Beethoven: Klaviersonate cis-moll Nr. 14 op.27/2 "Mondschein-Sonate" - CD-Rezensionen und Vergleiche (2013)

  • Schön, lieber Holger, dass wieder eine Dame ins Spiel kommt, die ich allerdings noch gar nicht kenne. Dafür hben zwei weitere Damen meine Sammlung bereichert, die ich schon ganz gut kenne. Nach Maria Joao Pires sind dies Elisabeth Leonskaja und Mitsuko Uchida, die ich bei den schon mehrere Male live erlebt habe. Aber beide sind zuerst mit den späten Sonaten Beethovens in Erscheinung getreten, Leonskajy mit opp. 109 bis 111 und Uchida mit opp. 101 bis 111. Es wird also noch eine Weile dauern, bis sie hier auftauchen.
    Weissenberg habe ich auch, allerdings nur mit den Klavierkonzerten (unter Karajan).


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    dann kommen demnächst durch DIch ja noch ein paar Damen dazu! :) Es sollte doch eigentlich auch eine Aufnahme mit Elly Ney geben? Und was ist mit Myra Hess? Sie war ja eine anerkannt gute Beethoven-Spielerin. :hello:


    Herzliche Grüße
    Holger

  • Allso, ich glaube, lieber Holger, dass ich statt Einzelaufnahmen der beiden anerkannten Größen der Vergangenheit anzuschaffen, ich doch lieber warte, ob unsere ebenso anerkannten Damen der Gegenwart, Pires, Leonskaja, Uchida und Ugorskaja ihr Beethovenrepertoire noch vergrößern, wovon ich mal ausgehe. Aber wenn ich mich recht entsinne, gibt e im Forum einige Taminos, die von den Damen Hess und Ney Aufnahmen haben. Ich würde mich freuen, wenn sie die in den Beethoven-threads vorstellen würden.
    Im Vordergrund steht für mich, dass ich von einem Pianisten möglichst viele Beethoven-Sonaten habe, wenn möglich, auch eine Gesamtaufnahme. Darum habe ich jetzt auch meine Lewis-Sammlung ergänzt und so nebenbei fetgestellt, dass einer meiner Lieblingspianisten, Bruno Leonardo Gelber, auch wieder zu haben ist.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 14 cis-moll op. 27 Nr. 2 "Mondschein-Sonate)
    András Schiff, Klavier
    AD: 24. April 2005
    Spielzeiten: 4:27-2:25-7:23 -- 14:15 min.;


    Ich war natürlich durch Holger Rezension irritiert und versuche dennoch, das Ganze so neutral wie möglich und mit Hilfe auch von Schiffs eigenen Aussagen im Gespräch wiederum mit Martin Meyer möglichst unter einen Hut zu bringen.
    Schiff sagt zur musikalischen Interpretation speziell des Adagios Folgendes:


    Zitat: "Für die musikalische Interpretation etwa wäre deutlich zu formulieren, dass der erste Satz sowohl "alla breve" als auch ohne Dämpfer, das heißt, mit dem rechten Pedal. zu spielen ist".


    Nun bedeutet ja alla breve, wenn ich das richtig behalten habe, dass man das Stück schneller zu spielen habe als ohne diese Vorschrift, und dann kann man Schiff keinen Vorwurf daraus machen , dass er den Satz in knapp 4 1/2 Minuten abspult (3 Minuten schneller als Korstick!!). Wenn allerdings die zweite Vorschrift die er zitiert: "sempre senza sordino" (ohne Dämpfer) bedeutet, dass man die Begleitbässe fast nur noch dumpf wummernd vernimmt, geht das zumindest stark gegen meine Hörgewohnheiten. Ich hielt bisher klangliche Transparenz immer für ein Plus bei einer Interpretation.
    Allerdings kann eine weitere Vorschrift, die Schiff nennt und die gleich am Anfang steht:
    "sempre pp", nur Hand und Fuß (im wahrsten Sinne des Wortes) haben, wenn man dann auch tatsächlich immer Pianissimo spielt. Wenn man schon durchgehend eher Piano spielt, fallen die kleinen dynamischen Hebungen und Senkungen, die mehr Struktur in den musikalischen Ablauf bringen, auch stärker ins Gewicht. Diese Kontraste, in den Takten 16 und 18 noch deutlich wahrnehmbar, in den Takten 28 bis 32 auch noch tolerabel, nehmen im weiteren Verlauf deutlich ab. Die großen Crescendi und Decrescendi spielt er dann doch wesentlich deutlicher. Alles in allem habe ich diesen Satz schon deutlich kontrastreicher gehört, und besser strukturiert mit einem transparenteren Klang allemal.


    Das Allegretto ist naturgemäß ganz anders. Ich sehe da das Tempo nicht als zu langsam an. Er ist da nahe bei Backhaus, auch bei dem späten, auch bei Arrau und Gilels. Aber im Allegretto-Teil greift er, ähnlich wie im Adagio beherzt zu, ich würde sagen: "mezzopiano" und in den Steigerungen ist schnell mal ein Forte erreicht. Die Staccati reißt er nur ganz kurz an, als wenn es Achtel wären.
    Im ersten Trio Teil hält er das Fortepiano (fp) in Takt 37 und 41 zu lange an. Das ist m. E. kein fp sondern eine f-Halbe. Wenn das Trio (im Dreier-Takt) ein Tanz sein soll, hat man es schwer. Auch im zweiten Trio-Teil hält er zweimal das fp zu lange an und macht daraus eine f-Halbe.


    Im Presto agitato geht er mächtig zur Sache. Die Sforzandi "explodieren" regelrecht in einem satten Fortissimo. Ich bin allerdings schon der Meinung, dass er die Takte 9 bis 11 im Forte spielt, aber der Schritt ist bei seinem dynamischen Grundpegel in diesem Stück nicht groß. Im Crescendo in Takt 7 überschreitet er m. E. schon auf dem Weg zum Sforzando die Forteschwelle. Er fährt dann zwar in Takt 15 erstaunlich weit in den p-Keller zurück, ist aber spätestens nach dem schon heftigen Legatobogen und dem langen Crescendo wieder auf vollem Fortissimo-Kurs, so dass er nach dem fff-Schlag in Takt 33 gar nicht mehr auf p zurückgehen kann, das ist mp-mf. Das ist alles pianistisch einwandfrei musiziert, aber nicht dynamisch. Schiff selber sagt zum Finale u. a.:


    Zitat: "Zur Erfassung des Charakters gehört Genauigkeit im pianistischen Handwerk".


    Genau so ist es. Nicht umsonst stehen Piani da. Ich habe kein einziges mp oder mf notiert gesehen.
    Aber vielleicht wollte Schiff mit seinem großzügigen Verschieben der Dynamikschwelle nach oben auch nur erreichen, jeden (verdächtigen?) Anschein von Romantisierung in diesem Stück tunlichst zu vermeiden.
    Wie sagt er doch so schön zum ersten Satz, was aber im Grunde für seine ganze Interpretation gilt:


    Zitat: Und schließlich könnte es - gegen falsche Poetisierungen - sogar nützlich sein, mehr an ein Präludium von Bach als an eine Naturphantasie von Liszt zu denken".

