Traviata am 7.12.2013 aus der Scala auf arte

  • Keine Verteidigung, aber auch keine Verdammung.
    Ich denke, dass bei einer vernünftigen Regie das Urteil über die Sänger etwas positiver ausgefallen wäre.


    Natürlich sind die ungemein gekünstelten psychologischen Reaktionen Violettas und Alfreds schwer zu verdauen, diese absurde Mischung zwischen modernem Party-Gebaren und veralteter Theatralik a la Lord Byron. Und Gurken hacken als Verdrängungsmechanismus. Umwerfend!


    Doch wie gesagt, die Protagonisten fand ich nicht schlecht. Ob die Damrau jedoch sehr glücklich über die Regieanweisungen war?
    Fast schien es mir, sie konnte nichts Rechtes mit ihnen anfangen. Anscheinend war rustikale Robustheit gefragt als Antwort auf die fragile Nervosität der Belle epoque.
    Überzeugend fand ich es aber nie und es passt für meinen Geschmack auch nicht in ein Alexandre Duma-Drama.


    Und sollte vielleicht die Clown-Aufmachung in der Beleidigungsszene am Schluss des 2. Aktes die Handlung verdeutlichen? Für wen aber? Kinder gehen abends wohl nicht in die Oper.


    Genießbar fand ich dagegen den Beginn des 3. Aktes, obwohl auch dort alles etwas dick aufgetragen wurde.
    Mit dieser Überdeutlichkeit werden wir uns aber künftig wohl oder übel abfinden müssen.

  • Im Pauseninterview auf Bayern 4 hat Frau Damrau die Arbeit mit dem Regisseur in den höchsten Tönen gelobt. Was aber auffällig ist das es an den andren Opernhäusern in Italien wie Turin, Vendig oder Palermo sowohl szenisch als auch sängerisch bessere Aufführungen zu sehen gibt als an der Scala. Habe mir vorhin noch mal die Traviata aus dem Royal Opera House mit Renee Flemming und Antonio Pappano angeschaut. Da kamen Emotionen auf und auf das Publikum machte nicht den Eindruck als ob es während der Akte schlafen würde wie das in der Scala. Ist es eigentlich nur an der Scala üblich das während des ersten Aktes von La Trviata nicht geklatscht wird ? Ich habe die Traviata schon in Venedig gesehen und dort wurde zumindestens nach dem Trinklied im ersten Akt geklatscht.

  • Da bin ich aber froh, nichts versäumt zu haben. Nachdem sich der Besuch beim Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Schönbrunn verlängert hat, waren wir mit Freunden noch beim Chinesen. Ich habe das Treffen mit Freunden bewusst schon für 15 Uhr angesetzt, um abends rechtzeitig zu Hause zu sein. Doch wie man sieht, .....



    Erich

  • Vielleicht waren unsere Erwartungen zu hoch oder in den letzte Jahre eine Inflation von la Traviata
    gewesen war.
    Fast alles was da oben geschrien ist stimmt mehr oder weniger, meiner Aussichten nach so dass ich gestern Abend nach der La traviata scagliera der DVD rausgeholt habe und Teresa Stratas und Placido Domingo genossen habe. Vielleicht nach dem Jahr Verdi - Wagner sollte man die zwei ein bisschen ruhen lassen und 3 bis 5 Jahre mit Bellini, Donizetti, Puccini, Mascagni, Giordano…usw. beschäftigen.

    Pourqoi me reveiller....

  • Ich denke, dass bei einer vernünftigen Regie das Urteil über die Sänger etwas positiver ausgefallen wäre.

