Der Musiker Ehrenplätze

  • Richard Strauss in Garmisch-Partenkirchen


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    Heute vor 70 Jahren starb Richard Strauss in seinem Haus in Garmisch-Partenkirchen


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    Von der Villa aus ist natürlich die gesamte Bergkette von der Alpspitze links bis zur Zugspitze rechts zu sehen.


    Als Richard Strauss in den Jahren 1907 bis 1908 seine Villa in Garmisch erbauen ließ, waren die Gemeinden Garmisch und Partenkirchen noch getrennt, der Doppelname kam erst 1935 zustande. Wenn man heute durch Garmisch-Partenkirchen Richtung Mittenwald > Innsbruck fährt, liegt der Stadtteil Garmisch rechts der Straße, linker Hand findet man das mehr rustikale Partenkirchen. Dass sich Strauss so etwas leisten konnte, hatte mit seiner Oper »Salome« zu tun, die im Dezember 1905 am Königlichen Opernhaus zu Dresden uraufgeführt wurde, wobei es 36 Vorhänge gab, aber die bürgerlichen Kritiker entsetzt waren. Auch Kaiser Wilhelm II. machte sich Sorgen, dass diese exotisch-erotische Oper dem bisher guten Ruf des Komponisten schaden könnte, aber Strauss stellte recht praktisch denkend fest: »Von diesem Schaden konnte ich mir die Garmischer Villa bauen«. Familie Strauss nutzte das Haus, welches heute die Adresse Zoeppritzstraße 42 hat, zunächst als Sommerfrische, denn Strauss war damals noch Kapellmeister und Generalmusikdirektor der Berliner Hofoper unter den Linden. Nach dieser Tätigkeit wohnte er bis zu seinem Lebensende in diesem Haus.


    Die meiste Zeit konnte er in dieser Abgeschiedenheit friedlich und zufrieden wohnen, aber es gab auch Aufregungen, die nicht alleine auf die berühmten Skatrunden im Erker beschränkt waren. Als die Gemeinde plante, in der Nähe seines Anwesens eine Sportanlage zu bauen, richtete er ein Protestschreiben an die Gemeinde. Noch prekärer wurde es für Strauss, als man1943 notleidende Menschen in seiner geräumigen Villa einquartieren wollte; der Komponist empfand das als Zumutung und wandte sich erfolgreich an hochrangige Entscheidungsträger, um dies zu verhindern.

    Am 29. April 1945 marschierten US-Truppen in Garmisch ein und stellten fest, dass man sich in diesem stattlichen Haus einquartieren könnte. Die Abläufe werden unterschiedlich dargestellt. Strauss selbst glaubte sich zu erinnern, dass er sich den GIs als Komponist des »Rosenkavalier« vorgestellt habe, worauf sie sich sofort entfernt hätten. Damals beteiligte Amerikaner berichteten dagegen, dass die Familie Strauss den Soldaten Essen servierte, während der Meister Klavier gespielt habe, aber dennoch hätte die Familie das Haus für einige Stunden verlassen müssen. Dass die Strauss-Familie ihr Haus wieder unbehelligt nutzen konnte, hatte sie wohl dem Erscheinen des Musikwissenschaftlers Alfred Mann zu danken; es war der Sohn der Pianistin Edith Weiss-Mann, die in die USA emigriert war. Und dieser Alfred Mann wusste natürlich ganz genau, wen er da vor sich hatte und erinnerte sich: »Als ich die große. imposante Gestalt des achtzigjährigen Mannes im Türrahmen auftauchte, kam es mir so vor, als würde sich vor meinen Augen ein Kapitel der Musikgeschichte öffnen«. Dieser ergriffene Strauss-Verehrer hatte Beziehungen nach ganz oben, das Haus erhielt den Status »off limits«


    Die Verehrung für Meister Strauss war bei einem weiteren Besucher, der dann am 15. Mai vorbeischaute, nicht ganz so ausgeprägt; obwohl er sich hätte auch mit dem Namen Mann vorstellen können, tat er dies wohlweislich nicht und wollte das Gespräch lieber inkognito führen. Es war Klaus Mann, der älteste Sohn von Thomas Mann, der sich und seinen Gefährten als »zwei amerikanische Korrespondenten« vorstellte. Diese Vorstellung war durchaus korrekt. denn Klaus Mann war1943 amerikanischer Staatsbürger geworden und zog als publizistische Nachhut der US-Armee durch Europa, wo ihn natürlich der Zustand seiner zerstörten Geburtsstadt München ganz besonders interessierte. Von hier aus nach Garmisch-Partenkirchen reisend, erlebte er dann im gepflegten Garten der Strauss-Villa ein idyllisches Kontrastprogramm und den 83-jährigen Komponisten, welcher nicht groß davon berührt schien, was draußen in Welt, jenseits der Garmischer Stadtgrenze, so alles passiert war. Er schilderte den Korrespondenten Klaus Mann und Curt Rieß seine Schwierigkeiten, die er während der NS-Zeit mit seiner Oper »Die Liebe der Danae« hatte, welche einfach ignoriert wurde, auch echauffierte er sich nochmals gegenüber den Journalisten über die damals angedachte Zumutung ihm Bombengeschädigte in sein Haus zu setzen, und seine jüdische Schwiegertochter jammerte, weil man ihr in dieser unseligen Zeit das Jagen und Reiten verboten hatte. Seine Eindrücke von der Situation im zerstörten Deutschland veröffentlichte Klaus Mann in der Armeezeitung »The Stars and Stripes«. Dass die Lebensspanne von beiden Gesprächspartnern 1949 enden würde, hätte wohl niemand gedacht, der alte Strauss überlebte Klaus Mann sogar um einige Monate; Mann starb am 21. Mai in Cannes, Richard Strauss am 8. September 1949 in seiner Garmischer Villa, nachmittags um 14:12 Uhr. Die Trauerfeier mit Staatsakt fand auf dem Münchner Ostfriedhof statt; abschließend wurde - so wie sich das Richard Strauss gewünscht hatte - das Intermezzo aus dem »Rosenkavalier« gespielt.


    In seinem Garmischer Haus hat Richard Strauss die meisten seiner Werke komponiert; quasi nach Stundenplan; drei Stunden vormittags und drei Stunden am Nachmittag. die Villa ist jedoch für die interessierte Öffentlichkeit nicht zugänglich, das bleibt ausgesuchten Journalisten und Prominenten vorbehalten.


    Das Richard-Strauss-Institut


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    Eingang zur Villa Christina


    Strauss-Interessierte werden auf eine andere Villa im Ortsteil Partenkirchen verwiesen; es ist die schon vor der Strauss-Villa im Jahre 1893 erbaute »Villa Christina« des Mannheimer Zigarrenfabrikanten und Partenkirchner Ehrenbürgers Ludwig Mayer-Doß am Kurpark von Partenkirchen. Dieser hatte das stattliche Haus der Marktgemeinde Partenkirchen vermacht, die es als Kurhaus nutzte. Seit 1999, dem 50. Todestag des Komponisten, wurde hier, in der Schnitzschulstraße 19, das Richard-Strauss-Institut eröffnet.


    Das Haus ist so konzipiert, dass sowohl Strauss-Kenner als auch Nicht-Kenner auf ihre Kosten kommen. Wenn auch das Gebäude selbst mit dem Komponisten nichts zu tun hatte, kann es durch den heute allgemein üblichen Museumsstandard einen allumfassenden Überblick und auch tiefere Einblicke in das Leben des Komponisten geben. Da gibt es Multimedia-Präsentationen, eine umfangreiche CD / DVD-Sammlung, eine Hörbar mit fast allen seinen Werken und eine entsprechend Notensammlung. Stolz weist man darauf hin, dass nirgendwo sonst so viel Material über Richard Strauss zu finden ist wie in Garmisch-Partenkirchen.


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    Diese wenigen Bilder können nur einen kleinen Eindruck vermitteln ...


  • In seinem Garmischer Haus hat Richard Strauss die meisten seiner Werke komponiert; quasi nach Stundenplan; drei Stunden vormittags und drei Stunden am Nachmittag. die Villa ist jedoch für die interessierte Öffentlichkeit nicht zugänglich, das bleibt ausgesuchten Journalisten und Prominenten vorbehalten.


    In den neunziger Jahren wollte es ein glücklicher Zufall, dass ich an einem schönen Vormittag mit meiner Familie zu einer Besichtigung eingelassen wurde. Wir hatten wohl einen vertrauenswürdigen Eindruck gemacht, denn die Villa wird nach wie vor von der Familie genutzt. Obwohl mein vordergründiges Interesse dem einstigen Hausherrn galt, der in diesem Haus seine bedeutendsten Werke erdacht und in Noten gesetzt hatte und am 8. September 1949 hier auch sein Leben beschloss, führte kein Schritt an Frau Pauline vorbei, die das Schaffen des Komponisten durch ihre ordnenden und fürsorglichen Hände erst ermöglicht haben dürfte. Alles oder fast alles stand noch an seinem Platz. Nicht, dass es wie in einem Museum nicht verrückt werden durfte, um so auch äußerlich dem Meister zu huldigen. Möbel, Bilder und zeitlose Accessoires hatten deshalb ihre unverrückbare, ja ewige Position, weil sie wo anders gar nicht hingepasst hätten oder zur Geltung gekommen wären. So sicher und zugleich selbstverständlich waren sie platziert. Es hätte keines Porträts von Pauline an einer Wand bedurft. Die auffällig behagliche Behausung war ihr Abbild.


    Wir wurden in Absprache mit der Familie von der Hausdame herumgeführt, die als junges Mädchen Strauss noch selbst gekannt hatte, und konnten auch einen Blick in das im oberen Bereich gelegene Sterbezimmer werfen, das im Gegensatz zu den anderen Räumen sehr einfach und übersichtlich möbliert ist.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Sie hat ihm aber auch die eigenen Karriere geopfert, die sehr verheißungsvoll begonnen hatte.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Johann Adolph Hasse - *25. März 1699 Bergedorf - † 16. Dezember 1783 Venedig


    JOHANN ADOLPH HASSE - VOM JUGENDLICHEN MOZART BEWUNDERT


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    Zum heutigen Todestag von Johann Adolph Hasse


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    Der französische Schriftsteller, Musikkritiker und Nobelpreisträger Romain Rolland schrieb einmal über Hasse: »Dass dieser bewunderungswürdige Mann so vergessen werden konnte, ist eine der schlimmsten Ungerechtigkeiten der Geschichte; wir wollen uns bemühen, sie eines Tages wieder gutzumachen«.


    Bergedorf liegt im Südosten Hamburgs; da wurde Hasse im Organistenhaus unweit der Kirche St. Petri und Pauli geboren; sein Vater, Peter Hasse, war in dieser Kirche Organist, über drei Generationen hinweg waren die Hasses Organisten an dieser Kirche.

    Hasses Geburtshaus ist 25 Kilometer vom Hasse-Museum in der Peterstraße entfernt, eine Straße in der Innenstadt, im Komponisten-Quartier.


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    Seit dem 300. Geburtstag des Komponisten steht diese Stele in unmittelbarer Nähe von Kirche und Geburtshaus; wer etwas mehr erfahren möchte, findet Erklärungen auf Schildern am 1630 errichteten ehemaligen Organistenhaus.

    Die ersten musikalischen Unterweisungen bekam der Junge von seinem Vater und sang im Kirchenchor. Schon der Zehnjährige bekam ein Stipendium und konnte ab 1714 in Hamburg Gesang studieren. Seine Studien waren so erfolgreich, dass er ab 1718 von Johann Mattheson als Tenor an die Hamburger Oper am Gänsemarkt verpflichtet wurde. Aber bereits ein Jahr später war der junge Tenor am Opernhaus am Hagenmarkt zu Braunschweig tätig, welches damals schon über ein beachtliches Orchester von fünfzig Musikern verfügte. Der 22-jährige Tenor machte mächtig Furore, indem er die Oper »Antioco« komponierte und in seinem Werk auch die Hauptrolle sang. Aber Hasse strebte nach Höherem, denn ihm war nicht entgangen, dass im Süden von den Großmeistern des italienischen Barock einiges zu lernen war. Also quittierte er seinen Dienst in Braunschweig und zog in das südliche Italien, nach Neapel. Dort war er Schüler von Nicola Antontonio Porpora und Alessandro Scarlatti. Offenbar hatte er seinen älteren Kollegen gut zugehört, denn bis 1730 hatte er bereits 15 eigene Opernwerke komponiert.

    Als Hasses Durchbruch kann man seine Serenata »Marc´Antonio e Cleopatra« sehen, die 1725 noch mit starker Unterstützung Scarlattis entstanden war und auf dem Landsitz eines königlichen Rates aufgeführt wurde. Man hatte da einiges aufgeboten, denn es sang der absolute Star dieser Epoche, Carlo Broschi, genannt Farinelli. Von diesem Zeitpunkt an ging es mit Hasses Karriere steil bergauf. 1727 erlebt man Hasse als Kapellmeister am Conservatorio degli Incurabili in Venedig. Dort lernte er auch seine Frau, Faustina Bordoni, kennen, die eine europaweit gefeierte Mezzosopranistin war, für die kein Geringerer als Georg Friedrich Händel komponierte. Die Dame hatte Temperament und ging auch einem Krach auf offener Bühne nicht aus dem Wege, wie dies mal in London geschah. Dessen ungeachtet, heiratete die Sängerin drei Jahre nach dem Kennenlernen den compositore Hasse und die beiden feierten an Opernhäusern viele Triumphe, es war ein Traumpaar.


    Von Juli bis Oktober 1731 gaben die beiden ein Gastspiel in Dresden, in dessen Verlauf Hasse am 13. September auch seine Oper »Cleofide« erstmals aufführte und seine Gattin die tragende Rolle sang. Wie alte Quellen überliefern, saß auch Johann Sebastian Bach mit seinem Sohn Wilhelm Friedemann im Publikum.

    Hasse kam nun zu einem recht langen Titel, denn er wurde von König August dem Starken zum »Königlich Polnischen und Kurfürstlich Sächsischen Kapellmeister« ernannt. Der offizielle Dienstantritt war zwar mit dem 1. Dezember 1733 terminiert, aber Hasse und Gattin konnten sich noch in Italien umtun, denn 1734 war ein Trauerjahr für August den Starken. Als sie ihren Dienst in Dresden antraten, taten sie dies unter dem neuen Herrscher August III. In drei Jahrzehnten formte Hasse in Dresden das musikalische Personal zu einem Spitzenensemble, welches weithin Beachtung fand. Aber es war nicht so, dass das Künstlerpaar ständig fest an Dresden gebunden war, denn August III. gewährte großzügige Freiheiten, so dass die beiden auch ihre Kontakte in Italien pflegen konnten; seit 1735 besaß Hasse ein Haus in Venedig.

    1744 wurde es in Dresden dann etwas ungemütlich, weil hier Nicola Antonio Porpora auftauchte, der sich in Neapel erfolglos als Kapellmeister beworben hatte. Nun entwickelte sich eine heftige Rivalität - Porpora, der einige Meriten als Gesangslehrer vorweisen konnte, wurde zum Gesangslehrer der Prinzessin Maria Antonia Walpurgis ernannt und 1748 sogar zum Kapellmeister, was bedeutete, dass Porpora Hasse gleichgestellt war. Als weiteres Problem kam dazu, weil Regina Mingotti, eine Gesangsschülerin Proporas, auf den Plan trat und Hasses Gattin bedrängte, deren Stimme erste Abnutzungserscheinungen zeigte. Als schließlich Hasse zu Beginn des Jahres 1749 mit dem offiziellen Titel eines Oberkapellmeisters geschmückt wurde, hatte er in Dresden wieder die Nase vorn, zum Anfang des Jahres 1752 verließ Propora Dresden. Die Mingotti wurde 1750 für ein Jahr nach Italien engagiert, 1751 beendete Faustina Bordoni ihre Gesangskarriere; Regina Mingotti kehrte wieder zurück und avancierte zum Publikumsliebling.


    Man sagt, dass Hasse und seine Gattin damals als die bestbezahlten Musiker in Europa galten, ihre Tourneen führten sie - neben den italienischen Musikzentren - nach Wien, München, Berlin, Warschau und Paris ... Faustina hatte auch Auftritte in London, ob Hasse auch in England war. ist unklar. Man kennt heute etwa 60 Opern von Hasse, 45 davon entstanden in Dresden, sein letztes Werk für den sächsischen Hof geschriebene Oper war »L´ Olimpiade« und wurde 1756 uraufgeführt. Es wurde wieder unruhig in Sachsen und anderswo, der Siebenjährige Krieg nahm seinen Anfang, am 9. September 1756 besetzte der Preußenkönig Friedrich II. die Stadt Dresden und es kam zu der eigenartigen Situation, dass der musikbeflissene Preußenkönig - trotz des Kriegszustandes - jede passende Gelegenheit nutzte, um mit den Hasses zu musizieren. Familie Hasse wich zunächst nach Italien und Österreich aus; als 1760 mit ihrem Wohnhaus in Dresden auch die vorbereitete Gesamtausgabe der Werke Hasses zugrunde gingen, verließen sie die Stadt in Richtung Wien.

    Dort fand Hasse 1761 eine Anstellung als Musiklehrer der Erzherzoginnen Marie Antoinette und Maria Carolina. Als sie nach Kriegsende 1763 nach Dresden zurückkehrten, waren die Verhältnisse dort gänzlich anders geworden, das Land war finanziell ruiniert und August III. starb am 5. Oktober 1763 »unter Zurüstung zu einer neuen großen Oper«, wie es in der Literatur beschrieben wird. Das Land war durch Krieg und Besatzung verarmt und konnte sich hochkarätige Musiker nicht mehr leisten. Dem nachfolgenden Herrscher, Friedrich Christian, war nur eine kurze Amtszeit beschieden, er starb unerwartet bereits am17. Dezember 1763. Hasses letzte Tätigkeit in Dresden bestand darin, die Musik für die Trauerfeierlichkeiten seiner beiden verblichenen Dienstherren zu komponieren und zu dirigieren. Nachdem er diese letzte Pflicht geleistet hatte, verließ er Dresden.


    Im Februar 1764 reiste Hasse nach Wien, wo sich eine Reform der italienischen Oper anbahnte, dessen zentrale Figur Christoph Willibald Gluck war. Einerseits waren die Reformbestrebungen nicht zu übersehen; andererseits hielt aber der kaiserliche Hof noch an der traditionellen Opera seria fest. Hasse betrat die Wiener Szene als Komponist erst im November 1768 mit seinem tragischen Intermezzo »Piramo e Tisbe«, ein Stück, das sich im Stil stark von seinen bisherigen Kompositionen - er hatte immerhin mehr als 70 Opern geschrieben - unterschied, er hatte sich zumindest der moderneren Form genähert und war auch selbst davon überzeugt, dass ihm damit eines seiner besten Werke gelungen war.

    Im Januar 1771 erhielt Hasse von Maria Theresia, bei der Hasse hoch angesehen war, den Auftrag, anlässlich der Hochzeit von Erzherzog Ferdinand mit Prinzessin Maria Beatrice d´ Este die Festoper »Il Ruggiero« zu schreiben. Das Libretto schrieb Pietro Metastasio, ein berühmter Dichter seiner Zeit, mit dem Hasse viel zusammengearbeitet hatte; dies war ihre letzte gemeinsame Arbeit. Diese Arbeit stand unter keinem guten Stern, denn Metastasio hatte lange Mühe mit dem vorgegebenen Stoff und musste von der Kaiserin regelrecht geschubst werden. Hasse hatte die Siebzig bereits überschritten, war von der Gicht geplagt und hatte auch physische Schwierigkeiten mit dem Schreiben. Zudem hatte er sich eigentlich von der Theatermusik abgewandt und mit dem Schreiben von Kirchenmusik befasst. Natürlich hatte Hasse die Stilwandlung bemerkt; und er hatte auch registriert, dass da ein junger Nachwuchskünstler war, dem wahrscheinlich die Zukunft gehört. Dennoch reiste Hasse Ende August 1771 pflichtbewusst in Begleitung seiner Tochter Pepina und einem Diener von Venedig nach Mailand, wo die Oper am 16. Oktober zur Uraufführung kam. Dabei scheint so einiges schief gegangen zu sein, denn Hasse selbst berichtete, dass sich am Erstaufführungsabend alle Unglücke vereinigten, die eine Theateraufführung zu Fall bringen können; dem Stück war also kein Erfolg beschieden.


    Am Tag darauf dann ebenfalls ein Auftragswerk zu dieser Hochzeit, »Ascanio in Alba«, eine Serenata teatrale von Wolfgang Amadeus Mozart, der junge Mann war da mal gerade 15 Jahre alt; Vater Leopold mächtig stolz, dass sich sein Sohn neben dem großen Hasse präsentieren durfte. Hasse soll gesagt haben: »Dieser Knabe wird uns alle vergessen machen.«, wissenschaftlich gesichert ist dieser Ausspruch zwar nicht, aber er stimmt.

    Im April 1773 übersiedelte Hasse mit seiner Frau nach Venedig, um dort von einem ereignisreichen Leben auszuruhen. Faustina Bordoni starb am 4. November 1781. Johann Adolph Hasse überlebte seine Gattin um zwei Jahre - heute ist sein Todestag.

    Ihre letzte Ruhestätte fanden sie in der Kirche San Marcuola in Venedig.

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  • Cyrill Kistler - † 1. Januar 1907 - einst berühmt, heute weitgehend vergessen


    Die Kurstadt Bad Kissingen hat einen Platz nach dem einst bekannten Musiker ernannt, wo auch die Bronzebüste von Cyrill Kistler steht. Als Kistler 1907 starb, hatte er fast 22 Jahre seines Lebens hier verbracht, das war Kistlers kreativste Zeit, in der er hier eine Musikschule gründete und neben Orgelwerken, Chören und Liedern, auch sechs Opern schuf, die sich allerdings nicht dauerhaft etablieren konnten. Aktuell dürfte nur eine Hörprobe Kistlerscher Musik auf CD zur Verfügung stehen, nämlich das Vorspiel zum 3. Akt seiner Oper »Kunihild«.


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    CD mit dem Vorspiel zum 3. Akt der Oper »Kunihild«


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    Kistler wurde 1848 in Großaitingen, im Bayrischen Schwaben, geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen als Vollwaise auf. In der Literatur findet man den Hinweis auf eine »eher freudlose Kindheit und Schulzeit« und dass er nach dem Tode der Mutter von seinen Großeltern erzogen wurde. Cyrill konnte an einem handwerklichen Beruf keinen Gefallen finden und der Versuch eines Pfarrers, den jungen Mann an den Beruf eines Geistlichen heranzuführen, war ebenfalls erfolglos. Mit acht Jahren erhielt Cyrill Geigenunterricht, andere Instrumente lernte er autodidaktisch; als Musiklehrer zu wirken, wäre eine Möglichkeit gewesen. Also besuchte er von 1865 bis 1867 das Lehrerseminar im etwa achtzig Kilometer entfernten Lauingen. Wie es scheint, strebte er den Lehrerberuf primär an, um sich näher der Musik widmen zu können, was er so ausdrückte: »Ich will a Schuallehrer werden ... da kann ich Musi macha, in der Kirch, im Wirtshaus und so weiter«.


    Nach seiner Ausbildung war er im Laufe von acht Jahren an mehr als einem Dutzend verschiedener Schulen in Mittelschwaben als Lehrer tätig, wobei er - wie in dieser Zeit allgemein üblich - auch Dienste als Kantor und Chorleiter versah. Sein Auftreten wird als sehr selbstbewusst, polternd und sarkastisch beschrieben, woraus resultierte, dass Kistler mit seinen Vorgesetzten Konflikte auszufechten hatte. Er kam zu der Erkenntnis, dass ihn diese Tätigkeit auf Dauer nicht befriedigte. Als er1875 seine erste Frau kennenlernte, ermöglichte ihm diese Verbindung, ab 1876 bis 1878 ein Studium an der Königlichen Musikschule in München - Orgel und Komposition; seine Lehrer waren respektable Persönlichkeiten: Josef Rheinberger, Franz Wüllner und Franz Lachner; seine abschließenden Studien bei Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister Lachner absolvierte er auf privater Basis bis 1880.


    Als einen besonderen Höhepunkt seines Lebens sah Cyrill Kistler die persönliche Begegnung mit Richard Wagner, und er war stolz darauf, dass er dem verehrten Meister seinen Festmarsch op. 41 widmen durfte. Stilistisch lag Kistler ganz nahe bei seinem großen Vorbild Wagner, belegte aber andere Wagner-Verehrer mit unflätigen Begriffen wie zum Beispiel: »Wagnerwanzen«, »Bayreuther Rollmops-Rezensenten« oder »wildes Gejäge der Bayreuther Nachbeter«

    Ab 1880 und bis 1892 war Kistler Herausgeber der Zeitschrift: »Musikalische Tagesfragen. Organ für Musiker, Musikfreunde und Freunde der Wahrheit«


    1883 übernahm Kistler am fürstlichen Konservatorium in Sondershausen eine Lehrstelle für Musiktheorie. 1884 gründete Kistler in Bad Kissingen eine eigene Musikschule und war dann knapp 22 Jahre in vielfältiger Weise hier tätig. Cyrill Kistler war also in Sachen Musik recht vielseitig beschäftigt; er war nicht nur Komponist, sondern auch noch Musikschriftsteller, Pädagoge und Verleger. Im März 1884 wurde am Hoftheater in Sondershausen seine Oper »Kunihild« oder »Der Brautritt auf Kynast« uraufgeführt.


    Als seine wertvollste Hinterlassenschaft, kann heute Kistlers pädagogisches Wirken gesehen werden; seine instruktiven Lehrbücher sagen aus, dass er über grundsolides handwerkliches Können verfügte. Einige Beispiele der von Kistler verfassten Schriften seien hier genannt: Eine »Harmonielehre« / »Der Gesang- und Musikunterricht an den Volksschulen« / »Der einfache Kontrapunkt und die einfache Fuge« / »Der dreifache und mehrfache Kontrapunkt« ...


    Im ausgehenden 19. Jahrhundert gehörte Cyrill Kistler, nach Richard Wagner, zusammen mit Richard Strauss, Hans Pfitzner und Max Reger zu den großen Komponisten seiner Zeit. Als er 59-jährig am Neujahrstag in Bad Kissingen starb, hatte er mehr als 200 Werke hinterlassen und etwa 100 Schüler ausgebildet.


    Anmerkung: Im Thread »Der Musiker Gräber« wird im Beitrag Nr. 674 das Grab des Komponisten gezeigt.

  • Ein Denkmal für Joseph Alois Tichatschek in Böhmen


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    »Dem Mimen ficht die Nachwelt keine Kränze«, aber manchmal geschieht es doch - Schiller hat da wohl weniger an Sänger gedacht, aber auf der Opernbühne muss schließlich auch eine darstellerische Leistung erbracht werden.

    Denkmale im künstlerischen Bereich sind ja meist den Dichtern und Komponisten vorbehalten, Opernsänger werden auf diese Weise eher seltener geehrt, in Deutschland fallen einem dazu Namen wie Bernd Weikl, der schon zu seinen Lebzeiten mit einer Büste geehrt wurde, und die längst Verstorbener ein: Erna Berger, Julius Perotti, Alfons Fügel, Fritz Wunderlich und Leo Slezak ...


    Beim Letztgenannten nähern wir uns nun dem eigentlichen Thema, nämlich dem Tenor Joseph Alois Tichatschek. Slezak war schon ein erwachsener Knabe als Tichatschek 1886 starb. Wenn der Name Leo Slezak genannt wird, geschieht dies oft in Verbindung mit der Anekdote, dass er einmal auf der Bühne gefragt haben soll: »Wann geht der nächste Schwan?«, als ihm durch schlechtes Timing bei einer »Lohengrin«-Vorstellung dieser davon fuhr. Kluge Leute konnten inzwischen nachweisen, dass dies von Slezak adaptiert wurde, in Wirklichkeit stammt dieser Ausspruch von Slezaks Vorgänger Tichatschek, der noch intensiv mit Richard Wagner gearbeitet hatte und dessen Stimmlage Wagner vorschwebte als er seinen »Lohengrin« komponierte; Slezak und Tichatschek stammten aus Böhmen.


