren konnte was darben heißt, aber in dieser Zeit kompositorisch auch recht fleißig gearbeitet hatte, wurde man in Stockholm auf den jungen Musiker aufmerksam, so dass er Mitglied der Königlich-Schwedischen Musikakademie wird. Die von ihm komponierte einaktige Oper »Proserpin«, die auf einem Entwurf von König Gustav III. basiert, und am 1. Juni 1781 uraufgeführt wird, findet allgemeinen Beifall und Kraus wird Hofkapellmeister. Im Oktober 1782 begibt sich Kraus im Auftrag seines Königs auf eine vierjährige Bildungsreise durch Europa. Gustav III. erhofft sich von dieser ausgedehnten Reise, dass Kraus reich beladen mit neuen Eindrücken nach Stockholm zurückkehrt, um das Theater mit neuen Ideen zu befruchten. Kraus kommt immerhin bis Neapel; besucht in Wien Christoph Willibald von Gluck und begegnet Haydn, dem er seine c-moll Sinfonie widmet.


    Im Winter 1782/83 besucht er seine Familie und Freunde in Amorbach und kommt 1786 letztmals in seine odenwälder Heimat. Mit seinen in den wichtigsten europäischen Musikzentren gesammelten Erfahrungen ist es ihm möglich, zum wichtigsten schwedischen Musikrepräsentanten aufzusteigen. Aber er kann sich dieser Position nicht sehr lange erfreuen, denn sein großer Förderer und Gönner, Gustav III., wird am 16. März 1792 bei einem Attentat schwer verletzt und stirbt 13 Tage später an den Folgen seiner Verletzungen. Joseph Martin Kraus bleibt nur noch die Pflicht für die Trauerfeier seines verehrten Monarchen eine Trauersinfonie und eine Trauerkantate zu komponieren. Ob Kraus ahnt, dass er seinem König noch im gleichen Jahr folgen wird? schon seit seiner Studentenzeit in Deutschland ist Kraus lungenkrank. Im Alter von nur 36 Jahren stirbt Joseph Martin Kraus am 15. Dezember1792 und findet sein Grab in Tivoli bei Stockholm.


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    In Buchen gibt es - nur wenige Schritte vom Bezirksmuseum entfernt - einen Joseph-Martin-Kraus-Platz mit einem Brunnen. Die Brunnenfigur entstand nach einem Entwurf des Künstlers Bernhard Krauß aus München, einem Nachfahren der Familie des Komponisten; die Verwandten schreiben sich inzwischen Krauß. 

    Anmerkung:

    Im Thread »Der Musiker Gräber« ist - im Beitrag Nr. 615 - das Leben von Joseph Martin Kraus etwas ausführlicher beschrieben.

  • Das Franz-Liszt-Museum in Bayreuth - zum heutigen Todestag von Franz Liszt


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    Es ist ein authentisches Museum, nämlich das Sterbehaus von Franz Liszt - in unmittelbarer Nachbarschaft des Richard-Wagner-Museums im Haus Wahnfried. Das Franz Liszt gewidmete Museum wurde im Herbst 1993 eröffnet und zeigt in fünf Räumen das Leben, Schaffen und Sterben von Franz Liszt in eindrucksvoller Weise.


    Raum 1: Kindheit / Jugend / Paris - Genf - Wanderjahre / Liszt und Chopin

    Raum 2: Liszt und Schubert

    Raum 3: Virtuosenjahre

    Raum 4: Hofkapellmeister in Weimar / Rom - Weimar - Budapest / Tod in Bayreuth

    Raum 5: Franz Liszt und Richard Wagner / Franz Liszt Kinder / Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein / Liszts Schüler


    Franz Liszt war zu seiner Zeit so eine Art Superstar, wie man heute sagen würde. Er füllte große Säle und bot seinem Publikum spektakuläre Kunst dar; um deutlich zu machen, was damit gemeint ist, sei von einem Konzert erzählt, das in Wien stattfand. Im Publikum saßen auch Leute, die außergewöhnlich viel vom Klavierspiel verstanden, nämlich die achtzehnjährige Clara Wieck mit ihrem Vater. Liszt spielte in diesem Konzert drei Flügel kaputt - sein Spiel war artistisch genial und der Beifall ungeheuer, er wusste sich stets gut in Szene zu setzen.