    Ja, eigentlich schade! - Sollte man doch meinen, dass gerade in einem Forum, welches sich per definitionem mit klassischer Musik und Gesang beschäftigt, eine entsprechende Differenzierung möglich sein sollte ... Jedenfalls hat Frau Damrau ihre Rolle ganz ausgezeichnet ausgefüllt. Immerhin handelt es sich hier um eine überaus anspruchsvolle Partie, welche alle Facetten vom dramatischen über feinstes Piano bis hin zu anspruchsvollen Koloraturen erfordert. All dies wurde ohne für mich wahrnehmbare Ermüdungserscheinungen bewältigt. Was sicherlich fehlte, war diese gewisse Zerbrechlichkeit, eben das schwindsüchtige; jedoch passte dies frapant zum Konzept der Regie, welches offenbar mit dem Gegensatz zwischen einer erwachsenen (emanzipierten?) Violetta und einem (aus Unsicherheit) oberflächlichen Alfredo spielte. Hier darf man sich schon fragen, was dies eigentlich für ein Mensch ist, der so wenig von der Liebe und vom Leben versteht, dass er mit Blumen und Gebäck an das Totenbett seiner einst Geliebten tritt und dann auch noch auf die Uhr schaut, als gäbe es noch wichtiges zu erledigen. Anders der Vater (baritonal sauber gesungen von Željko Lucic), der trotz allem Standesdünkel mehr menschliche Wärme ausstrahlte, als sein Sohn. Zur Leistung Beczała würde ich ebenfalls sagen, dass die Missfallensbekundungen in dieser Form ungerechtfertigt gewesen sind: zwar erschien mir seine Stimme etwas zu kalt und leicht forciert, aber wirklich falsche Töne oder gar einen Einbruch habe ich nicht vernommen.



    Natürlich sind die ungemein gekünstelten psychologischen Reaktionen Violettas und Alfreds schwer zu verdauen, diese absurde Mischung zwischen modernem Party-Gebaren und veralteter Theatralik a la Lord Byron. Und Gurken hacken als Verdrängungsmechanismus. Umwerfend!

    Warum "ungemein gekünstelt" und "schwer zu verdauen"? - Vielleicht, weil der Spiegel auf eigenen Verhaltensweise in einer oberflächlichen Gesellschaft als störend empfunden werden könnte? Wo ist der Unterschied zwischen dem zerhacken einer Zucchini und dem schmeißen mit Geschirr? In beiden Fällen handelt es sich nicht um Verdrängung, sondern um einen (paradoxerweise kontrollierten) Aggressionsabbau. Sehr gut gefallen hat mir hier übrigens das Bühnenbild mit den Puppen (besonders der "kleinen Violetta" als Referenz auf das Leben, welches Die vom Wege Abgekommene hinter sich gelassen zu haben meint.


    Insgesamt hatte das Bühnenbild natürlich kaum etwas mit der Zeit der Originalhandlung zu tun; vielmehr fühlte ich mich ständig an Ibsen erinnert.



    Und sollte vielleicht die Clown-Aufmachung in der Beleidigungsszene am Schluss des 2. Aktes die Handlung verdeutlichen? Für wen aber? Kinder gehen abends wohl nicht in die Oper.

    Meiner Tochter, die mit mir zusammen geschaut hat, hat es gefallen. Überhaupt haben uns die kleinen komödiantischen gefallen und immerhin: wer aus dem Umfeld der beiden Protagonisten nimmt deren Beziehung denn wirklich ernst; ja, glaubt gar, dass sie von Dauer sein könnte?



    Genießbar fand ich dagegen den Beginn des 3. Aktes, obwohl auch dort alles etwas dick aufgetragen wurde. Mit dieser Überdeutlichkeit werden wir uns aber künftig wohl oder übel abfinden müssen.