    Joseph Tichatschek wurde in Wekelsdorf - genau genommen in Ober-Wekelsdorf - geboren, in einer wildromantischen Landschaft im nordöstlichen Böhmen. Der Vater von Joseph Alois war Weber und Holzmacher, manche Chronisten stellen ihn als einen »armen Heimweber« dar. Josephs Vater spielte Klarinette und Waldhorn und sang im Kirchenchor. Sohn Joseph hatte eine hörenswerte Knabenstimme, die auch dem Lehrer Wittig auffiel. Von der Schule aus wurde die Musikalität des Knaben dergestalt gefördert, dass er nicht nur im Gesang, sondern auch im Geigen- und Klavierspiel unterwiesen wurde. Auch der Pfarrer war auf den Knaben aufmerksam geworden, sodass eine Verbindung mit dem Stiftsgymnasium zustande kam.


    Am Stiftsgymnasium der Benediktiner in Braunau leistete er mit seiner schönen Altstimme einen wesentlichen musikalischen Beitrag; als er dann siebzehn war, verfügte er über eine Tenorstimme, die Kenner aufhorchen ließ. Als Tichatschek zum Studium nach Wien ging, meldete er sich jedoch nicht in der Musikhochschule an, sondern begann ein Medizinstudium. Auguren glaubten zu wissen, dass an dieser Entscheidung die Liaison mit einer reichen Braunauer Gastwirtstochter mitgewirkt haben könnte, weil deren Eltern von ihrem zukünftigen Schwiegersohn eine sichere berufliche Grundlage gefordert hatten. Das Ende dieser ersten Jugendliebe markierte dann auch den Abbruch des Medizinstudiums.


    Natürlich war Tichatscheks Stimme auch in Wien aufgefallen und dem Chordirektor des Theaters am Kärntnertor, der damaligen Hofoper, zu Ohren gekommen, der ihn animierte in den Theaterchor einzutreten und ihm ein Musikstudium in Wien vermittelte.

    Der damals berühmte Tenor Giuseppe Ciccimarra, ein Rossini-Spezialist erster Güte, hatte 1826 seine Karriere beendet und sich in Wien als Gesangs- und Klavierlehrer am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde niedergelassen. Bei diesem Lehrer wollte es Tichatschek zum Solisten bringen, was auch allmählich gelang. Vom Chorinspektor wurde er zunächst in kleineren Rollen eingesetzt und leitete auch den Chor der Barnabitenkirche St. Michaelis in Wien. Auch Direktor Duport hatte herausgehört, dass in der Stimme Potenzial steckt. 1833 konnte Tichatschek den Solisten-Status mit seinem Debüt am Kärntnertor-Theater erreichen; in Meyerbeers Oper »Robert le Diable« sang er die Partie des Raimbaud. Die Direktion bot dem jungen Sänger einen Fünf-Jahresvertrag an, welcher auch einen längeren Urlaub gewährte, damit der angehende Solist sich nach größeren Rollen umsehen konnte. Recht bald sah sich Joseph Tichatschek auf der Grazer Opernbühne umjubelt, wo er von 1835 bis 1837 tätig war. Da Direktor Duport des Kärntnertortheater verließ, hatte der Vertrag dort keinen Bestand mehr.


    Inzwischen war die Kunde von Tichatscheks Sangeskunst auch nach Dresden gedrungen, sodass es im August1837 zu einem erfolgreichen Gastspiel an der Dresdner Hofoper kam. Das Dresdner Publikum erlebte Joseph Tichatschek in der Antrittsrolle des König Gustave III. in Aubers Oper »Le Bal masqué«; Chronisten berichten von einem »enthusiastischen Erfolg«. Aus diesem Gastspiel resultierte eine sofortige Anstellung mit einem Vertrag über sieben Jahre, also vom 1. Januar 1838 bis 1845. In der Rückschau sieht man, dass die Dresdner Oper schließlich seine künstlerische Heimat bis zum Ende seiner Tage wurde.


    Als Tichatschek fest in Dresden engagiert war, stellte er sich dem Publikum als Tamino in der »Zauberflöte« vor, dann gab er den Titelhelden in »Robert le Diable« von Meyerbeer. In Dresden hatte der junge Tenor das besondere Glück mit Wilhelmine Schröder-Devrient eine geniale und überaus bühnengewandte Partnerin an der Seite zu haben, die aus einer Bühnendynastie kam und schon von Kindesbeinen an auf Brettern stand. Diese um drei Jahre ältere Sänger-Darstellerin nahm den Mann aus Ober-Wekelsdorf wohlwollend bei der Hand, denn sie hatte das im Überfluss, was bei Tichatschek nicht so ausgeprägt war - schauspielerisches Können.


    Joseph Tichatschek war schon gute drei Jahre an der Dresdner Oper als der in Paris verarmte und weitgehend erfolglose Richard Wagner im Juli 1842 anreiste, um sich am Königlichen Hoftheater zu Dresden in die Probearbeiten zu seiner großen Oper »Rienzi« mit Begeisterung einzubringen. Vielleicht wäre das Werk überhaupt nicht zur Aufführung gelangt und man hätte es beiseitegelegt, wenn sich Tichatschek nicht nachdrücklich dafür eingesetzt hätte, dass es aufgeführt wird. Noch im gleichen Jahr fand hier am 20. Oktober mit überwältigendem Erfolg die Uraufführung von »Rienzi« statt. Als das Werk nach sechs Stunden über die Bühne gegangen war, brach ein 15 Minuten währender Applaus los, und es war schon nach Mitternacht. Joseph Tichatschek und Wilhelmine Schröder-Devrient (in ungewohnter Hosenrolle) waren die tragenden Säulen dieser Aufführung. Wagner wusste, dass der 35-jährigeTenor ganz wesentlich zum Erfolg seiner dritten Oper beigetragen hat; es war für ihn der eigentliche Durchbruch als Opernkomponist. Als Wagner die extrem lange Oper kürzen wollte, sträubte sich Tichatschek aufgebracht dagegen und soll geschrien haben: »Ich lasse mir nichts streichen, es ist allzu himmlisch!« So erlebte »Rienzi« in der Art der Uraufführung in den folgenden Monaten noch viele Wiederholungen in Dresden und wurde auch auf den Spielplan anderer Bühnen gesetzt.


    Die Freundschaft zwischen Wagner und Tichatschek hatte lebenslangen Bestand. 1876, beim Besuch der ersten Bayreuther Festspiele, wurde er von Wagner als Herold seiner Kunst geehrt. Als jedoch im Oktober 1845 in Dresden erstmals »Tannhäuser« aufgeführt wurde, sang Tichatschek die Titelpartie, Schröder-Devrient gab die Venus und Johanna Wagner, eine Nichte des Komponisten, sang die Partie der Elisabeth. Aber Wagner war mit Tichatscheks Darstellung der Titelfigur und der sängerischen Gestaltung nicht zufrieden; als es im Finale des 2. Aktes Schwierigkeiten gab, strich Wagner die Passage: »Zum Heil den Sündigen zu führen«. Das klingt nun so als sei da wenig Stimme gewesen, was natürlich nicht stimmt, denn Tichatschek soll geradezu überirdische Stimmkraft besessen und zu Wagner einmal gesagt haben: »Lieber Richard, den Tannhäuser sing ich dir auch zweimal am Tag«.


    Am Schluss der »Tannhäuser«-Uraufführung ging das Publikum etwas ratlos nach Hause, es gab matten Höflichkeitsapplaus, aber begeistert waren die Leute nicht. Hier konnte der Tenor nicht im gleichen Stile glänzen, wie es beim Gebet des Rienzi möglich war und dann auch später bei der Gralserzählung wieder möglich wurde. Wagner war hier etwas zwiespältig, außer Bellini mochte er die italienische Singerei nicht, liebäugelte aber immer mit dem Belcanto, den Tichatschek parat hatte, weil er schließlich von einem vorzüglichen italienischen Sänger geschult war.


    Als Richard Wagner an »Lohengrin« arbeitete, hatte er stets Tichatscheks Stimme im Ohr, die ihm für die Titelpartie als Ideal vorschwebte, aber bei der Uraufführung - 1850 in Weimar - hatte man die Titelrolle dem Tenor Karl Beck anvertraut; Meister Wagner konnte nicht anwesend sein, weil er sich als Revolutionär betätigt hatte und im Ausland weilte. Man darf vermuten, dass Tichatschek ohne die politischen Abenteuer von Wagner in weit mehr Wagner-Opern auf der Bühne gestanden hätte.

    Als der bereits sechzigjährige Tichatschek einmal im Beisein von Richard Wagner und Peter Cornelius die Gralserzählung vortrug, waren beide von dieser Leistung tief ergriffen.

    So war es ganz natürlich, dass Wagner seinen Freund Tichatschek auch bei der Neuinszenierung einer Musteraufführung des »Lohengrin« am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München als Titelhelden einsetzen wollte. Wagner war 1866 für einige Wochen - er wohnte am Starnberger See - angereist, um diese modellhafte Neuinszenierung zu betreuen. Am 11. Juni kam es dann zum Eklat. Dem König, der sich selbst mit der Figur des Lohengrin identifizierte, missfiel der Sänger, er war ihm einfach zu alt und er soll ihn sogar als einen »Ritter von der traurigen Gestalt« bezeichnet haben. Der König befahl kategorisch, dass Tichatschek durch einen jüngeren, attraktiveren Sänger ersetzt wird. Wagner war darüber so erbost, dass er noch vor der Aufführung grußlos nach Tribschen abreiste.


    Aber Joseph Tichatschek sang nicht nur Wagner-Opern; bevor Wagner ins Rampenlicht trat, war Tichatschek 1841 am Drury Lane Theatre in London zu Gast und sang dort sowohl den Grafen Adolar in Carl Maria von Webers Oper »Euryanthe« als auch in Meyerbeers »Robert le Diable«.

    Anfang 1845 war er an der Uraufführung von Heinrich Marschners Oper »Kaiser Adolph von Nassau« beteiligt; Marschner war in diesen Tagen schon ein weithin bekannter Opernkomponist, der heute als Bindeglied zwischen Weber und Wagner gilt.


    Die »Deutsche Biografie« führt aus, dass Joseph Tichatscheck am Dresdner Opernhaus in der Zeit von 1838 - 1863 in 67 Rollen 1.445 Mal auftrat.

    In dem Buch WAGNER WEIMAR EISENEACH - Richard Wagner im Spannungsfeld von Kultur und Politik, schreibt der Autor Stefan Alschner:


    »Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war Joseph Tichatschek der unangefochtene Startenor diesseits der Alpen«.


    Als er sich 1872 von der Bühne verabschiedete, wurde er zum Ehrenmitglied der Dresdner Oper ernannt. Während seiner gesamten Tätigkeit in Dresden nahm er auch die Position eines Hofsängers an der katholischen Hofkirche in der sächsischen Residenz ein.


    Die Geschichte des Tichatschek-Denkmals in Teplice nad Metuji


    Es gibt noch ein Schwarz-Weiß Foto vom Geburtshaus des Sängers; es war ein Blockhaus, welches den Ersten und Zweiten Weltkrieg ohne Beschädigung überstanden hatte, jedoch 1949 einer geplanten Straße im Wege stand und abgerissen wurde. Soweit bekannt, soll Joseph Tichatschek in den Jahren seiner Berühmtheit nur einmal an seinen Geburtsort zurückgekehrt sein und als Sänger in einem Hochamt in der St. Laurenziuskirche mitgewirkt haben.

    Zum Andenken an den großen Sohn von Wekelsdorf wurde am seinem Geburtshaus eine Gedenktafel angebracht. Diese Gedenktafel ist innerhalb einer Fensterreihe auf dem dem alten Foto zu sehen und weist eine beachtliche Größe auf. Rechts davon ist das Relief des Sängers zu sehen. Interessant ist hier zu beobachten, dass auf der Gedenktafel »Tichatschek« steht, aber auf dem Porträtmedaillon »Tichatscheck«.

    Bei der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel hatten sich am 11. Juli 1886 - es war der Geburtstag von Joseph Tichatschek - fast 3.000 Besucher eingefunden, darunter
    es war der Geburtstag von Joseph Tichatschek - fast 3.000 Besucher eingefunden, einige prominente politische Vertreter. In seiner Rede dankte der Bürgermeister allen Spendern für die Gedenktafel, vor allem dem sächsischen König, Frau Cosima Wagner (Witwe des Komponisten, Tochter von Franz Liszt) den Hofintendanten der Theater in Wien und Berlin, der Direktion des Stadtstheaters in Breslau und dem Musikverein Dresden. Anlässlich der Feierlichkeiten wurde sogar ein Gedenkmedaillon herausgegeben.


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    Als das Häuschen dem Straßenbau zum Opfer fiel, waren auch Gedenktafel und Porträtmedaillon verschwunden; Ober-Wekelsdorf gab es auch nicht mehr, die neu erbaute Straße führte durch den Ort Teplice nad Metuji, wobei der Fluss vordem Mettau hieß. Die neuen Bewohner konnten zu dem Ort keinen von alters her entwickelten Bezug haben, man kümmerte sich um die eigene Existenz und seit 1807, dem Geburtsjahr von Joseph Alois Tichatschek, war ja schon einiges Wasser die Mettau hinunter geflossen. Unter anderen Bedingungen hätte das Medaillon des Sängers, das 1992 von einem Fischer einige Kilometer in Stromrichtung vom Standort des abgerissenen Häuschens entfernt gefunden wurde, nach Hamburg gelangen können, denn die Metuji mündet in die Labe, die dann zur Elbe wird. Der Sänger selbst hatte es nach Hamburg geschafft und dort in der Oper gesungen.

    Im Feuilleton der Zeitschrift »Die Mode, Zeitung für die elegante Welt.« - Jahrgang 1847, erschien ein Beitrag, der deutlich macht, welchen Status Joseph Tichatschek damals hatte; in dem Blatt wird das den Lesern so dargestellt:

    »Kurz vor Herr Duprez trat Herr Tichatscheck auf dem Hamburger Stadttheater als Masaniello auf. HerrTichatscheck ist bekanntlich bei der Dresdner Hofbühne und mit einem Gehalte angestellt, wie es seiner seltenen Stimme entspricht, oder wenn Ihr wollt, auch nicht entspricht. Denn diese seltenen Stimmen heißen darum so, weil sie sich gerade an den Orten am Seltensten machen, wo sie am Regelmäßigsten bezahlt werden, was beinahe wie eine kleine Widersinnigkeit aussieht. Natürlich will aber ein Kapital, welches so hohe Interessen trägt, wie eine ausgezeichnete Tenorstimme, mit Sorgfalt geschont sein und dazu sind die Hoftheater erfunden. Die Dresdner werden erstaunen, zu erfahren, was Herr Tichatscheck zu leisten vermag, wenn er einmal außerhalb seiner festen Anstellung ist. In der zweiten Woche des März sang er am Sonnabend im Berliner Opernhause, wohin er von Dresden zu einem Gastspiel beurlaubt war, die Partie des Stradella. Nächsten Sonntagmorgen fuhr er die 40 Meilen Eisenbahn nach Hamburg und sang daselbst mit ungeschwächter Kraft den Masaniello. Am Montage aber fuhr er die Strecke von Hamburg nach Berlin zurück, um schon am Dienstage wieder im königlichen Opernhause in der Rolle des Max zu erscheinen. Achtzig Meilen Weges und drei große Tenorpartien in vier Tagen zu erledigen, aus dem Wagen auf die Bühne und von der Bühne in den Wagen, das erfordert einer heroischen Anstrengung. Wie nöthig wird darauf Herr Tichatscheck die Dresdner Hoftheaterruhe haben!«

    Aber kehren wir von diesem Sängerausflug wieder zurück nach Teplice nad Metuji. Dort fand Herr Wendl das Relief des Sänger-Kopfes und brachte es zur Gemeindeverwaltung. 1994 fertigte man eine Silikonform an, aus welcher ein Abguss des Medaillons hergestellt werden konnte. Dieser Abguss wurde auf Wunsch und Kosten der örtlichen Landsmänner aus Deutschland angefertigt und 1995 ins Heimatmuseum nach Forchheim gebracht.
    In dieser Zeit reifte in der Stadt Teplice die Idee diesem einst berühmten Mann ein angemessenes Denkmal zu errichten. Es gab einige Vorentwürfe, aber schließlich erlahmte der Eifer die Sache konkret werden zu lassen.
    Endlich entschloss man sich dann 1998 das so lange geplante Sänger-Denkmal zu errichten. Wie berichtet wird, hatte sich die damalige Bürgermeisterin, Frau Vitová, Petr Hnyk und eine Gruppe jüngerer Tschechen besonders engagiert, damit das Denkmal entstehen konnte.
    Die Die Bürgermeisterin blickte bei den Einweihungsfeierlichkeiten auf die böhmische Geschichte zurück und meinte, dass diese Zeit mit dem Jahre 1945 abgeschlossen wurde. und die Nachkriegsgeneration in diesem Gebiet ohne Tradition, ohne Anbindung an historische Wurzeln begann. Sie widmete sich der Gegenwart und erbaute unter schwierigen Bedingungen ihre neue Heimat. In den letzten Jahren bemühte sich die Stadtverwaltung an die vergangene Geschichte der Stadt zu erinnern.
    Das Denkmal entstand auf Kosten der Gemeinde unter Verwendung einer Replik des Reliefs, das ein Fischer 1992 als Rest des Geburtshauses von Tichatschek zufällig gefunden hatte; eine für unsere Zeit beachtliche Leistung. Zunächst war angedacht das Denkmal dort aufzustellen, wo einst das Geburtshaus stand, aber nun steht es seit 1999 im Zentrum der Stadt Metuji. Der Entwurf stammt dem Kunstarchitekten Jan Plišek.


    Anmerkungen:

    In dem Beitrag vom Grab des Sängers wurde der Name so geschrieben, wie er auf dem Friedhof in Stein gemeißelt ist, in diesem Artikel, der sich mit dem Denkmal befasst, wird der Sängername so geschrieben, wie er heute auf dem Denkmal in Teplice nad Metuji steht.
















  • Erinnerung an den Komponisten Hans Sommer - Heute ist sein Todestag


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    In diesem Haus hat der Komponist Hans Sommer die letzten 17 Jahre seines Lebens verbracht.


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    In Braunschweig steht seit 2017 am Gaußberg 3 ein Schild, welches anzeigt, dass der Mathematiker und Komponist Hans Sommer in diesem Haus die letzten 17 Jahre seines Lebens verbrachte. Hans Sommer war der Stiefsohn des bedeutenden Fotopioniers Voigtländer. Schon im Alter von vier Jahren hatte er seinen leiblichen Vater verloren und sollte nach dem vorläufigen Willen seines Stiefvaters einmal die bedeutende Firma leiten, weshalb Voigtländer auf einer naturwissenschaftlichen Ausbildung bestand und das von Hans eigentlich gewünschte Musikstudium strikt ablehnte.


    Der 1837 in Braunschweig geborene Hans Sommer studierte in Göttingen Mathematik und konnte auf eine beachtliche akademische Karriere zurückblicken, als er sich in der Mitte seines Lebens von den Naturwissenschaften abwandte, um ab 1884 als freischaffender Komponist tätig zu sein. 1881 begann Sommers allmählicher beruflicher Rückzug aus dem Lehramt; mit 47 Jahren ging er wegen schwerer Migräneanfälle ohne Pensionsbezüge in den vorzeitigen Ruhestand; für den Rest seines Lebens hat er sich dann nie wieder mit Mathematik und Optik beschäftigt.
    Zunächst folgen einige Monate Kuraufenthalte, um wieder zu Kräften zu kommen, danach ging er nach Weimar, um an einem Meisterkurs bei Franz Liszt teilzunehmen, dem er auch frühe und neuere Kompositionen vorlegt; bei den jüngsten Arbeiten handelte es sich um Opus 6, »Sapphos Gesänge«. Meister Liszt ermutigte Sommer: »Die Lieder sind freilich sehr dramatisch gehalten, aber mit Verstand und Geschmack. Fahren Sie nur so fort!« Wie dramatisch manche Lied-Kompositionen sind, wird deutlich, wenn man zum Beispiel »Hört mich, Ihr grausamen Götter!« anhört, ein Lied, das Sommer auf einen Text von »Carmen Sylva« - hinter diesem Pseudonym verbarg sich die rumänische Königin Elisabeth zur Wied - vertonte, das mit allerhand Operndramatik daher kommt.
    Der Musikkritiker Rudolf Louis, der als Zeitgenosse auf Sommers Kompositionen blickte, schreibt in dem Buch »Die Deutsche Musik der Gegenwart« folgendes:
    »Hans Sommer, von dessen Liedern in Wagnerianerkreisen unverdient viel Aufsehen gemacht wurde, weil er gleichfalls nicht frei von dilettantischen Zügen ist ...« und in einem anderen Zusammenhang bezeichnet er Sommer gar als »modernen Bänkelsänger«.


    Hans Sommer komponierte etwa 300 Lieder und schuf zehn Opernwerke, dazu zwar auch Orchesterwerke und Kammermusik, die jedoch weniger bekannt sind. Heute gibt es auf modernen Tonträgern noch relativ viele Lieder, aber seine Opern gerieten schon recht bald in Vergessenheit, wobei seine Oper »Rübezahl«, die 1904 in Braunschweig eine glanzvolle Uraufführung erlebte, 2016 in Gera wieder auf die Bühne gebracht wurde, und davon gibt es auch eine CD.


    Obwohl Sommer relativ spät musikalisch tätig wurde, stand er mit dem aufstrebenden Richard Strauss und dem bereits etablierten Richard Wagner in engem Kontakt. Zusammen mit Richard Strauss baute er das Vorläuferinstitut der heutigen Gema zur Sicherung von Tantiemen von Komponisten auf. Der damals noch junge Richard Strauss dirigierte auch immer wieder Opern von Sommer.
    Richard Wagner mit Gattin war 1875 auch zu Besuch in Braunschweig und Hans Sommer hatte beste Kontakte zum Haus Wahnfried in Bayreuth, aber er hielt nicht viel von den Kompositionskünsten Siegfried Wagners, was man natürlich in Wahnfried nicht hören wollte. Im Prinzip war Hans Sommer jedoch Wagnerianer und gründete auch den Braunschweiger Patronatsverein zur Unterstützung der Bayreuther Festspiele, das war der Vorgänger des heutigen Richard-Wagner-Verbandes.


    Ein regelrechtes Musikstudium konnte Hans Sommer also nicht absolvieren, aber er nahm wiederholt Kompositionsunterricht. Seine Lehrer waren Adolf Bernhard Marx, Julius Otte Grimm und der Braunschweiger Konzertmeister Wilhelm Meves.


    Nachdem sein Opernschaffen längst beendet war, seine letzte Oper, »Der Waldschratt«, kam 1912 in Braunschweig zur Uraufführung, ohne großes Aufsehen zu erregen, wandte sich Sommer noch einmal dem Lied zu. In seinen früheren Lied-Kompositionen hatte er neben Texten von Carmen Sylva auch einige schöne Lieder auf Gedichte von Gottfried Keller geschrieben, und Eichendorff und Goethe vertont. Nun entstanden zwischen 1919 und 1921 Lieder nach Texten von Goethe, die alle - auch wenn einige in der Fassung für Singstimme und Klavier erschienen - als »Gesänge mit Orchester« konzipiert sind.


    Anmerkung:
    Etwas umfangreicher wird über Hans Sommer im Thread »Der Musiker Gräber« (Beitrag Nr. 708) berichtet.

  • Joachim Raff -

    ein großer Musiker und sein kleines Denkmal am Zürichsee


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    Zum heutigen Geburtstag von Joachim Raff


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    Der ungarische Violinist Edmund Singer, (*1831), der 1854 auf Empfehlung von Franz Liszt Hofkonzertmeister in Weimar geworden war und später in Stuttgart eine bekannte Musikerpersönlichkeit war, sieht Joachim Raff in seinen Erinnerungen so:


    »Raff, der nicht nur durch seine Kompositionen, die leider heutzutage fast der Vergessenheit verfallen sind, sondern auch durch sein umfassendes Wissen (Liszt nannte ihn immer: mein Konversationslexikon) zu den Bedeutendsten der damaligen Weimarer Glanzzeit zählen kann [...]. Joachim Raff war eine erstaunliche Arbeitskraft, auf fast allen Gebieten, nicht nur auf dem der Musik, war er zu Hause. Er war ebenso ein Meister des Wortes wie der Töne, und es ist ein trauriges Zeichen der Zeit, dass ein Meister wie er, der so Bedeutendes geleistet hat, so schnell vergessen, so sehr vernachlässigt werden konnte. Seine Kompositionen, die sich nicht nur durch vollendete Form, sondern auch durch große Erfindungsgabe auszeichnen, überragen weitaus vieles, was heute dem Publikum geboten wird ...«.


    Am hinteren Zipfel des Zürichsee - von Zürich aus gesehen, also am Obersee - steht auf dem aufgeschütteten Seeplatz in Lachen seit 1972 ein von Josef Bisa geschaffenes Denkmal, das an Joachim Raff erinnert. Bisa hatte schon einige Jahre vorher auch das Othmar Schoeck-Denkmal in Brunnen gefertigt.


    Zu seinen Lebzeiten - *27. Mai 1822 - † 24. Juni 1882 - galt Joachim Raff als großer Komponist; er war Zeitgenosse von Schumann, Liszt, Wagner und Brahms, um nur einige Namen zu nennen; Felix Mendelssohn sollte man noch erwähnen, weil dieser den damaligen Schulmeister Raff ermutigte die Pädagogik an den Nagel zu hängen und sich ganz der Musik zu widmen.


    Geht man der Familiengeschichte der Raffs auf den Grund, stellt man fest, dass die Familie aus dem Schwäbischen stammt. Joachim Raffs Vater, Franz Josef Raff, war vor dem ihm drohenden Einzug zum Militär in die Schweiz geflohen, wo er schließlich 1818 in Lachen eine Anstellung als Lehrer fand. Bei seiner Anstellung war es der Gemeinde wichtig, dass der neue Schulmeister sowohl auf der Orgel als auch auf anderen Instrumenten ein trefflicher Musikant war. Der neue Lehrer heiratet die Tochter des Ochsenwirtes und dem Paar werden zehn Kinder geboren; der Zweitgeborene geht in die Musikgeschichte ein, wird zunächst jedoch erst einmal Lehrer, wie sein Vater.


    Mit sechs kann Joachim bereits lesen, mit sieben schaut er in die Schriften Platons; als Zehnjähriger vertritt er seinen Vater an der Orgel. Er ging zunächst in Lachen zur Schule, danach an den Gymnasien im württembergischen Rottweil und Rottenburg und später am Jesuitenkollegium in Schwyz. Joachim ist als Schüler ein Streber, mehrfach wird er als Primus der Klasse ausgezeichnet. Dennoch erzieht ihn sein Vater streng, was den Sohn veranlasst dagegen aufzumucken, die Mutter vermittelt dann zwischen Vater und Sohn. 1840 wurde Joachim Raff als Primarlehrer in Rapperswil auf die Dauer von drei Jahren angestellt; bis dahin war er also in die Fußstapfen seines Vaters getreten.


    Aber dem Vater geht es nun gesundheitlich und monetär schlecht, seit er seine Stelle in Schwyz aufgegeben hatte. Die Familie war mit Armut konfrontiert und der Vater hoffte darauf, dass sein Sohn Joachim unterstützend mithelfen könnte die Familie finanziell über Wasser zu halten. In dieser Situation war der Vater nun sehr enttäuscht, dass der Sohn sich zunehmend der Musik zuwendet und bezeichnete ihn als Bettelmusiker, wobei er richtig lag, wie die Anfänge des Musikerlebens von Joachim Raff zeigen.