    Mit diesem Zitat will ich meine heutigen Besprechung abschließen, nicht ohne eine (nicht ganz ernst gemeinte) Erweiterung der Satzbezeichnung in dieser Interpretation vorzuschlagen: "Presto agitato e molto brachiale". Schiff selbst nennt es"Furioso".


    (Wenn ich da noch an seine Wahnsinns-Waldstein-Sonate denke oder an seinen berückenden Schubert-Abend vor einiger Zeit (in Mülheim?). Wie gut, dass er da nicht an Bach gedacht hat!


    Liebe Grüße


    Willi :(


    P.S. : Hätte er nicht vielleicht doch besser einen "Steinway" genommen statt eines "Bösendorfers"?

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  • Schiff sagt zur musikalischen Interpretation speziell des Adagios Folgendes:


    Zitat: "Für die musikalische Interpretation etwa wäre deutlich zu formulieren, dass der erste Satz sowohl "alla breve" als auch ohne Dämpfer, das heißt, mit dem rechten Pedal. zu spielen ist".


    Nun bedeutet ja alla breve, wenn ich das richtig behalten habe, dass man das Stück schneller zu spielen habe als ohne diese Vorschrift, und dann kann man Schiff keinen Vorwurf daraus machen , dass er den Satz in knapp 4 1/2 Minuten abspult (3 Minuten schneller als Korstick!!).

    Was der Gute Andras Schiff dann aber hätte erklären müssen, lieber Willi, ist folgendes: Wie verträgt sich dieses alle breve mit der Satzbezeichnung Adagio sostenuto? Es kann ja wohl nicht sein, dass Beethoven letztlich so blöd oder dreist gewesen ist, erst Adagio sostenuto zu schreiben und dann mit dem alle brave faktisch ein Andante assai herauskommen zu lassen. Das als Rechtfertigung für dieses Tempo anzuführen, finde ich deshalb reichlich dubios. Und anders als Gould macht er einfach nichts aus diesem Tempo. Der Beleg, dass dies angeblich die "richtige" Lesart ist, ist ihm damit einfach nicht gelungen. :hello:


    Herzliche Grüße
    Holger

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  • Wenn ich aus der Praxis käme, lieber Holger, wäre mi dieser Widerspruch sicherlich auch sofort aufgefallen, so konnte ich mich nur auf mein Gefühl verlassen, das mir sagte, dass da irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist. Es ist ja auch seltsam, dass durch die Bank alle anderen Pianisten das anders spielen, auch der, den ich als Nächsten in diesem Thread vorstellen möchte: Bruno Leonardo Gelber, der mich schon im Schwestern-Thread (op. 27 Nr. 1) begeistert hat. Mittlerweile habe ich dreizehn Sonaten von ihm, mit den anderen wird es schwierig.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Sonate Nr. 14 cis-moll op. 27 Nr. 2 "Mondschein-Sonate"
    Bruno Leonardo Gelber, Klavier
    AD: 26.-27. Oktober 1987
    Spielzeiten: 6:40-1:54-7:20 -- 15:54 min.;


    Bruno Leonardo Gelber geht die Mondschein-Sonate im Gegensatz zu András Schiff auch ganz konservativ an: hauchzart, reinstes Pianissimo und "echtes" Adagio sostenuto". Also mir Laien gefällt das besser. Auch die kurzen dynamischen Hebungen und Senkungen sind wunderbar in diese reduzierte dynamische Kuppel eingebunden. Das ist m. E. die richtige Dynamik für diese Musik. Man könnte auf die Idee kommen zu sagen, da hat der Gute vielleicht etwas zu wenig crescendiert, aber das ist mir lieber als zu viel. Vor allem Der Bogen von Takt 32 bis 37 ist doch herrlich zart und von innen heraus leuchtend gespielt.


    Im Allegretto steigen Tempo und Dynamik naturgemäß an, auch bei dem ausgewiesenen Lyriker Gelber. Das ist schon ein großer Kontrast, und so geht er im ersten Crescendo sicherlich bis zum mf, im zweiten bi zum f. Und im ersten Trio-Teil greift er im Sforzando auch, wie Schiff, beherzt zu, auch im direkt darauf folgenden fp. Aber anders als Schiff spielt er es wirklich als Fortepiano, hält es nicht als Forte an!!
    Und, anders als Schiff geht er im zweiten Teil wieder wunderbar in die pp-Abgründe hinunter und passt die beiden fp in Takt 49 und 53 selbstverständlich diesem Niveau an. Das ist viel organischer.
    Das ist einfach viel besser!


    Aus dieser dynamischen Anhebung: 1. Satz- 2. Satz- 3. Satz wird auch klar, dass es sich bei den Sforzandi hier bei Gelber um keine Explosionen handelt, sondern um Forti- nicht mehr, aber auch nicht weniger- aber dennoch mit einer großen dynamischen Spannweite, da das p zu Beginn im Vergleich zu Schiff eher einem pp gleichkommt. Und nach wie vor besticht Gelbers Spiel durch große Transparenz. Da hört man bei jedem Ton, wo er sitzt. Dabei ist das Tempo durchaus nicht niedrig, ist das Ganze durchaus virtuos gespielt, aber es ist eben nicht das von Schiff so bezeichnete "Furioso" und von mir "dramatisch überhöhte" "e molto brachiale", sonder ein nicht ganz so dramatisches "agitato", und dennoch ist der Kontrast zum Seitenthema Ab Takt 21 sofort spürbar.
    Selbst die Fortissimi in Takt 33 und 37 passen wunderbar in dieses dynamische Gesamtkonzept. Alles ist etwas leichter, nicht so apokalyptisch erdenschwer, dabei erreicht er in den Steigerungen (Takt 49 und 51) durchaus veritables Forte-Niveau, aber er spielt auch immer wieder herrlich schwebende Decrescendi wie in Takt 56 bis 58 und auch zu Beginn der Durchführung in Takt 72 ff sind die kurzen Hebungen und Senkungen vernehmbar, mehr nicht. Sein Decrescendo nach dem moderaten Crescendo in Takt 98 ist dann in Takt 99-101 eine Zelebration reinsten Wassers. DAs ist schon hohe Kunst.
    Die Reprise ist im Tempo unverändert gegenüber der Exposition und wird in Takt 115 nicht durch ein donnerndes Sforzando vom lyrischen Seitenthema getrennt, sondern durch ein moderates Sforzando mit diesem verbunden, und seine Zweiunddreißigstel in Takt 163 bis 166 sind einfach wunderbar, desgleichen die Legatobögen ab Takt 177, die in dem große Bogen in Takt 187 enden- zwei herrliche Adagio-Akkorde, dann zu Beginn von Tempo I ein Accelerando und ein rauschender Schlussbogen!!


    So stelle ich mir die Mondschein-Sonate vor.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:


    Auch hier lässt sich das Cover nicht posten.

