Kapsberger, Johann Hieronymus: Werke für Laute

  • hallo,


    ich wollte wieder einmal ein CD vorstellen, die ich persönlich für sehr toll halte. Es handelt sich um Lautenwerke von Kapsberger gespielt von einem Lauten-Virtuosen der Gegenwart, Paul O´Dette. Neben der Laute und der Barockgitarre widmet sich Paul O´Dette auch der Musikforschung und hat viele Artikel über historische Aufführungspraxis veröffentlicht. Seit 1976 leitet er die Abteilung für Alte Musik der Eastman School of Music in New York und ist ebenfalls Mitverantwortlicher des legendären Boston Early Music Festivals, das ich gerne einmal besuchen würde.


    Auf der CD findet man wunderschöne, ruhige Stücke, aber auch schnellere Toccaten und Galiarden. Die CD eignet sich sehr abends mit einem Glas Wein gemütlich auf der Couch zu sitzen und zu genießen. Gerne würde ich mich dazu bewegen und tanzen, aber naja :whistling:


    Sehr interessant finde ich manche Verzierungen im Lautenspiel, die ich bisher noch nie bei Lautenliedern oder Ensemblewerken (Dowland, Morley, Pilginkton, Morley, ... usw.) gehört habe. Vermutlich liegt das daran, dass Kapsberger schon der Barockzeit zuzuordnen ist. Sehr interessant sind ein paar Stücke, die mich sehr an das asymetrisch-komplexe orientalische Oudspiel erinnern. Für mich als Zupfinstrumenten-Spieler ist diese CD auf jeden Fall interessant.






    Hier ein paar Auszüge aus dem Booklet "J. H. KAPSBERGER, LUTE WORKS, "Il Tedesco della Tiorba",
    harmundi mundi s.a., 1117 Chestnut Street, Burbank, CA 91506-1624 1990 & © 2008:


    Selten ist ein zu Lebzeiten so angesehener Musiker von Historikern unserer Gegenwart so mißachtet worden. "Il Tedesco della Tiorba", wie "Giovanni Girolamo" Kapsberger, von seinen Zeitgenossen genannt wurde, war einer der gefeiertsten Musiker in Italien des siebzehnten Jahrhunderts. Man nannte ihn den besten Musiker der Theorbe in Rom, (Giovanni Battista Doni in einem Brief an Marin Mersenne, 1626), einen Musiker, der von allen in seiner Profession bewundert wird, die sich mit Musik befassen (Luca Bonini 1649) und einen Komponisten, der "Monteverdi nachfolgte und verschiedene Bücher im "stile recitativo" veröffentlichte, deren Komposition sich durch soviel Kunstfertigkeit und Geschmack auszeichnet, das ihre Nachahmung anderen Musikern sehr zu empfehlen ist (Athanasius Kircher 1650). Dennoch sind genau diese Werke unlängst als "unglaublich schwach", als "alberne Kleingkeiten" ... stümperhaft und unmeldodisch bezeichnet worden.


    Kapsberger war ein Komponist des Barock imi wahrsten Sinne des Wortes. Seine Zeitgenossen preisen Merkmale wie Kapsbergers Bessenheit vom Ungewöhnlichen, sein bewusstes Vermeiden von Klischees, seine Vorliebe für das Erfinden neuer Kunstgriffe.

  • Es freut mich, dass dir die Musik Giovanni Kapsbergers zusagt. Mir begegnete dieser Komponist erstmals in einer leider nicht mehr erhältlichen Aufnahme des Labels Astrée (1998). Der Lautenist und Chiataronespieler Rolf Lislevand hatte Teile des Libro Quarto D'Intavolatura di Lauto aus dem Jahr 1640 aufgenommen.


    Die Gesamtaufnahme des ersten Buches hat der junge bulgarische Lautenist Yavor Genov vor kurzem beim Label Brilliant herausgebracht.
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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



  • Wenn es mal Lautenlieder sein dürfen (allerdings nur 2 von Kapsberger dabei), dann ist dies eine Empfehlung:


    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • "Kapsbergia" nennt sich eine CD mit Auszügen des Libro Terzo d'Intavolatura di Chitarrone aus dem Jahr 1626. Die Notensammlung lag in einer Privatsammlung und war nicht zugänglich. Erst kürzlich wurde sie wieder öffentlich gemacht.
    Los Otros (Hille Perl, Lee Santana, Steve Player) spielen verschiedene Stücke daraus und interpretieren die Melodien recht frei, was der Musik nur zu Gute kommt. Es sind noch Stücke von Vincenzo Bonizzi (?-1630) und Antonio Bertali (1605-1669) enthalten.
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    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky



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  • Hallo,


    in einem Konzert des "Hochschulpodiums Studio Alte Musik" der Musikhochschule Nürnberg hörte ich heute Musik mit Barockcello, Cembalo, Gambe, Gitarre, Percussion (der Spieler war blind), Acriliuto, Barockgitarre und Chitarrone, alles Studierende der Musikhochschule, bis auf die Leiterin des Ensembles (die selbst mitspielte) und einer fertigen, ganz hervorragenden Sopranistin (mit einer Tiefe, die „altwürdig“ war) ohne Vibrato oder sonstigen, für eine natürlichen Stimme unpassenden „Nebengeräuschen“ und falscher Opern-Diva-Dynamik. Dabei waren 2 Lieder von Kapsberger dabei, in z. T. freier Improvisation.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zum Glück habe ich den Programmzettel noch: Margriet Buchberger


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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    Die eingangs vorgestellte CD findet sich auch in dieser relativ neuen Box!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo,


    nachdem es in diesem Thread um Kapsberger geht, gehe ich zuerst z. T. auf die 13 Stücke von ihm auf der CD ein – die Stücke von Castaldi und Piccini folgen im nächsten Beitrag.