    Hier sollten wir uns vielleicht einmal Gedanken darüber machen, inwieweit die Beurteilung einer Operninszenierung anhand einer Fernsehübertragung überhaupt in adäquater Weise geschehen kann: Naturgemäß muss die Regie einer Oper zum einen aufgrund der Entfernung zum Zuschauer und zum anderen aufgrund der oftmaligen Handlungs-Langsamkeit stets überzeichnen (selbiges gilt, wenngleich vielleicht etwas weniger extrem, für das Sprechtheater). Dieses Problem stellt sich m.E. vollkommen unabhängig davon, ob es sich nun um sog. Regietheater oder eine konventionelle Inszenierung handelt. Mithin sehe ich als Fernsehzuschauer Dinge, die ich in der Oper vielleicht nicht oder jedenfalls wesentlich anders wahrnehmen würde. Umgekehrt sehe ich sehr viele Dinge schlicht aufgrund des begrenzten und geführten Bildausschnittes nicht, während ich mir in der Vorstellung selber aussuchen kann, wohin und mit welchem Fokus ich schaue. Da wirkt dann eine Handlung, wie das zersäbeln eines Stückes Gemüse auf dem Bildschirm vielleicht unglaubwürdig und lächerlich, während die Handlung bei einem "vergrößerten Blick" durchaus einen Sinn ergeben kann. - Tatsächlich jedoch könnte dieser Gedankengang aber auch ein wenig zu kompliziert für diejenigen sein, die sich inzwischen angewöhnt haben, eine Inszenierung anhand nur einiger Bilder oder einfacher noch nur anhand des Regiesseur-Namens vollständig zu "beurteilen".

  • Was sicherlich fehlte, war diese gewisse Zerbrechlichkeit, eben das schwindsüchtige; jedoch passte dies frapant zum Konzept der Regie, welches offenbar mit dem Gegensatz zwischen einer erwachsenen (emanzipierten?) Violetta und einem (aus Unsicherheit) oberflächlichen Alfredo spielte. Hier darf man sich schon fragen, was dies eigentlich für ein Mensch ist, der so wenig von der Liebe und vom Leben versteht, dass er mit Blumen und Gebäck an das Totenbett seiner einst Geliebten tritt und dann auch noch auf die Uhr schaut, als gäbe es noch wichtiges zu erledigen. Anders der Vater (baritonal sauber gesungen von Željko Lucic), der trotz allem Standesdünkel mehr menschliche Wärme ausstrahlte, als sein Sohn. Zur Leistung Beczała würde ich ebenfalls sagen, dass die Missfallensbekundungen in dieser Form ungerechtfertigt gewesen sind: zwar erschien mir seine Stimme etwas zu kalt und leicht forciert, aber wirklich falsche Töne oder gar einen Einbruch habe ich nicht vernommen.


    Hallo Michael,


    dieses Regiekonzept ist ja in sich auch schlüssig, und es wäre auch gar nichts dagegen einzuwenden, wenn nicht Verdis Musik das genaue Gegenteil ausdrücken würde. Oder findest du in Verdis Musik Anhaltspunkte für eine derartige Sichtweise, und falls ja, welche? Und falls nicht, was ist von einem Regiekonzept zu halten, das die musikalische Aussage eines Werks völlig außer acht lässt?


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Lieber Michael
    Wenn ich das mal so sagen darf, Deinen letzten Satz hättest Du gerne weglassen dürfen. Ansonsten finde ich, war es ein sehr guter Bericht mit manch anderer Sichtweise. Schön und interessant mal eine teilweise andere Meinung und Ansicht zu erfahren.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Wenn ich das mal so sagen darf, Deinen letzten Satz hättest Du gerne weglassen dürfen.


    Das räume ich Dir sogar ein, wenngleich wir alle wohl so manche "letzte Sätze" hätten weglassen können. - In diesem Sinne noch einen schönen Rest-2.Advent :hello:

  • Im Pauseniinterview auf Bayern 4 hat Frau Damrau die Arbeit mit dem Regisseur in den höchsten Tönen gelobt.


    "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!"


    Wer heute das Sagen in der Oper hat, sollte wohl allen mittlerweile klar geworden sein.


    Hier zum Vergleich mal ein Bild einer Neuinszenierung von Visconti mit Maria Callas, Ettore Bastianini und Giuseppe di Stefano. Ob die Callas auch Pizza gebacken hätte beim Singen?


    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Bei der Jugend von Germont père könnten seine Sorgen um den fils allzu berechtigt sein...