    Erste Kompositionsversuche macht Raff bereits 1838; einige Zeit später wird der junge Raff vom Komponisten Franz Abt und dem Opernsänger Anton Curti und dessen Bruder sowie den Musikprofessoren Greith und Muggeman in St. Gallen animiert seine Kompositionen zur Begutachtung an Felix Mendelssohn Bartholdy zu senden, einem Komponisten, den Joachim Raff besonders wegen dessen »Lieder ohne Worte« verehrt. Mendelssohn Bartholdy empfiehlt 1843 die Raffschen Kompositionen umgehend dem Verlag Breitkopf & Härtel, der auch einige Werke von Joachim Raff herausgibt. 1844 ringt Raff um die Entscheidung ob er weiter das Lehramt anstreben soll, oder doch freischaffender Musiker wird. Im August dieses Jahres gibt er zwei gut besuchte Nachmittags-Konzerte im Mineralbad Nuolen bei Lachen, wobei er Stücke anderer Komponisten mit seinen eigenen Werken darbietet. Der Eintritt betrug 6 Batzen; reich werden konnte man damit nicht.


    Nun verließ Joachim Raff Lachen in Richtung Zürich, wo er sich mit Musikunterricht und Abschreiben von Noten zwar etwas Geld verdiente, was jedoch nur ein äußerst karges Leben erlaubte, denn er schlief in Zürich oft im Freien auf einer Landzunge an der Limmat zusammen mit Bettlern und Trunkenbolden. Immerhin war in der »Neue Zeitschrift für Musik« am 5. August 1844 eine wohlwollende Notiz zu seinen bei Breitkopf & Härtel erschienenen Kompositionen zu lesen.


    In Feuilletons wird immer wieder die Geschichte beschrieben, wie Joachim Raff im Sommer 1845 in strömendem Regen in einer Zweitagetour von Zürich nach Basel lief, um einem Konzert von Franz Liszt beiwohnen zu können. Dort angekommen erregt er das Mitleid von Liszts Sekretär Belloni, der ihm bei dem ausverkauften Konzert zu einem Platz auf der Bühne in unmittelbarer Nähe zu Meister Liszt verhalf. Diese Story stützt sich auf eine Schilderung von Raffs Tochter Helene, aber es gibt auch Stimmen, die das für eine Anekdote halten, wie zum Beispiel der Musikwissenschaftler Edgar Refardt, der argumentiert, dass Liszt ja später auch in Zürich auftrat. Da gibt es zwar Ungereimtheiten in den genannten Daten, aber Joachim Raff greift 1846 in einem Brief an Liszt die Umstände seiner Reise nochmals auf, was bestätigt, das das nicht aus der Luft gegriffen ist.


    Im Juli 1845 muss Raff nicht mehr unter Zürichs freiem Himmel schlafen, er nächtigt nun zusammen mit Franz Liszt im renommierten Hotel »Baur au Lac«, sein Eintrag lautet:»J. Raff, Sekretär a. Württemberg«. Durch Liszt kommt er mit gewichtigen Leuten in Berührung, so auch mit dem Verleger Franz Schott, dem er bereits 1840 seine ersten Kompositionen geschickt hatte. Liszt vermittelt ihm auch im August 1845 eine feste Anstellung bei der bekannten Musikalien- und Pianofortehandlung Eck & Levebvre in Köln. Dort hatte er die Aufgabe den Kaufinteressierten die Klaviere vorzuführen und dem Verlag eingereichte Manuskripte zu prüfen. Der ideale Verkäufer ist Raff nicht, Diplomatie und Anpassung sind ihm weitgehend fremd; bei Liszt beklagt er sich bitter über seine Arbeitgeber, wobei diese stocksauer sind, weil sich ihr Angestellter mit Kölner Persönlichkeiten angelegt hatte, die nun Raffs fristlose Entlassung forderten.


    Im Herbst 1846 schreibt der um elf Jahre ältere Liszt einen für Raff unangenehmen Brief, in welchem er dem Jüngeren Vielschreiberei vorwirft und ihn darauf aufmerksam macht, dass er dadurch sein Talent und seinen Namen schwächt. Als Liszt anbietet, dass Raff ab Januar 1848 eine »anständige, ehrenvolle Position an meiner Seite« einnehmen könne, beharrt Raff auf seiner Eigenständigkeit. Inzwischen hat Raff Verbindungen vielseitiger Art zu allen möglichen und wichtigen Leuten des Musikgeschehens.


    1848 wechselt Raff nach Stuttgart, wo er seinen Freund und später wichtigen Förderer Hans von Bülow kennenlernt. Eine andere wichtige Person wird für Raff dort auch die mütterliche Freundin Kunigunde Heinrich, eine Klavierlehrerin, mit der er auch später noch intensiven Briefkontakt pflegt, wodurch der Nachwelt Einsichten in Raffs Gedankenwelt übermittelt sind. Hans von Bülow war acht Jahre jünger als Raff, also schaute er zunächst zu dem weit Erfahreneren auf. In späteren Jahren, als Bülow selbst eine Berühmtheit war, sorgte er für die weite Verbreitung von Raffs Kompositionen in weiten Teilen Europas und sogar in USA und Kanada.


    Auch für seine Stuttgarter Freunde überraschend, reist Raff im September 1849 zu Julius Schuberth, einem Verleger, nach Hamburg. Dieser Kontakt war ebenfalls durch die Vermittlung Liszts zustande gekommen, der zwar bei der Ankunft Raffs auf Helgoland weilt, aber es kommt dann dennoch zu einer wichtigen Hamburger Begegnung zwischen Liszt und Raff, denn hier bahnt sich an, dass sich Joachim Raff nun doch für einen langfristigen Aufenthalt bei Liszt in Weimar entschließt. Bereits im Dezember 1849 traf Raff in Eilsen - nahe der Stadt Bückeburg in Niedersachsen - ein, wo Franz Liszt mit seiner Fürstin zur Kur weilte. Nun fungiert Raff als Liszts Sekretär, erhält 600 Taler Jahresgehalt und gleich eine Menge Arbeit zugeteilt. Da waren Reinschriften von Kompositionen und die Orchestrierung von Liszts ersten symphonischen Werken zu bewerkstelligen, aber auch Korrespondenz und Übersetzungen zu erledigen.
    Aber an Kunigunde Heinrich berichtet er über die neue Situation in Weimar - typisch für Raff - »Ich gestehe, dass ich Liszt außerordentlich verändert finde. Er nimmt meinen Tadel mit aller Geduld auf und zeigt, dass er noch etwas lernen will«.


    Schon in Stuttgart arbeitete Raff an seiner Oper »König Alfred«, welche nun am 9. März 1851 am Hoftheater in Weimar zur Uraufführung kommt. Ursprünglich war vorgesehen, dass Liszt das Werk dirigiert, aber wegen einer ernsthaften Erkrankung der Fürstin Sayn-Wittgenstein kann Liszt diesen Termin nicht wahrnehmen, so dass das neue Werk unter der Leitung des Komponisten zur Erstaufführung gelangt. Zu dieser Aufführung stehen die besten Kräfte des Hauses zur Verfügung und der Erfolg ist beim Publikum so groß, dass Raff hochzufrieden sein kann. Allerdings muss er in der Folgezeit erkennen, dass sich keine anderen Häuser darum bemühen seine Oper aufzuführen.


    Joachim Raff verkehrte seit 1850 im Hause Genast, Eduard Genast war ein Multitalent: Schauspieler, Sänger, Regisseur und Theaterdirektor. Die Familie hatte vier Töchter und einen Sohn; zu den Schwestern Doris und Emilie entwickelt Raff ein besonderes Verhältnis, fühlt sich aber zunächst mehr zu Emilie hingezogen, aber die Familie einigt sich schließlich darauf, dass die ältere Doris (*1826) den Vortritt bekommt,1852 verlobt er sich mit der Schauspielerin Doris Genast, die 1853 aus gesundheitlichen Gründen von Dresden an das Theater in Wiesbaden wechselt, wo sie sehr erfolgreich tätig ist; zur Heirat kommt es erst 1859, als Raff ihr nach Wiesbaden folgt.


    Während Raffs Weimarer Zeit erscheint 1854 in einem Braunschweiger Verlag das Buch »Die Wagnerfrage« - im Untertitel heißt es: Kritisch beleuchtet von Joachim Raff. Liszt und andere sind irritiert; im Abstand von vielen Jahren sah das 2013 der Musikwissenschaftler Stefan König so, dass dieses Buch ein Emanzipationswerk von Raff gewesen sei, mit dem er sich von seinen Übervätern abgrenzte.
    Am Sylvester-Abend 1854 findet auf der Altenburg die Gründung des Neu-Weimaraner-Vereins statt, welcher als Podium für interdisziplinären künstlerischen Austausch gedacht war. Präsident ist natürlich Franz Liszt, Vizepräsident wird August Heinrich Hoffmann von Fallersleben; Joachim Raff und später Peter Cornelius sind Redaktoren der Zeitschrift »Vereinslaterne«. So gut die Stimmung am Silvestertag auch war, bald gab es in diesem Verein Spannungen und Streitigkeiten, sodass einige Mitglieder recht bald ihren Austritt erklärten, so auch Joachim Raff, der den Verein 1855 bereits wieder verließ.
    In dieser Zeit pendelt Raff zwischen Weimar und Wiesbaden, denn er arbeitet immer noch für Liszt, strebte jedoch zu mehr Eigenständigkeit. Im April 1855 findet im Großherzoglichen Hof-Theater zu Weimar ein Konzert statt, bei welchem nur Werke von Raff aufgeführt werden; im Mai 1856 kommt an gleicher Stätte Raffs Märchenoper »Dornröschen« zur Erstaufführung; bei diesem Epos stammte die Dichtung von Wilhelm Genast, dem Bruder von Raffs Braut, das Dornröschen sang die Mezzosopranistin Emilie Genast, die beinahe Raffs Braut geworden wäre. »Dornröschen« wird immerhin von erstrangigen Fachleuten wie Liszt, Bülow und Klindworth gelobt, dennoch fühlt sich Raff nun in Weimar nicht mehr so recht wohl, einem Brief vertraut er an:
    »Der Druck, den Liszt freiwillig und unfreiwillig auf meine Persönlichkeit ausüben muss, ist unerträglich ... Das Schlimmste ist, dass ich durch meine Lage verdammt bin, stetsfort eine untergeordnete sekundäre Rolle zu spielen, dass jedermann glaubt, von meinem rein persönlichen Verdienst so und so viel beliebig wegzunehmen und auf Rechnung Lisztscher Protektion setzen zu können oder gar zu müssen«.


    Das freundliche Verhältnis zu Liszt bleibt aber lebenslang erhalten. Dennoch orientiert sich Raff nun zunehmend Richtung Wiesbaden, wo seine Oper »König Alfred« im August 1856 mit großem Erfolg aufgeführt wird, aber dann keine Zukunft auf dem Spielplan hat. Raff übersiedelt nun nach Wiesbaden, wo er ein Zimmer bewohnt und keine feste Anstellung hat, um etwas zu verdienen gibt er Musikstunden, ansonsten hat er jede Menge Zeit zum Komponieren.
    Und endlich - am 15. Februar 1859 war in der katholischen Kirche zu Wiesbaden Hochzeit, auf eine Ziviltrauung verzichtete das Paar, aus finanziellen Gründen versagte man sich größere Feierlichkeiten, die Hochzeitsreise bestand aus einem Spaziergang durch die herzoglichen Gärten im nahegelegenen Biebrich. Joachim Raff bekommt nun an den Wiesbadner Mädcheninstituten eine Anstellung als Musiklehrer und unterrichtet Klavier, Harmonielehre und Gesang. Im Frühling 1865 wird aus den Raffs endlich eine Familie, Tochter Helene wird geboren.
    In den 1860er und 1870er Jahren mehren sich Raffs öffentliche Erfolge, wozu Hans von Bülow einiges beiträgt. 1863 gewinnt Raff mit seiner Komposition »An das Vaterland« ein Preisausschreiben der Gesellschaft der Musikfreunde Wien, wo er sich unter zweiunddreißig Einsendungen behaupten konnte. 1869 entsteht Raffs 3. Sinfonie »Im Walde«, die am Ostersonntag 1870 am Hoftheater Weimar erstmals zur Aufführung kommt; dieses Stück gehört zu Raffs erfolgreichsten Kompositionen. Seine fünfte Sinfonie »Lenore«, welche im Herbst 1873 im Berliner Konzerthaus aufgeführt wird, hat Bülow noch stärker beeindruckt als »Im Walde«.


    Im Spätsommer 1877 verlässt Familie Raff Wiesbaden und siedelt nach Frankfurt am Main über. Dort hatte man nach dem Tod von Dr. Peter Hoch, welcher der Stadt sein Vermögen überlassen hatte, ein Musikkonservatorium eingerichtet und sich letztendlich für Joachim Raff als ersten Direktor entschieden, der insbesondere im Rhein-Main Gebiet in Musikerkreisen eine bekannte Persönlichkeit war. Damit war Joachim Raff endlich am Ziel seiner Wünsche, denn schon immer hatte ihm eine feste Anstellung vorgeschwebt, wobei er jedoch eher an eine Position als Kapellmeister gedacht hatte. Und er legte sich in Frankfurt mächtig ins Zeug; bemühte sich allererste Vertreter ihres Fachs ans Haus zu bekommen, als Beispiele seien Clara Schuman und der damals beste Bariton, Julius Stockhausen, genannt. Sein immer wieder gerühmter Arbeitseifer zeigt sich auch hier; er spart sich sowohl ein Sekretariat als auch einen Bibliothekar und erledigt diese Arbeiten selbst. Auch sonst übt er Bescheidenheit; der Direktor wird mit 7000 Mark entlohnt, während der Sänger Stockhausen 9000 Mark erhält. Von Raffs Tochter ist überliefert, das der Vater dies so kommentiert habe: »Ach was, der Intendant bekommt auch oft weniger als die Primadonna. Meine Primadonna ist eben Stockhausen«. Die 14-jährige Tochter des Direktors, Helene Raff, gehört zu den ersten Schülerinnen des Konservatoriums und ist auch die jüngste.
    Anfangs kamen Raff und Stockhausen blendend miteinander aus, aber schon im September1880 quittiert Stockhausen nach Querelen mit Raff den Dienst und gründet eine eigene Gesangsschule.
    Auch Clara Schumann hatte man mit den allerbesten Konditionen umworben und ihr zugesichert, dass sie in ihrer Wohnung unterrichten und Tochter Marie als Hilfskraft einsetzen könne. In einem Tagebucheintrag von 1878 findet man den Satz:
    »So sehr mir ein solches Anerbieten jetzt gerade, wo ich nicht wusste wohin mich wenden, erwünscht war, so hatte ich den einen Gedanken, kann ich mit Raff, der mir als Musiker durchaus unsympathisch ist, an einem Institut wirken?« Frau Schumann konnte, wie man weiß und sie stellte beim persönlichen Umgang mit ihm fest, dass der Direktor etwas Offenes, aber auch Derbes hat. Als Clara Schumann am Hoch´schen Institut am 20. Oktober 1878 ihr fünfzigjähriges Künstlerjubiläum feiert, hält der Direktor eine Rede und die Jubilarin meinte sie sei »reizend gefeiert« worden.


    Raffs Erfolg am Frankfurter Institut lässt sich an der Zahl der Studierenden ablesen, die er von anfänglich 60 bis 70 Schülern, binnen eines Jahres auf 123 steigern kann. Musikalisch richtet er es so ein, dass die zwei damals geltenden Stilrichtungen zum Zuge kamen, also Mendelssohn und Schumann, aber auch Liszt, Wagner und Berlioz. Stockhausens Weggang ist an Raff nicht spurlos vorübergegangen, man glaubte zu bemerken, dass er in seiner administrativen Arbeit etwas angeschlagen war.


    Zum Ende seines Lebens ist festzustellen, dass sich Joachim Raff von der Instrumentalmusik etwas abwendet und mehr zur Vokalmusik tendiert. So entsteht das Oratorium »Welt-Ende - Gericht Neue Welt«, das am 17. Januar 1882 in Weimar mit großem Erfolg uraufgeführt wird, der berühmte Bariton Karl Scheidemantel sang den Evangelisten. Scheidemantel interpretiert auch Lieder aus dem Gesangszyklus »Blondel de Nesle«, die Texte zu diesen Liedern stammen von Helge Heldt, hinter diesem Pseudonym verbarg sich die 15-jährige Helene Raff, Tochter des Komponisten, die sich im Rückblick nicht als Lyrikerin sah, aber eine Sammlerin von Märchen und Mythen war und auch als Malerin eine gute Figur machte. Helenes Vater und Großvater waren ausgebildete Schulmeister, aber Helene besuchte bezeichnenderweise nie eine Schule, sie wird von ihrem Vater unterrichtet, der nicht möchte, dass sie eine sogenannte »höhere Töchterschule« besucht, seine Tochter sollte eine vielseitige, den Knaben gleichgestellte Bildung erhalten.


    Im Frühjahr 1882 diagnostiziert der Arzt bei Raff eine Herzneurose, der eine Herzerweiterung und schließlich eine Herzverfettung folgt. Anlässlich seines 60. Geburtstages am 27. Mai 1882 erfährt Joachim Raff nochmals viele Ehrungen vor allem durch die Lehrkräfte des Instituts, wobei er feststellt, dass diese Ehrungen wohl eher seiner administrativen Leistung und Menschlichkeit gelten; lobende Worte über seine Leistungen als Tonkünstler vermisst er und ist deshalb verbittert.


    Noch vor dem für den Sommer geplanten Erholungsurlaub in die Schweiz, stirbt Joachim Raff in der Nacht vom 24. auf den 25. Juni 1882; eine Herzlähmung hatte seinem Leben ein Ende gesetzt.


    Kurz vor seinem Tod hatte Johannes Brahms seinen Komponistenkollegen noch besucht, nun berichtete Clara Schumann ihrem Johannes:
    »Noch ganz erschüttert theile ich Dir mit, dass Raff diese Nacht, nachdem er sich durch die Prüfungen die unglaublichsten Anstrengungen zugemuthet, sanft verschieden ist; die Frau fand ihn am Morgen todt. Ich bin, obwohl er mir innerlich nicht nahe stand, doch tief betrübt für die arme Frau und seine Tochter, die schwärmerisch an ihm hing«.


    Das Grab-Denkmal von Joachim Raff auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main


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    Das Denkmal wurde von Karl Ludwig Sand entworfen, einem Lehrer der Kunstgewerbeschule Frankfurt am Main.

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    Außerhalb der Familie war Hans von Bülow wohl derjenige, der Joachim Raff zeitlebens am meisten bewunderte und so tat Bülow auch nach Raffs Tod vieles, um das Andenken an seinen Freund wachzuhalten. Im Januar und Dezember 1883 veranstaltete er in Weimar Konzertabende, bei denen nur Werke von Joachim Raff auf dem Programm standen.
    Als im April 1883 in Frankfurt am Main das Raff-Conservatorium gegründet wird, heißt es im Prospect: »Gegründet 1883 unter dem Ehrenpräsidium des Herrn Dr. Hans von Bülow«. Im Verlauf von vier Jahren veranstaltete Bülow dort mehrwöchige Klavierkurse, deren Erlöse dem von ihm geplanten Raff-Denkmal zufließen sollten. Im Februar 1868 unternimmt Bülow eine Konzertreise durch die Schweiz, um Mittel für das geplante Denkmal zusammenzubekommen, geht aber damals noch von einem Standort in der Schweiz aus. Seiner Patentochter Helene Raff kann Bülow berichten, dass durch seine Kurse und Konzerte sowie Spenden bereits 80.000 Mark für das Denkmal ihres Vaters zusammengekommen sind.
    Hans von Bülow starb 1894, aber der Gedanke an das Raff-Denkmal blieb lebendig. Im Mai 1903 wird der Leichnam von Joachim Raff in eine größere Grabstätte auf dem Frankfurter Friedhof überführt. Im Juni 1901 hatte sich in Frankfurt ein Raff-Denkmal-Verein konstituiert, der vor allem aus prominenten Mitgliedern des Raff-Konservatoriums, also dem Lehrpersonal des Hoch´schen Konservatoriums bestand. Am, Sonntagvormittag des 24. Mai 1903, um 11½ Uhr, fand die feierliche Enthüllung statt, an der auch Frau Doris Raff und ihre Tochter Helene teilnahmen.
    Die Feier wurde musikalisch vom Sängerchor des Lehrervereins umrahmt und zum Abschluss der Feierlichkeiten spielte die Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 81 »Elegie für Orchester« von Joachim Raff.


    Clara Schumann, die Joachim Raff immer etwas reserviert gegenüber gestanden war, sinnierte in ihrem Tagebuch im November 1882 - noch unter dem Eindruck der Trauerfeier beim Begräbnis:


    »Da hat nun der Mann geschaffen, rastlos mit Talent und Geschick; auch Phantasie, und was ist es nun? Man hat ihn gefeiert, d. h. ... 2 Stunden seine Musik gehört und damit glaubt man Alles gethan zu haben und denkt nicht mehr seiner! Ich glaube seine Begabung hätte Besseres verdient, und finde es schrecklich traurig ... «

  • Peter Schreier im Kurpark von Kreischa - zu seinem heutigen Geburtstag
    Es sei noch angemerkt, dass die Eheleute am gleichen Tag und im gleichen Jahr geboren wurden

    .

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    Der Text auf dem Metallschildchen lautet:


    Professor
    Peter Schreier
    Als Künstler in der Welt zu Hause
    mit Kreischa eng verbunden
    In Würdigung seines engagierten
    Wirkens als Ehrenvorsitzender
    des Kunst- und Kulturvereins
    "Robert Schumann" Kreischa e. V.
    1999-2018
    Kreischa, 23. Juni 2018

    Das Gipsmodell war noch vorhanden und es fand sich ein nicht genannt sein wollender Spender, welcher den Neuguss finanzierte. Kazzer verwendete nun bei der erneuten Montage einen Spezialzement und 30 Zentimeter langen Schrauben.

    Zu den Einweihungsfeierlichkeiten am 23. Juni 2018, war Peter Schreier noch in persona anwesend und er erlebte auch noch etwas fassungslos, dass der etwa 25 Kilogramm schwere Bronzekopf knapp sieben Wochen nach der Einweihungszeremonie nachts gestohlen wurde, am anderen Morgen stand nur noch die kopflose Basaltsäule da.
    Die Büste war von Bildhauer Hans Kazzer geschaffen worden, der im gleichen Ort wie Schreier ansässig ist und 1997 auch schon die Büste von Robert Schumann hergestellt hatte.


    Der heimatverbundene Tenor lebte seit vielen Jahren in Lungkwitz, einem Ortsteil der Gemeinde Kreischa, etwa 20 Kilometer von Dresden entfernt.
    1999 hatte Peter Schreier in seiner Heimat eine Schumanniade ins Leben gerufen, ein ganz kleines Festival, das im Zwei-Jahre-Rhythmus stattfindet und von jeweils dreitägiger Dauer ist. Zunächst fanden die Veranstaltungen im Barockschloss Reinhardtsgrimma statt, später auch in der Kirche zu Kreischa.
    Peter Schreier nahm zum Anlass dieses Festivals, dass aus Schumanns Tagebuchaufzeichnungen bekannt ist, dass dieser das Lochwitztal liebte. In dieser Gegend bekam Robert Schumann die Anregung zur Komposition »Liederalbum für die Jugend«. Aber Familie Schumann hatte in dieser etwas abgelegen Gegend 1849 auch Schutz vor der Revolution gesucht.


    Peter Schreier musste 2018 aus gesundheitlichen Gründen die Leitung der Festspiele in die Hände von Professor Olaf Bär legen, einem Schüler und Freund.
    In der Anfangszeit des Festivals gestaltete Peter Schreier hier - selbst vortragend - großartige und beeindruckende Konzerte, wobei er schon mal an einem Abend drei große Liederzyklen sang, wie in den Annalen nachzulesen ist. Auch Johann Sebastian Bachs »Johannespassion«, die von Robert Schumann instrumentiert wurde, kam hier zur Aufführung. Natürlich trat Peter Schreier bei diesem Festival auch als Dirigent in Erscheinung; so dirigierte er zum Beispiel Schumanns »Der Rose Pilgerfahrt« und »Das Paradies und die Peri«.

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  • Friedrich Schneider - * 3. Januar 1786 Altwaltersdorf - † 23. November 1853 Dessau


    Die beiden Friedrich Schneider- Denkmäler in Waltersdorf und Dessau-Roßlau


    Schneiders Geburtsort ist Waltersdorf, heute ein Ortsteil von Großschönau. Der Ort liegt in der Oberlausitz, die nächste größere Stadt ist Zittau. Man kann das auch als Dreiländereck bezeichnen, denn hier berühren sich Deutschland, Polen und Tschechien.


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    Das Geburtshaus von Friedrich Schneider in Waltersdorf


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    Zu seinem heutigen Todestag


    Waltersdorf ist mit seiner großen Anzahl von sogenannten Umgebindehäusern ein architektonisch äußerst interessanter Ort; hier steht auch heute noch das Geburtshaus von Friedrich Schneider.

    Die Gemeinde war stolz auf ihren großen Sohn, so dass anlässlich seines 100. Geburtstages der Gedanke aufkam seine Verdienste in besonderer Art zu würdigen. Es wurde ein Komitee gebildet, damit dem Komponisten in seinem Geburtsort ein Denkmal gesetzt werden konnte. Otto Meyer, Pfarrer in Waltersdorf, war der Vorsitzende und in dem Dutzend genannter Namen fällt ein Dr. Robert Franz, Musikdirektor zu Halle auf, der ein Schüler von Friedrich Schneider war.
    Aus dem Haushaltsplan der Stadt Zittau ist bekannt, dass für das Denkmal im Mai 1886 der Betrag von 150.- Mark genehmigt wurde. Am 23. Juni 1889 konnte das Denkmal in Waltersdorf eingeweiht werden, wobei von dem eingesammelten Geld noch etwa 600 Mark über waren, welche für die Kirchenmusik verwendet werden sollten. Die auf einem Syenitsockel stehende Bronzebüste modellierte der Dresdner Hofbildhauer Hans Schubert, den Bronzeguss führte die Firma Franz und Pirner in Dresden aus.


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    Friedrich Schneider war der erste von drei Söhnen des Schulmeisters und Organisten Johann Gottlob Schneider. Neben dem allgemeinbildenden Unterricht unterwies der Vater seinen Ältesten am Klavier, der Orgel, im Violinspiel, am Violoncello und an den verschiedenen Blasinstrumenten. Im Alter von sechs Jahren soll der Kleine seinen Vater schon an der Orgel vertreten haben. Ab seinem zwölften Lebensjahr besuchte der Junge das Gymnasium in Zittau, wo er von Kantor Schönfelder und dem Organisten Unger in Musik unterwiesen wurde. In Görlitz führte er seine erste Klaviersonate auf, die immerhin 1803 von Breitkopf & Härtel veröffentlicht wurde.


    1805 begab sich Schneider nach Leipzig, um dort Humanwissenschaften zu studieren. Parallel dazu widmete er sich der praktischen Musik. 1811 trat er in einer glanzvollen Aufführung von Beethovens 5. Klavierkonzert im Leipziger Gewandhaus in Erscheinung. Friedrich Schneider war in der bedeutenden Musikmetropole Leipzig »gut vernetzt«, wie man heute sagt. Er hatte gute Kontakte zu wichtigen Leuten der Leipziger Musikszene wie zum Beispiel: August Eberhard Müller, Johann Gottfried Schicht und Johann Friedrich Rochlitz, dem Begründer der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung«. In diesem Umfeld wuchsen Friedrich Schneider immer mehr anspruchsvolle Ämter zu. So war er ab 1810 Musikdirektor einer Operngesellschaft, wurde 1813 Organist an der Thomaskirche und übernahm 1816 die Leitung der Singakademie; seit1817 war er als Musikdirektor des Stadttheaters tätig; er war in Leipzig zu einer bedeutenden Persönlichkeit des Musiklebens der Stadt geworden.


    1812 vermählte sich Schneider mit der Sängerin Elisa Geibel, aber die junge Frau starb bereits ein Jahr später bei einer Totgeburt; 1815 heiratete Schneider deren Schwester. Aus dieser zweiten Ehe gingen vier Jungen und vier Mädchen hervor.