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  • Beethoven, Sonate Nr. 14 cis-moll op. 27 Nr. 2 "Mondschein"
    Maria Joao Pires, Klavier
    AD: Mai 2001
    Spielzeiten: 6:50-2:08-7:36 -- 16:34 min.;


    Ich glaube, Maria Joao Pires hat nun ganz und gar in die Tiefe dieser Sonate geschaut, und das, was mir in der 24 Jahre älteren Sonate nicht so sehr gefiel, eliminiert. Die Mondscheinsonate muss nun einmal im Kopfsatz langsam gespielt werden, damit sich der musikalische Kern vollends entfaltet, und das hat sie nun voll und ganz geschafft. Hier passt alles, Tempo, Dynamik und der alles überragende Ausdruck. Sie hat den Schritt von einer sehr guten Darbietung (1977) zu einer überragenden (2001) vollzogen.
    Temporal ist sie nun in den Ecksätzen ganz dicht bei Claudio Arrau (1962), der zum Zeitpunkt der Aufnahme 59 Jahre alt war. Maria Joao war zum Zeitpunkt dieser Aufnahme nur zwei Jahre jünger. Im Juli dieses Jahres feiert sie übrigens einen runden Geburtstag.


    Das Allegretto spielt sie auch etwas langsamer als den Kopfsatz, jedoch nicht ganz so langsam wie Arrau. Aber man kann schon sagen, dass dieses Tempo eher zu einem Allegretto passt als das der älteren Aufnahme. Auch hier stuft sie dynamisch fein ab, das zweit Crescendo stärker hervorhebend als das erste, und den Dreier-Rhythmus schön darstellend.
    Der erst Teil des Trios ist brillant gespielt und lässt in der Begleitung die variablen Intervallen in den Dreiviertel-Akkorden glasklar hervortreten. Im zweiten Teil, der schön dynamisch kontrastiert, wird diese transparente Spiel fortgesetzt, hier von schöner Zartheit.


    Das Presto agitato hat den nötigen Schwung und in den begleitenden Sechzehnteln die nötige agitatorische Bewegung und Dynamik, letztere natürlich wieder angestiegen, wie ebenso wie im Tempo in dieser Sonate von Satz zu Satz ein Anstieg festzustellen ist. Sie spielt die Sforzandi am Ende jeder Sechzehntel-Sequenz kurz und kräftig, aber nicht scharf angerissen und explodierend, sondern sie hat einen dynamischen Bogen über die ganze Sonate gespannt, den auch diese Sforzandi nicht durchbrechen. Die dynamische Spannweite beginnt jetzt weiter unten. Beispiele für dieses Phänomen gibt es bei ihren Kollegen zu Hauf. Auch unter dem nun rascheren Spiel leidet die Transparenz keineswegs, man kann sehr schön die Strukturen der Begleitung weiterverfolgen, wozu sie mit ihren virtuosen Mitteln jederzeit in der Lage ist. Herrlich ihre Sechzehntelläufe zwischen Takt 33 und 40, um nur ein Beispiel zu nennen. Im Finale haben ja nicht nur Tempo und Dynamik zugenommen, sondern auch die Anzahl der dynamischen Auf- und Abschwünge, die sie alle beachtet und in ihrer Ausdehnung weiterhin unter das dynamische Gesamtkonzept stellt. Auch wenn die Begleitung in den Sechzehnteln der rechten Hand anvertraut ist, ist sie mit ihrer linken Hand mühelos in der Lage, die Melodielinie klar herauszustellen. Die Virtuosität, die in dieser musikalischen Struktur des Finales, das mit der Neuartigkeit des Klanges und der Tonfolgen weit in die Romantik vorausweist, kann Maria Joao hier jederzeit bereitstellen.
    Auch ihre glissandierenden Zweiunddreißigstel-Anstiege in Takt 163 bis 166 sind vom Feinsten, ebenso wie ihre Bögen in Takt bis 187, als Übergang zur Schlussbewegung nach den zwei Adagio-Takten, wo dann in Takt 199 und 200 doch noch zwei Fortissimo-Akkorde auftauchen.


    Eine große Interpretation einer großen Sonate.


    Viele Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    im Juni kommen ihre gesammelten Aufnahmen bei der DGG heraus zum 70. Geburtstag. Den Hörschnipsel vom ersten Satz fand ich wirklich beglückend: wunderbar sensibel-poetisch und geradezu verschwenderisch klangsinnig gespielt!



    Herzliche Grüße
    Holger

  • So ist m. E. die ganze Aufnahme, lieber Holger.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 14 cis-moll op. 27. Nr. 2 ";Mondschein"
    Paul Lewis, Klavier
    D: 2007
    Spielzeiten: 5:10-2:19-7:34 -- 15:03 min.;


    Als ich diese Aufnahme zur Hand nahm, war ich sicher, wieder eine schöne Interpretation zu hören, weil mich Paul Lewis bis jetzt noch nicht enttäuscht hat. Und in der Tat, auch hier beginnt er mit einem satten Pianissimo und spielt es auch wirklich "sempre" bis Takt 16, aber die kurzen Hebungen und Senkungen dort und in Takt 18 verbleiben in einem moderaten dynamischen Bogen. Er produziert einen warmen, sanften Klang. gewiss, die Hebungen und Senkungen in Takt 28 bis 32 könnten prägnanter sein, aber der folgende Legatobogen ist großartig, und aus einem pp noch zu decrescendieren, gelingt auch nicht jedem. Dafür sind die gleichen stellen in der Wiederholung (Takt 52 und 54 sowie das vorhergehende Crescendo (Takt 48) um so schöner, nicht zu weit aus dem dynamischen Grundstock hervor lugend.
    Auch im weiteren Abschnitt bis zum Ende des Satzes spielt er auf diesem sehr hohen Niveau in diesem höchst nocturnen Klanggewand mit vernehmbaren, aber moderaten dynamischen Abständen und wunderbaren Legatobögen, sehr ausdrucksvoll.


    DAs Allegretto schließt in den ersten beiden Abschnitten in seiner kristallinen zarten Form an das Adagio an und bleibt auch in den beiden Crescendi unter der einmal gewählten moderateren Dynamikkuppel. Im ersten Teil des Trios erhebt er natürlich mehr seine Stimme, bleibt aber moderat. Die Sforzandi sind prägnant gesetzt. Auch im zweiten Teil ist das der Fall, prägnante Fortepiani, aber im ganzen p bis pp.