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

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  • Naturgemäß muss die Regie einer Oper zum einen aufgrund der Entfernung zum Zuschauer und zum anderen aufgrund der oftmaligen Handlungs-Langsamkeit stets überzeichnen


    Muss sie denn wirklich? Ich erinnere mich an Laurence Oliviers Hamlet (Shakespeares werden mich Einige nun berichtigen), der, ohne viel Brimborium schlicht abgefilmt, dank eines überragenden Schauspielers zum großartigen Erlebnis wurde.
    Doch wie auch immer, Shakespeares Sprache ist so gewaltig, dass selbst schlechtere Mimen nichts kaputt kriegen können.
    Das ist es eben. Ein großes Werk hat allzuviel Nachhilfe nicht nötig und das ist gut so, weil es uns erlaubt, ohne viel Einbußen den Hamlet nur zu lesen und die Eroica nur auf Schallplatte zu genießen.


    Nun geht es hier aber um das Problem des persönlichen Geschmacks, über den zu streiten sich angeblich, außer hier im Forum, nicht lohnt. Mir persönlich liegt zum Beispiel der englische Humor, der mit minimalen Mitteln große Wirkung erzielt, besser als der hemdsärmlige und drönende Humor der Amerikaner.


    In diesem Geiste war mir in der von mir kritisierten Gemüseszene Alfredos Gebaren einfach zu aufdringlich und schließlich auch zu gewollt. Irgendeine unbewusste, mechanische und vor allem verzögerte Reaktion hätte ich für glaubwürdiger empfunden.


    Wollen wir jedoch abwarten. Der erste Eindruck ist nicht immer der entscheidende und Meinungen sind nicht in Stein gehauen.

  • Hier zum Vergleich mal ein Bild einer Neuinszenierung von Visconti mit Maria Callas, Ettore Bastianini und Giuseppe di Stefano. Ob die Callas auch Pizza gebacken hätte beim Singen?

    Wer weiß, wer weiß? Es gibt ja inzwischen sogar ein Kochbuch mit - angeblichen - Callas-Rezepten.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Lieber Michael,


    nun hast du doch noch eine Stellungnahme abgegeben, und das erkenne ich an und bedanke mich. Auch wenn ich nicht in allem mit dir übereinstimme, so fand ich dennoch manches Bedenkenswerte in darin. Wenn ich dich persönlich angesprochen hatte, dann deswegen, weil du zunächst jeden Diskussionsbeitrag abgelehnt hast. Aber mit meinem Beitrag 53 hatte ich nicht nur dich allein gemeint, sondern vor allem manchen anderen, der uns hier Mores lehren will. Leider gehörst du aber nun auch einmal zu denjenigen, die die Schreibweise der Gegner verunstalteter Inszenierungen kritisieren. Ich stimme in der Sache häufig nicht mit dir überein, aber habe ich deine persönliche Schreibweise schon mal irgendwo kritisiert?


    Lieber Farinelli,


    warum fühltest du dich eigentlich mit meinem Beitrag 53 angesprochen. Du hattest dich ja schon vorher an der Diskussion beteiligt, warst also mit der Frage, wo die Verteidiger bleiben, gar nicht angesprochen. Die recht bissigen Kommentare hättest du dir daher sparen können. Oder wolltest du mich belehren, wie ich mich auszudrücken habe. Das geht allerdings völlig an mir vorbei. Ich werde weiterhin so schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Leider habe ich ( wie üblich) den Beitrag von Zweiterbass nicht verstanden, bzw. was er hier bezweckte


    Interviews hören, dann kommst Du drauf - ich hüte mich, Frau Damrau zu kritisieren.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Frau Damrau beklagt sich heute in fb bitter über die vielen Schmähungen und Beschimpfungen nach der Traviata-Premiere.

    Zitat

    In case you are not aware, singers sign contracts with opera houses up to five years in advance. They usually don't know with whom they're going to be singing or the creative team, which obviously includes the stage director. So please, don't blame the singers for a production you don't like.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Frau Damrau beklagt sich heute in fb bitter über die vielen Schmähungen und Beschimpfungen nach der Traviata-Premiere.