    Aber es gab da auch noch den Komponisten Franz Liszt, der seiner Zeit weit voraus geeilt war und deshalb, zum Beispiel in seinem Spätwerk, oft nicht verstanden wurde. Auch dass sich Liszts berühmter Schwiegersohn gelegentlich Anleihen beim Vater seiner Gattin nahm, ist heute kein Geheimnis mehr; Simon Rattle meinte einmal in einer Podiumsdiskussion: »Wenn man die ›Walküre‹ kennt, dann ist es ein Schock, Liszts ›Faust-Sinfonie‹ kennen zu lernen und zu hören, wie viel Wagner daraus gestohlen hat.«


    Als Liszt 1848 mit seiner Geliebten Carolyne von Sayn-Wittgenstein nach Weimar kam, mochte er nicht weiter von Ort zu Ort hetzen, um Geld zu verdienen, und durch die opulente finanzielle Ausstattung der Fürstin war das auch nicht mehr notwendig. Carolyne war Franz Liszt - der zwar auch nicht schlecht verdient hatte und seinem Schwiegersohn oft finanziell aushalf - nicht nur monetär, sondern auch an Bildung überlegen und verstand es mit einer gewissen Dominanz Liszt immer wieder mit erheblichem Nachdruck zum Komponieren anzuregen; ihr hat die Nachwelt viele Liszt-Kompositionen zu verdanken. Die angestrebte Heirat Carolynes mit Liszt ließ sich nicht in die Tat umsetzen. Dass von den vielen Frauen in Liszts Leben hier nur Carolyne von Sayn-Wittgenstein erwähnt wird ist dem Umstand geschuldet, dass sie es war, die aus Franz Liszt einen Komponisten machte ...


    Richard Wagner, der Liszt 1842 erstmals in Paris persönlich kennenlernte, erhielt von seinem Schwiegervater nicht nur finanzielle Unterstützung; Liszt förderte auch Wagners Musik wo immer er es konnte. Bei ihrer ersten Begegnung war Liszt längst ein berühmter Mann, was man von Wagner zu diesem Zeitpunkt so noch nicht sagen konnte, erst im Oktober dieses Jahres wurde seine Oper »Rienzi« erfolgreich aus der Taufe gehoben. Damals war keineswegs abzusehen, dass es zwischen den beiden Männern einmal zu einer verwandtschaftlichen Beziehung kommt, Liszts Tochter Cosima war da gerade einmal vier Jahre alt, und um spätere Vorgänge besser verstehen zu können, muss man hier einfügen, dass Liszt kein guter Vater war, sondern lediglich Erzeuger. Gelegentlich hat er zwar mal Briefe, welche ihm seine Kinder schrieben, korrigiert zurückgeschickt, aber sonst war da nicht viel. Allerdings wurde Cosimas Vater tätig als diese ins heiratsfähige Alter kam und er sie, der besseren Heiratschancen wegen, von Frankreich nach Deutschland holte.


    Aber Kinder gehen ihre eigenen Wege, so auch die Liszt-Tochter Cosima. Über den Umweg einer kurzen ersten Ehe mit Hans von Bülow fand sie nun Gefallen an dem verheirateten Komponisten Richard Wagner, der 24 Jahre älter war. Über einige Turbulenzen hinweg wurde im August 1870 die Ehe geschlossen; gemeinsame Kinder waren schon vorher da. Cosima brachte fünf Kinder mit in die Ehe, zwei Töchter von Hans von Bülow, Daniela und Blandine und Wagners Töchter Isolde - die später von ihrer Mutter praktisch verstoßen wurde - und Eva, sowie Sohn Siegfried.