    Im Presto agitato explodiert Lewis förmlich. hier lässt er alle Fesseln fallen, schiebt die dynamischen Grenzen weit nach oben, spielt ein veritables Fortissimo und spielt die Sforzando-Doppeloktaven mit großer Verve. Dabei bleibt das Klangbild immer transparent, die in den Händen wechselnden Melodie- und Begleitverläufe immer gut erkennbar, seine Legatobögen und auch seine Staccati vortrefflich. Auch im Durchführungsteil bleiben die musikalischen Strukturen immer klar erkennbar, bleibt das hohe dynamische Niveau erhalten. Auch die zahlreichen Hebungen und Senkungen beachtet er. Die wiederum gegenüber der Exposition variierte Reprise spielt er ebenfalls dynamisch sehr hochstehend und von der Virtuosität her m. E. eh' alles ohne Schwierigkeiten.
    Die glissandierenden Zweiunddreißigstel kommen sehr prägnant rüber mit einer langen Fermate, mit mächtigen Forteschlägen sind auch die Legatobögen in Takt 177 bi 185 strukturiert, abgeschlossen von einem prächtigen Legatobogen, abgeschlossen nach den beiden Adagiotakten von einem schön crescendierten Schlussanstieg.
    Meine anfängliche Erwartung ist nicht im Geringsten enttäuscht worden. Dies ist wieder eine großartige Aufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 14 cis-,moll op. 27 Nr. 2 "Mondschein"
    Wilhelm Backhaus, Klavier
    AD: 10. August 1968
    Spielzeiten: 5:10-2:24-7:28 -- 15:02 min.;


    Wilhelm Backhaus spielt auch dies Aufnahme aus Salzburg sempre pp und beachtet auch die dynamischen Vorschriften bis dahin. Aber, was sofort auffällt, stärker noch als in der 10 Jahre älteren Aufnahme, ist, dass er in den ersten 22 Takten immer mal wieder taktweise die begleitenden Achtel signifikant schneller spielt, obwohl sein Spiel ohnehin schon schneller ist als das seiner Kollegen, sogar noch eine halbe Minute schneller als sein eigenes von 1958. Die dann hier schneller gespielten Takte sind ganz gewiss zu schnell für ein Adagio sostenuto.
    Z. B. fällt das wieder ganz deutlich auf nach dem decrescendo-Takt 27 (normales Tempo) im Takt 28 und folgende (schnelles Tempo). Auch im an sich sehr schön gespielten Legato-Abschnitt von Takt 31 bis 37 ist das wieder sehr auffällig, zumal er in den Takten 40/41 wieder stark retardiert. Ich glaube nicht, dass er das mit Absicht macht, zumal nichts davon in den Noten steht. Wieder stark accelerierend spielt er dann in Takt 53 und folgende, in Takt 55/56 schon wieder deutlich langsamer.
    Ein letztes Mal, und nicht das einzige Mal an solcher Stelle, fällt es auf in Takt 62/63 und 64/65 (Hebung/Senkung), wo er zur Mitte des in Lautstärke und Tonhöhe ansteigenden Bogens acceleriert und im Decrescendo ab Takt 66 wieder retardiert!???


    Im Allegretto ist diese Unart nicht zu verspüren. Da spielt er schön geradeaus, sehr schöne Staccati, aber dafür vermisse ich in Takt 21/22 das Crescendo und das Sforzando. Das bleibt alles in einer Lautstärke, und an der nächsten Stelle in Takt 32/33 ist ebenfalls kein Crescendo zu vernehmen, lediglich ein Akzent auf dem Sforzando in Takt 33 auf der Drei. Im Trio ist dann das Sforzando-Spiel besser, im zweiten Teil des Trios kommt das erste fp deutlich, das zweite kaum noch. Auch im da capo des Allegretto ändert sich nur insofern etwas, als er in Takt 12 auf der Drei ein Sforzando spielt, obwohl dort keines notiert ist.


    Im Presto agitato kommen die Sforzandi ordentlich, und das Crescendo ab Takt 25 ist schön ansteigend, die beiden folgenden in den Sechzehnteln der rechten Hand in Takt 34 und ab 30 sind dagegen kaum zu vernehmen. Auch die Crescendi in Takt 49 und 51 sind keine, diese Stellen spielt er ab dem ersten Ton im Forte, auch ein Crescendo im Takt 55 liegt nicht vor. Ebenso sind wie schon in der Exposition an den entsprechenden Stellen in der Wiederholung in Takt 72, 73 und 74 jeweils auf dem 3/16-cis'' keine Akzente zu vernehmen. Leider bleiben auch das Crescendo von Takt 91bis 93 auf den Achtel-Staccati, m. E. eine Schlüsselstelle und die folgenden Hebungen und Senkungen in Takt 94 und 97 wie das folgende Crescendo in Takt 98 bleiben aus. Daran ändert sich auch nicht mehr viel, höchstens, dass auch das lange Crescendo, hier ab Takt 120, in der Wiederholung blasser bleibt, ebenso wie die beiden Crescendi in den Sechzehnteln, hier in Takt 130 und ab Takt 133 nicht stattfinden. . Allerdings spielt er die Passage ab Takt 143 bis 146, wo in der Exposition noch ein Crescendo und hier ein reines Piano notiert ist, korrekt, lässt aber das Crescendo in Takt 149 wieder weg, ebenso dasjenige in Takt 157/158. Die glissandierten Zweiunddreißigstel sind wieder in Ordnung, die Legato-Passage ab Takt 177 auch, ebenso der Schluss.
    Diese Einspielung ist in keinem Fall mit der von 1958 zu vergleichen, die doch noch auf einem ganz anderen Niveau stattfand.
    Diese Darbietung Backhaus' ist mir ein völliges Rätsel, zumal er im gleichen Konzert eine Sonate "Les Adieux" gespielt hat, die auf einem turmhohen Niveau stand.


    Liebe Grüße


    Willi :(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Diese Einspielung ist in keinem Fall mit der von 1958 zu vergleichen, die doch noch auf einem ganz anderen Niveau stattfand.

    Sehr zum Nachdenken anregend, lieber Willi! Solche Vergleiche "Pianist contra er selbst" kommen dann doch zu ganz anderen Ergebnissen! In diesen Fall kann ich ihn leider nicht machen! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 14 cis-moll op. 27 Nr. 2 "Mondschein"
    Tatjana Nikolajewa, Klavier
    AD: 1983
    Spielzeiten: 5:57-2:22-7:44 -- 16:03 min.;


    Tatjana Nikolajewa beginnt die Mondscheinsonate etwas schneller als Emil Gilels im sempre pp, aber nicht leiser, die Ganzen- und Halben-Akkorde in der Begleitung hörbar setzend. und auch die kurzen Hebungen und Senkungen in den Takten 16 und 18 sowie 28 bis 31 deutlich, aber nicht übertrieben setzend, den ruhigen steten Fluss der Musik nicht aufhaltend, sondern nur zusätzlich strukturierend.
    Auf die herrlich gespielten Legatobögen Takt 31 bis 37 legt sie ein leichtes Crescendo, das sehr organisch wirkt. Auch im Pianissimo entfaltet sie eine klare Struktur der Musik mit einem wunderbar warmen Klang in den Bässen. In der Wiederholung des Hauptthemas ab Takt 42 wird ihr Spiel geradezu atemberaubend. Beethoven hat zwar nicht den Beinamen "Mondschein-Sonate" gesetzt, aber als eine Art Fantasie regt diese herrliche Sonate, speziell in diesem Adagio sostenuto, auch die Fantasie des Hörers stark an, diese als sehr nocturne Musik zu empfinden, speziell in dieser wunderbaren Einspielung von Tatjana Nikolajewa.