    Friedrich Schneider betätigte sich in fast allen musikalischen Gattungen; er schrieb 16 Oratorien, 6 Opern, 2 Klavierkonzerte, etwa 20 Ouvertüren, 23 handschriftlich überlieferte Sinfonien, 10 Streichquartette und etwa 400 Chorwerke. Dazu kamen Lieder, Tänze, Klaviersonaten, Klavierauszüge und Arrangements.
    Er komponierte in gänzlich anderer Weise als seine Zeitgenossen Schumann, Mendelssohn Bartholdy oder Wagner und Liszt. Seine Vokalwerke sind so komponiert, dass sie von bürgerlichen Musikvereinen und Laienchören aufgeführt werden konnten. Schneider war kein musikalischer Neuerer, er orientierte sich an Beethoven, Haydn und Mozart.


    Friedrich Schneider war bisher als Solist, Chorleiter und auch als Komponist hervorgetreten, aber sein Ruhm als Komponist hatte sich schlagartig mit der Aufführung seines zweiten Oratoriums »Das Weltgericht« vervielfacht. August Apel schrieb dazu das Libretto. Auf Apel geht übrigens auch der Text zu Webers »Freischütz« zurück; Apels Schulfreund, Friedrich Kind, hatte sich aus Apels »Gespensterbuch« bedient.
    Apel hatte 1812 in Leipzig Louis Spohrs Oratorium »Das Jüngste Gericht« gehört und war zu der Ansicht gelangt, dass man das vom Text her besser machen kann. Nachdem August Apel 1815 eine Messe von Schneider gehört hatte, bot er dem aufstrebenden Komponisten ein Textbuch an, über das Schneider dann bereits im März 1816 verfügte. Im Februar 1819 hatte er das Werk vollendet; im Juni 1819 fand eine nicht-öffentliche Aufführung statt.


    Im 19. Jahrhundert wurde das Werk etwa 200 Mal aufgeführt, was die Popularität des Stückes deutlich werden lässt. »Das Weltgericht« gilt als das bedeutendste Oratorium zwischen Haydns »Schöpfung« und Mendelssohns »Paulus«.


    Am 28. März 1821 verließ Friedrich Schneider Leipzig, um sein weiteres Leben im etwa siebzig Kilometer entfernten Dessau zu gestalten. Dort wirkte er als Herzoglich Anhalt-Dessauischer Hofkapellmeister; in den Annalen heißt es: »und führte das Dessauer Musikleben zu neuer Blüte«.
    In der Realität sah das dann so aus, dass er ein leistungsfähiges Orchester formte und seine in Leipzig gemachten Erfahrungen in Dessau einbrachte. So veranstaltete er nach dem Leipziger Vorbild in Dessau regelmäßige Abonnementkonzerte und gründete eine Singakademie. Mit dem gebürtigen Dessauer Dichter Wilhelm Müller hob er am 15 Oktober 1821 die »Dessauer Liedertafel« aus der Taufe; Müller wurde erster Sekretär des Vereins und sang im Chor als erster Tenor. Als Wilhelm Müller im Oktober 1827 - noch nicht 33-jährig - an einem Herzinfarkt starb, komponierte Schneider das Lied »Trocknet eures Jammers Thränen«.

    Er sorgte auch für qualitätsvolle Kirchenmusik in den drei Kirchen der Stadt und eröffnete eine Musikschule; zu seinen Schülern zählten 1835 zum Beispiel auch Robert Franz und Theodor Kirchner.
    Schneider organisierte Musikfeste, Einrichtungen, die das Musikleben des 19. Jahrhunderts auf breiter Basis prägten. Hier wurden bei mehrtägig dauernden Festen auch dilettierende Musiker mit einbezogen. Schneider war als Komponist, Chorleiter und Dirigent ein gefragter Mann, der dadurch einen breiten Bekanntheitsgrad erlangte. Zwischen 1820 und 1851 sind mehr als 80 Musik- und Gesangsfeste dokumentiert, die unter seiner Leitung standen; die zeitgenössische Presse titulierte ihn als »Händel unserer Zeit«.


    Am 22. Oktober 1845 fand zum Beispiel in Berlin eine Feier zu Schneiders 25-jährigem Jubiläum statt, in dessen Verlauf sein Werk »Das Weltgericht« mit einem etwa 500 Stimmen starkem Chor vor fast 3.000 Besuchern aufgeführt wurde; König Friedrich Wilhelm IV. war extra aus Potsdam angereist und überreichte dem Komponisten einen Orden.


    Friedrich Schneider war also keineswegs eine lokale Größe im Dunstkreis Dessaus, sondern zu seiner Zeit eine auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte Größe. Ihm wurde nicht nur die Ehrendoktorwürden der Universitäten Halle und Leipzig verliehen; er war auch 1853 Ehrenmitglied der New Yorker Philharmonic Society geworden. Auf die gleiche Weise ehrten ihn die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde Wien und die Königliche Musikakademie in Stockholm.


    Den Höhepunkt seiner kompositorischen Schaffenskraft hatte Schneider etwa in den 1830er Jahren erreicht. Trotz fast überbordender Ehrungen und vielfältiger Dirigierverpflichtungen konnte sich Schneider nie zu den Begüterten zählen. Seine kompositorische Tätigkeit schränkte er immer mehr ein; Friedrich Schneider hatte wohl beobachtet, dass neue musikalische Entwicklungen nach vorne drängten, die ihm fremd waren. Er hatte in seinem Leben viel gearbeitet und organisiert, was eine Menge an Kraft gekostet hatte, er starb am 23. November 1853.


    Friedrich Schneider, den man einst »den Haydn des Jahrhunderts« nannte, prägte über 32 Jahre das Musikleben der Stadt Dessau, die ihn dann - sieben Jahre später als der Geburtsort Waltersdorf - 1893 ebenfalls mit einem Denkmal ehrte. Auch hier haben wir es wieder einmal mit einem wandernden Denkmal zu tun, denn der ursprüngliche Standort war am Bahnhof in Dessau, wo es mit prominentem Aufwand enthüllt wurde: Hoheiten, Prinzen, Prinzessinnen, Excellenzen, Minister ...
    Der »Anhalter Staats-Anzeiger« berichtete am 29. Mai 1893:


    »Dessau ist um ein erhabenes Produkt dankbarer Verehrung reicher. Seit vorgestern Mittag grüßte den Besuchern der Bahnhofsanlagen das wohlgelungene Marmor-Bild Friedrich Schneiders vom hohen Sockel. Eine stattliche Versammlung harrte am Sonnabend gegen 1 Uhr des feierlichen Augenblickes, in welchem die verschleiernde Hülle des Denkmals fallen sollte, um das neue Werk den Blicken des gegenwärtigen Geschlechtes und kommender Generationen preiszugeben«.


    Künstlerisch zeichnete auch für dieses Denkmal in Dessau Professor Schubert verantwortlich. Die 18 Zentner schwere Büste war in einer Holzkiste verpackt und wurde per Bahn zu ihrem Bestimmungsort transportiert und mit einem Flaschenzug auf das Podest aus sächsischem Granit gehoben. Accessoires zum Denkmal wie Lyra, Lorbeerkranz, Taktstock und Notenrollen sind aus Bronze gefertigt.
    Als in den Jahren 1956/58 Der Bahnhofsvorplatz umgestaltet wurde, war das Denkmal dort im Wege und erhielt einen neuen Standort im Stadtpark. Einige Schritte links von Friedrich Schneider steht das Denkmal von Wilhelm Müller, der ja den Musikfreunden durch die beiden Liederzyklen von Franz Schubert vertraut ist. 1821 - so wurde oben festgestellt - hatten die beiden ja die »Dessauer Liedertafel« aus der Taufe gehoben, man ist sich also nicht fremd.


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  • Denkmäler die an Carl Loewe erinnern oder erinnerten


    Carl Loewe bewunderte vor allem die Balladenvertonungen des schwäbischen Komponisten Johann Rudolf Zumsteeg, der ihm durch das auf den Punkt gebrachte Wort-Ton-Verhältnis als Vorbild galt. Auch Schubert, mit dem Loewe bei seinem Wiener Aufenthalt verglichen wurde, kannte Zumsteegs Schaffen.
    46 Jahre wirkte Loewe in Stettin; er hatte sich sein Denkmal redlich verdient, wenngleich sein Abschied aus Pommern sich sehr betrüblich gestaltete.


    Das prächtigste Denkmal zu Ehren Carl Loewes stand an der Westfassade seiner fast lebenslangen Wirkungsstätte, der Jakobikirche in Stettin. Auf diese Weise wurde er dort durch ein von Hans Weddo von Glümer gestaltetes Denkmal geehrt, das - Literaturangaben zufolge - am 30. November 1897 feierlich eingeweiht wurde. Dieses in verschiedenen Publikationen angegebene Jahr scheint etwas eigenartig, wenn man bedenkt, dass Carl Loewe am 30. November 1796 geboren wurde. Wenn man sich durch die Literatur liest, findet man auch die Jahre 1896 und 1898 im Angebot. Aber dass es einmal an diesem Platz stand, ist durch Fotos dokumentiert.


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    Das Automobil zeigt in etwa die Entstehungszeit dieser Aufnahme in Stettin
    Bild »historische Bilder com«


    Im Zweiten Weltkrieg lud die Royal Air Force eine Menge Bomben über der Stadt ab; in der Nacht vom 16. auf den 17. August 1944 wurde auch die Jakobikirche schwer getroffen und Carl Loewes geliebte Orgel »Cecilie« war ebenso verloren. Darüber, wie stark das Denkmal durch den Luftangriff in Mitleidenschaft gezogen war, ist in der Öffentlichkeit nichts bekannt; die äußerst dürftigen Quellen stellen lediglich dar, dass die Bronzefigur in den Wirren der letzten Kriegstage verloren ging. Der Sockel des einstigen Loewe-Denkmals steht immer noch vor der Jakobikirche, aber jetzt hat eine Madonna, die auf einer Mondsichel steht, das Podest erklommen. Dieser Figurentausch macht auch die religiöse Situation um 1945 deutlich; mit der Reformation waren Pommern und Stettin evangelisch geworden, die heutigen polnischen Bewohner gehören mehrheitlich der katholischen Kirche an. Die Jakobikirche wurde nun zu einer katholischen Kathedrale.


    Carl Loewe war ja 1820 nach Stettin gekommen; sein Studienfreund Adolf Bernhard Marx hatte ihn empfohlen. Nachdem er von Zelter in Berlin gründlich geprüft worden war ob er für die Ämter in Stettin geeignet ist, berief man ihn im Januar als Gymnasial- und Seminarlehrer nach Stettin, wo er dann im November des gleichen Jahres auch das Amt des Kantors und Organisten an der Jakobikirche erhielt; im Februar 1821 ernannte man ihn zum Städtischen Musikdirektor.
    Loewe war ein sehr fleißiger Musiker, der heute vor allem durch seine etwa 500 Lieder und Gesänge bekannt ist. Aber er schuf auch 18 Oratorien, 6 Opern, 2 Symphonien, 2 Klavierkonzerte, 4 Streichquartette und Chorkompositionen. Daneben produzierte er aber auch eine Menge »Gebrauchsmusik«, vor allem für private Kreise und musizierende »höhere Töchter«.
    Dies alles sammelte Dr. Maximilian Runze, der am Marienstiftsgymnasium in Stettin von Loewe in Musik unterrichtet wurde. Runze war ein evangelischer Pfarrer, der auch politisch tätig war und sich als Autor betätigte. Vor allem galt sein Streben der Erfassung und Sammlung von Loewes Werk, wobei eine siebzehnbändige Gesamtausgabe von Loewes Kompositionen entstand. Runze war ein geradezu überschwänglicher Loewe-Verehrer, der Loewes Witwe und dessen Tochter Julie Hepburn von Bothwell im Sommer 1881 im Freiligrath-Haus in Unkel am Rhein persönlich kennenlernte. Runze und der Familie Loewe gelang es dann das Andenken des Komponisten zu pflegen und wachzuhalten.


    Carl Loewes Kollegen beurteilten sein Schaffen unterschiedlich; so meinte Brahms etwas abschätzig:
    »Bei uns in Wien wird er leider sehr überschätzt. Man stellt ihn in seinen Liedern neben Schubert, in seinen Balladen über Schubert und vergisst, dass, was bei dem einen Genie, bei dem anderen oft nur ganz talentvolle Mache, mitunter sogar höchst mittelmäßige, ist«.
    Liszt, Wagner und Schumann beurteilten Loewe dagegen weit positiver.

    Der Musikwissenschaftler Hans Engel kritisierte, dass Loewe als Komponist keine Entwicklung durchgemacht habe, anerkennt aber, dass er auf seinem Sondergebiet »Ballade« teilweise Unvergängliches geleistet habe.

    Die Assoziation Loewe und Ballade drängt Loewes Oratorienschaffen meist zur Seite, wobei er bis zur Erschöpfung in diesem Genre arbeitete. Wenn man den Begriff »Oratorium« im Lexikon nachschlägt, dann erfährt man: »nennt man in der musikalischen Formenlehre die dramatische, mehrteilige Vertonung einer zumeist geistlichen Handlung, verteilt auf mehrere Personen, Chor und Orchester. Es ist eine erzählend-dramatische Komposition«.

    Auch wer Loewes Oratorien nicht kennt, kann vermuten, dass er auch da beachtliches geleistet hat. Aber der Musikwissenschaftler Philipp Spitta kritisierte 1894 in einem Aufsatz zum Beispiel Loewes Oratorium »Die Zerstörung von Jerusalem« als stilistische Unmöglichkeit in der Opernmelodien und Theatereffekte mit den Formen kunstvoll und streng gearbeiteter Chormusik sich zu einer gezwungenen Verbindung haben bequemen müssen.


    1884 reiste Maximilian Runze für einige Tage nach Löbejün, um die Geburtsstadt seines von ihm so sehr verehrten Meisters kennenzulernen. Wie bereits erwähnt, hatte Runze den alternden Carl Loewe noch persönlich gekannt und 1881 dessen Witwe und Tochter kennen gelernt. Dem Einsatz von Loewes Familie und Runze ist es zu verdanken, dass Loewe heute nicht zu den vergessenen Musikern gehört. Schon im März 1882 kam es in Berlin zur Gründung eines Loewe-Vereins. Die Mitglieder setzten sich vor allem dafür ein, dass Loewes Kompositionen im Konzertwesen eine Rolle spielten. Da war es naheliegend, dass sich auch in Loewes Geburtsstadt - heute etwa zwei Autostunden von Berlin entfernt - etwas tat; kulturinteressierte Kreise in Löbejün bemühten sich auf den großen Sohn der Gemeinde aufmerksam zu machen und es kam dort im Mai 1888 zur Gründung eines Loewe-Vereins. Als äußeres Zeichen brachte man am 30. November 1896 - also zum hundertjährigen Geburtstag Loewes - eine Gedenktafel an, die darüber informierte, dass an dieser Stelle früher das Geburtshaus des Komponisten stand. Das Geburtshaus, also das alte Schulhaus, war abgerissen worden, aber der Nachwelt ist es in Form einer Zeichnung erhalten, welche Loewes älteste Tochter Julie 1885 bei einem Besuch in Löbejün gerade noch anfertigte, denn 1886/87 wurde das Gebäude abgerissen und auf den alten Grundmauern ein neues Schulhaus erstellt.

    Im Rahmen der Festfeiern zum 100. Geburtstag von Carl Loewe, fand freitags eine Aufführung des Oratoriums »Johann Huss« statt und am Montag den 30. November 1896 wurde nachmittags um 1 Uhr die feierliche Enthüllung des Denkmals in Szene gesetzt.

    Die Finanzierung des Denkmals erfolgte durch einen Denkmalfond, der durch Spenden von Loewe-Freunden aus ganz Deutschland gespeist wurde. Zudem veranstalteten einige Künstler Konzerte, deren Einnahmen dem Fond zugutekamen.
    Professor Fritz Scharper gehörte quasi auch zu den Spendern, denn er erlaubte großzügig, dass für Löbejün ein Abguss der Büste hergestellt werden konnte, die er für das Loewe-Denkmal in Kiel gefertigt hatte, ohne den Löbejünern dafür ein Honorar zu berechnen. Man kann vermuten, dass Scharper zum Komponisten eine gedankliche Verbindung hatte, weil er einst in Halle die gleiche Bildungsanstalt wie Loewe besucht hatte. Neben Scharpers Einverständnis mussten auch die Auftraggeber in Kiel einverstanden sein, also versprachen die Löbejüner den Loewe-Verehrern in Kiel sich an den Kosten zu beteiligen. Über die Denkmalsaktivitäten in Löbejün weiß man heute noch gut Bescheid.

    An die Gießerei Gladenbeck & Sohn in Friedrichshagen/Berlin flossen 1.024,50 Mark und für den Sockel aus Löbejüner Porphyr spendete ein Löbejüner Unternehmer das Material aus seinem Steinbruch. Ein anderer Unternehmer in der Gemeinde übernahm alle für den Denkmalsbau notwendigen Fuhren. Auf Antrag des Loewe-Vereins stellte die Gemeinde den Betrag von 100 Mark zur Verfügung. Bezüglich des Denkmal-Standortes mochte die Gemeindeverwaltung dem Loewe-Verein jedoch nicht entgegenkommen und verweigerte die Aufstellung auf dem Marktplatz, also kam Loewes Büste zur damals neuen Schule. Es ist nichts Seltenes, dass Denkmäler auf Wanderschaft gehen; heute steht es endlich am Marktplatz, wenn auch in anderer Form, aber bis dahin ist es eine längere Geschichte ...


    Das Denkmal, aus Bronze gegossen, sollte eigentlich Jahrhunderte überdauern können, aber bereits nach 21 Jahren war das infrage gestellt. Es war mal wieder Krieg und das Denkmal sollte als Kriegsmetall zur Verfügung gestellt werden. Loewes Büste stand zur Abholung bereit, wurde aber irgendwie im zu Ende gehenden Krieg vergessen.

    1939 regte ein Ratsherr an, dass man die Büste doch auf dem Marktplatz vor dem Rathaus aufstellt, was im Juni 1939 bewerkstelligt wurde. Kaum war dies geschehen, brach im September 1939 der Zweite Weltkrieg aus, was zur Folge hatte, dass sich der bronzene Carl Loewe am 12. September 1942 endgültig von seiner Geburtsstadt verabschieden musste; der gewichtige Komponist - 165 kg schwer - wurde auf Anordnung des Regierungspräsidenten zur Verwertung nach Merseburg abtransportiert. Die Reichsverwaltung sagte eine finanzielle Unterstützung zu, damit ein Gipsabdruck der Büste hergestellt werden konnte. Der Löbejüner Bildhauer Arthur Priebs war nun so findig und fertigte gleich zwei Duplikate.

    Priebs experimentierte nun in einer aufwändigen Versuchsreihe - auch mit einer Honigmischung - eine Beschichtung der Gipsbüste hinzubekommen, welche einen möglichst bronzeähnlichen Eindruck vermittelt. Nachdem der Denkmalsockel zwei Jahre lang leer gewesen war, wagte man es - gegen den Rat des Bildhauers - zum 75. Todestag des Komponisten, am 20. April 1944 - das präparierte Gipsmodell auf den Sockel zu stellen und der Witterung auszusetzen. Schließlich musste man Ende 1946 erkennen, dass man den großen Sohn der Stadt mit einer Büste in desolatem Zustand nicht weiter ehren kann und nahm sie vom Sockel. Aber die Gipsduplikate von Arthur Priebs wurden doch noch benötigt, nämlich als Vorlage für eine Büste, die aus Löbejüner Porphyr von dem Bildhauer Theodor Riedel angefertigt wurde. Am 9. Juni 1947 konnte die steinerne Büste auf den teilweise neu gestalteten Sockel gehoben werden, wobei die Löbejüner regen Anteil nahmen.


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    Das Denkmal in Löbejün



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    Bildarchiv der Stadt Kiel

    Das ursprüngliche Loewe-Denkmal in Kiel mit mehr Text

    CARL LOEWE


    GEBOREN IN LOEBEJÜN
    AM 30. NOVEMBER 1796
    GESTORBEN IN KIEL
    AM 20. APRIL 1869


    DEM MEISTER
    DES DEUTSCHEN BALLADENGESANGS
    VON VEREHRERN SEINER TONSCHOEPFUNGEN
    AN SEINEM HUNDERTJÄHRIGEN GEBURTSTAGE
    ERRICHTET



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    Das aktuelle Denkmal in Kiel


    Auf dem Sockel steht:


    CARL LOEWE
    KOMPONIST

    *1796 LÖBEJÜN
    †1869 KIEL


    Wie bereits bekannt, wurde zeitgleich 1896 auch in Kiel eine von Professor Fritz Scharper gefertigte Büste aufgestellt. Eigentlich hatte Carl Loewe zur Stadt Kiel keine besondere Beziehung, aber er ist dort 1869 - bei seiner Tochter wohnend - gestorben. 46 Jahre lang hatte er das pommersche Musikleben wesentlich geprägt. Durch unermüdliche Arbeit - es wird beschrieben, dass seine Arbeitslust krankhaften Charakter angenommen habe -erkrankte Carl Loewe schwer.


    Seine Arbeitslust, die man auch als Arbeitswut bezeichnen kann, wurde schon in jüngeren Jahren deutlich. Schon einmal, im Jahr 1833, hatte er auf ärztlichen Rat pausieren müssen, aber er benutzte das Verbot, das Komponieren zu lassen, nur dazu, um seinen Faustkommentar zu schreiben.
    Nach seinem schweren Schlaganfall im Februar 1864 riet der Arzt zu einer Luftveränderung. Da Loewes Schwiegersohn als Korvettenkapitän nach Kiel versetzt worden war, bot es sich eine Rekonvaleszenz bei der Tochter an, die dann auch zur Stärkung beitrug, jedoch von Heimweh nach seiner Orgel begleitet war. Im September 1865 kehrte er zu seiner geliebten Orgel nach Stettin zurück.
    Da traf ihn am 25. Februar 1866 ein Schlag anderer Art; die städtische Behörde verlangte, dass er nach 46-jähriger Tätigkeit seinen Abschied einreicht. Carl Loewe wehrte sich mit diversen Vorschlägen vergeblich gegen seine Abschiebung aufs Altenteil, er wollte gerne mindestens bis zu seinem 70. Lebensjahr tätig sein. Man gewährte ihm zwar sein volles Gehalt als Pension, aber er durfte nicht mehr die Orgel in der Jakobikirche spielen - im Mai 1866 zog er mit seiner Familie zum zweiten Mal nach Kiel, es war ein Abschied für immer
    . Nicht ganz, ist anzufügen, denn sein Herz kehrte wieder nach Stettin und zu seiner Orgel »Cecilie« zurück.


    Anmerkung:
    Weitere Angaben zum Leben und Wirken von Carl Loewe sind im Thread »Der Musiker Gräber« im Beitrag Nr. 740
    nachzulesen.





















  • Lieber hart, Deinen Beitrag habe ich sehr, sehr gern gelesen. Er ist gut recherchiert. Ich vermisse nichts. Danke. Ich weiß Deine Bemühungen zu schätzen. Aus eigener Anschauung kenne ich lediglich die große Büste in Löbejün, die in dieser Ausfertigung etwas wuchtig anmutet. Bekanntich gibt es keine umfassende Biographie. Ob sie je geschrieben wird? Die Loewe-Literatur ist nicht eben üppig. Einen wichtigen Beitrag in der Loewe-Forschung hat das Händel-Haus in Halle mit einer umfänglichen Schriftenreihe geleistet, die ich mir verteilt über drei Bücher habe binden lassen. Sie ist eine Fundgrube zu allen Aspekten des Wirkens und Schaffens von Loewe.


    Die Assoziation Loewe und Ballade drängt Loewes Oratorienschaffen meist zur Seite, wobei er bis zur Erschöpfung in diesem Genre arbeitete. Wenn man den Begriff »Oratorium« im Lexikon nachschlägt, dann erfährt man: »nennt man in der musikalischen Formenlehre die dramatische, mehrteilige Vertonung einer zumeist geistlichen Handlung, verteilt auf mehrere Personen, Chor und Orchester. Es ist eine erzählend-dramatische Komposition«.

    Auch wer Loewes Oratorien nicht kennt, kann vermuten, dass er auch da beachtliches geleistet hat. Aber der Musikwissenschaftler Philipp Spitta kritisierte 1894 in einem Aufsatz zum Beispiel Loewes Oratorium »Die Zerstörung von Jerusalem« als stilistische Unmöglichkeit in der Opernmelodien und Theatereffekte mit den Formen kunstvoll und streng gearbeiteter Chormusik sich zu einer gezwungenen Verbindung haben bequemen müssen.

    Zum Glück ist den Oratorien in jüngerer Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden. Einige haben es auch auf CD geschafft. Ich höre sie mit Gewinn. Ihre opernhafte Tendenz finde es besonders spannend. Qua Amt war es Loewe in Stettin versagt, mit eigenen Opern öffentlich in Erscheinung zu treten, woran ihm gelegen gewesen wäre. Dieses Verbot umging er, indem er seine Oratorien ganz bewusst mit opernhaften Zügen ausstattete. Ich sehe darin eine rasante Bereicherung der Form und keine Schwäche.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Qua Amt war es Loewe in Stettin versagt, mit eigenen Opern öffentlich in Erscheinung zu treten

    Lieber Rheingold,
    um diesen Punkt noch etwas mehr zu beleuchten kopiere ich hier einfach den Text von Heinrich Bulthaupt ein:


    »Das hing zunächst eng mit dem ihm von der Behörde auferlegten Fernbleiben von dem Stettiner Theater zusammen. Da das stark in ihm pulsirende dramatische Leben, von dem seine Balladen Zeugnis ablegen, sich nicht niederhalten ließ, componirte nach seiner Erstlingsoper »Rudolf, der deutsche Herr«, die 1825 vollendet wurde, ein Bühnenwerk nach dem anderen, deren Wirkung ihm in seiner neuen Heimath zu erproben versagt war. Zwar half er sich mit der Aufführung seiner Opern im Concertsaal oder bei besonderen Anlässen in seinem Hause - »Malekadhel« und die »Neckereien« wurden auf diese Weise den Stettinern bekannt.«


    Natürlich hatte sich Loewe auch in Berlin - auf seine guten Beziehungen zu Spontini und Zelter hoffend - mächtig bemüht, dass seine Opern dort aufgeführt wurden. Wie bekannt, gelang dies nur mit dem Werk »Die drei Wünsche« und man vermutet, dass Loewes Oper mit der Erfolgswelle seines Oratoriums »Die Zerstörung von Jerusalem« auf die Bühne schwappte.

    Der Aufführung war kein großer Erfolg beschieden. Dennoch macht das Werk auch heute noch auf sich aufmerksam, insbesondere wenn in der Besetzungsliste Jonas Kaufmann in der Rolle des Hassan auftaucht.


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  • Das Hiller-Denkmal an der Thomaskirche in Leipzig


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    Zum heutigen Geburtstag von Johann Adam Hiller


    Wer sich für Musikgeschichte interessiert, geht an diesem Relief einer musikalischen Huldigungsszene

    nicht achtlos vorbei. Bei näherer Betrachtung erkennt man eine Harfenspielerin und Orgelpfeifen. Von den insgesamt vier Damen ist eine kniend und in Ordenstracht dargestellt. Die Damen blicken nach oben, zu einem Porträt im Sternenkranz, über welchem in ausgesprochen schlechter Typografie ein Name in Frakturschriftversalien steht; wer mit historischen Schriftformen vertraut ist, kann den Namen HILLER erkennen. Dem musikgeschichtlich Versierten fällt sogleich der Name Ferdinand Hiller - seit 1875 mit Adelstitel - ein, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine der einflussreichsten Musikerpersönlichkeiten war, noch Schubert und Beethoven in Wien besuchte und Guiseppe Verdi erfolgreich nach Köln eingeladen hatte. Ferdinand Hiller hatte Kontakte zu allen damals bekannten Musikerpersönlichkeiten und hielt auch die Grabrede auf Robert Schumann. Dieser Ferdinand Hiller reiste 1840 auf Einladung von Felix Mendelssohn Bartholdy nach Leipzig, wo er mit großem Erfolg sein Oratorium »Die Zerstörung Jerusalems« aufführte. 1843 kam er wiederum nach Leipzig und wurde eine Zeitlang Stellvertreter Mendelssohns, aber es gab Streit und Hiller verließ Leipzig wieder. Ferdinand Hillers Wirkungskreis war eigentlich Köln und das Rheinland.