    Die Buhs für Beczala - er war unter den Sängern der Einzige - hatten NICHTS mit einem ausgelassenen Spitzenton und auch nicht mit "seiner" Sichtweise der Rolle des Alfredo zu tun. Er hat einfach nicht gut gesungen. Die Arie und die Cabaletta gestemmt mit der Brechstange, das Brindisi und "Parigi o cara" waren ein Tiefpunkte. Große Probleme in der Übergangslage, wenig stimmliche Biegsamkeit, kaum Nuance und Farben. Kehlig, angestrengt und undifferenziert.


    Und die Buhs für den Dirigenten hatten absolut JEDE Berechtigung. Vom Regisseur will ich nicht anfangen.

  • Hier sollten wir uns vielleicht einmal Gedanken darüber machen, inwieweit die Beurteilung einer Operninszenierung anhand einer Fernsehübertragung überhaupt in adäquater Weise geschehen kann: Naturgemäß muss die Regie einer Oper zum einen aufgrund der Entfernung zum Zuschauer und zum anderen aufgrund der oftmaligen Handlungs-Langsamkeit stets überzeichnen (selbiges gilt, wenngleich vielleicht etwas weniger extrem, für das Sprechtheater). Dieses Problem stellt sich m.E. vollkommen unabhängig davon, ob es sich nun um sog. Regietheater oder eine konventionelle Inszenierung handelt. Mithin sehe ich als Fernsehzuschauer Dinge, die ich in der Oper vielleicht nicht oder jedenfalls wesentlich anders wahrnehmen würde


    Lieber MSchenk,


    damit kann ich mich nicht identifizieren. Ich habe Dutzende Operninszenierungen im Fernsehen erlebt und auch aufgezeichnet. Es waren gute und schlechte dabei, gute und schlechte Sänger, gute und schlechte Regie (wobei meine Ansprüche bekannterweise nicht die Deinen sind). Ein Grund, die Detailaufnahme der "Gemüseszene" evtl. als "strafmildernd" für eine verfehlte Regie anzuführen, kann ich nicht sehen.


    Auch mir hat Damrau gefallen, nur nicht im 1. Akt. Ihr "S ìst seltsam" war seltsam kalt, ohne positive Erinnerung an die vorangegangene Liebererklärung. Das "Libiamo" war zum Einschlafen. Im 2. Akt war die Damrau gesanglich richtig gut, und das hat sie bis zum Schluß beibehalten. Aber eine todkranke Frau (wer wollte abstreiten, daß Violetta schwindsüchtig ist) war sie in keinem Moment, eher eine
    Alkoholikerin. Das alles hat meinen Gesamteindruck getrübt, ebenso die Hampeleien des Chores beim Trinklied, die Indianerin, das Nudelholz ..... Das hat nichts mit Detaileinstellungen der Fernsehübertragung zu tun. Das Publikum hatte die Gesamtszenerie der Bühne im Blickpunkt und hat trotzdem gebuht.


    Ich hatte schon gesagt, daß ich die Buhs gegen Beczala ungerechtfertigt fand, aber Gatti zu Recht ausgebuht wurde. Das hatte ich im Beitrag 9, während der Pause schon angedeutet.


    Eine Lehre war diese Übertragung für mich: Die Skala gehört nicht mehr zu den führenden Opernhäusern in Europa. Auch der Lohengrin vor einem Jahr hat mich zu dieser Überlegung gebracht.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Hier sollten wir uns vielleicht einmal Gedanken darüber machen, inwieweit die Beurteilung einer Operninszenierung anhand einer Fernsehübertragung überhaupt in adäquater Weise geschehen kann


    Meiner Erfahrung nach - insbesondere dann, wenn ich eine Operninszenierung sowohl live als auch im Fernsehen gesehen habe - nivellieren sich bei Fernsehübertragungen Qualitätsunterschiede durch die vielen Großaufnahmen. Inszenierungen, die mich live begeistert haben, verlieren von ihrem Reiz, andere Inszenierungen, die mich live echt geärgert haben, verlieren ebenso von ihrem (Brech-)Reiz. Zugespitzt formuliert werden gute Inszenierungen schlechter und schlechte Inszenierungen besser.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • So schlecht liegen die meisten Taminos gar nicht in ihrer Kritik. Im Kurier schreibt Herr Korentschnig u.a.:


    in der Überschrift "Viva Verdi" - eher ein Mordversuch


    zum Dirigat - Gatti verschleppte mitunter, mal wieder war er absurd schnell, nahm jede musikalische Spannung und dirigierte ohne jede Logik. Germonts Arie (hat Dein heimatliches Land) peitschte er durch, andere Sänger ließ er verhungern. Es kam Sehnsucht auf nach Muti oder Karajan.