    Die ersten Festspiele fanden 1876 statt; bei einem großen Bankett erhob sich Richard Wagner, wandte sich seinem Schwiegervater zu und sagte: »Hier ist derjenige, welcher mir zuerst den Glauben entgegengetragen , als noch keiner etwas von mir wusste, und ohne den Sie heute vielleicht keine Note von mir gehört haben würden, mein lieber Freund - Franz Liszt.« Im November 1882 dann eine ganz andere Situation, welche durch Cosimas Tagebuch überliefert ist, wo es heißt:»Am späten Abend, wie wir alleine sind, ergeht sich R. über die jüngsten Kompositionen meines Vaters, er muss sie durchaus sinnlos finden und drückt das eingehend und scharf aus.«


    Als Richard Wagner 1883 stirbt, ist Cosima Wagner 46 Jahre alt; Die Festspiele 1882 hatten noch unter Richard Wagners Leitung stattgefunden, da war auch Franz Liszt vor Ort. Nun, nach dem Tod ihres Gatten, läuft Cosima zur Hochform auf, indem sie den Meister zum Halbgott hochstilisiert und die Festspiele im dynastischen Prinzip weiterführt und so für die Familie rettet, auch wenn es Unterbrechungen gab. Unter ihrer Leitung und Regie rekonstruierte sie penibel die Münchner Uraufführung von »Tristan und Isolde« im Jahre 1865 und damit war der berühmte Bayreuther Stil geboren; das war die Situation 1886.


    In London, Paris und anderswo hatte Liszt im Frühjahr 1886 noch große Erfolge und wurde begeistert gefeiert; sein früheres Wirken hatte Spuren hinterlassen, er war immer noch eine Attraktion - auch in Bayreuth, allerdings mit Einschränkung; seinem Schüler August Göllerich hatte er gesagt: »Nein, diesmal gehe ich nicht hin, ich habe es satt, als Pudel aufzuwarten«.


    Nun ergab sich jedoch eine völlig neue Situation, als am 18. Mai überraschend seine Tochter Cosima in Weimar auftauchte, um ihrem Vater mitzuteilen, dass seine Enkelin Daniela im Sommer heiratet und dass sie es schön fände, wenn er als Ehrengast an den Feierlichkeiten teilnehmen könne. Im Anschluss an die Hochzeitsfeierlichkeiten könnte er dann auch noch bis zu den Festspielen in Bayreuth verweilen. Neben »Parsifal« sollte 1886 erstmals »Tristan und Isolde« im Bayreuther Festspielhaus aufgeführt werden. Am 1. Juni traf Liszt in Bayreuth ein, wo Cosima doppeltem Stress ausgesetzt war, weil sowohl Hochzeit als auch die Festspiele vorzubereiten waren. Diese Hochzeit war für die ganze Stadt ein vielbeachtetes Ereignis mit viel Prominenz, aber der Brautvater war nicht anwesend und meinte vielsagend: »Gott gebe der dritten. Generation weniger Unheil im häuslichen Leben«.