    Wenn man sich dann etwas näher mit diesem Relief befasst, bemerkt man, dass das Denkmal Johann Adam Hiller gewidmet ist, einem Komponisten, Kapellmeister und Musikschriftsteller, der am 25. Dezember 1728 in Wendisch Ossig, einem Ort bei Görlitz, der heute polnisch ist, geboren wurde, also fast ein halbes Jahrhundert vor Ferdinand Hiller. Seit 1986 trägt die Musikschule in Görlitz den Namen von Johann Adam Hiller.


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    Ähnlich wie später Ferdinand Hiller das Musikgeschehen im Rheinland prägte, war in früheren Jahren Johann Adam Hiller die zentrale Persönlichkeit im Leipziger Musikleben. Er stand in Leipzig zwischen Bach und Mendelssohn und seine Tätigkeit strahlte weit über Leipzig hinaus. J. A. Hiller gilt als der Schöpfer des deutschen Singspiels und Johann Adam Hiller war auch von 1781-1785 der erste Gewandhauskapellmeister, danach folgten fünf andere Kapellmeister in dieser Position, dann kam in der Saison 1843/1844 Ferdinand von Hiller, aber nun soll nur noch auf Johann Adam Hiller eingegangen werden, dem allein dieses Denkmal an der Leipziger Thomaskirche gewidmet ist.


    Dieser war nicht nur der erste Gewandhauskapellmeister und Schöpfer des deutschen Singspiels, sondern führte seit 1771 in Leipzig auch eine Singschule, aus der so berühmte Sängerinnen wie zum Beispiel Corona Schröter hervorgingen; auch die in Superlativen gelobte Elisabeth Mara (Schmeling) hatte sich Hiller - nach vorigem Gesangsunterricht - an der Singschule anvertraut. Mit der Organisation von Aufführungen des »Messiah« von Händel gab Hiller einen Impuls zu einer Händel-Renaissance. Johann Adam Hiller war zudem jahrelanger Redakteur einer der ersten musikalischen Fachzeitschriften und wirkte seit 1789 als Thomaskantor, eine Position, die er bis 1801 begleitete.


    Das heute modifizierte Denkmal hat vor allem etwas mit Hillers Singschule zu tun. Die Schwestern Thekla, Marianne, Franziska und Barbara Podlleska kamen 1776, nach dem Tod ihres Vaters, aus Böhmen mit ihrer Mutter als Harfenistinnen zur Messe nach Leipzig. Hiller gab den begabten Mädchen Gesangsunterricht. 1778 trat die jüngste und begabteste der Schwestern, die 1764 im Böhmischen Beraun geborene Thekla, erstmals bei einem öffentlichen Konzert in Leipzig mit großem Erfolg auf. Die Daten verraten, dass die Sängerin noch sehr jung war. 1782 wurde sie von dem agilen Theaterdirektor Pasquale Bondini, der mit seiner Truppe zu Messezeiten auch in Leipzig gastierte, für mehrere Rollen engagiert. Anschließend ging sie ans Hoftheater von Mitau (heute Jelgava, Lettland), wo sie besonders der kunstliebenden Herzogin von Kurland gefallen konnte. Seit 1787 feierte sie auch Erfolge bei Gastspielen in Wien. Sie heiratete schließlich einen um zehn Jahre älteren Hofmusikus, Vit Batka, einen Oboisten, und ließ sich als Lehrerin in Prag nieder, wo sie auch noch öfter im Konzertsaal auftrat.


    Thekla Batka, geborene Podleska, hatte in der Rückschau erkannt, dass sie ihrem Lehrer Johann Adam Hiller eigentlich ihren bescheidenen Ruhm und Wohlstand verdankt und hielt es für angebracht, ihm ein sichtbares Denkmal zu setzen. 1830, also 26 Jahre nach Hillers Tod, stellte sie 600 Taler zur Ausführung des Denkmals zur Verfügung, welches nach einem Entwurf von Hans Veit Friedrich Schnorr von Carolsfeld ausgeführt wurde. die Bildhauerarbeit besorgten Friedrich Funk und Johann Christoph Wingrich. Die Denkmalsenthüllung fand am 29. Juni 1832 statt.
    Ursprünglich stand das Denkmal auf dem Promenadenplatz vor der Westfront der Thomaskirche Ein gutes Jahrzehnt später - 1843 - gesellte sich das von Felix Mendelssohn Bartholdy gestiftete Bach-Denkmal noch hinzu (heute als altes Bachdenkmal bezeichnet).


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    Das ursprüngliche Hiller-Denkmal


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    Ein Vorentwurf zum Hiller-Denkmal


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    Die vier Schwestern - 2020 fotografiert


    Johann Adam Hillers Ehrenmal war zwar das erste Musikerdenkmal in Leipzig, wurde jedoch im Rahmen der Modernisierung der Thomaskirche um die Jahrhundertwende - 1888 /1903 abgebrochen. Die Reliefplatten mit Hillers Porträt und den vier musikalischen Schwestern blieben der Nachwelt an der Nordwestecke der Thomaskirche erhalten, aber die Platten mit der Widmung zum Andenken an die Stifterinnen sind heute nicht mehr zu sehen; sie sollen hier genannt werden:


    Marianne Podleska
    Franziska Podleska
    Barbara Podleska, als Ordensschwester Aloysia
    Thekla Podleska - die Auftraggeberin

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  • Das Museum Gottfried Silbermann auf Schloss Frauenstein

    Zum heutigen Geburtstag von Gottfried Silbermann - Die drei großen Orgelbauer Silbermann


    Wenn von einer Silbermann-Orgel gesprochen wird, kann es sich um drei verschiedene Orgelbaumeister handeln. Auf Schloss Frauenstein wird in der Hauptsache Gottfried Silbermann gehuldigt, der am Ort aufwuchs und den Großteil seines beruflichen Lebens in seiner angestammten Heimat verbrachte.


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    Die Orgelbauer Gottfried und Andreas Silbermann sind in Kleinbobritzsch, wie der Name schon sagt, einem kleinen Ort, geboren, der im Osterzgebirge südöstlich von Freiberg liegt, und eine knappe Autostunde von Dresden entfernt ist.
    Ihr Vater war der frühere Bauer und spätere Zimmermann Michael Silbermann, der in der Literatur auch schon mal als Bildschnitzer bezeichnet wird. Michael Silbermann war in zweiter Ehe mit Anna Maria Preißler verheiratet. Aus dieser Ehe gingen drei Söhne hervor: Andreas *1678, Gottfried *1683 und Abraham *1696, der im Säuglingsalter verstarb.


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    Seit 1990 steht dieser Orgelbrunnen auf dem Marktplatz von Frauenstein


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    Rechts ist derAufgang zum Museum


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    Museumseingang


    Zur Jahreswende 1685/86 zog die Familie Silbermann in die etwa zwei Kilometer entfernte Stadt Frauenstein. Beide Brüder besuchten dort die Stadtschule. Zur beruflichen Entwicklung des älteren Bruders Andreas liegen widersprüchliche Angaben vor; in den Jahren von 1691 bis 1694 soll er im nahen Freiberg eine Schreinerlehre absolviert haben, und von 1697 bis 1699 von dem sächsischen Orgelbauer Eugenio Casparini in der Kunst des Orgelbaus unterwiesen worden sein. Danach soll er sich im Pfälzer Bad Dürkheim als »Clavierbauer« betätigt haben. Diese unsicheren Formulierungen resultieren aus der Tatsache, dass in der Literatur mitunter gesagt wird, dass diese Daten nicht unbedingt wissenschaftlich sicher sind. Als der 21-jährige Andreas im Elsass in Erscheinung tritt, wird er 1699 im Zusammenhang mit der Orgelrenovierung in dem kleinen Ort Bouxwiller genannt, der etwa vierzig Kilometer von Straßburg entfernt ist. Mit der Überschreitung der Jahrtausendschwelle werden die genannten Daten und Fakten dann sicherer.


    Zunächst betrieb Andreas Silbermann ab 1701 in Straßburg, wo er 1702 das Bürgerrecht erhielt, eine Werkstatt. Dann kam sein jüngerer Bruder Gottfried hinzu, den er als Orgelbauer ausbildete, 1703 bauten die Brüder gemeinsam eine Orgel für das Kloster Sainte-Marguerite. Offenbar war diese Ausbildung sehr erfolgreich verlaufen, denn 1704 begab sich Andreas Silbermann auf eine Bildungsreise nach Paris, um sich dort - nachdem er von Jacques Carouge abgewiesen wurde - bei François Thierry mit dem französischen Orgelbaustil vertraut zu machen. In dieser Zeit leitete Gottfried Silbermann die Werkstatt in Straßburg. Nachdem Andreas 1706 aus Paris zurückgekehrt war, arbeiteten die beiden noch eine Weile zusammen, dann trennten sich ihre Wege; man vermutet, dass Gottfried Silbermann 1708 das Elsass in Richtung Sachsen verließ, manche Quellen nennen auch das Jahr 1710; er soll seinem Bruder versprochen haben sich nicht im Elsass selbständig zu machen.


    Andreas Silbermann heiratete 1708 Anna Maria Schmidt, die 13 Kinder gebar, darunter vier Söhne - Johann Andreas *1712 / Johann Daniel *1717 / Gottfried *1722 / Johann-Heinrich *1727 - Diese vier Söhne traten beruflich in die Fußstapfen ihres Vaters; der Älteste, Johann-Andreas trat die Nachfolge seines Vaters an.
    Als Andreas Silbermann im Alter von 56 Jahren in Straßburg starb, hatte er - nach Aufzeichnung seines Sohnes - 34 Orgeln gebaut.


    Der 1712 geborene Sohn Johann Andreas Silbermann konnte dann in seinem Wirken den Vater noch übertroffen, weil er eine weit bessere Ausgangsposition hatte. Er wird als vielseitig gebildete Persönlichkeit beschrieben, der als Straßburger Bürger zu hohen Ehren kam und weltgewandt mit Kollegen, aber auch mit Bürgermeistern, Pfarrern, Äbten und Fürsten verhandelte. Bei all dem hatte er noch Zeitkontingente zur Verfügung, die ihm ermöglichten ein Buch über die Geschichte Straßburgs zu verfassen. Vater und Sohn Silbermann hatten einen unwahrscheinlich großen Einfluss auf die Entwicklung des Orgelbaus im oberrheinischen Raum; es gibt zwischen 1720 und 1850 kaum einen Orgelbauer, der nicht mittelbar oder unmittelbar mit der Dynastie Silbermann zu tun hatte.


    In der ersten Hälfte des Jahres 1741 unternahm Johann Andreas Silbermann eine Reise nach Sachsen, um die ursprüngliche Heimat seiner Familie kennenzulernen. In Zittau traf er seinen Onkel Gottfried Silbermann an, der dort in der Johanniskirche mit seinen Gesellen seit dem Sommer 1740 eine Orgel baute; seit dem 20. März 1741 arbeitet Gottfrieds Neffe bei der Intonation mit. 2014 tauchte das gut geführte Reisetagebuch des Johann Andreas Silbermann auf, das umfassende Einblicke in diese Zeit vermittelt.


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    Im Bild ist die Originalkopie einer Silbermannorgel zu sehen. Das Originalinstrument baute Gottfried Silbermann für Etzdorf (Mittelsachsen). Im Verlauf einer wechselvollen Geschichte gelangte das Werk nach Bremen, wo es sich in der Krypta des Doms befindet. Anlässlich einer Restaurierung des Originalinstruments fertigte die Dresdner Orgelbauwerkstatt Wegscheider 1994 eine Kopie für das Silbermann-Museum.


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    Auf seiner Rückreise von Straßburg kam Gottfried Silbermann auch über Leipzig, wo er den Thomaskantor Johann Kuhnau kennenlernte, der ein Freund und wichtiger Förderer des jungen Orgelbauers war. Die erste Silbermann-Orgel in Sachsen entstand 1711 in der Stadtkirche seiner Heimatstadt Frauenstein und es wird berichtet, dass er das Werk für Gotteslohn errichtet hat und dafür nichts sonst in Rechnung stellte. Leider musste Silbermann erleben, dass diese Orgel 1728 einem Brand zum Opfer fiel; eine zweite von ihm 1735/38 für das gleiche Gotteshaus erbaute Orgel, erlitt 1869 das gleiche Schicksal.
    Sein zweiter Orgelbau in heimatlichen Gefilden war dann schon eine großartige Sache; auf Fürsprache von Johann Kuhnau hatte der 27-jährige Silbermann den Auftrag für die große Orgel im Freiberger Dom erhalten, die 1714 fertiggestellt wurde und heute, nach über dreihundert Jahren, immer noch zu den besten Orgeln der Welt zählt und noch weitgehend als authentisch gilt.


    1711 hatte Silbermann am Freiberger Schlossplatz, in unmittelbarer Nähe des Schlosses, ein Wohn- und Werkstatthaus bezogen. Unter anderen hat er hier fünf Orgeln für Freiberg geschaffen, von denen hier noch vier zu finden sind.
    Gottfried Silbermanns Werkstatt war gut organisiert, er arbeitete sehr wirtschaftlich nach einer Art Baukastenprinzip und hatte sich in Sachsen eine Monopolstellung erarbeitet. Obwohl er sich einst in das ferne Straßburg begeben hatte, beschränkte er nun als selbständiger Orgelbauer seinen Wirkungskreis auf die nähere Heimat und zeigte wenig Interesse etwa in Prag, Kopenhagen oder gar St. Petersburg - woher Anfragen kamen - tätig zu werden.


    Seine bis zu sieben Gesellen mussten sich vertraglich verpflichten, nach Beendigung ihrer Zeit im sächsischen Gebiet nicht ohne seine Zustimmung tätig zu werden. Das alles ging jedoch nicht ganz geräuschlos vonstatten, sein bester Lehrling, Zacharias Hildebrand (1688-1757), hatte das Monopol seines Meisters in Frage gestellt und es kam Anfang der 1720er Jahre zu einem länger währenden Rechtsstreit, welcher 1724 so entschieden wurde, dass Hildebrandt nur diejenigen Aufträge übernehmen durfte, die Silbermann zuvor abgelehnt hatte. So begeistert auch Johann Kuhnau von Gottfried Silbermann war, in der Verbindung zu Johann Sebastian Bach hakte es etwas, ihre Ansichten waren nicht Deckungsgleich; Bach bemängelte den schwergängigen Anschlag der ersten Hammerflügel Silbermanns und die unzureichende Klangstärke im oberen Tonbereich.
    Dass sich die Herren persönlich kannten, ist dadurch belegt, dass im September 1746 beide als Orgelsachverständige bei der Abnahme der neuerbauten Hildebrandt-Orgel in der Naumburger Stadtkirche verpflichtet waren. Nach viertägiger Zusammenarbeit kam immerhin ein positives Gutachten zustande. In der Literatur heißt es dazu:»Dieses blieb jedoch auffallend knapp und sparte alle Punkte aus, die zwischen den beiden umstritten waren«.


    Aber Gottfried Silbermann war ja nicht nur Orgelbauer, sondern auch Erbauer von Cembali, Clavichorden und Hammerflügeln, wobei letzteres zur damaligen Zeit das universellste Tastinstrument war. Wie ein Bach-Schüler berichtet, soll Bach dann mit der Weiterentwicklung der Silbermann-Hammerflügel sehr zufrieden gewesen sein. Offenbar war auch der Preußenkönig Friedrich der Große recht zufrieden, denn er hatte gleich fünfzehn Hammerklaviere von Silbermann erworben.
    Man geht davon aus, dass Gottfried Silbermann etwa 50 Orgeln schuf, wovon in Sachsen noch 31 erhalten sind. Seine letzte große Orgel schuf Gottfried Silbermann für die Dresdner Hofkirche, im Sommer 1750 wurde der Bauvertrag mit dem Dresdner Hof geschlossen, aber Gottfried Silbermann hörte diese Orgel nicht mehr klingen. Er war schwer erkrankt und beauftragte - der ehemalige Lehrling und sein Meister hatten sich spätestens 1746 wieder ausgesöhnt - Zacharias Hildebrandt mit der Leitung der Arbeiten. Hildebrandt beendete zusammen mit seinem Sohn im Juni 1754 ihre Tätigkeit in der Hofkirche; erst am 2. Februar 1755 wurde die Hofkirchenorgel eingeweiht. Der wichtigste Teil der Orgel konnte erhalten werden, weil er 1944 ausgelagert wurde.


    Gottfried Silbermann war schon am 4. August 1753 in Dresden gestorben. Da er nie verheiratet und kinderlos war, wurde sein Neffe Johann Daniel Silbermann Universalerbe; neben Werkstatteinrichtung und persönlicher Habe, wurden auch 10.307 Taler vererbt. Gottfried Silbermann wurde auf dem Johanniskirchhof in Dresden beigesetzt, der 1858 aufgelöst wurde, sein Grab besteht nicht mehr; ein Porträt von ihm ist nicht bekannt, aber er lebt in seinen Werken fort.



  • Lieber "hart",

    ich habe heute zwei ältere Beiträge von dir gelesen, die aus der Gegend rund um meine Heimat stammen. Maria Jeritza in Unterach und Richard Mayr in Salzburg und Henndorf. Es ist wirklich in Vergnügen, wie gut du recherchiert hast und auf welch unterhaltsame Weise man diese Künstler in Verbindung mit der eigenen Heimat in deinen Threads neu kennenlernt.

    Danke.


    greghauser

  • Ema Destinová - eine große tschechische Sängerin


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    Zum heutigen Todestag von Ema Destinnová


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    Als Ehrenplätze für Musiker gelten in der Regel Denkmäler, Gedächtnisstätten und Museen; in diesem Sinne kann man den aus der Fassade ragenden Kopf am ehemaligen Wohnhaus der Sängerin Ema Destinnova auf der Prager Kleinseite als Denkmal betrachten. Die Adresse ist: Palais Kaiserstein, Malostranské námesti 23. Nur wenige Gehminuten weiter kommt man zum Kafka-Museum und zur Karlsbrücke. Die Bronzebüste schuf der Bildhauer Jan Simota im Jahr 1978. Die Skulptur erinnert daran, dass die Sängerin hier in der Zeit von 1908 bis 1914 wohnte, wenn sie mal zuhause war und nicht irgendwo in der weiten Welt sang. Die Schreibweise ihres Namens begegnet einem in vielfältiger Weise - hier steht in Stein gemeißelt EMA DESTINNOVÁ, auf ihrem Grabmal EMA DESTINOVÁ und auf den Schallplatten in der Regel EMMY DESTINN.


    Der Bauhaus-Gedanke war Frau Destinová wohl völlig fremd, denn in ihrer Wohnung zeigte sie was mit viel ersungenem Geld so alles zu haben war. Im Schlafzimmer gab es ein Himmelbett im Neurenaissance-Stil, ein spezieller Salon beherbergte chinesische Kunst und ein Barockaltar, einschließlich Reliquien, war auch da. Natürlich durfte auch ein Napoleon-Kabinett nicht fehlen, denn Destinová verehrte den Feldherrn über die Maßen.


    Bei Kunstbetrachtungen sollten Superlative möglichst nicht verwendet werden, aber man liegt wohl nicht falsch, wenn man diese Künstlerin als die größte tschechische Sängerin bezeichnet, wohlwissend, dass ihr eine Jarmila Novotná nachfolgte, die erst geboren wurde (1907) als Ema Destinová in Berlin, London und anderswo schon große Triumphe feierte


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    Die Verehrung der Opernsängerin setzt sich auf Banknoten fort; ein Ehrenplatz der besonderen Art; seit 1993 blickt sie uns auf der 2000-Kronen-Banknote entgegen.
    Und sie reist wieder viel, wie in ihrer aktiven Zeit als Sängerin, jetzt auf Briefmarken.
    Dass eine reproduzierende Künstlerin solcherart geehrt wird ist selten, vor dem Euro hatten wir noch Clara Schumann. Die nachfolgenden Zeilen vermitteln in etwa, wer diese Frau war.


    Emmy Destinová wurde in eine wohlhabende Familie hineingeboren, ihr Vater war ein Freund der Kultur, die er tatkräftig förderte; das stimmliche Potenzial hatte Emilie Věnceslava Pavlína Kittlová - so ihr voller Name - von ihrer Mutter, die an der Pariser Oper gesungen hatte. Die kunstbeflissenen Eltern konnten auf ihre älteste Tochter stolz sein, denn es stellte sich schon recht früh heraus, dass das Kind über ein Füllhorn von Begabungen verfügte, die natürlich von den Eltern entsprechend gefördert werden konnten, weil dem keine finanziellen Hindernisse entgegenstanden.


    Zunächst galt das Hauptinteresse der Geige, wo das Kind auf dem Konservatorium so gute Fortschritte machte, dass sie schon als Achtjährige öffentlich als Geigenvirtuosin auftrat. Das Mädchen erhielt dann auch von einer namhaften Schauspielerin Unterricht, aber im Alter von vierzehn Jahren kristallisierte sich heraus, dass hier auch eine ausbaufähige Stimme heranreifte. Auch hier suchte man mit der Mezzosopranistin Marie von Dreger-Loewe, die unter dem Pseudonym Destinn als Sängerin auftrat, eine kompetente Lehrerin, die ihre Schülerin zur Bühnenreife brachte.


    Zunächst bewahrheitete sich, dass der Prophet, in diesem Falle die Prophetin, im eigenen Land nichts gilt. Sie konnte in Prag nicht richtig Fuß fassen, wozu die Literatur einige Gründe anbietet. Das Große Sängerlexikon schreibt, dass ihr ein Engagement in Prag aus politischen Gründen verwehrt worden sei, anderswo ist nachzulesen, dass ihr bei den ersten Gehversuchen auf der Bühne Stimme, Musikalität und Bühnenausstrahlung abgesprochen wurden. Hier darf man ein eklatantes Fehlurteil vermuten, denn wäre hier keine Qualität gewesen, hätte sie nicht schon ab dem Sommer 1898 das Publikum an der Berliner Hofoper begeistern können, wo sie zehn Jahre im Engagement blieb, aber in dieser Zeitspanne auch Gastauftritte anderswo hatte und 1901 in der Bayreuther Erstaufführung von Wagners »Der fliegende Holländer« als erste und jüngste Senta von Bayreuth zusammen mit Anton van Rooy auf der Festspielbühne stand. Ein weiterer Schritt zu internationalem Format führte Emmy Destinn - wie sie sich nun nannte - 1904 als Donna Anna in »Don Giovanni« an das Covent Garden Opernhaus in London, ein Jahr später sang sie dort die Premiere von »Madame Butterfly« an der Seite von Enrico Caruso.


    Mit Beginn ihrer Karriere in Berlin hatte sie sich - mit dem Einverständnis ihrer Lehrerin - den Künstlernamen Emmy Destinn zugelegt. Nach ihren vielfältigen Erfolgen in Europe - an der Berliner Hofoper hat man mehr als 700 Auftritte in 43 Rollen gezählt, wobei Santuzza, Carmen und Mignon sehr häufig waren, aber auch Uraufführungen oder die Berliner Erstaufführung von »Salome« unter Hofkapellmeister Richard Strauss. Auch die Zahlen in England können sich sehen lassen, hier hat man 225 Auftritte in 18 Opern registriert, wobei sie in London 47 Mal mit Enrico Caruso auf der Bühne stand.


    Auf diese Art war sie bestens auf Amerika vorbereitet, wo Ruhm, Ehre und Dollars lockten; ihre Antrittsrolle an der Metropolitan Opera New York zur Saisoneröffnung am 16. November 1908 war Aida, Caruso sang den Radames, den Taktstock schwang Arturo Toscanini. Emmy Destinn war nun ganz oben angekommen und konnte diese Position bis 1916 halten.


    In dieser Zeit sang sie nicht nur in New York sondern durchstreifte Amerika kreuz und quer und war auch in Kanada. Auf einige Höhepunkte ihrer künstlerischen Tätigkeit in Amerika sollte noch hingewiesen werden:
    1908 sang sie die Martha in der amerikanischen Erstaufführung von d´Alberts »Tiefland«. Und sie war auch die Marie in Smetanas »Die verkaufte Braut«, die am Freitagabend des 19. Februar 1909 unter der Leitung von Gustav Mahler - in deutscher Sprache - aufgeführt wurde; prädestiniertere Protagonisten als Mahler und Destinn sind für dieses Werk nicht vorstellbar.


    Eine ganz große Sache war für das Jahr 1910 geplant; die Uraufführung einer Puccini-Oper in New York; Puccini stand damals im Zenit seiner Popularität, hatte aber zu Hause mit ernsten Turbulenzen zu kämpfen, die in stark belasteten.
    Während er im Mai 1910 am 3. Akt arbeitete, wurde mit der Metropolitan Opera ein Vertrag über die Uraufführung von »La fanciulla del West« im Dezember des gleichen Jahres geschlossen. Am 10. Dezember war es dann so weit, Emmy Destinn sang die Minni und Enrico Caruso war wieder einmal ihr Partner und Toscanini sorgte für den guten Ton im Orchester.


    Natürlich war Emmy Destinn in den Jahren ihrer amerikanischen Saisonarbeit auch in Europa tätig wo sie in den Jahren 1913/14 auf ganz anderem Gebiet spektakulär in Erscheinung trat; sie wirkte in einem Stummfilm mit, der von Oktober bis Dezember 1913 im Bioscop- Atelier von Neubabelsberg gedreht wurde, im Frühjahr1914 in die Kinos kam und recht erfolgreich war. In der Filmfachzeitschrift »Der Kinematograph« wurde der Film so beworben:


    »Die größte Sensation des Winters: Emmy Destinn im Löwenkäfig
    Das Filmdrama ›Die Löwenbraut‹ nimmt unter den Erzeugnissen der letzten Jahre schon aus dem Grunde eine besondere Stellung ein, weil darin eine Künstlerin von Weltruf nicht in einer für sie geschriebenen Rolle auftritt, sondern sich selbst spielt, Wir begegnen der großen Sängerin Emmy Destinn in dem Stück mehrmals in eigener Person und zwar im Konzertsaal und - im Löwenkäfig, wo sie vor einem Auditorium von wilden Bestien die Mignon-Arie singt«.


    Auf den dazugehörigen Fotos ist ein Löwenkäfig zu sehen, in dem eine Pianistin, von der man nur die Rückenansicht sieht, Klavier spielt, während ein mächtiger Löwe auf dem Klavier liegt und die Sängerin am Klavier steht und singt. Im anderen Bild greift die Sängerin lächelnd in die Löwenmähne. Dieses Engagement soll Frau Destinn 2.500 englische Pfund beschert haben.


    Folgt man der Chronologie der Ereignisse, dann könnte man vermuten, dass sie sich in den Löwenkäfig wagte, weil sie sich ein Schloss in Südböhmen kaufen wollte. Der Kauf ist keine Vermutung, 1914 erwarb sie das von Fluss und Teichen umgebene Schloss Stráz, das ihr dann einige Zeit später als komfortables »Gefängnis« diente. Was war geschehen?
    Auf der Weltbühne wurde ein grausiges Stück inszeniert, am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, an dem sich immer mehr Staaten beteiligten ab 1917 auch die USA . Diese Ereignisse sollten auch auf das Leben und die Karriere von Emmy Destinn einen erheblichen Einfluss haben. Nach der New Yorker Saison 1915-1916 kehrte sie in das vom Krieg geschüttelte Europa zurück.
    Sie war im damaligen österreichisch-ungarischen Reich geboren, wo sich allmählich ein gewisses Nationalbewusstsein entwickelte, was als »nationale Wiedergeburt« bezeichnet wurde. Sie war als tschechische Patriotin bekannt und trug auf heimischen Bühnen gern einen Gürtel in den Landesfarben Blau, Rot und Weiß und beendete ihre Konzerte immer mit der Nationalhymne »Kde domov muj« (Wo ist meine Heimat? oder wo ist mein Heim?). Die älteste Aufnahme dieses Musikstücks stammt aus dem Jahr 1914 - gesungen von Ema Destinnová und ihrem Kollegen, dem algerisch-französischem Bariton Dinh Gilly.