    Selten habe ich wie jetzt beim Anhören des Allegrettos empfunden, dass dies das genau richtige Tempo ist. Die Musik wiegt wunderbar im Dreivierteltakt, und die beiden Crescendi sind sehr schön herausgearbeitet, wobei sie vom einen zum andren noch eine dynamische Steigerung vornimmt. Das macht Sinn.
    Im ersten Teil des Trios setzt sie die Sforzandi sehr deutlich und stellt auch die begleitenden wechselnden Intervalle sehr deutlich dar. Auch der pp-Teil des Trios ist sehr deutlich strukturiert mit vernehmbaren Sforzandi und auch nach unten genügend großem dynamischen Spielraum.


    Auch das Presto agitato ist von großer Klarheit geprägt, genügend dynamischer Ausdehnung und markanten Sforzandi. Ihre Staccati kommen klar und deutlich, und ab Takt 19 vernehmen wir auch ein vortreffliches Legatospiel. b Takt 21 kommen die Sechzehntelfiguren sehr schön ins Laufen, jeweils nach einem rustikalen ff-Akkord. Sehr präzise sind auch ab Takt 43 die terrassenförmigen Achtelintervalle, teilweise als Staccati., und im Gegensatz zu Backhaus (1968) spielt sie auch die Crescendi in Takt 49 und 51 vorbildlich, ebenso das Crescendo ab Takt 55 bis 56 und das abschließende Crescendo in Takt 63 und 64 vor der Wiederholung der Exposition.
    Nach der Wiederholung variiert sie sehr schön die Melodie in der Bassoktave, wobei die Begleitung in der rechten Hand in dieser Sequenz etwas moderater gestaltet wird und gegen Ende dieses Teils bis zum pp decrescendiert wird.
    Im reprisenförmigen Teil wird das vorherige Tempo wieder aufgenommen und am Ende dieser Sequenz in Takt 115 die Fermate zurückgenommen- ein überraschender, aber mir nicht unsympathischer Effekt.
    Wieder leicht variiert, nimmt der musikalische Verlauf nach verhaltenem Beginn in Takt 116 mit dem Crescendo in Takt 120 wieder Fahrt auf. und reicht in den bekannten Figuren bis zu den glissandierenden Zweiunddreißigsteln ab Takt 163, die sie in aller Ruhe spielt, keineswegs gewollt virtuos.
    Auch die Legatobögen ab Takt 175 bis hin zu Takt 187 spielt sie ganz unaufgeregt und setzt nach einem im gleichen Spannungsbogen befindlichen Tempo I einen würdigen Abschluss.


    Ein tolles Live-Konzert!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 14 cis-moll op. 27 Nr. 2, "Mondschein"
    Robert Casadesus, Klavier
    AD: 1953/58
    Spielzeiten: 5:13-2:10-


    Robert Casedesus spielt auch das Adagio sostenuto der Mondscheinsonate, zwar etwas schneller als Gilels oder Kempff, aber beeindruckend dynamisch korrekt und, ich muss es noch einmal betonen, sehr transparent. Was wäre gewesen, wenn die CBS das damals schon in Stereo aufgenommen hätte. Wie dem auch sei, auch dies ist bis dahin wieder eine Aufnahme auf hohem Niveau, das Crescendo ab Takt 25 so schön, die kurzen Hebungen und Senkungen (Takt 28 bis 31) so organisch, die Reihe der Legatobögen von Takt 31 bis 37, praktisch ein einzelner Legatobogen von berückend intimer Schönheit durchgehend im Pianissimo, und dieses Legatospiel im fast durchgehenden Pianissimo mit den moderaten Hebungen und Senkungen hört man nicht oft in dieser unerschütterlichen Konstanz. Das lässt mich hier schon zu der Frage kommen, warum um alles in der Welt er nicht mehr Beethoven aufgenommen hat.


    Das Allegretto ist ganz entzückend gespielt. Das wiegt und wogt im Dreivierteltakt, dass es eine Freude ist. Auch hier sind die dynamischen Veränderungen moderat, in den ersten beiden Allegroteilen auf der Basis eines soliden Piano mit einem sanften und einem etwas kräftigeren Crescendo, aber immer die melodische Fortführung unterstützend.
    Im ersten Teil des Trios spielt er die Sforzandi etwas stärker, aber den Rhythmus nicht verändernd, und im zweiten Teil nimmt er natürlich auf pp zurück, aber die fp nicht vergessend. in der Wiederholung des Allegrettos hebt er das Crescendo kurz vor dem Satzende noch einmal etwas kräftiger an.