    Liszt blieb jedoch nicht in Bayreuth, wie es Cosima vorgeschlagen hatte, sondern reiste schon einen Tag nach der Hochzeit Richtung Luxemburg ab, wo er am 5. Juli mit der Bahn eintraf und von seinem Schüler Stavenhagen erwartet wurde. Die beiden hatten vom Bahnhof aus noch eine relativ beschwerliche Reise nach dem etwa 40 Kilometer entfernten Schloss Colpach im Westen Luxemburgs zu absolvieren, wo Liszt seinen Landsmann, den Maler Munkácsy besuchte und ein Konzert gab. Dort zog sich Liszt eine hartnäckige Erkältung zu, die von kräftigen Hustenanfällen begleitet war, welche ihn Tag und Nacht belästigten. Trotz dieser massiven Beschwerden war er am 19. Juli noch im Luxemburger Bürgercasino, wo er ein Orchesterkonzert besuchte, das ihm zu Ehren stattfand. Das Publikum staunte gewaltig, als nach dem letzten Orchesterstück ein Flügel in den Saal gerollt wurde, an dem Meister Liszt Platz nahm. Er spielte seinen ersten »Liebestraum«, eine Chopin-Bearbeitung sowie die sechste Nummer der »Soirées de Vienne« - es waren Franz Liszts letzte öffentlich gespielte Klaviertöne ...


    Ein offenstehendes Abteilfenster auf der Rückfahrt nach Bayreuth - weder Stavenhagen noch der Diener Mischka waren in der Lage es zu schließen - hatte Liszts Zustand vermutlich auch noch negativ beeinträchtigt; er kam am 21. Juli 1886 als schwer kranker Mann wieder in Bayreuth an. Trotz seines schweren Hustens nahm er am 23. noch an der Vorstellung des »Parsifal« und am 25. an der Premiere von »Tristan und Isolde« teil. Liszt wohnte nicht bei seiner Tochter in der Villa, sondern hatte in unmittelbarer Nähe zur Villa bei Oberforstmeister Fröhlich logiert, wie auch schon früher. Da sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechterte, verordnete man ihm Bettruhe und das Essen wurde, als er bettlägerig wurde, von Wahnfried herübergebracht, aber der Patient hatte kaum Appetit und der Genuss von Alkohol war ihm auch verboten. Cosima Wagner hatte außergewöhnlich viel Engagement in die Vorbereitung dieser Festspiele investiert; da kam ihr die nun eingetretene Situation recht ungelegen; auch Liszt bedauerte, dass er ausgerechnet in Bayreuth von der Krankheit heimgesucht wurde. Der dahinsiechende weithin bekannte Pianist und die festliche Stimmung passten einfach nicht zueinander; der todkranke Patient wurde praktisch vor der Öffentlichkeit versteckt. Die Krankenpflege war zunächst in dilettantischen Händen. Als Cosima Professor Dr. Fleischer aus Erlangen herbeiholte, konnte dieser auch nur die Diagnose einer Lungenentzündung bestätigen. Nun endlich, an Liszts letztem Lebenstag, organisierte Cosima die Pflege ihres Vaters dergestalt, dass sie den Bader Bernhard Schnappauf, der einige Jahre der Diener von Richard Wagner war, mit der Betreuung des Kranken beauftragte. Da ständig Liszt-Schüler um den Weg waren, verbot Cosima jeglichen Besuch, wobei dieses Verbot wohl hauptsächlich auf Lina Schmalhausen gemünzt war. Weitere Irritationen gab es durch Frau Fröhlich, die als Vermieterin darüber ungehalten war, dass Frau Wagner einfach im Nebenzimmer ein Bett aufstellen ließ und ihre Bettwäsche mitbrachte. Die beiden Ärzte stellten am späten Nachmittag des 31. Juli eine weitere Verschlechterung des Zustandes fest; man versuchte mit einigen Mitteln eine Linderung herbeizuführen, aber um 23:15 Uhr war das irdische Leben von Franz Liszt beendet.


    Tochter Cosima und der Diener Mischka waren im Sterbezimmer anwesend, die beiden Schüler Göllerisch und Stavenhagen befanden sich im Nebenzimmer. Man nahm die Totenmaske ab und drapierte das Zimmer mit schwarzem Stoff und stellte Kerzen auf. Am Fußende des Aufgebahrten stand eine Büste Wagners, am Kopfende ein Kreuz. Geistlicher Rat Korzendorfer wunderte sich, dass dem sterbenden Abbé Liszt nicht die Sterbesakramente gereicht wurden.