    Als sie 1916 wieder nach Europa kam, wurde ihr der Kontakt zur patriotischen Widerstandsbewegung der Tschechen zum Verhängnis, denn man entzog ihr die Reisedokumente und damit war sie praktisch in ihrem südböhmischen Sommersitz, dem Schloss Stráž nad Nežárkou, interniert, wo sie das Schicksal der Gefangenschaft mit ihrem engen Freund Dinh Gilly teilte.
    Ema Destinová nutzte die Zeit des Freiheitsentzugs für schriftstellerische, kompositorische und pädagogische Arbeit. Gegen Kriegsende durfte die Sängerin zumindest in Böhmen und am Nationaltheater Prag wieder auftreten.
    Während ihrer zweijährigen Abwesenheit von der Weltbühne waren Sängerinnen der nachdrängenden Generation rasch in die entstandene Lücke geschlüpft, zum Beispiel Rosa Ponselle *1897 / Claudia Muzio *1889 / Maria Jeritza *1887 / Frieda Hempel *1885 / Geraldine Farrar 1882.
    In einer Publikation ist zu lesen, dass Ema Destinová im Herbst 1921 mit einer Reise nach Amerika ihre künstlerische Betätigung abgeschlossen habe, aber da ist ja in der Saison 1922/23 noch von einer Konzerttournee zu berichten, welche Destinn nach Kopenhagen, Stockholm und Oslo führte.
    In ihren jungen Jahren standen eine Menge Verehrer zur Verfügung, in der Literatur wird auch kolportiert, dass ihr Caruso einen Heiratsantrag gemacht haben soll, das Verhältnis zu Dinh Gilly - der verheiratet war - wurde bereits angesprochen.
    Im September 1923, im Alter von 45 Jahren, konnte sich die weitgereiste Sängerin ein Leben zu zweit vorstellen und heiratete den wesentlich jüngeren Luftwaffenpiloten Josef Halsbach - das Hochzeitsfoto zeigt die Braut in Weiß und den Bräutigam in Uniform. Die Verbindung hatte keinen Bestand; in der Beschreibung ihres Lebens heißt es: »Nachdem Halsbach die Fragilität ihrer finanziellen Situation eingeschätzt hatte, verließ er sie« ...


    Ihr Leben war ruhiger geworden, sie hatte noch bei regionalen Veranstaltungen wie in Pilsen oder Brno gesungen, wo sie begeistert gefeiert wurde, aber die große Weltkarriere war zu Ende. Ein letzter großer Augenblick ergab sich noch 1928. In der Londoner Queen´s Hall wurde im Oktober das zehnjährige Jubiläum der tschechischen Selbständigkeit mit einem Konzert von Ema Destinová begangen.


    Im Jahr1908 war sie zum ersten Mal in diese Gegend Südböhmens gekommen und hatte mit dem Gedanken gespielt, sich ein Refugium in der freien Natur zu schaffen. 1914 hat sie dann das Schloss Stráz erworben; der nahe Fluss und die umliegenden Teiche hatten es ihr angetan, sie war eine leidenschaftliche Fischerin, die stundenlang im Boot oder am Ufer sitzen konnte, ein echtes Kontrastprogramm zu den Opernhäusern und den Konzertsälen der Welt.


    Ema Destinová starb unerwartet an einem Schlaganfall in Ceské Budêjovice als sie einen Arzt aufsuchte, andere Quellen sagen, dass sie während einer Augenoperation starb.


    Ihre Stimme ist in vielfältiger Weise auf Tonträgern mit recht breitgefächertem Repertoire erhalten, darunter als Besonderheit: Eine »Carmen«-Gesamtaufnahme in deutscher Sprache aus dem Jahr 1908, die als älteste kommerzielle Gesamtaufnahme einer Oper gilt.
    1979 wurde in der CSSR ein Film mit dem Titel »Schicksal einer Sängerin« (Spieldauer 113 Minuten) gedreht, der Teile des Lebens von Ema Destinová zeigt.


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    In der Handschrift verwendet sie diese Darstellung ihres Namens


    Anmerkung:
    Im Beitrag »Der Musiker Gräber« ist unter # 748 ein etwas erweiterter Text eingestellt

  • Rentarō Taki - Eine Erinnerungstafel in Leipzig


    In der traditionsreichen Musikerstadt Leipzig wurde ihm im Jahr2003, also dem einhundertsten Todesjahr des Rentaro Taki, durch die Internationale Mendelssohn-Stiftung ein kleines Denkmal gewidmet; man findet es an der Ecke Mozartstraße / Ferdinand-Rhode-Straße 7.


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    Eine offenbar kunstferne Person hat hier eine Veränderung vorgenommen ...


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    Hier der Kopf wie ihn der Bildhauer Ulf Puder ursprünglich geschaffen hatte.


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    Die Inschrift auf der Tafel lautet:

    Der in Japan hochverehrte Komponist Rentaro Taki (1879-1903) wohnte während seines Studiums am Leipziger Konservatorium der Musik von 1901 bis 1902 in dem nicht mehr erhaltenen Haus Ferdinand-Rhode-Str. 7. Er war der erste japanische Musikstudent in Europa.


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    Man sollte jedoch noch die Information hinzufügen, dass die bereits 1870 geborene japanische Violinistin Koda Nobu - über Amerika kommend - schon im August 1890 von Bremerhaven nach Wien reiste, um ihre Studien bei Josrph Hellmesberger fortzusetzen; sie war nicht nur Violinistin, sondern auch Pianistin und Komponistin.


    Viel ist über das kurze Leben des Rentarō Taki nicht zu berichten, denn der »japanische Schubert«, wie er in seiner Heimat oft genannt wird, starb noch jünger als der Wiener Schubert, nämlich bereits mit 23 Jahren. Rentarō Taki wurde am 24. August 1879 in Tokio geboren und starb am 29. Juni 1903 in Ōita. Takis Vater war Beamter, was viele Ortswechsel zur Folge hatte. Teile seiner Kindheit verbrachte Taki in Taketa, wo es noch heute ein Rentarō-Taki-Museum gibt. Seit 1894 studierte er an der Musikhochschule Tokio bei August Junker, der hier insbesondere das deutsche Liedgut förderte, aber auch ein erstes japanisches Orchester nach westlichem Vorbild schuf. Danach erweiterte Rentarō Taki seine Studien in Deutschland. Von 1901 bis 1902 studierte er am Leipziger Konservatorium noch beim hochbetagten Salomon Judassohn Komposition und bei Robert Teichmüller Klavier.


    Das alles hat mit der japanischen Geschichte zu tun, von der bekannt ist, dass sich das Land seit Mitte des 17. Jahrhunderts abgeschottet hatte und im Jahre 1868 mit der Meiji-Restauration und konstitutionellen Monarchie eine Wende eintrat, welche auch auf die Musik gewaltige Auswirkungen hatte. Es erfolgte ein überwältigender Zustrom westlicher Kultur und Zivilisation. Die Regierung förderte die Kenntnisse der europäischen Kultur, bewahrte aber auch die Schöpfungen der japanischen Kultur vor dem Verfall und Vergessen.
    Man sammelte systematisch deutsche Volkslieder,die an Schulen mit japanischen Texten unterlegt und unterrichtet wurden.


    Am Anfang standeigentlich die Militärmusik, denn die Japaner waren hochbeeindruckt, wenn Marinekapellen westlicher Nationen aufmarschierten; vor allem der Name John William Fenton steht für diese Entwicklung, aber auch der deutsche Franz Eckert hat in dieser Beziehung einiges geleistet. Neben der Militärmusik kommt auch der christlichen Kirchenmusik einige Bedeutung beim kulturellen Wandel in Japan zu.


    Die Geschichte der westlichen Oper begann in Japan 1894, als im Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung des Roten Kreuzes in Tokio der erste Akt von Gounods Oper »Faust« dargeboten wurde; die Solisten waren in Tokio lebende Ausländer, während der Chor aus Studenten der Musikakademie bestand, die musikalische Leitung hatte der bereits erwähnte Franz Eckert.
    Die erste vollständig von Japanern aufgeführte Oper war Glucks »Orfeo es Euridice« im Jahre 1903.

    In diesem kulturellen, beziehungsweise musikalischen Milieu wuchs Taki heran, kam dann in Deutschland an die älteste deutsche Musikhochschule, wo er nur ein Jahr verweilen konnte, weil er krankheitsbedingt im Oktober 1902 wieder in sein Heimatland zurückkehren musste; er war an Tuberkulose erkrankt, einer Krankheit, die damals als Schreckgespenst galt.
    Rentarō Taki ist als Komponist in Deutschland wenig bekannt, genießt aber in seinem Heimatland eine fast kultische Verehrung, vor allem durch seine Liedkompositionen, wobei das Lied »Der Mond über der Burgruine einer besonderen Erwähnung bedarf, denn es ist in Japan als Volkslied weitbekannt und wurde auch von den Scorpions adaptiert und somit einer weltweiten Öffentlichkeit bekannt; auch wenn Andre Rieu zur Fiedel greift ist es zu hören ...

    »Kōjō no Tsuki«









  • In der traditionsreichen Musikerstadt Leipzig wurde ihm im Jahr2003, also dem einhundertsten Todesjahr des Rentaro Taki, durch die Internationale Mendelssohn-Stiftung ein kleines Denkmal gewidmet; man findet es an der Ecke Mozartstraße / Ferdinand-Rhode-Straße 7.

    Es müsste und sollte viele solcher Erinnerungsorte geben in Leipzig. Wer hat sich dort nicht alles aufgehalten und auch künstlerische Spuren hinterlassen? Wer sich wie hart auf Spurensuche begeben will, dem sei ein Buch empfohlen, das ich bisher allerdings nur durchgeblättert habe:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Das Gluck-Denkmal in Weidenwang - eine wechselvolle Geschichte


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    Auf diesen Seiten wurde schon über einige Gluck-Denkmäler in Städten wie München, Wien oder auch dem Ort Erasbach, einem Ortsteil der Stadt Berching in der Oberpfalz berichtet. Was bisher noch fehlt, ist das Denkmal zu Ehren des Christoph Willibald Gluck in Weidenwang, einem bis 1972 selbständigen Ort, der im Zuge einer in den 1970er Jahren erfolgten Gemeindegebietsreform nun ebenfalls zu Berching gehört.


    Die Entstehungsgeschichte dieses Denkmals ist auch deshalb sehr interessant, weil sie einen Blick in die kulturellen Gegebenheiten dieser Zeit vermittelt; dass Musiker-Denkmäler in großen Städten mit Opernhäusern und Konzertsälen stehen ist nichts Außergewöhnliches, aber ein solches Denkmal in einem damals armen und kleinen Dörfchen zu errichten war etwas Besonderes.
    Zunächst war eine Gedenktafel am Geburtshaus des großen Sohnes der Gemeinde angedacht, dann stand nach einem Dutzend von Jahren ein stattliches Denkmal in der Dorfmitte von Weidenwang - und es steht immer noch da. Dem Denkmal ist eine erklärende Tafel beigestellt, deren Text, der besseren Lesbarkeit wegen, hier eingefügt ist:


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    1859 richtete der Weidenwanger Pfarrer Ainmiller ein Schreiben an den zuständigen Landrichter mit der Bitte, dass dem »Christoph Gluck seiner Zeit dahier eine Gedenk Tafel gnädigst möge errichtet werden«. Nach einem zunächst erfolglosen Versuch wurde ein zweiter gestartet und ein Komitee gegründet, das aber nun ein Denkmal forderte, wozu die nötigen Mittel per Sammlung aufgetrieben werden sollten. Manche Ablehnung wie »Gluck habe sein ehernes Denkmal in München, für Weidenwang reiche eine Gedenktafel« konterte Bezirksamtmann Fischer selbstbewusst: »Wir setzen das Denkmal nicht der Bedeutendheit des Ortes wegen, sondern deshalb weil einer unserer größten Tondichter dort geboren ist«. Als dann König Ludwig der II. 400 Gulden aus der königlichen Kabinettskasse zur Verfügung stellte, hatte man genügend Mut, sich an den gesamten deutschen Hochadel zu wenden, Singvereine in deutschen Großstädten und im Ausland anzuschreiben. 1870 hatte man 2800 Gulden gesammelt, wofür man in Berching ein großes Bürgerhaus bekommen hätte. Prof. Knoll aus München bekam den Auftrag die Büste zu schaffen, Ing. Dollmann den Sockel, das Fundament oblag der Gemeinde. Am 4. Oktober 1871 wurde das Denkmal feierlich enthüllt, sicher der bedeutendste Tag in Weidenwangs Geschichte.

    Anmerkung: Warum auf dieser Tafel der 4. Oktober 1871 angegeben ist konnte nicht geklärt werden; eine Anfrage bei der Stadt Berching blieb unbeantwortet.


    Soweit der obere Text der Tafel; im unteren Teil wird dargestellt, auf welch vielfältige Weise sich das Spendenaufkommen zusammensetzte, beginnend mit einem Gulden, den drei Weidenwanger Wirtshausbesucher aufbrachten ...


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    Pfarrer Caspar Ainmiller hatte damals einige Anfragen bezüglich der Geburt und des Geburtsortes von Christoph Willibald Gluck zu beantworten, denn Kirchenbücher waren damals wertvolle Dokumente und sie sind es auch heute noch, aber so mancher Eintrag bietet durchaus unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten.
    Schon 1842 hatte Anton Schmid, der Kustos der Wiener Hofbibliothek, der im Begriff war eine Gluck-Biografie zu verfassen, um ein pfarramtliches Geburtszeugnis gebeten.
    Inzwischen waren Zweifel am wahren Geburtsort Glucks aufgekommen, was an Glucks ungenauen Angaben bei seiner Eheschließung in Wien lag. So brachte sich Neustadt an der Waldnaab als Geburtsort ins Gespräch. Eine Anfrage beim Historischen Verein von Regensburg und Oberpfalz ergab, dass Weidenwang zweifelsfrei Glucks Geburtsort ist.
    Als im Mai 1860 Landrichter Stadelbauer nach Weidenwang kam, prüfte er zusammen mit dem Pfarrer nochmals persönlich die Belege. Dabei wurde irrtümlich der 4. Juli 1714 als der Geburtstag von Christoph Willibald Gluck festgestellt, aber tatsächlich handelt es sich um den Tag der Taufe.
    Im Juli 1866 erhielt nun Pfarrer Ainmiller über die Regierung von Mittelfranken eine Anfrage aus Paris; Charles Garnier, der Architekt der Großen Oper in Paris, ließ anfragen ob Gluck am 2. oder 4. Juli 1714 geboren war. In Paris wurden diese Daten benötigt, weil man für das Vestibül des Opernhauses ein Standbild des Komponisten fertigen wollte. Pfarrer Ainmiller übermittelte den 4. Juli als Geburtsdatum nach Paris.


    Pfarrer Caspar Ainmiller war der Spiritus Rector eines Gedenkens an den großen Sohn der Gemeinde; wie bereits erwähnt, hatte man zunächst an eine Gedenktafel gedacht. Am 25. November 1859 schrieb der Pfarrer an den Landrichter Stadelbauer in der Bezirksstadt Beilngries mit der Bitte, dass dem »Christoph Gluck seiner Zeit dahier eine Gedenk Tafel gnädigst möge errichtet werden«.
    Stadelbauer reichte den Antrag unverzüglich an die Regierung in Ansbach weiter, die zunächst darauf hinwies, dass man sich in der Gemeinde Weidenwang erst einmal Gedanken über den Text der Tafel machen sollte. Einige Sorge bereitete nun auch der Standort der Gedenktafel, denn das vermeintliche Geburtshaus war inzwischen durch einen Neubau ersetzt worden und lag abseits, also kein idealer Standort für eine Gedenktafel.
    Nun sollte diese Gedenktafel mit der Inschrift: »In diesem Orte ist geboren der Tondichter Christoph Gluck«, in der Ortsmitte aufgestellt werden. Da man jedoch an dieser Stelle kein Geburtshaus zur Verfügung hatte, hätte man einen Sockel errichten müssen. Die Gemeinde war arm, mehr als 10 Gulden waren der Gemeindekasse für das Vorhaben nicht zu entlocken und die Regierung in Ansbach war der Meinung, dass eine Gedenktafel ausschließlich Sache der Gemeinde sei, also ruhte die Sache zunächst einmal.


    Als man sich jedoch 1866 sogar im fernen Paris für Weidenwang interessierte, musste das so eine Art Initialzündung gewesen sein. Etwa Zeitgleich hatte sich ein Führungswechsel in Beilngries ergeben - der neue Bezirksamtmann Wilhelm Fischer betrat die Bühne, ein Mann, der als tatkräftig beschrieben wird. Fischer dachte groß und gründete sogleich ein Denkmal-Komitee; mit einer Gedenktafel mochte man sich nicht mehr begnügen, ein richtiges Denkmal sollte den Ortskern zieren, schließlich war Christoph Willibald Ritter von Gluck einer der populärsten Komponisten Europas.
    Es war die Idee geboren worden, für das Denkmal eine Sammlung in Bayern und anderen deutschen Ländern in Szene zu setzen, was allerdings einer »allerhöchsten Genehmigung« bedurfte, welche sogleich beim Ministerium beantragt wurde. Die Regierung in Mittelfranken brachte für diesen Wunsch aus Weidenwang kein Verständnis auf und argumentierte, dass es in München bereits ein Gluck-Denkmal gab.
    Wilhelm Fischer kämpfte mit dem Argument weiter, dass es ja auch für andere große Männer Denkmäler an deren Geburtsorten gibt. Im Januar 1868 wandte sich das Komitee nun direkt an König Ludwig II. Noch fanden die Bittsteller beim König kein Gehör, auch ein Versuch durch eine Benefiz-Veranstaltung einer Gluck-Oper am Nationaltheater zu Geld zu kommen, scheiterte ebenfalls. Erst als man in einem erneuten Sammlungsantrag den Kreis der Sammlung etwas einschränkte, wurde dem Antrag endlich stattgegeben.
    Schließlich erreichte das Komitee ein Schreiben, dass das Denkmalsprojekt von höchster Stelle als förderungswichtig anerkannt ist und König Ludwig II. dafür aus seiner königlichen Kabinettskasse 400 Gulden zur Verfügung stellt.
    Von diesem erfreulichen Sachverhalt ausgehend lief das Denkmalskomitee nun zur Hochform auf und wandte sich an den gesamten deutschen Hochadel, wo es noch einige Könige, Großherzöge, Herzöge und Fürsten gab; auch der Kaiser von Österreich wurde um einen Beitrag gebeten.
    Von Weidenwang aus gingen nun Bittbriefe fast in die ganze Welt; wo sich bayerische Konsulate befanden oder deutsche Gesangvereine in der weiten Welt am Singen waren, traf Post aus Weidenwang ein.


    Es wurde nach New York, Philadelphia, San Francisco, New Orleans ... geschrieben, aber auch nach Rio de Janeiro, Moskau, Paris, London, Stockholm ... - man könnte hier noch eine stattliche Anzahl von Städten anfügen und damit vermuten, dass das Spendenaufkommen riesig war, aber die ganz hohen Erwartungen erfüllten sich nicht. Als Beispiel sei der deutsche Liederkranz in Paris genannt, der 23 Gulden und 20 Kreuzer aufbrachte und an der Großen Oper zu Paris kam keine Benefizaufführung zugunsten des Denkmals zustande.
    Im Dezember 1869 war die Denkmal-Kasse dennoch mit 2.300 Gulden gefüllt und man konnte sich nun konkrete Gedanken über die Gestaltung des Denkmals machen, denn zur Mitte des Jahres 1870 konnte das Denkmal-Komitee sogar über 2.800 Gulden verfügen.
    Damit man die gesammelte Geldmenge etwas realistisch einordnen kann, sei darauf hingewiesen, dass man für diesen Betrag am Ort ein Bürgerhaus hätte kaufen können.


    Professor Konrad Knoll, der auch an der technischen Hochschule München lehrte und damals einen guten Namen hatte, wurde mit der Ausführung der Bronzebüste beauftragt, die 1.500 Gulden kosten sollte. Die Gestaltung des Sockels war dem renommierten Bauingenieur Georg Carl Heinrich Dollmann anvertraut worden, der für seine Arbeit etwa 1.200 bis 1.500 Gulden veranschlagte. Als Bezirksamtmann Fischer alle Kosten addierte, kam er schließlich auf einen Gesamtpreis von etwa 3.300 Gulden. Erst versuchte man Bülow zu einem Benefiz-Auftritt zu bewegen, denn die allgemeine Spendenbereitschaft war für ein Komponisten-Denkmal nicht mehr sehr hoch, aber Bülow lehnte ab. Durch den im Gange befindlichen deutsch-französischen Krieg waren Benefizaktionen zugunsten von Kriegsopfern populärer geworden. Damit kein Defizit entsteht, wurde so lange verhandelt bis sich die Gesamtkosten auf 2.700 Gulden beliefen. Dieser Betrag beinhaltete die Kosten für Büste (1.500 Gulden), Sockel (1.200 Gulden) und die Ausführung eines Eisengitters - das heute nicht mehr zu sehen ist - ,Transport und Aufstellung. So auf den letzten Drücker - Ende Juni - kam das Denkmal per Bahn nach Ingolstadt und wurde dann von dort aus mit dem Fuhrwerk nach Weidenwang gebracht, wo starke Männer bereitstanden.


    Nachdem sich im Februar 1871 der Frieden abzeichnete, legte man als Tag der Denkmalenthüllung den 4. Juli fest, also den Geburtstag des Komponisten Christoph Ritter von Gluck. Ein großes Denkmal braucht auch einen entsprechenden Rahmen bei der Einweihung, also wurde ein Festkomitee gegründet. Professor Knoll konnte das Festkomitee insoweit beraten, dass er noch wusste, dass bei der Einweihung des Gluck-Denkmals in München Glucks »Skythenchor« aufgeführt wurde.


    Der erste musikalische Programmpunkt bei den Einweihungsfeierlichkeiten war ein Festmarsch und ein Festlied, eine Kreation von Kunstschaffenden der Gegend, dann kam der »Skythenchor« zum Vortrag, danach wurde es patriotisch: es folgte »Das Deutsche Lied«, eine Komposition von Johann Wenzel Kalliwoda, welche seit der UA 1838 zum Standardrepertoire aller deutschen Gesangvereine gehörte. »Was ist des Deutschen Vaterland?« und »Die Wacht am Rhein«, waren die nächsten musikalischen Programmpunkte; das alles passte wunderbar in diese Zeit. Die Festlichkeiten waren perfekt geplant und für die gesamte Region - trotz eines Unwetters in der vorangegangenen Nacht -ein Riesenereignis, es wird von 3000 Besuchern berichtet, Weidenwang dürfte damals etwa 200 Bewohner gehabt haben. Festansprachen, Festzug, Fahnen, Triumphbogen, Böllerschüsse, Feuerwerk ... es war einiges los, an diesem Dienstag in Weidenwang, dass auch die Biergärten recht gut gefüllt waren, muss eigentlich nicht betont werden.


    Gute vier Jahrzehnte konnten sich die Weidenwanger ungetrübt ihres Denkmals erfreuen und man bemerkte, dass 1914 der 200. Geburtstag des großen Sohnes anstand.


    Aber auch zu Glucks 200. Ehrentag war die Gemeindekasse viel zu klein, um aus diesem Bestand den großen Gluck angemessen feiern zu können, also begab man sich mal wieder auf die Suche nach Spendern. König Ludwig III. von Bayern gab 100 Mark und der Wiener Industrielle J. B. Ulrich den gleichen Betrag, die Regierung in Regensburg gab sich dagegen knausrig und gab nichts.
    Die Gemeinde wollte gleich zwei Festredner aufbieten, der eine war Domkapitular Franz Xaver Buchner, ein Heimatforscher, der sich auf seine Rede gründlich vorbereitete und deshalb in den Archiven nochmals recherchierte. Nach Sichtung der Unterlagen gelangte Buchner zu der Erkenntnis, dass Gluck nicht am 4. Juli 1714 in Weidenwang zur Welt kam, sondern bereits am 2. Juli 1714 im benachbarten Ort Erasbach das Licht der Welt erblickte.


    Da war nun eine prekäre Situation entstanden und der Festredner wollte von seinem geplanten Vortrag unter diesen Umständen zurücktreten. Während die mündliche Überlieferung von einer explosiven Stimmung zwischen Bürgern von Erasbach und Weidenwang spricht, weswegen 40 Gendarmen zum Schutz der Feierlichkeiten entsandt wurden, ist im »Neumarkter Tageblatt« zu lesen, dass die Feier «in schönster Harmonie und Freude« verlaufen war. Der Zeitungsartikel berichtet auch, dass der Festredner diplomatisch die Feststellung vermied, dass Gluck in Weidenwang geboren wurde und es so formulierte:
    »In diesem wunderschönen Tal der Sulz wurde Christoph Willibald Ritter von Gluck, der große deutsche Tondichter, geboren«.


    Seit der eingangs erwähnten Gemeindegebietsreform in den 1970er Jahren ist Gluck nun ein Berchinger geworden. In Erasbach errichtete man 1967 auch ein Gluck-Denkmal und seit 2016 verbindet ein Rund-Wanderweg von 6,5 Kilometer Länge, mit sieben interaktiven Stationen, die beiden Denkmal-Orte Erasbach und Weidenwang. Benutzt man die normale Straßenverbindung, beträgt die Entfernung 3,3 Kilometer.

  • Eine Gedenktafel - und was sonst noch geschah ...


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    Wer an der Rheinpromenade in Wiesbaden-Biebrich an dieser Gedenktafel vorbeischlendert und den Text liest, stellt sich vielleicht vor, dass Richard Wagner 1862 hinter dieser Backsteinmauer saß und schrieb und schrieb, bis das große Werk »Die Meistersinger von Nürnberg« fertig war.


    Der Musikwissenschaftler Martin Geck zählt in seiner Wagner-Biografie Orte auf, die Richard Wagner nach dem Pariser »Tannhäuser«-Debakel besucht hat; wenn man diese Auflistung sieht wird klar, dass die Inschrift auf der Tafel so nicht ganz stimmen kann; Wagner war nämlich nicht nur in Biebrich sondern auch in:


    Karlsruhe, Paris, Karlsruhe, Wien, Paris, Winterthur, Zürich, Karlsruhe, Paris, Bad Soden, Paris, Bad Soden, Frankfurt a. M., Weimar, Nürnberg, München, Bad Reichenhall, Salzburg, Wien, Venedig, Wien, Paris, Mainz, Paris, Karlsruhe, Mainz, Biebrich, Frankfurt a. M., Karlsruhe, Biebrich, Karlsruhe, Biebrich, Frankfurt a. M., Biebrich, Leipzig, Dresden, Biebrich, Nürnberg, Wien, Prag, Wien, Biebrich, Berlin, Königsberg, Petersburg, Moskau, Petersburg, Berlin, Wien, Budapest, Wien, Prag, Karlsruhe, Zürich, Mainz, Berlin, Löwenberg, Breslau, Wien, München, Mariafeld bei Zürich, Stuttgart, München.


    In dieser Aufstellung findet man auch Dresden, wo sich Wagner 1849 beim Maiaufstand aktiv beteiligt hatte und seitdem steckbrieflich gesucht wurde. In Biebrich erhielt Wagner den erlösenden Bescheid, dass er von nun an wieder unbehelligt nach Sachsen reisen kann.


    Der Architekt Wilhelm Frickhöfer erstellte 1860 direkt am Rhein, gegenüber der drei Kilometer langen Rheininsel Rettbergsaue, eine stattliche Villa mit umfangreichem Garten, die zu Beginn des Jahres 1862 dem aus Paris kommenden Richard Wagner als Unterkunft diente. Das Anwesen kaufte 1867 - da war Wagner bereits weitergezogen - der türkische Gesandte Aristarchi Bey, welcher der Villa den Namen »Annica« gab, seine Frau hieß Anna. Der osmanische Diplomat verkaufte die Villa 1889 wieder, dann wurde das Anwesen von dem Zementforscher Rudolf Dykerhoff erworben; die Familie war durch die Herstellung von Zement wohlhabend geworden. Heute vermutet man, dass damals diese Gedenktafel angefertigt wurde, genaue Daten sind auch im Biebricher Heimatmuseum nicht bekannt.
    Wagner bezog eine relativ bescheidene Wohnung mit zwei Zimmern, aber die Wohngegend war phantastisch; vorne heraus konnte er auf den Rhein sehen und vom seitlichen Balkon aus hatte er einen Blick auf die imposante herzoglich-nassauische Sommerresidenz und den Schlosspark. Als Wagner im Park mal den Schlossherrn traf, stellten die Herren fest, dass sie einen grundsätzlich unterschiedlichen Musikgeschmack hatten.