    Das Presto agitato ist sicher ein würdiger Höhepunkt dieser Aufnahme, so schnell fließend, so klar strukturiert auch in den wechselnden Intervallen der Begleitung schnurrt es dahin, die Sforzandi sehr schön integriert in den musikalischen Ablauf, in dem der erste Teil in den Takten 19 und 20 von einem sehr schönen Legatobogen abgeschlossen wird. Das Seitenthema ab Takt 21 verheißt nur kurz Ruhe, bevor er es in den Staccati wirkungsvoll variiert, sehr schön in dieser Sequenz auch die wiederumwechselnden Intervalle in der Begleitung in den Sechzehnteln, die dann nach dem ff-Akkord von wunderbar gespielten Sechzehntelfiguren in der rechten Hand und dagegen hämmernden Viertel-Akkorden in der Begleitung abgelöst werden. Auch die nächste Passage mit den terrassenförmig ansteigenden, teilweise staccatierenden Achteln ist sehr beeindruckend gespielt, ebenso wie die nun folgenden wieder wechselnden Intervalle in den Sechzehnteln der Begleitung.
    Leider wiederholt Casadesus auch hier die Exposition nicht, so dass mit Wiederholung dieser Satz auch wohl über 7 Minuten lang gewesen wäre (ca. 7:10).
    Der sogenannte Durchführungsteil führt ab Takt 71 erst in etwas ruhigeres Fahrwasser mit einem schönen Legatobogen ab Takt 87, der noch einem letzten großen Crescendo, das aber auch nicht zu hoch gesteigert wird, über schöne Halbe-Oktaven in der Begleitung die Bewegung verlangsamt und dynamisch abwärts führt, bis nach den beiden pp-Takten der Reprisenabschnitt beginnt.
    Dieser ist natürlich auch dynamisch hochstehend, wenn auch variiert gegenüber der Exposition. So sind z. B. die Takte 143 und 145 nicht crescendiert wie in der Exposition. Ab Takt 150 spielt Casadesus ein schönes Decrescendo, bevor noch einmal Fahrt aufgenommen wird zum Hauptthema, das er gewichtig in die glissandierenden Zweiunddreißigstel hinübergleiten lässt., und nach dem letzen Ertönen des Seitenthemas lässt er eindrucksvoll die Legatobogenkette ab Takt 177 folgen, die er ganz entspannt in die beiden Adagiotakte 188 und 189 führt, bevor er mit dem Tempo I den Satz beendet.
    Wiederum eine großartige Aufnahme, leider auch ohne Wiederholung der Exposition im Finale.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Auf eine völlig unpathetische Pathétique (siehe meine Besprechung im entsprechenden Thread) folgt bei Yundi-Lee eine Mondscheinsonate, wo das blasse Mondlicht zum Symbol erbleichenden Lebens wird. Was den Hörer hier leider erwartet, ist Sonnenferne in Gestalt von müdem Abglanz wahren emotionalen Feuers – quälende Ausdrucksarmut. Dieses Klavierspiel bietet wahrlich keinerlei Anreiz für irgend eine Mondsüchtigkeit, welche das Gemüt trunken machte, in romantische Träumen versinken ließe. Nein, Yundi bringt es ganz prosaisch zum Einschlafen! Mit wenig schönem Ton gespielt und spröder Klanglichkeit öffnet sich bei diesen eintönigen Triolen langsam aber unerbittlich der Schlund gähnender Langeweile. Diese Stimmung verursacht nicht zuletzt die nächtliche Abwesenheit von Schatten werfendem, scharfem Licht, welches die Dinge beschiene und sie irgendwie greifbar machte: Eine musikalische Phrasierung die wirklich „formt“ und einen Ausdruckswert hätte kann man das, was Yundi da so gerade eben andeutet, kaum nennen. Das auf dieses matte Dämmerlicht folgende Allegretto ist geradezu ein Musterbeispiel musikalischer Unbedarftheit: Das rasante Tempo stimmt nicht, der übertrieben frische, burschikose Ton auch nicht – das hat keinerlei Anmut und irgendwie „ästhetische“ Qualität, wirkt reichlich naiv heruntergespielt. Das Trio zeugt von Einfallslosigkeit – wo bleibt da die interpretatorische Phantasie? Das Presto agitato überfällt den Hörer mit viel zu hoher Lautstärke. Wo sind die Steigerungen von p zu f? Wie schon in der Pathétique zu beobachten ebnet Yundi jegliche dynamischen Kontraste auf ein gehobenes Lautstärkemaß ein. Bemerkenswert, dass dort, wo das aufwärtsstürmende Rondo-Thema wirklich mit einem dynamischen Paukenschlag, einem fp einsetzen darf (Takt 102), dies von Yundi doch glatt überspielt wird! Ansonsten bietet dieses Klavierspiel keinerlei Konturen, weder eine formale, noch eine wirklich expressive Profilierung der Themen. Als Fingerübung betrachtet stellt diese musikalische Eintönigkeit allerdings ein Beispiel hoher und höchster technischer Fertigkeit dar. Mehr ist dazu einfach nicht zu sagen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Vielleicht sollte ich mir diese CD doch zulegen, lieber Holger. Wenn ich dann wieder mal des Nachts nicht einschlafen kann, sollte ich sie in meinen Discman einlegen und anhören, um dann bald von meinem Einchlafproblem erlöst zu werden.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Vielleicht sollte ich mir diese CD doch zulegen, lieber Holger. Wenn ich dann wieder mal des Nachts nicht einschlafen kann, sollte ich sie in meinen Discman einlegen und anhören, um dann bald von meinem Einchlafproblem erlöst zu werden.


    Das wäre jedenfalls einen Versuch wert, lieber Willi! :) (Wir sollten aber nicht zu heftig über den armen Yundi lästern :untertauch: )


    P.S. Casadesus macht mich wirklich neugierig nach Deiner Besprechung!


    Herzliche Grüße
    Holger

  • Ich bewundere Holger Kalethas differenzierende Interpretationsvergleiche. Das meine ich ernst und beziehe es nur sehr bedingt auf die sprachschöpferische Kraft der Besprechungen per se. Für unsere Tageszeitung schreibe ich bezüglich einer regelmäßigen Konzertserie seit fünfzehn Jahren die Rezensionen. Als Germanist glaube ich mit Sprache umgehen zu können. Es ist nicht schwer, eine Aufführung in fünf, zehn Sätzen zu charakterisieren; es ist eher noch leichter, dies dezent lobend zu tun - Ähnliches behauptet auch Reich-Ranicki. Die negative Kritik dezent zu verpacken, mag schwerer sein; ich glaube, es allmählich erlernt zu haben. Im schlimmsten Falle dient das Mittel der Ironie; im allernegativsten der Verzicht darauf zugunsten der Ratio :P .


    Nein; um die sprachschöpferische Kraft geht es mir in der Tat nicht. Es geht mir um die subtile Erfassung des Details. Ihr in den Charakterisierungen von Kaletha oder William B.A. (nebst anderen) zu folgen, soll ein kleines Projekt (so muss man das neuerdings wohl nennen) werden in den Sommerferien. Vielleicht mische ich dann hier auch noch mit, habe dies auch schon angekündigt; ich weiß es aber noch nicht. Selbst besitze ich mittlerweile fünf Gesamtaufnahmen der Beethoven-Sonaten.


    Konkret zur Mondschein-Sonate:


    Bezüglich der Extravaganzen einer HJ Lim den Daumen zu senken, halte ich für keine Kunst. Es springt an. Bezüglich Yundi Li habe ich mir die - relativ langen - Hörproben zu Gemüte geführt. Ja, ich kann Holger Kalethas Verriss nachvollziehen und ich kann ihn explizit bezüglich seines Tenors nachvollziehen. Und doch bleibt es schwierig. Meine Fragen bitte ich nicht als kritisch zu verstehen. Das kann ich mir nicht anmaßen, solange ich nicht mehr kenne als Hörproben.


    Warum wird Yundi Li auch gelobt, etwa vom hifi Forum - vielleicht vorwiegend gelobt? Wie ist es möglich, dass eine Amazon-Kurzbesprechung die Einspielung wegen ihrer gewollten Originalität abwertet? Was unterscheidet beispielsweise Gulda 1968 so grundlegend von Li? Was erwarte ich von den mindestens drei Charakteren, welche die Mondscheinsonate emotional, thematisch, strukturell umreißen? Welche Möglichkeiten der Realisierung erlauben diese Charaktere und ihr Verhältnis zueinander? Was ist (nicht) gewollt und (nicht) gekonnt?


    Natürlich habe ich eine Meinung zu diesen Fragen. Ich möchte sie (noch) nicht äußern - ganz im Sinne von Alfred Schmidts Lieblingsspiel :P .


    Es mag sein, dass hier auch grundlegende Probleme von Musikkritik sichtbar werden könnten und dies den Rahmen des vorliegenden Threads sprengt. Doch sei's erst einmal drum.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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  • Warum wird Yundi Li auch gelobt, etwa von hifi Forum? Wie ist es möglich, dass eine Amazon-Kurzbesprechung die Einspielung wegen ihrer gewollten Originalität abwertet? Was unterscheidet beispielsweise Gulda 1968 so grundlegend von Li? Was erwarte ich von den mindestens drei Charakteren, welche die Mondscheinsonate emotional, thematisch, strukturell umreißen? Welche Möglichkeiten der Realisierung erlauben diese Charaktere und ihr Verhältnis zueinander? Was ist (nicht) gewollt und (nicht) gekonnt?