    Schnell sprach sich die Todesnachricht herum und die Menschen kamen in Massen zum Sterbehaus. Der Tote und die hochsommerlichen Temperaturen ergaben ein Problem; die Vermieter wollten die Leiche unbedingt aus dem Sterbezimmer haben und argumentierten, dass man schließlich auch noch andere Mieter im Hause habe. Ludwig Fröhlich war so erregt, dass er damit drohte die Polizei einzuschalten. Frau Wagner war zu dieser Zeit noch in ihrem Bett und wurde über die dramatische Situation informiert. Sie veranlasste umgehend, dass der geschlossene Sarg ihres Vaters nach Wahnfried gebracht wurde, was die Bediensteten mit einem gewöhnlichen Handkarren bewerkstelligten.


    Die Beerdigung fand am 3. August auf dem Stadtfriedhof in Bayreuth statt; in der Literatur wird davon gesprochen, dass das »eine Mischung aus Staatsakt und gesellschaftlichem Spektakel« gewesen sei. Es war ein Dienstag, als sich um 10:00 Uhr die engsten Vertrauten Liszts in der Villa Wahnfried versammelten; dann setzte sich der Zug in Bewegung, eine Abordnung der freiwilligen Feuerwehr führte den Zug an, ein prächtiger Blumenwagen folgte, dahinter schritt die Geistlichkeit sowie Miska Kreiner, der Liszts zahlreiche Orden auf einem Samtkissen trug. Seine letzte Reise absolvierte Franz Liszt in einem goldverzierten Prunksarg, dem die Familie folgte - Siegfried Wagner und Henry Thode gingen zu Fuß, Frau Cosima Wagner und ihre Töchter benutzten eine Kutsche. Danach schritten Vertreter der deutschen Höfe, der Stadtverwaltung, des Regierungspräsidiums, des Offizierskorps, die Mitwirkenden der Festspiele und schließlich auch Tausende, welche dieses Ereignis verfolgten.


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    Texttafel im Außenbereich des Museums mit der Erklärung:

    Ich wünsche, bitte und befehle dringend, dass meine Bestattung ohne Prunk geschehe, so einfach und sparsam wie möglich. Keinen Staat, keine Musik, kein Ehrengeleite, keine überflüssige Beleuchtung, noch irgend welche Reden. Ich will keinen anderen Platz für meine Leiche als den Friedhof, der im Gebrauch ist, wo ich sterben werde, noch andere kirchliche Ceremonie als eine Stille Messe (kein gesungenes Requiem) in der Pfarrkirche.

    Franz Liszt an Fürstin Caroline Sayn-Wittgenstein, 27. November 1869


    Das Bayreuther Tageblatt berichtete:

    »Sämmtliche Gaslaternen waren angezündet, mit schwarzem Flor behangen spendeten sie ein düster gedämpftes Licht, welches noch mehr zur Trauer stimmte«.


    Einen Tag nach dem Begräbnis fand in der katholischen Kirche ein Trauergottesdienst statt, bei welchem - auf Wunsch Cosimas - Anton Bruckner, der schon seit dem 24. Juli als Festspielgast in Bayreuth weilte, an der Orgel aus »Parsifal« improvisierte. Als Liszt-Schüler bei Bruckner nachfragten, warum er keine Musik ihres Meisters gespielt habe, meinte dieser, dass er leider kein Thema von Liszt kenne. Die Familie Wagner blieb dem Gottesdienst fern - sie mussten sich zwischen dem Empfang des deutschen Kronprinzen und dem Gottesdienst entscheiden. Bereits am Tag der Totenmesse bat Cosima Wagner wieder zu einer Soiree in die Villa Wahnfried.


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    Museumseingang - Wahnfriedstraße 9, Bayreuth


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    Bedingt durch die roten Vorhänge bieten sich die Räume in einer ungewöhnlichen Beleuchtung dar.



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