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    Das Schloss war nur ganz wenige Schritte von Wagners Wohnung entfernt


    Nach Biebrich, das damals noch eine selbständige Gemeinde war und heute ein Stadtteil von Wiesbaden ist, kam Wagner, weil er die Nähe zu seinem neuen Verleger Franz Schott in Mainz suchte, der Interesse an einem neuen Werk Wagners gezeigt hatte; bereits Ende November 1861 sandte Wagner seinen zweiten Prosaentwurf nach Mainz. Im Begleitschreiben schrieb er, dass er »einem meiner originellsten, jedenfalls meinem populärsten Werke entgegensehe«. Im Dezember las Wagner seine leicht veränderte Abschrift der Prosafassung in Mainz vor und fuhr wieder nach Paris zurück, um dort im Hotel »du Quai Voltaire« in nur 30 Tagen das Textbuch - es dürfte wohl die textreichste aller Opern sein - auszuarbeiten. Am 5. Februar 1862 kam Wagner erneut nach Mainz, wo er im Verlagshaus vor geladenen Gästen - Peter Cornelius war auch dabei - seine »Meistersinger«-Dichtung vortrug und offenbar begeistern konnte, denn man sprach von einer »rhetorischen Virtuosenleistung«. Wie Wagner seine Möglichkeiten in Biebrich - sehr in der Nähe des Verlagshauses - sah, beschreibt er, noch im führenden Hotel »Europäischer Hof« wohnend, im Brief an seine Frau vom 9. Februar1862, hier heißt es, dass es ihm vor allem darauf ankommt:


    »dass ich ausflugsweise alles leicht erreichen kann; meinen eigentlichen Aufenthalt aber immer still und angenehm zurückgezogen erhalte. In diese Hinsicht liegt Biebrich nun ganz einzig. In 10 Minuten bin ich mit dem Dampfschiff in Mainz, wo mir die Familie Schott die Hände unterbreitet, auch ein ganz passables, äußerlich sogar großartiges Theater einiges Interesse bietet ... In 10 Minuten bin ich in Wiesbaden, wo Sommer und Winter gutes Theater ist ... In 5 Viertelstunden in Frankfurt. In ¾ Stunden in Darmstadt. In 1½ Stunden in Mannheim. (Alles bedeutende Theater). In 3 Stunden in Karlsruhe; also auch dies etwa wie Leipzig und Dresden auseinander. Für Wien, Berlin u. Paris etwa gerade in der Mitte. Der Ort selbst nun ist reizend: nach Mainz, oder Wiesbaden zu Fuss der angenehmste Spaziergang. Rechts hinab die himmlischen Rheinpartien jeden Augenblick als Promenadeausflüge. Außerdem am Schloss ein wundervoller großer Park mit herrlichen Bäumen. Unmittelbar an diesem Park habe ich sehr hübsche Wohnungen bemerkt. Fände ich nun eine solche, vollkommen entsprechend und geeignet zur häuslichen Niederlassung, so dürfte es mir, dem so hart herumgeworfenen und der häuslichen Ordnung bedürftigen, wohl sehr schwer fallen, der Versuchung, sie zu mieten, zu widerstehen«.

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    Hier mietete sich Richard Wagner 1862 ein.


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    Rechts am Geländer ist die Rheingaustraße zu sehen, links der Rhein.


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    Links neben der Eingangstür Rheingaustraße 137 befindet sich eine weitere Gedenktafel.


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    Wagners Besuche in Dresden, Bad Soden und Bad Reichenhall waren nicht beruflich bedingt, sondern galten seiner Frau, die herzleidend war und dort zur Kur weilte, nachdem der Pariser Haushalt der Wagners aufgelöst worden war. Als Frau Minna am 21.Februar 1862 auf Einladung ihres Gatten, aber unangekündigt, nach Biebrich kommt, müssen beide erkennen, dass ihre Ehe nicht mehr zu kitten ist, was auch deutlich in einem Brief zum Ausdruck kommt, den Richard Wagner an Peter Cornelius schreibt, als Minna am 3. März wieder abgereist war. In diesem Brief heißt es:
    »Ich kann unmöglich mehr mit meiner Frau zusammenleben«.


    Der Erard-Flügel war inzwischen auch von Paris nach Biebrich transportiert worden, es konnte nun also mit dem Komponieren losgehen. Aber wenn man Wagners Ausflüge, die auch mehrtägig waren - er bestieg zum Beispiel zusammen mit Freunden den Drachenfels bei Königswinter - und seine Reisen betrachtet und noch bedenkt, dass er in seiner Biebricher Zeit etwa 250 Briefe auf den Weg brachte, dann verwundert es nicht, dass die »Meistersinger« nicht vereinbarungsgemäß bis zum September fertiggestellt werden konnten. Anstatt eifrig an seinem »Meistersinger«-Auftrag zu arbeiten, befasste er sich immer wieder mit den Aufführungsmöglichkeiten seiner bereits fertiggestellten Oper »Tristan und Isolde«, die inzwischen in dem Ruf stand unaufführbar zu sein. Von Biebrich aus war er nach Karlsruhe gefahren, wo er im Verlauf einer dortigen »Lohengrin«-Aufführung das Sänger-Ehepaar Malwine und Ludwig Schnorr von Carolsfeld hörte, die dort gastierten; Wagner war hell begeistert und glaubte das ideale »Tristan«-Paar gefunden zu haben.
    Also kamen Malwine und Ludwig Schnorr von Carolsfeld auch für vierzehn Tage nach Biebrich, wo in der kleinen Wohnung - Hans von Bülow am Flügel - intensive »Tristan«-Gesangsproben stattfanden.
    Und es gab noch andere Ereignisse, die den Meister am Komponieren hinderten; ein wirklich triftiger Grund war ein Hundebiss, der Hund seines Vermieters hatte Wagner in den rechten Daumen gebissen. Auch Cäsar Willich, ein Kunstmaler, verzögerte die Komposition; der Maler war von Otto Wesendonck, Wagners Züricher Gönner, ins Haus geschickt worden, damit dieser ein aktuelles Porträt Wagners fertigt, welches Wesendoncks Gattin Mathilde zugedacht war.
    Im Zusammenhang mit diesen Betrachtungen müssen auch noch Wagners Liebschaften im Rhein-Main Gebiet erwähnt werden, denn auch solcherlei Aktivitäten kosten Zeit. Es waren die Damen Friederike Meyer, die am Frankfurter Theater wirkte und die Geliebte des Theaterdirektors war, und Mathilde Meier, die er im Verlagshaus Schott kennengelernt hatte; kluge Leute vermuten, dass ihn die Pfälzer Mathilde zur »Meistersinger«-Eva inspiriert haben könnte.


    So schön seine Biebricher Wohnung auch lag, sie war für Wagner eigentlich zu klein und mit dem Hausherrn hatte er auch nicht das beste Verhältnis. Wagner sah sich um, ob sich nicht in der Gegend ein Gönner findet, der ihm eine Villa oder vielleicht einen Teil seines Schlosses zur Verfügung stellt, aber in dieser Richtung ließ sich nichts realisieren.
    Mit fortschreitender Zeit war Wagners Verlags-Vorschuss, der üppig gewesen sein soll, dahingeschmolzen, denn Wagner benötigte ein Dienstmädchen zur Zubereitung des Frühstücks und nahm die Mahlzeiten im »Europäischen Hof« ein.


    In seiner Biebricher Wohnung brachte Wagner zwar das beachtliche Vorspiel zu den »Meistersingern« aufs Papier, aber schon bei der ersten Szene geriet die Arbeit ins Stocken. Das bemerkte natürlich auch Franz Schott, der mit Wagner schon seit 1859 verlegerischen Kontakt hatte. Schotts Musikberater Heinrich Esser, der den Verlag auf Wagner aufmerksam gemacht hatte, wies Schott gleichzeitig aber darauf hin, dass der Umgang mit Wagner nicht ganz einfach sein könnte.
    Um Franz Schott etwas zu besänftigen, studierte Wagner mit der Sängerin Emilie Genast und Hans von Bülow die fünf Wesendonck-Lieder ein, die in der Sommervilla von Schott, in Mainz-Laubenheim, am 30. Juni 1862 zur Uraufführung kamen.


    Nachdem das neue heitere Werk nicht vereinbarungsgemäß zum September 1862 fertiggestellt werden konnte, aber der Vorschuss verbraucht war, schrieb Wagner im Oktober an den Verleger:


    »Haben sich die »Meistersinger« verzögert, so richte ich doch meinen ganzen Lebenszuschnitt jetzt so ein, das Versäumte unausgesetzt nachzuholen. Wenn Sie zurückkommen, sollen Sie auch aus den »Meistersingern« hören und hoffentlich bald innewerden, um was es sich damit handelt. Nur jetzt: Schleunige Hilfe! Sonst gehe ich ins Wasser!«


    Und Schott antwortete:


    »Den mitgeteilten Erguss einer Ihrer schlaflosen Nächte muss ich wohl mit Stillschweigen übergehen, denn wenngleich ich weiß, wie ich mich gegen Künstler zu benehmen habe, will ich Ihnen dennoch nicht sagen, was ich von einem Künstler verlange. Den gewünschten größeren Betrag kann ich Ihnen nicht zur Verfügung stellen. Überhaupt kann ein Musikverleger Ihre Bedürfnisse nicht bestreiten, dies kann nur ein enorm reicher Bankier oder Fürst, der über Millionen zu verfügen hat ...«.

    Richard Wagner hatte bald darauf sogar einen König gefunden, der es verstand größere Geldmengen für Wagners Bedürfnisse zur Verfügung zu stellen. Die schönen Sommertage waren vorüber, in Biebrich war es unfreundlich geworden; die Geldquelle versiegt und zudem hatte Frickhöfer die Wohnung gekündigt.
    Mitte November 1862 verließ Wagner Biebrich, begleitet von Friederike Mayer in Richtung Wien. Die Uraufführung der Oper »Die Meistersinger von Nürnberg« fand am 21. Juni 1868 mit außergewöhnlich großem Erfolg am Nationaltheater München statt. Der Partiturerstdruck des Werks erschien 1868 bei Schott´s Söhne in Mainz.
    In Biebrich wurden 1862 Weichen gestellt, die weit in das spätere Leben Richard Wagners führten - aber das ist wieder eine andere Geschichte ...

  • Lieber 'hart',


    herzlichen Dank auch für diesen Beitrag! Wie immer bei Dir eine wunderbare Lektüre und eine kostbare Wissenserweiterung!


    Carlo

  • Erinnerung an den Tenor Alfons Fügel

    Zu seinem heutigen Geburtstag


    In dem schwäbischen Ort Bonlanden, der bis 1975 noch eine selbständige Gemeinde war und heute ein Ortsteil der neu gegründeten Stadt Filderstadt, südlich von Stuttgart, ist, wurde Alfons Fügel am 10. August 1912 geboren.


    Alfons Fügel gehört zu den wohl bekanntesten schwäbischen Tenören; die beiden anderen waren Karl Erb (*1877 Ravensburg) und Karl Ostertag (*1903 Ulm). Wolfgang Windgassen, Jahrgang 1914, war zwar zeitlebens mit dem Stuttgarter Opernhaus eng verbunden, aber in Annemasse, Frankreich, in der Nähe von Genf geboren. Als Gemeinsamkeit der in Schwaben Geborenen ist festzustellen, dass alle drei erfolgreich an der Bayerischen Staatsoper in tragenden Rollen sangen, was als Qualitätsnachweis gelten darf.


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    Im Hintergrund das Heimatmuseum von Bonlanden


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    Aber nur einem dieser Sänger wurde bisher ein Denkmal errichtet. Dazu braucht es treibende Kräfte, Leute, die sich dafür einsetzen, dass Künstler nicht so schnell vergessen werden. In diesem Falle waren es vor allem der ehemalige Bürgermeister von Bonlanden, Fridhardt Pascher und der Historiker und Schriftsteller Dr. Gerhard Raff.
    Das Denkmal in Form einer Ionischen Säule wurde durch Benefizveranstaltungen und Spendengelder finanziert. Die Gedenk-Säule wurde von Bildhauer Uli Gsell geschaffen und 2012, anlässlich des 100. Geburtstages von Alfons Fügel, eingeweiht.


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    Das Gasthausschild ist noch heute erhalten


    Alfons Fügel wurde im Dachgeschoss des Gasthauses Krone in eine sangesfrohe Handwerker-Familie hineingeboren, sein Vater, Georg Fügel war immerhin Vorsitzender des Sängerkranzes Bonlanden, ein Verein, der im Geburtsjahr von Alfons noch eine bedeutende Rolle im kulturellen Leben der Gemeinde spielte, die damals etwa 1.500 Einwohner hatte.
    Der Beruf des Vaters wird mit Plattenleger angegeben, heute verwendet man eher die Berufsbezeichnung Fliesenleger. Sohn Alfons trat zunächst beruflich in die Fußstapfen seines Vaters, eine oft geübte Praxis in jener Zeit. Gemessen an heutigen Standards, waren die Fügels eine große Familie, was jedoch 1912 allgemein üblich war. In der Literatur wird einmal von einer neunköpfigen Familie gesprochen, was vermutlich stimmt, dann wieder von neun Kindern - »das Singen lag allen neun Kindern im Blut«; sei´s drum, es wird ein reges Familienleben gewesen sein.


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    Dass der Sohn eines Handwerkers das Klavierspiel erlernt, entsprang auch nicht alltäglicher Praxis, da muss schon einiges Interesse gewesen sein. Als Klavierlehrer wird ein Dr. Kriesmann genannt, der die stimmliche Qualität des Heranwachsenden, der schon im Alter von 15 Jahren als Solist öffentlich auftrat, an Kammersänger Fritz Windgassen übermittelte. Als auch der erfahrene Windgassen zu einer Gesangsausbildung riet, waren die Weichen für den Sängerberuf des Alfons Fügel gestellt. 1936 nahm er erfolgreich an einer Eignungsprüfung am Stuttgarter Staatstheater teil und bekam ein Stipendium an der Opernschule bei Fritz Windgassen. Die Ausbildung zeitigte recht bald Früchte, denn bereits ein Jahr später hatte der nun 25-Jährige Alfons Fügel seinen ersten Auftritt am Stadttheater Ulm, wo er als Erster Gefangener in »Fidelio« erste Gehversuche machte; als sein eigentliches Debüt auf der Ulmer Bühne gilt die Darstellung der Rolle des Fenton in Nicolais »Die lustigen Weiber von Windsor«, wo die Romanze direkt auf Fügels im Grunde lyrische Stimme zugeschnitten scheint.
    Es folgten der Elfenkönig in Webers »Oberon«, der Konrad in »Hans Heiling« von Marschner und natürlich der Herzog in »Rigoletto«.


    Die nächste Station des aufstrebenden Tenors war Graz, ein Haus, welches schon immer als typisches Sprungbrett für Wien galt, aber Fügels Sprung ging bereits eine Spielzeit später nach München. Opernintendant Clemens Krauss holte Fügel 1940 an die Bayerische Staatsoper. Wer hier an diesem renommierten Haus sang, hatte Möglichkeiten; so sang Alfons Fügel zur Weihnacht 1940 im Großdeutschen Rundfunk die Rolle des Rudolf in Puccinis »La Bohéme«, was eine äußerst positive Resonanz zur Folge hatte, der Sänger war durch diese Ausstrahlung in breiten Bevölkerungsschichten populär geworden. Zudem war es Operninteressierten möglich von den Höhepunkten dieser Oper eine Schallplatte zu erwerben - »Wie eiskalt ist dies Händchen« kam 1942 bei Polydor heraus, das Orchester des Deutschen Opernhauses begleitete den Sänger.


    Bis 1943 konnte Fügel mit immer größer werdendem Repertoire, welches auch dramatische Rollen nicht aussparte, große Erfolge feiern. Man darf annehmen, dass Fügel auch an den großen Europäischen Häusern reüssiert hätte. Aber über Europa und die Welt war ein Krieg hereingebrochen, der immer erbarmungsloser wütete; die Staatführung beschloss die Theater zu schließen, also gingen auch in München die Lichter aus; die Kulturschaffenden wurden zu kriegswichtigen Tätigkeiten herangezogen, soweit sie nicht auf der sogenannten »Gottbegnadeten-Liste« standen. Musizierende waren nun bei der Truppenbetreuung und Wunschkonzerten gefragt oder wurden in die Produktion geschickt, wie zum Beispiel Anneliese Rothenberger, die in einer Dosenfabrik am Fließband stand.


    Während es jedoch anderen, in etwa gleichaltrigen deutschen Tenören, wie Peter Anders (*1908), Wolfgang Windgassen (*1914) oder Rudolf Schock (*1915) nach den Kriegsereignissen gelang immer bekannter zu werden, hatte Alfons Fügel nach 1945 gesundheitliche Probleme und konnte an seine großen Erfolge in den 1940er Jahren nicht mehr anknüpfen.
    Dennoch war er vor allem im damaligen Süddeutschen Rundfunk sehr präsent, hauptsächlich mit seinen Erfolgsliedern »Zwei dunkle Augen« von Carl Heins und »Der Rattenfänger« (Wandern, ach wandern) aus der Operette »Der Rattenfänger von Hameln«, komponiert von Adolf Neuendorff.
    Aber Fügel wandte sich als Konzertsänger nun auch dem klassischen Kunstlied zu, was auf einer CD in kleiner Auflage dokumentiert ist; hier singt er 1948 Lieder von Antonin Dvořák und Robert Franz, 1950 Lieder von Max Reger und 1957 kommen noch Aufnahmen von Schubert-Liedern hinzu.


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    Als Konzertsänger war er immer noch gefragt, aber an den bedeutenden Opernhäusern hatten sich andere Leute empor gesungen. 1950 kehrte der seiner schwäbischen Heimat sehr verbundene Sänger an seinen Geburtsort Bonlanden zurück. Dort eröffnete er zusammen mit seiner Frau das Café Fügel, welches, Berichten zufolge, ein Treffpunkt von Freunden und Fans gewesen sein soll. Der Gesundheit war das nicht förderlich, der Sänger hatte Schwierigkeiten mit seinem Herzen und Beeinträchtigungen am Bein und bei all dem wollte er das Rauchen nicht einstellen.

    Auch das Singen hatte er nicht eingestellt; am 8. Oktober 1960, bei einem Konzert in Esslingen, während Fügel das Wolgalied aus Léhars Operette »Der Zarewitsch« sang, erlitt er einen Herzinfarkt, an dessen Folgen er zwei Tage später in einem Esslinger Krankenhaus starb.
    Er durfte nur 48 Jahre alt werden; er starb im gleichen Alter wie sein großer Kollege Enrico Caruso. Es gab eine große Beerdigung an der sich mehr als eintausend Sänger aus der Region beteiligten, sein Grab ist noch erhalten.


    An seinem Geburtsort Bonlanden wird die Erinnerung an ihn nicht nur durch die Säule wachgehalten; es gibt hier auch eine Alfons-Fügel-Straße und einen Saal, der seinen Namen trägt; und es sind - gemessen an seiner relativ kurzen Karriere - eine Menge von Aufnahmen auf CD verfügbar, die durch die akribische Forschungsarbeit des Altbürgermeisters Fridhardt Pascher in Rundfunkarchiven aufgestöbert wurden, zum Beispiel in den Archiven des früheren Soldatensenders Oslo und sogar in einem Kloster bei Moskau.


    Der Standort der Säule befindet sich in Bonlanden (Filderstadt) an der Ecke Georgstraße / Klingenstraße, unweit des Geburtshauses.

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  • Lotte Lehmann - von Perleberg aus in die Welt


    Ein Gedenken zu ihrem heutigen Todestag


    Der Ort Perleberg liegt in der Mark Brandenburg, etwa zwischen Hamburg und Berlin. Dort wurde Charlotte Sophie Pauline Lehmann am 27. Februar 1888 geboren. Der Vater war Beamter und soll im Besitz einer schönen Tenorstimme gewesen sein, die er im örtlichen Gesangsverein zu Gehör brachte. Zudem berichtet die Familienchronik, dass eine Tante die »Stimme eines Engels« hatte. Unter diesen Umständen war es nicht verwunderlich, dass Charlottes Talent bereits in der Schulzeit erkannt wurde; ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte sie in der Aula der Schule.
    Bis 1902 verbrachte Lotte zusammen mit ihrem älteren Bruder Fritz die Schulzeit an ihrem Geburtsort, eine Gedenktafel am heutigen Museum weist darauf hin, dass in diesem Haus die später Weltberühmte zur Schule ging.


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    Das Elternhaus von Lotte Lehmann in der Berliner Straße

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    Gedenktafel am Museum


    Als die Familie 1902 nach Berlin zog, weil sich der Vater dort bessere berufliche Chancen ausrechnete, war das für die Vierzehnjährige wohl ein ganz besonderes Erlebnis eine solch pulsierende Stadt um sich zu haben.
    Die Eltern wollten natürlich, dass die Tochter mit einem »ordentlichen« Beruf ins Leben startet und es war angedacht dass sie Lehrerin werden sollte. Aber Lotte hatte das tiefe Bedürfnis etwas mit ihrer Stimme zu tun; in Berlin gab es ein breites kulturelles Umfeld, welches zeigte, dass sich auch in künstlerischen Berufen einiges machen ließ - die junge Dame hatte sich in den Kopf gesetzt Sängerin zu werden.


    In der renommierten privaten Gesangsschule von Etelka Gerster, einer Sängerin, die noch Verdi beeindruckte, musste die sangesbegeisterte junge Dame dann eine ganz herbe Enttäuschung erleben. Lotte Lehmann selbst schildert ihr Ende an diesem Institut so:


    »Ich wurde aus der berühmten Gesangsschule von Etelka Gerster geworfen. Ein Brief informierte mich, dass ich weder Stimme noch Aussehen, weder Intelligenz noch Eleganz hätte, und mit meinem Gesang keinen Pfennig verdienen würde. Glücklicherweise hatte sie sich geirrt«.


    Die Gedemütigte wollte das so nicht hinnehmen und schrieb der ebenfalls berühmten Mathilde Mallinger einen Brief, mit der Bitte, sie anzuhören. Die spätere Diva meinte dazu: »Damit begann mein Glück«.
    Durch ein Stipendium des Musikfreundes Konrad zu Putlitz auf Groß-Pankow, in dessen Diensten der Vater stand, wurde ein Studium bei Helene Jordan und der berühmten Mathilde Mallinger an der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin möglich. In der Aufnahmeprüfung sang sie die Arie Siébels aus Gounods »Faust« und die Arie »Jerusalem« aus Mendelssohn Bartholdys Oratorium »Paulus«.
    Nach einem weiteren Studium in München war die junge Frau Lehmann zwar musikalisch bestens gerüstet, betrat aber dann ziemlich unbeholfen - nach ihrer eigenen Aussage - 1910 die Bühne des Hamburger Stadttheaters. Dort war sie fest engagiert; ihre Debüt-Rolle anfängergerecht, sie war der zweite Knabe in Mozarts »Zauberflöte« und die Regisseure hatten keine rechte Freude mit der anscheinend nur musikalisch Begabten.
    Dennoch folgten die typischen Sopranrollen des Zwischenfachs in deutschen und französischen Spielopern.
    Als Weltstar Caruso in Hamburg gastierte, erkannte er das Potenzial ihrer Stimme - »Ah, brava, brava! Che bella voce! Che magnifica voce! Una voce italiana« - und berät sie dahingehend, dass sie voll auf ihr Gefühl vertrauen sollte. Ihren ersten großen Erfolg feiert sie dann als der junge Otto Klemperer ihr 1912 die Rolle der Elsa in »Lohengrin« anvertraut.
    Als 1914 Hans Gregor, der Operndirektor aus Wien, nach Hamburg kommt, um sich einen Tenor anzuhören, fällt ihm Lehmanns Stimme auf, die an diesem Abend die Micaela singt.


    Gemäß dem Archiv der Wiener Staatsoper, gastierte die Sopranistin aus Hamburg am Freitag, 30. Oktober 1914 als Eva in »Die Meistersinger von Nürnberg« in Wien, das dürfte wohl die Grundlage zum Festengagement gewesen sein.
    1916, also mitten im Ersten Weltkrieg, reist Lotte Lehmann zu ihrem Engagement nach Wien, wo sie am 25. August abermals als Eva zu hören ist, zumindest ist das die offizielle Version, aber es existiert auch eine Zeitungsnotiz vom 19.08.1916, wonach sie zum Einstieg im »Freischütz« sang:
    »Der erste Abend führte ein neues Mitglied des Hauses ein: Fräulein Lotte Lehmann als Agathe. Das war ein Kommen und ein volles Siegen!«, heißt es da.


    In mehr als zwanzig Jahren stand sie hier 589 Mal auf der Bühne und verkörperte 45 Rollen. Von 1924 bis 1937 gab Lotte Lehmann in 47 Vorstellungen die Marschallin im »Rosenkavalier«.
    Natürlich war der Anfang an diesem berühmten Haus kein Kinderspiel, denn da waren noch hervorragende Sängerinnen wie zum Beispiel Marie Gutheil-Schoder, Selma Kurz und natürlich Maria Jeritza.
    Fräulein Lehmann hatte einige schöne Anfangserfolge in Wien, aber der Durchbruch an der Wiener Oper begann mit der Rolle des Komponisten in der Neufassung der Oper »Ariadne auf Naxos«. Man probte diese Neufassung in Anwesenheit des Komponisten und die für die Rolle des Komponisten vorgesehene Gutheil-Schoder musste eine der letzten Proben absagen; um weiter probieren zu können, bat man die Neue, diesen Part zu übernehmen.
    Nach der Probe sagte Strauss: »Sie singen die Premiere«. Lehmann meinte, dass sie das der Kollegin nicht antun könne und zierte sich zunächst, aber erzählte später:
    »... aber ich will mir keinen Heiligenschein aufs Haupt setzen. Ich hab´ mich dann sehr schnell bereden lassen es zu singen, natürlich. Und das war mein größter Erfolg in Wien. Von da an hab´ ich eigentlich all die großen Rollen gesungen, von da an fing meine Weltkarriere an«.


    Neben all dem Singen gab es natürlich auch noch ein Privatleben; sie ermöglichte ihren Eltern ein Haus in Hinterbrühl bei Wien zu erwerben und brachte ihren Bruder bei der Deutschen Botschaft in Wien unter.
    1916 (andere Quellen nennen das Jahr 1922) hatte sie sich in den einstigen Rittmeister und Bankier Otto Krause-Jakobowitz verliebt, der allerdings verheiratet war und vier Kinder hatte. Krause wollte sich von seiner Frau, die schwer krank war, nicht trennen so dass die beiden zunächst ohne Trauschein zusammenlebten, was damals eher unüblich war. Als Krauses Frau gestorben war, heiratete das Paar in aller Stille 1926 im Wiener Rathaus, das war vor Lehmanns Salzburger Debüt.


    Lotte Lehmanns Ruhm wurde immer größer und es ist müßig hier alle Städte ihres Wirkens aufzuzählen, dennoch ist ihre 1922 erfolgte Tournee mit den Wiener Philharmonikern nach Südamerika erwähnenswert, die unter der musikalischen Leitung von Felix Weingartner stattfand. Diesem Abstecher übers große Wasser sollten noch viele folgen.