    zu den Sängern - Damrau war hervorragend. Für ihre Kostüme hätte der Bildner die Höchststrafe verdient. Beczala sehr gut. Mara Zampieri als Annina ähnelte eher der Hexe aus Hänsel und Gretel.


    zur Regie - Der Regisseur verwechslte Personenführung mit Hyperaktivität. Er entwickelt keine Figuren, er erzählt keine Geschichte


    Die ganze Inszenierung "La Traviata = Die Verirrte" ist eine Ansammlung von Verirrungen. Im Prinzip ließ der Kritiker keinen guten Fetzen an dieser Inszenierung.


    Ach, was bin ich stolz auf uns Taminos (wenigstens die meisten). Nichts anderes haben wir hier auch gesagt.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Ich habe überhaupt kein Verständnis für die Kritik von Herrn Beczala an der Regie zum jetzigen Zeitpunkt. Schließlich waren doch alle bei den szenischen Proben mit dabei und spätestens da hätten zumindestens die Sänger der Hauptpartien zum Regisseur hingegen können und sagen können, was ihnen an den einzelnen Charakteren nicht gefällt und ob er nicht bereit ist in einem gemeinsamen Gespräch das Regiekonzept zu ändern. Falls er das nicht ist, hätten sie so viel " Mumm in den Knochen " haben können, um dem Intendanten Herrn Lissner damit zu drohen, ihre Verträge zu kündigen. Aber da war den Herrschaften offenbar die TV Präsenz bzw. der große öffentliche Auftritt wichtiger als die eigene Meinung. Nur ob sie sich damit einen Gefallen getan haben ? Sich hinterher zu beschweren ist feige.

  • Hallo Rodolfo:
    Ich bin mir nicht sicher, ob du das ganz richtig siehst. Schliesslich wissen wir nicht, was für Summen gezahlt werden müssen, wenn ein Sänger während der Probenzeit aus einer laufenden Produktion aussteigt. Noch schwieriger dürfte es sein, sich mit einem sprachunkundigen Regisseur über seine (abstrusen) Ideen zu unterhalten und ihm klar zu machen, wie falsch er liegt.
    Der Haken dürfte sein, dass dieser sog. Regisseur das Werk schlankweg nicht verstanden hat. Sowohl über die Titelfigur, wie auch über die Germonts wurde ein falsches Konzept gestülpt, das dann in sich vielleicht sogar aufging, das sich aber von der vorgegebenen Oper weitest denkbar entfernt hat.
    Dass Beczala dies mitmachen musste, ist das eine, dass ihm nun aber auch noch das Recht abgesprochen werden soll, sich über diesen "Schmarren" kritisch zu äussern, etwas ganz anderes.
    Übrigens ist mir auch der Jubel einiger Kritiker über Diana Damrau ein Rätsel. Ich gebe zu, dass die Töne sauber getroffen wurden, vielleicht kann man auch über die zu gesunde Stimmfarbe hinweghören, was aber von niemandem (von einer italienischen Zeitung abgesehen) erwähnt wurde, ist dieses grauenhafte Italienisch mit deutschem Akzent. Frau Damrau war nie fähig die Färbung der italienischen offenen Vokaleauch nur annähernd zu treffen. Diesbezüglich waren ihr ihre Partner weit überlegen


  • Muss sie denn wirklich? Ich erinnere mich an Laurence Oliviers Hamlet (Shakespeares werden mich Einige nun berichtigen), der, ohne viel Brimborium schlicht abgefilmt, dank eines überragenden Schauspielers zum großartigen Erlebnis wurde.