    Arpeggiata: Die Imitation des Harfenklangs (dem Anschlag auf der Chitarrone geschuldet) ist die eine Besonderheit, die Harmonik, besser die Akkordfolge, die andere: Akkordfolgen ohne Bezug zum Quintenzirkel (kommt hier nicht vor), solche mit Bezug und solche mit Bezug und Leitton. Das Besondere an diesem Stück ist, dass es Akkorde mit Leitton gibt, aber dann nicht der Akkord kommt, der eigentlich dem Leitton entspr. folgen müsste; da wird die Hörerwartung nicht erfüllt, was ich sehr spannend finde.
    Canzona I: Der teilweise gebrochene Akkordanschlag – aber nicht arpeggierend – finde ich für ein Lied sehr passend.
    Bergamasca: Volle Akkordgriffe, dem Tanz entspr. – beeindruckend die tiefen Töne der frei schwingenden Saiten.
    Canario: Verstehe ich als Imitation des Vogelgesanges.
    Passacaglia: Das Ostinato ist deutlich zu hören, darüber die Variationen.
    Toccata VII (aus Book 3): Wieder gebrochene Akkordanschläge – dazu der 1. tiefe Ton auf einer frei schwingenden Saite – ein Klang, den eine Laute nie erreicht.
    Gagliarda con due partite: Volle Akkordgriffe, zum (höfischen) Tanz passend, mit wechselndem Tempo
    Toccata VII (aus Book 4) : Ein ganz anderer Charakter (liedähnlich) als die Toccata VII aus Book 3, mit Dissonanzen (!) gegen Ende zu.
    Colascione: Imitation der in Quinten gestimmten 2-saiten Langhalslaute.
    Kapsberger (Chaconne): Auch hier das Ostinato unüberhörbar.


    Spiel- und aufnahmetechnisch einwandfrei.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • "Kapsbergia" nennt sich eine CD mit Auszügen des Libro Terzo d'Intavolatura di Chitarrone aus dem Jahr 1626. Die Notensammlung lag in einer Privatsammlung und war nicht zugänglich. Erst kürzlich wurde sie wieder öffentlich gemacht.
    Los Otros (Hille Perl, Lee Santana, Steve Player) spielen verschiedene Stücke daraus und interpretieren die Melodien recht frei, was der Musik nur zu Gute kommt.


    Dieses Album von Los Otros kenne ich (leider) nicht - dafür aber "Tinto", wo auch eine Reihe von Kapsberger-Stücken enthalten ist:


    Die a..... Nummer führt zu keinem Ergebnis B000088SWO


    Die Lauten-CD "Il Tedesco della Tiorba", gespielt von Paul O'Dette, habe ich noch auf LP; sie ist, dank hm France, auch klanglich großartig. Das war meine erste Begegnung mit Kapsberger.

  • die Stücke von Castaldi und Piccini folgen im nächsten Beitrag


    Hallo,


    um eine saubere Trennung der Komponisten zu erreichen, werde ich diesen Beitrag unter dem Thread "Renaissancemusik..." posten.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Der Titel des Threads erhält eine Erweiterung.


    Der Star dieser Aufnahme ist das Instrument, eine zehnsaitige Bogengitarre nach Friedrich Schenk 1847, von Jan Tulacek 2016. Während der Renaissance des Gitarrenspiels zu Beginn des 20. Jahrhunderts bauten mehrere Gitarrenbauer die Wiener “Bogengitarren” von Friedrich Schenk nach. Die begrenzte Resonanz einer Gitarre wird durch die Erweiterung des Volumens, das schwingen kann, grösser.


    Mehr Informationen hier: https://www.tulacek.cz/Schenk/


    Das Bild zeigt ein neunsaitiges Instrument.


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    Frank Bungarten hat eine aufnahmetechnisch keine Wünsche offen lassende SACD beim Label MDG herausgebracht. Er lauscht dem Klang des Instrumentes in eher gemässigten Tempi nach. Das Biedermeier geht eine überzeugende Verbindung mit der Renaissance ein, denn die Bogengitarre kommt dem Klang einer Laute sehr nahe.


    Es ist eine CD entstanden, die ausschliesslich Werke von Giovanni Kapsberger (1580-1651) enthält.


    Libro di Intavolature di Chitarrone I (Gitarrenbuch I) (1611)


    "Um Musik zu hören, muss man seine Ohren öffnen und auf Musik warten. Zuhören ist Anstrengung; blosses Hören ist keine Leistung – auch eine Ente kann hören." Igor Strawinsky