    Das sind natürlich interessante Fragen, lieber Wolfgang! Bezüglich Gulda werde ich noch antworten. :hello:


    Herzliche Grüße
    Holger

  • Gulda ist auch meine nächste Besprechung gewidmet, allerdins im Thread "Les Adieux".


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Nach dem doch etwas ernüchternden Mondschein-Sonaten-Erlebnis mit Yundi Lee darf ich nun sagen, dass Pires zu hören die helle Freude ist ! Sie hat einen schönen, vollen Ton, versteht es ungemein fein die Tonwerte klangfarblich abzutönen. Die Musik tritt in diesem Adagio sostenuto auch nicht auf der Stelle. Äußerst behutsam und unaufdringlich werden dynamische <> ausgespielt, um die Bögen zu unterstreichen. Der Melodieton blüht wunderschön auf, in verschiedensten Farben schillernd. Das sind ästhetische Reize in Fülle, die das dröge Spiel von Yundi nicht zu bieten hat. Dabei wird die Musik keineswegs stimmungsromantisch verkleistert. Die rhythmische Struktur der Triolen bleibt immer klar hörbar – ein langsames, durchgehendes Pulsieren wie ein verlangsamter Herzschlag in ruhig romantischer Befindlichkeit, welches das sostenuto feinfühlig unterstreicht. Schön ist der Aufbau zum Höhepunkt im Mittelteil und äußerst sensibel die allmähliche Zurücknahme ins Leise zum Schluss. Der ganze Satz ist in Tonwerten gestaltet – ein durchgehendes Dunkel mit Aufhellungen. Eine letztes Aufleuchten ereignet sich an und abschwellend zum Schluss. Das ist einfach eine ungemein klug und hochsensibel gestaltete romantische Interpretation – wirklich sehr schön anzuhören!


    Das Allegretto beglückt ebenso sehr: Sie trifft einfach genau den richtigen Beethoven-Ton: leicht und zart und zugleich niemals unkräftig und immer klar, dabei die energischen Sforzati nicht unterschlagend. Das Trio kommt kräftig, marschartig, mit fast trotziger Gebärde daher. Aber auch das ist immer schön gespielt und der Charakterwechsel passt.


    Daran schließt sich ein souverän-virtuos gespieltes Presto agitato an. Freilich gelingt ihr Takt 9 kein Forte – aber das können andere sehr gute Techniker auch nicht besser. Gestalterisch hat dieses Klavierspiel einfach Klasse: Wie sie es schafft, das Thema Takt 32 empfindsam zurückzunehmen, um ihm dann mehr und mehr innere Bewegung zu verleihen, ist emotional völlig schlüssig. Auch hier trifft sie genau den richtigen Beethoven-Ton, leicht und zugleich energisch. Gerade in der Durchführung zeigt sich ihre Qualität einer klaren und deutlichen Phrasierung, die sehr eindringlich den Motivbewegungen nachspürt und immer gut charakterisiert. In der Reprise Takt 102 ff. steigert sie sehr organisch die Bewegtheit. Schön auch das aufkommende Drängen am Schluss ohne jede falsche Übertreibung. Fazit: Das ist ein klassisch-romantischer Beethoven, ungemein souverän und sachkundig gestaltet mit dem immer richtig getroffenen Ton – wirklich mit großer Freude zu hören!


    P.S.: Mit ihrer ebenfalls sehr schön gespielten Sonate op. 27,1 werde ich mich noch eingehender beschäftigen!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    heute kann ich den von dir jüngst gespielten Ball zurückspielen, dass wir wieder mal über eine Aufnahme einer Meinung waren. Es ist doch beglückend, wenn die "alten Damen" (oder Herren) es den jungen Hüpfern vormachen, wie man Beethoven spielt.
    Allerdings war Brendel bei seiner ersten GA (bei VOX) zwischen Ende zwanzig und Anfang dreißig, und Barenboim gar hat seine erste Gesamtaufnahme im Alter von 24 bis 27 Jahren gemacht, und die bis jetzt von mir besprochenen Aufnahmen sind m. E. ganz ausgezeichnet. Wie alt ist Yundi Li noch mal?


    Liebe Güße


    Willi :D?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    geboren ist er 1982 - war zur Zeit der Aufnahme also 30. Für Beethoven muß man halt geboren sein... :D


    Oder sich hinreichend Zeit lassen. Ich denke, man sollte jedem zugestehen, sich "überhoben" zu haben, das scheint mir nach den Hörproben hier zumindest der Fall zu sein. Diese haben mich zumindest nicht so angesprungen, daß ich nun meinen ohnehin relativ breiten Beethovenbestand noch ausweiten müßte.


    Mit herzigem Gruß
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Ich habe meinen Bestand seit Beginn unseres Sonatenprojektes auch hauptsächlich nur ausgeweitet mit PianistInnen, die das 50. Lebensjahr längst überschritten haben. Die einzige jüngere ist Dina Ugorskaja, die Tochter von Anatol Ugorsky, und die ist auch schon 41Jjahre alt. Sie hat aber auch sofort die letzten sechs Sonaten vorgelegt, und ich hatte erst zugeschlagen, als ich op. 111 komplett bei Youtube gesehen und gehört hatte und begeistert war.


    "So is Lebbe" (Dragolav Stepanovic)


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Wer nicht glaubt, wie wunderbar klangsinnig, empfindsam und farbig Gulda Klavier spielen konnte, der sollte sich dieses wahrlich atemberaubend gespielte Adagio sostenuto aus der Mondscheinsonate anhören! Gulda gelingt hier das Kunststück, Stimmungsromantik, Expressivität und einen immer den Blick für das große Ganze wahrenden Vortrag zu vereinen. Die Getragenheit bringt er nicht zuletzt durch die bewusst von der Klangfläche der rechten Hand abgesetzten und zugleich sachte aber nachdrücklich betonten Bassoktaven hervor. Die Triolen spielt er sehr „malerisch“. Wie bei einem Aquarell liegt der Reiz auf der Grenze von der Deutlichkeit zur Undeutlichkeit. Die Figuren werden dazu leicht belebt durch dynamische Unebenheiten, mehr oder weniger ausgeprägte Beschleunigungen und auch wieder Verlangsamungen. Diese behutsamen Dynamisierungen schaffen große Bögen, die Musik bewegt sich in langen, aufeinanderfolgenden Wellen. Dazu kommt ein wunderbar und zugleich schlichter Melodieton, der aufblüht in verschiedenen Farben. Diese Stimmungs-Musik, sie verdämmert bei Gulda nicht etwa im blassen Mondlicht, sondern entwickelt leidenschaftliche, expressive Töne, die sich aus dem pp heraus bis zur Heftigkeit im mf steigern können. Die Wellen schaukeln sich in der Mitte auf zum Höhepunkt durch eine dann sehr eindringliche und zugleich organische Beschleunigung des Tempos, bevor sich das Geschehen wieder beruhigt. Mit diesem dynamischen Expressionismus bewahrt Gulda dieses Adagio sostenuto vor dem Klischee. Man kann diesen Ansatz psychologisierend und dramatisierend nennen – aber im Sinne wahrer Innerlichkeit. Das ist höchst feinsinniges Klavierspiel voller Intensität! Eindrucksvoller habe ich diesen Satz jedenfalls noch von Niemandem gehört!