    Diesen Einwand verstehe ich nicht. Es geht doch nicht darum, dass ich eine Bühnenhandlung "abfilmen" kann, natürlich kann ich das. Problematisch könnte höchstens das Ergebnis sein: z.B. muss ich einen Schauspieler/Opernsänger für die Bühne wesentlich stärker schminken, als für den Film. Der Effekt einer Opernaufzeichnung für das Fernsehen mit Nahaufnahmen ist dann entsprechend.


  • damit kann ich mich nicht identifizieren. Ich habe Dutzende Operninszenierungen im Fernsehen erlebt und auch aufgezeichnet. Es waren gute und schlechte dabei, gute und schlechte Sänger, gute und schlechte Regie (wobei meine Ansprüche bekannterweise nicht die Deinen sind). Ein Grund, die Detailaufnahme der "Gemüseszene" evtl. als "strafmildernd" für eine verfehlte Regie anzuführen, kann ich nicht sehen.

    Letzteres war aber auch garnicht meine Absicht. Es ging mir lediglich darum festzustellen, dass die Opernbühne etwas wesentlich anderes ist, als der Fernsehbildschirm und somit die Transformation von dem einen in das andere Medium Schwierigkeiten bereiten kann. Insbesondere könnte eine Urteilsbildung (einmal unabhängig davon, ob Regietheater oder konventionelles Theater) durch solche Faktoren beeinflußt werden. Und immerhin räumst z.B. hami1799 durchaus ein, dass eine ungeliebte Regie das Urteil über die Sänger negativ beeinflußen kann. - Und mit Verlaub, wer hier für sich Subjektivität beansprucht, ist für mich nicht wirklich ernstzunehmen.


    Auch mir hat Damrau gefallen, nur nicht im 1. Akt. Ihr "S ìst seltsam" war seltsam kalt, ohne positive Erinnerung an die vorangegangene Liebererklärung. Das "Libiamo" war zum Einschlafen. Im 2. Akt war die Damrau gesanglich richtig gut, und das hat sie bis zum Schluß beibehalten. Aber eine todkranke Frau (wer wollte abstreiten, daß Violetta schwindsüchtig ist) war sie in keinem Moment, eher eine Alkoholikerin.

    Das leitest Du aber bitteschön nicht daraus ab, dass sie am Ende zweimal und den Tod vor Augen, also anzunehmend verzweifelt und alleine gelassen zur Flasche greift? - Dass Violetta von Beginn an betrunken über die Bühne getorkelt wäre, ist mir jedenfalls entgangen :pfeif:


    [...] Das hat nichts mit Detaileinstellungen der Fernsehübertragung zu tun.

    Wie gesagt und hoffentlich oben nochmals verdeutlicht, ging es mir auch um eher grundsätzliche Erwägungen.


    Das Publikum hatte die Gesamtszenerie der Bühne im Blickpunkt und hat trotzdem gebuht.

    Entschuldige, aber das ist - wenn überhaupt - eine "Millarden Fliegen fressen ..."-Argumentation


    Ich hatte schon gesagt, daß ich die Buhs gegen Beczala ungerechtfertigt fand, aber Gatti zu Recht ausgebuht wurde.

    Darüber, ob "ausbuhen" überhaupt jemals gerechtfertigt ist (ich selber habe auch schon gebuht und mich hinterher nicht wirklich besser gefühlt), läßt sich streiten; es gibt hier im Forum ja auch einen entsprechenden Thread. Sicher war die Orchesterleistung samt Dirigat nicht überragend, aber sicher auch nicht so miserabel, dass man buhen müsste.


    Eine Lehre war diese Übertragung für mich: Die Skala gehört nicht mehr zu den führenden Opernhäusern in Europa.