    In einem vom ZDF 1995 hergestellten Film, welcher anlässlich des 20. Todestages gesendet wurde, wird auch erwähnt, dass Frau Lehmann Anfang der 1930er Jahre ein Ferienhaus auf Sylt besessen habe und es dort zu einer Liaison mit dem Berliner Heldentenor Fritz Wolf gekommen sei, der sie animierte öfter in Berlin zu gastieren. In einer Neuinszenierung der »Meistersinger« hat sie dann 1931 tatsächlich unter Furtwängler das Evchen gesungen.
    1930 hatte sie erstmals eine Begegnung mit dem Land, das einmal ihre zweite Heimat werden sollte; ihre amerikanische Karriere begann an der Civic Opera in Chicago, wo sie auch 1931 auftrat. 1932 gab sie dann in der New Yorker Town Hall ein sehr erfolgreiches Konzert. Als Lehmann am 11. Januar 1934 ihr Debüt - als Sieglinde in »Die Walküre« - an der Metropolitan Opera hatte, war sie endgültig zum Weltstar geworden.


    In Wien konnte man sie immer seltener hören, denn ihre beruflichen Ausflüge, die sie bis nach Australien und Neuseeland führten, dauerten schon einmal fünfeinhalb oder gar neun Monate.


    Diese Erfolgsgeschichte blieb den neuen Machthabern in Berlin nicht verborgen und der ehrgeizige Hermann Göring - politisch für die Staatsoper zuständig - hätte diesen strahlenden Stern gerne an seinem Hause gehabt und Hausherr Tietjen stand der Sache logischerweise auch positiv gegenüber, schließlich konnte ja Lotte Lehmann fast als echte Berlinerin gelten.
    Über die Begegnung Göring - Tietjen - Lehmann, sind unterschiedliche Versionen im Umlauf; da ist von Löwen und einer Burg am Rhein die Rede, man sollte mit der Verbreitung solcher Geschichten vorsichtig sein, wenn man nicht selbst dabei war ...
    Zusammenfassend kann bei Auswertungen der Literatur festgestellt werden, dass dem Opernstar das Blaue vom Himmel versprochen wurde und die Frau Kammersängerin von dem Versprochenen zunächst sehr angetan war. Lotte Lehmann war am 21. März 1934 von New York nach Berlin gereist und stellte sich nach dem aus ihrer Sicht sehr positiv verlaufenen Gespräch auf einen längeren Verbleib in Berlin ein.
    Als der Sängerin dann schließlich das konkrete Angebot der Staatsoper übermittelt wurde, stellte sich heraus, dass die vollmundigen Versprechungen in dem Papier keinen Niederschlag gefunden hatten; das Gesamtergebnis war im Endeffekt sehr mager ausgefallen. Als Lotte Lehmann dagegen protestierte, war Göring verärgert. Mit einem Brief vom 20. Mai1934 entschuldigte sich Frau Lehmann zwar bei Göring und Tietjen, aber das Band war zerschnitten; nun erst setzte sich die zunächst so Umworbene von der neuen politischen Richtung ab; letztendlich brauchte sie Berlin nicht, denn sie hatte in Wien ein erstklassiges Stammhaus und war auch sonst in der Welt zuhause.


    Anfang Oktober 1937 gab sie in Wien ihr Abschiedskonzert, absolvierte noch ein Konzert in Paris und reiste dann nach Amerika, wie das geschah, wird so erzählt:
    »... reiste dann mit ihren Dienstmädchen, ihren Hunden und ihrer Limousine auf dem deutschen Luxusdampfer ›Europa‹ von Bremen nach New York«.


    Lotte Lehmanns Ehe endete im Januar 1939 durch den Tod ihres Mannes, der an einer Lungenkrankheit starb. Nun hatte sie in USA für eine siebenköpfige Familie zu sorgen, nämlich ihre vier Stiefkinder und ihren 1939 herüber gekommenen Bruder mit Anhang.

    In die Gegend der »Amerikanischen Riviera« hatte sie sich schon bei einem ersten Besuch 1936 verliebt, nun sollte sie hier den zweiten Teil ihres Lebens verbringen.
    Man kann vermuten, dass die Karriere von Lotte Lehmann nach dem Tod ihres Mannes ausgelaufen wäre, wenn sich nicht ein enges Verhältnis zu Frances Holden ergeben hätte - Dr. Frances Holden -, eine New Yorkerin, die als erste Frau an die Psychologische Fakultät der New York University berufen wurde und dort 12 Jahre lehrte. Holden erforschte die Psychologie des Genies, insbesondere der klassischen Musiker.


    Zunächst waren die beiden Damen in brieflichen Kontakt gekommen, weil die um elf Jahre jüngere Holden den Gesangsstar an der »Met« ob ihrer Kunst verehrte. Holden hatte erfahren, dass Lotte Lehmann wegen einer schlechten Kritik - es war eine »Tosca«-Aufführung - deprimiert war, sie schrieb der Sängerin einen tröstenden Brief. Schließlich lernte man sich persönlich kennen, als Holden bei Lehmann zu einer Recherche anreiste.


    Nun fuhren die beiden im Sommer 1940 quer durchs Land nach Santa Barbara, wo Lotte Lehmann das Anwesen von George Owen Knapp am East Camino Cielo in Entzücken versetzte, insbesondere die Aussicht, von der sogar Thomas Mann begeistert war, Das Objekt sollte nur 10.000 Dollar kosten; Lotte konnte Frances zum Kauf überreden; allerdings durften sie ihr neues Refugium nur für fünf Wochen genießen, dann fegte ein Waldbrand durch die Gegend, den die Damen noch fasziniert filmten, aber dann vernichtete der Feuersturm alles bis auf die Grundmauern, man war froh sein Leben gerettet zu haben.
    Mit dem Geld der Versicherung sahen sie sich nach einem neuen Domizil um und lebten fortan bei Santa Barbara, Hope Ranch Park in Kalifornien, das ist eine gehobene Wohngegend westlich von Santa Barbara.
    Die neue Bleibe erhielt den Namen »Orplid«. Lotte Lehmann war ja auch schriftstellerisch tätig und hatte nur einige Jahre vorher den Roman »Orplid, mein Land«, veröffentlicht; und natürlich gibt es auch eine Tonaufzeichnung von ihr mit dem von Hugo Wolf vertonten »Gesang Weylas« nach einem Text von Eduard Mörike.


    Du bist Orplid, mein Land!
    Das ferne leuchtet;
    Vom Meere dampfet dein besonnter Strand
    Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.


    Uralte Wasser steigen
    Verjüngt um deine Hüften, Kind!
    Vor deiner Gottheit beugen
    Sich Könige, die deine Wärter sind.


    Die beiden Frauen waren ja in ihrem Wesen sehr unterschiedlich, so dass man im Freundeskreis vermutete, dass das Zusammenleben nur für kurze Zeit gelingen konnte, aber die Wohngemeinschaft funktionierte dann doch bis 1976.


    Anfangs der 1940er Jahre ließen sich viele deutsche und österreichische Kulturschaffende in »Deutsch-Kalifornien« nieder. Thomas Mann kam mit seiner Familie auch nach Santa Barbara zu Besuch und die prominente Sängerin wurde bei den anderen Prominenten eingeladen - man kannte sich von der deutschen Kulturszene her. Und hier sang Lotte Lehmann auch in privaten Kreisen, zum Beispiel bei der etwas chaotisch verlaufenen Trauerfeier vom Franz Werfel, wo Bruno Walter und Lotte Lehmann die musikalische Gestaltung übernommen hatten.
    Durch das Zusammenleben mit Frances Holden, der bezaubernden Landschaft und dem illustren Bekanntenkreis hatte Lotte Lehmann wieder zu ihrer künstlerischen Kraft gefunden und wurde im Juni 1945 - 57-jährig - amerikanische Staatsbürgerin, sang immer noch an der »Met« und gab vielbeachtete Konzerte, wobei sie dem Kunstlied immer mehr Raum gab. Am 17. Februar 1945 verabschiedete sie sich mit ihrer Paraderolle, der Marschallin im »Rosenkavalier«, von der Metropolitan Opera in New York und in dieser Rolle betrat sie dann zum allerletztem Mal am 1. November 1946 die Opernbühne in Los Angeles; es war eine Aufführung der San Francisco Opera.


    Ihren letzten Liederabend gab sie am 11. November 1951 im Pasadena Playhouse bei Los Angeles, also unweit ihres Wohnortes.


    Bereits 1947 war Lotte Lehmann Mitbegründerin der Music Academy of the West in Montecito, östlich von Santa Barbara; 1951 konnte die Academie beträchtlich erweitert werden. Nach der Beendigung ihrer Bühnenauftritte war Lotte Lehmann pädagogisch tätig, wobei sie auch öffentliche Meisterkurse gab, was damals eigentlich noch nicht üblich war. Auch als Gesangslehrerin hatte sich die Sängerin einen guten Ruf erworben und war somit auch an anderen Orten wie zum Beispiel der Civic Music Academy in Pasadena gefragt. Ihre berühmtesten Schülerinnen waren Marilyn Horne und Grace Bumbry.


    1955 kehrte Lotte Lehmann erstmals wieder nach Europa zurück; man hatte sie als Ehrengast nach Wien - anlässlich der Wiedereröffnung der Staatsoper - eingeladen. Von 1958 an besuchte sie immer wieder Salzburg, wo sie einst - von 1926 bis 1937 - jedes Jahr gesungen hatte, meist die Leonore in »Fidelio«, die letzten der drei Salzburger Jahre in Zusammenarbeit mit Toscanini, der ihre Stimme »göttlich« nannte und erlaubte, die Arie von E nach Es zu transponieren.
    Ihr künstlerisches Leben hatte so viele großartige Höhepunkte, dass es eines dicken Buches bedürfte, dies entsprechend zu würdigen. Natürlich wurde sie im Laufe ihrer Karriere mit Ehrungen geradezu überschüttet und von erstrangigen Musikern bewundert, die wirklich etwas von Musik verstanden - stellvertretend seien Giacomo Puccini, Richard Strauss, Arturo Toscanini, Bruno Walter ... genannt.


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    In ihrem Geburtsort Perleberg kann man an verschiedenen Stellen der Gemeinde den Spuren der großen Tochter der Stadt folgen.
    Am 8. April 2014 kam noch eine weitere Erinnerung an Lotte Lehmann hinzu; eine von Bernd Streiter geschaffene Bronzebüste wurde vor dem Wallgebäude und in unmittelbarer Nähe der Hagenbrücke enthüllt.
    In diesen Tagen findet hier auch die 13. Lotte Lehmann Sommerakademie statt, wo jungen Sängerinnen und Sängern Gelegenheit zur Weiterbildung geboten wird.


    Auf dem Sockel der Büste steht auf der Bronzetafel:


    LOTTE LEHMANN
    1888-1976
    GEB. IN PERLEBERG
    GEST. IN SANTA BARBARA
    WELTBERÜHMTE
    SOPRANISTIN, DICHTERIN
    & SCHRIFTSTELLERIN


    SIE HAT GESUNGEN, DASS
    ES DIE STERNE RÜHRTE.


    Als Urheber der letzten beiden Zeilen gilt Richard Strauss; den gleichen Text findet man auch auf ihrem Grabstein in Wien, wo ihre Urne am 24. Februar 1976 auf dem Zentralfriedhof beigesetzt wurde.


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    Richtung Wallgebäude geht es zur Büste


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    Hier die Promenade in Perleberg - in Salzburg gibt es eine ähnliche Beschilderung




  • Ehrung für Gottlob Frick


    Bereits am 3. November 2007 wurde ein bisher namenloser Platz in Heilbronn - etwa eine Autostunde von Fricks Geburtsort entfernt - als Gottlob-Frick-Platz benannt und mit zwei Stelen bestückt, welche die Passanten über das Leben und Wirken des Sängers informieren.
    In Mühlacker wurde vor einigen Jahren ein Saal nach Gottlob Frick benannt, der auch immer wieder in seiner Heimat auftrat, wenn seine Hilfe vonnöten war. Nun folgte im Jahr 2021 eine weitere Ehrung im öffentlichen Raum.

    »Der Sängerfürst«, so hat Autor Klaus Günther seine Gottlob Frick-Biografie überschrieben; Günther bediente sich eines Zitats aus einem Brief, den der Dirigent Leo Blech einst an Gottlob Frick geschrieben hatte.
    Diesem großen Dirigenten wurde 1953 in Berlin noch das Große Bundesverdienstkreuz überreicht und ihm nach seinem Ableben auch vom Senat ein Ehrengrab zugestanden, aber dann im Jahre 2013 festgestellt, »dass ein fortlebendes Andenken in der allgemeinen Öffentlichkeit über den Zeitraum eines Jahrhunderts hinaus« nicht zu erwarten sei. In unserer Hauptstadt wurde der einst so Hochgeehrte dann geradezu schäbig behandelt.


    Solche Gedanken stellen sich ein, wenn man bei der Einweihung eines Denkmals zugegen ist. Gottlob Frick, einem der bedeutendsten Bassisten seiner Zeit, wurde nun am Nachmittag des 15. Oktober 2021 die Ehre zuteil, dass man sich seiner öffentlich erinnert und diese Erinnerung wurde nun durch die Aufstellung einer Büste des Sängers in der Fußgängerzone der etwa 25.000 Einwohner zählenden Stadt Mühlacker durch ein Werk des ortsansässigen Künstlers Kurt Tassotti sichtbar gemacht; Tassotti schuf bereits 1984 eine Büste von J. S. Bach in Stuttgart und 2016 im saarländischen St. Wendel eine Bronzefigur des Komponisten Philipp-Jakob Riotte.


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    Der Künstler Kurt Tassotti erklärt sein Werk vor der Sparkasse in Mühlacker


    Der 1906 in Ölbronn (heute Ölbronn-Dürrn) geborene Frick war hier im Enzkreis in Baden-Württemberg verwurzelt. Im nur wenige Kilometer entfernten Mühlacker absolvierte er als Siebzehnjähriger eine Ausbildung als Mechaniker und im Krankenhaus in Mühlacker starb Gottlob Frick am 18. August 1994 an einer Lungenembolie im Alter von 88 Jahren.


    Als Opernsänger war Gottlob Frick fast auf der ganzen Welt zuhause, aber hier auf der Grenze zwischen Baden und Württemberg, war seine Heimat. Im heimatlichen Wald hatte seine Karriere begonnen. Gottlobs Vater, Ludwig Ernst Frick, war Gemeindeförster und Jagdführer und hatte nach einer Treibjagd die Idee, der Jagdgesellschaft das fröhliche Beisammensein durch einen musikalischen Beitrag zu verschönern. Also marschierte das Quartett des Ölbronner Liederkranzes auf und intonierte einige zu diesem Anlass passende Lieder. Natürlich war der Sohn des Jagdführers Mitglied in diesem Quartett.
    Bei dieser Jagdgesellschaft hörte auch Regierungsrat Dr. Paul den jungen Leuten aufmerksam zu, der Verwaltungschef der Stuttgarter Staatsoper war. Nun nahm die Sache ihren Lauf - Gottlob Frick wurde zum Vorsingen nach Stuttgart eingeladen und konnte dort den Chorleiter mit der inzwischen gut studierten Arie »O Isis und Osiris« beeindrucken. Natürlich stand der 20-jährige Sänger nicht schon am nächsten Tag als Sarastro auf der Bühne der Staatsoper, aber er erhielt sofort das Angebot als Eleve in den Opernchor einzutreten. In diesem Chor fand er auch das private Glück, Margarete Frick, eine Sopranistin aus dem Rheinland; schon am 28. Juli 1929 - es war der Geburtstag des Bräutigams - fand in der Kirche von Ölbronn die Trauung statt, die Ehe währte mehr als 65 Jahre.


    Frick wurde noch von Siegfried Wagner für den Opernchor in Bayreuth verpflichtet, in Stuttgart waren damals die großen Bass-Partien eine Domäne von Hans Ducrue, also ergriff Frick die sich bietende Chance als das Theater Coburg einen 1. Bassisten suchte - Frick wurde sofort nach dem Vorsingen engagiert.


    In Coburg ging es dann richtig zur Sache; sogleich sah und hörte man Gottlob Frick als Daland in Wagners »Der fliegende Holländer« und weiteren Rollen ähnlicher Größenordnung. Damals wurden an den Theatern unterschiedliche Stücke in rascher Folge aufgeführt, woraus resultierte, dass sich der junge Bassist eine Menge Rollen erarbeiten konnte und somit ein gutes Fundament für sein künftiges Wirken hatte. Wenn Frick in Coburg »Ein jeder kennt die Lieb auf Erden« sang, konnte er stets mit Sonderapplaus rechnen und oft war ein da capo fällig.
    Zar Ferdinand, dem sein Coburger Theater sehr viel bedeutete, ließ den damals 29-jährigen Gottlob Frick zu Studienzwecken mit Rolls-Royce nebst Chauffeur nach Bayreuth bringen, weil in Coburg Wagners »Parsifal« anstand und Frick den Gurnemanz singen sollte.


    Man schaute dem vielseitigen Bassisten traurig hinterher als er schon nach zwei Jahren das Coburger Theater wieder verließ, um nach Freiburg zu wechseln.
    Auch hier hielt es ihn nur zwei Jahre, dann folgte er 1938 einem Ruf aus Königsberg, einem Haus mit Renommee; auch von Fricks Wirken in Königsberg ließen sich eine Menge sehr positiver Kritiken zitieren.
    Urplötzlich stand dann nach einer Aufführung der relativ neuen Oper »Tobias Wunderlich« - UA 1937 - ein Mann mit Brille in Fricks Garderobe, es war Karl Böhm. Dieser lud ihn baldmöglichst zu einem Informationsgastspiel nach Dresden ein. Natürlich wurde er dort engagiert und wirkte zehn Jahre im Ensemble der Semperoper, auch an den Behelfsspielstätten in der Nachkriegszeit.
    In dieser Zeit war er auch regelmäßig an der Berliner Staatsoper zu hören.

    1948 schätzte Frick die Situation im Westen besser ein und verließ Dresden, weil ihm ein vorteilhaftes Angebot der Städtischen Oper Berlin vorlag; zudem wurde er 1951 Mitglied der Staatsoper Hamburg. Schon 1950 war ein Sprung übers große Wasser geplant, aber ein erster Auftritt an der Metropolitan Opera in New York kam noch nicht zustande; erst in der Saison 1953/54 sang er neun Vorstellungen als Pogner und König Heinrich in »Lohengrin«.


    In Europa sang Frick an renommierten Häusern wie zum Beispiel Covent Garden, der Mailänder Scala oder der Wiener Staatsoper ... selbstredend unter bedeutenden Dirigenten.
    An der Wiener Staatsoper sind 445 Auftritte dokumentiert; er debütierte dort - da das alte Haus zerstört war, noch im Theater an der Wien - als Sarastro in »Die Zauberflöte« am 3. März 1951; mit ihm stand an diesem Abend noch Rudolf Schock als Tamino auf der Bühne und Wilma Lipp sang die Königin der Nacht, um nur die ganz berühmten Namen zu nennen; in der Rolle des Sarastro war er in Wien genau 61 Mal zu hören und die Wiener konnten ihn in mehr als dreißig verschiedenen Rollen bewundern.
    Auch an der Bayerischen Staatsoper gehörte Frick lange Zeit zu den tragenden Kräften und hatte unweit von München einen Wohnsitz.
    Schon 1952 war Frick mit der Hamburgischen Staatsoper bei den Edinburgher Festspielen zu Gast. Auch bei den Festspielen von Salzburg und Bayreuth war er jeweils während mehrerer Festspielzeiten zu hören.


    Das Repertoire von Gottlob Frick war schon 1948 äußerst umfangreich und beschränkte sich keinesfalls vorwiegend auf das Wagner-Fach, wie manche Darstellungen vermuten lassen. Den Agenturen präsentierte sich Frick damals nicht nur als Opernsänger, sondern tat kund, dass er auch etwa 80 Lieder verschiedener Komponisten in petto hat und darunter waren nicht nur Zugnummern wie »Erlkönig«, sondern auch »Gesang Weylas« von Hugo Wolf und die gesamte »Winterreise« von Franz Schubert, sowie Oratorien und Messen. Ein kleines bisschen ist aus diesem Genre auf uns überkommen, wurde dann jedoch durch Fricks Opernpräsens an den Rand gedrängt und nicht weiter beachtet.


    Am Nachmittag dieses sonnigen Herbsttages hatte sich nun eine erkleckliche Anzahl Musikfreunde eingefunden - die Presse sprach von über 60 Menschen - um der Enthüllung der Stele beizuwohnen. Die Herren Gerd Owczarek und Sieghardt Bucher hatten von Seiten der Sparkasse Pforzheim Calw dafür gesorgt, dass diese Büste finanziert werden konnte, was in einer kurzen Ansprache zum Ausdruck kam.
    Der Oberbürgermeister von Mühlacker, Frank Schneider, holte in seiner Rede weit aus und erwähnte, dass der kleine Gottlob das letzte der 13 Kinder seiner Eltern war; in einem Försterhaus geboren, im Wald als Sänger entdeckt wurde und sich als berühmter Sänger sein Haus »Waldfrieden« in unmittelbarer Nähe seines Jagdreviers am Waldrand erstellen ließ. Daneben wurden selbstverständlich auch Fricks künstlerische Meriten ausgiebig erwähnt.
    Danach erklärte Kurt Tassotti die Entstehung seines neuesten Werkes und führte aus, dass die Arbeit technisch aufwendig gewesen sei und dass er darauf geachtet habe, dass sich das Denkmal in einer überschaubaren Höhe befinde.
    Als Schlussredner trat nun Hans A. Hey, Ehrenpräsident der Gottlob-Frick-Gesellschaft, ans Rednerpult und meinte: »Das ist ein Anlass, der uns glücklich und stolz macht«, das Wirken von Frick sei unvergessen und unvergänglich ...


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    Im Hintergrund der erklärende Text zu Fricks Leben und Wirken


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    Den musikalischen Schlusspunkt der Feier setzte Gottlob Frick selbst, aus dem Lautsprecher ertönte seine unverwechselbare Stimme mit der Arie des Stadinger aus Lortzings Oper »Der Waffenschmied«
    »das war eine köstliche Zeit«, kommt im Text mehrmals vor, schön, an diese Zeit erinnert zu werden, allerdings ist die Spieloper heute weitgehend vergessen; aber die Musik ist uns zumindest auf Tonträgern noch zugänglich.

  • Lieber hart,


    danke, dass du die Einweihung dieses Denkmals so anschaulich beschrieben hast. Ich freue mich für Gottlob Frick und seine Verehrer über diese wohlverdiente Ehrbekundung!

  • Lieber hart,

    auch von mir ein herzliches Dankeschön für deinen schönen und ausführlichen Bericht!

    Leider kenne ich dich nicht persönlich, sonst hätten wir uns am Freitag begrüßen können. Ich war mit meiner Frau auch bei der Einweihung dabei.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Heinrich Schütz - Bad Köstritz ehrt seinen großen Sohn

    Zu seinem heutigen Geburtstag, der eigentlich zehn Tage früher war...

    Hört man sich in breiten Bevölkerungsschichten um, wird Bad Köstritz - eine Kleinstadt mit etwas über 4000 Einwohnern in Thüringen, die seit 1926 den Zusatz ›Bad‹ trägt - eher mit Schwarzbier assoziiert als mit dem großen Musiker Heinrich Schütz.
    Ist man aber erst einmal vor Ort, dann ist Heinrich Schütz nicht mehr zu übersehen.


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    Am 8. Oktober 1931 wurde am Geburtshaus von Heinrich Schütz eine Gedenktafel mit folgendem Text feierlich enthüllt:


    »Im Hause zum Kranich kam auf die Welt am 8. Oktober 1585 Heinrich Schütz, der größte Tondichter vor Johann Sebastian Bach.«

    Dass in den modernen Nachschlagewerken der 18. Oktober steht, hat mit der Umstellung des Kalenders zu tun.



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    Oberhalb des Eingangs ist diese Tafel noch zu sehen


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    Bereits am 3. November 1927 wurde in der Süddeutschen Musikerzeitung eine erste Notiz zu einem Schütz-Denkmal in Bad Köstritz veröffentlicht. Hier heißt es:


    »Unter dem Ehrenvorsitz Fr. Durchlaucht, Prinz Heinrich XXXIX. Reuß j. L., hat sich ein Ausschuß in Bad Köstritz gebildet, der beabsichtigt, für den verdienstvollen Komponisten Heinrich Schütz eine Erinnerungsstätte in Form einer Ruhebank aus Stein nebst einer Erinnerungstafel am Aufgange zur Kirche in Bad Köstritz zu errichten.«


    Die Grundsteinlegung zum Denkmal erfolgte im Oktober 1935 im Rahmen des Heinrich-Schütz-Festes und dem Treffen der Thüringer Kirchenchöre.
    Der Denkmal-Entwurf stammt von Gartenbau-Architekt Paul Klatte und die Büste schuf der Maler und Bildhauer Max Alfred Brumme. Die Einweihung fand am 21. Juni 1936 statt.
    Eine lange Lebensdauer war dieser Büste nicht beschieden, als Beitrag zum Zweiten Weltkrieg wurde sie eingeschmolzen.
    1949 wandte sich Otto Patz, ein Bildhauer aus dem Vogtland, an die Gemeinde und bot an, die verwaiste Stelle wieder mit einer von ihm geschaffenen Büste auszustatten; seit 1950 ist das Denkmalensemble am Kirchberg wieder vollständig.


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    Das alte Schütz-Denkmal - links der Straße zum Kirchberg


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    Das Geburtshaus selbst ist zwar noch erhalten, steht jedoch nicht mehr im Zusammenhang mit Gebäuden, welche 1585 noch vorhanden waren. In den Jahren 1952/53 erfolgte ein Teilabriss des ehemaligen Goldenen Kranich für den Bau einer Straße.
    Als der kleine Heinrich geboren wurde, bewirtschaftete sein Vater die »Obere Schenke«, das spätere Gasthaus zum »Goldnen Kranich«. Als Heinrich fünf Jahre alt war, zog die Familie nach dem etwa 45 Kilometer entfernte Weißenfels, wo der Vater einen anderen Gasthof übernahm. In Weißenfels verbrachte der Junge seine Kindheit.


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    Neben diesem Denkmal am Kirchberg, welches 1936 eingeweiht wurde, entstand 1985 - direkt auf der anderen Straßenseite des Geburtshauses - ein Denkmal, das Berndt Wilde im Auftrag des Schütz-Komitees des Rates des Bezirks Gera entworfen hatte. Wilde brachte einige Erfahrung mit, denn er hatte bereits 1972 das Schütz-Denkmal nahe der Dresdner Oper entworfen, welches ebenfalls 1985 - anlässlich des 400. Geburtstags von Heinrich Schütz - eingeweiht wurde.


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    Das neuere Schütz-Denkmal in unmittelbarer Nähe des Geburtshauses


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    Das neuere Denkmal in Bad Köstritz zeigt auf drei Relieftafeln den Kampf zwischen den guten und bösen Mächten, die Gegensätze von Liebe und Leid sowie Leben und Tod.
    Auf der mittleren Relieftafel des Triptychons ist im unteren Bereich eine Inschrift mit dem Text:

    HEINRICH SCHÜTZ 1585-1672 SAECULI SUI MUSICUS EXCELLENTISSIMUS


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    Im Foyer des Heinrich-Schütz-Hauses wird man von einer Büste des Meisters empfangen, die ebenfalls 1985 geschaffen wurde; die Künstlerin Gabriele Reinemer fertigte das Werk zunächst in Gips, im Jahr 2000 konnte die Büste in Bronze gegossen werden.


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    Im Geburtshaus des Komponisten befinden sich außer der Forschungs- und Gedenkstätte auch noch Hinweise zum Denken seiner Zeit, denn Schütz erfuhr in seinem langen Leben die grundlegenden Veränderungen seiner Zeit, als Beispiel sei genannt, dass er auf dem Markusplatz in Venedig 1609 erlebte, wie Galileo Galilei dort sein neues Fernrohr präsentierte.


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    Blick in die Innenräume des Museums


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    Heinrich Schütz kam weit herum, lebte aber als gereifter Musiker zwei Jahrzehnte in Weißenfels, wo das originale Wohnhaus des Komponisten umfangreiche Einblicke in das Schaffen von Heinrich Schütz erlaubt. Ein vager Hinweis auf sein Grab befindet sich in der Frauenkirche zu Dresden - siehe »Der Musiker Gräber«, Beitrag # 659, wo auch das Leben von Heinrich Schütz umfangreicher dargestellt ist.

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