    Das Allegretto verzaubert den Hörer regelrecht durch seine Leichtigkeit, Anmut und Schlichtheit, getupften Tönen. Im Trio bringt er die Kontraste ins Spiel – ohne jede aufgesetzte subjektivistische Geste, glasklar und empfindsam. Es ist die reine Freude, Gulda hier zuzuhören. Im Presto agitato überrascht Gulda dann den ansonsten auch von seiner überlegenen Klaviertechnik verwöhnten Hörer mit einer gewissen pianistischen Schlampigkeit. Die Bässe sind nicht wirklich präzise und auch die schwierigen Sechzehntel Takt 9 f. kann der Perfektionist bemängeln. Gulda geht es in diesem Finalsatz offenbar mehr um das Erzielen der großen Wirkung, das Überwältigende, als um penible Detailgenauigkeit. So sind die expressiven Motive nicht wirklich exzessiv ausphrasiert. Stromlinienförmig, den großen Bogen nehmend spielt Gulda darüber ein wenig hinweg. Auch in der Durchführung zeigt sich neben der etwas unpräzisen Ausführung eine gewisse Pauschalität. Mit kühler Distanz gespielt ist das aber gewiss nicht. Vielleicht zeigt sich hier eine „Schwäche“ Guldas: Wird er allzu „emotional“, dann droht er ins Pauschale abzudriften. Schade, wäre nicht dieses im Niveau doch etwas abfallende Presto agitato, dann gehörte diese Aufnahme zu meinen absoluten Referenzen. Aber allein schon der wirklich atemberaubend gespielten beiden ersten Sätze wegen sollte man diese Gulda-Aufnahme unbedingt gehört haben.


    Schöne Grüße
    Holger



  • Nein, die Mondscheinsonate liegt Daniel Barenboim weit weniger als die ihm so vorzüglich gelingende Pathétique. Schon die Tongebung des Adagio sostenuto überzeugt nicht: Das alles bleibt etwas unsinnlich trocken; der Melodieton hat zwar schlichte Kantabilität, blüht aber nicht richtig auf. Barenboim spielt die Triolen weniger flächig als Gulda, betont mehr die einzelnen Achtel. Allein das wäre noch kein wirklicher Kritikpunkt – man kann hier ja durchaus Anklänge an das C-Dur-Präludium aus Bachs Wohltemperiertem Klavier entdecken. An Barenboims Einspielung wird exemplarisch deutlich, wie schwer es ist, das sostenuto zu realisieren. Barenboim findet einfach die ideale Balance nicht zwischen Flächigkeit und der Aneinanderreihung von Ton-Punkten, zwischen Fließendem und Insistierendem. Zwar artikuliert er durchaus nachdrücklich, doch wirkt diese Aufnahme was den Ausdruckswert angeht doch insgesamt etwas bieder und betulich. Während etwa Gulda die Bässe am Schluss zu intensiven Ereignissen werden lässt, bleiben sie bei Barenboim einfach zu verhalten, ohne wahrnehmbaren Akzent. Vor allem aber geht bei Barenboim der Blick für das große Ganze verloren. Es fehlt das Denken in großen Bögen, die Phrasen schließen sich nicht wirklich zu einer die Einzelheiten übergreifenden Linie zusammen, so dass man den Eindruck bekommt, dass die Musik mehr oder weniger in eine lose Aufreihung von Einzelmomenten zerfällt, was nicht zuletzt eine gewisse Langweiligkeit zur Folge hat. Das Allegretto versteht auch Barenboim mit klassisch schlichtem Ton zu spielen – gegenüber Gulda ist es aber deutlich derber im Ton. Im Trio kommen die Sforzati nicht deutlich genug heraus gegenüber zu vorlauten Oktaven. Der Kontrast könnte doch höher sein und die Charakterschärfung lässt zu wünschen übrig – das wirkt deshalb ein wenig langweilig gespielt. Auch das Presto agitato überzeugt letztlich nicht wirklich. Barenboim spielt das mit virtuoser Kraft und Wucht, die aber letztlich auf Kosten der präzisen Durchzeichnung geht. Insgesamt wirkt diese Massivität zu aufdringlich und schwergewichtig und erstickt damit die leidenschaftliche Bewegtheit. Manches ist eindeutig zu klobig wie das fp zu Beginn der Reprise. Dass Barenboim hier zum etwas grobschlächtigen Tastendonner neigt, zeigt sich etwa in Takt 187, wo er statt Piano einfach ein lautstarkes Forte spielt. Exemplarisch in der Durchführung kann man vernehmen, was diesem Vortrag bei allem Auskosten dynamischer Extreme abgeht: leidenschaftliche Emphase.


    Die Neuaufnahme von 1984 bringt eigentlich kaum neue Einsichten. Das Tempo des Adagio sostenuto ist nun eine Spur flüssiger, aber auch hier bleibt der Eindruck des Faden bestehen. Dieses Klavierspiel in seiner Reizlosigkeit hat einfach keine „Atmosphäre“. Das Allegretto erscheint nun ebenfalls flüssiger und damit frischer und kecker im Ausdruck. Im Trio zeigt Barenboim jedoch die alten Schwächen: Das wirkt eher flott heruntergespielt. Sicher besser gelungen ist das Presto agitato. Deutlich weniger massig kommt durch die hinzu gewonnene Leichtigkeit das Forte Takt 9 besser heraus, auch die expressiven Motive haben nun mehr eigenes Profil. Insgesamt ist aber auch das nicht wirklich mitreißend gespielt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    Im Trio zeigt Barenboim jedoch die alten Schwächen: Das wirkt eher flott heruntergespielt.


    Lieber Holger, hab vielen Dank für die Besprechung. Ich hatte mit Barenboim (einer der älteren Beiträge in diesem thread) ebenfalls so meine Probleme und hatte - bedingt durch die große Zurückhaltung hinsichtlich der Dynamik - den Eindruck des "Spannungslosen", einzig das Allegretto mit seiner fast mozartesken Frische hat mir wirklich zugesagt. Ich habe manchmal den Eindruck, daß Barenboim das Klavierspiel eine gewisse Zeit nicht wirklich begeistern konnte: die 1980er sind m. E genau dies Zeit. Vielleicht hat ihn ja das Dirigieren auch gar nicht abgehalten, sondern eher "erlöst" vom Klavier. In jüngster Zeit geht er allerdings wieder mit deutlich mehr Emphase an dieses Instrument und stellt seine Klasse deutlich unter Beweis.
    Mit herzlichem Gruß
    Jörn


    PS Wir sind uns ja bezüglich dieser Aufnahme ausnahmsweise einmal einig ;)

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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