    Leider war ich noch nie in der Scala und ich würde mir angesichts der wenigen gesehenen (Fernsehen!) aktuelleren Produktionen ein solch apodiktisches Urteil nicht unbedingt erlauben wollen; aber das kann sicher jeder halten, wie er möchte :angel: Im übrigen wäre für ein derartiges Urteil vermutlich auch zu klären, was unter einem "führenden Opernhaus" eigentlich zu verstehen ist - und ich bin mir sicher, da werden unsere Meinungen auseinander gehen :hello:

  • Lieber m.joho,
    Herr Beczala darf sich von mir aus so viel beschweren wie er will. Nur hätte er das auch getan wenn er nicht ausgebuht worden wäre ? Dann hätte sich keiner über die Regiearbeit des Regisseurs, zumindestens öffentlich , beschwert. An so großen Opernhäusern wie der Scala müsste es doch auch Dolmetscher geben, die die Anweisungen des Regisseurs während der Probearbeiten zumindestens ins italienische Übersetzen.
    Lieber MSchenk,
    ich hatte das Glück in den 80 Jahren die Zefirelli Inszenieurng von Turandot an der MEt live zu erleben. Und natürlich wird man im Opernhaus von diesem Aufwand erst einmal erschlagen und bekommt nicht alle Einzelheiten der Inszenierung mit. Deshalb bin ich froh das es diese Inszeneirung auf DVD gibt und schaue sie mir immer wieder an. Nur bei den heutigen minimalistischen Ausstattungen auf der Bühne oder dem immer wieder beliebten Einheitsbühnenbild macht es eigntlich keineen Unterschied ob man die Inszenierung im Fernsehen oder im Opernhaus live sieht.

  • Es geht doch nicht darum, dass ich eine Bühnenhandlung "abfilmen" kann, natürlich kann ich das.


    Was ich sagen wollte, dass an der genannten Bühnenhandlung alles in schönster Einfacheit belassen war.


    Kein Hamlet, der sich von Kronleuchter zu Kronleuchter schwingt,
    kein Horatio, der auf die Bühne pinkelt, kein Polonius, der Fliegen totschlägt und keine Ofelia, die zur Flasche greift.
    Das waren jetzt alles nur fiktive Annahmen, aber in der modernen Opernregie kommen Ausschmückungen dieser Art nicht selten vor, mit dem Ergebnis, dass die Musik, falls überhaupt noch wahrgenommen, zur Nebensache wird und der Regisseur bekannter als der Komponist.

  • Zitat

    Zitat von Rodolfo: Aber da war den Herrschaften offenbar die TV Präsenz bzw. der große öffentliche Auftritt wichtiger als die eigene Meinung. Nur ob sie sich damit einen Gefallen getan haben ? Sich hinterher zu beschweren ist feige.

    Ich habe mir die Kurzinterviews mit Beczala und Damrau noch einmal in der Aufnahme angehört (unter arte im Internet habe ich vollständigere nicht gefunden). Frau Damrau spricht über ihre Auffassung zur Traviata, die sie aber keineswegs verwirklicht hat, zur Regie nimmt sie zwar keine Stellung, aber sich hinterher zu beschweren halte ich trotzdem nicht für richtig. Herr Beczala äußert sich zu dem, was der Regisseur da zwischen den Zeilen entdeckt hat aber recht positiv und findet die Inszenierung interessant. Er darf sich wohl am allerwenigsten beklagen, wenn das nicht aufging.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Du liebe Güte - sollten Herr Korentschnigs Kritiken etwa der Weisheit letzter Schluss sein???


  • Was ich sagen wollte, dass an der genannten Bühnenhandlung alles in schönster Einfacheit belassen war.


    Kein Hamlet, der sich von Kronleuchter zu Kronleuchter schwingt, kein Horatio, der auf die Bühne pinkelt, kein Polonius, der Fliegen totschlägt und keine Ofelia, die zur Flasche greift. Das waren jetzt alles nur fiktive Annahmen, aber in der modernen Opernregie kommen Ausschmückungen dieser Art nicht selten vor, [...]

    Sicher nicht selten, aber m.E. auch nicht so häufig, wie hier manchmal der Eindruck erweckt werden soll. Aber nochmal davon unabhängig (und sicherlich auch ein wenig beharrend, jedoch keinesfalls spitzfindig) hat das wiederum nichts damit zu tun, dass der Eindruck einer abgefilmten Bühnenhandlung ein anderer ist, als der Live-Eindruck.

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