Wer sich mit der Interpretation des unvollendet gebliebenen "Requiem" von W.A.Mozart befaßt, muß sich zunächst mit der Quellensituation beschäftigen:
Mozart konnte sein Werk nicht mehr vollenden. Die Sorge der Witwe war, daß sie dem "unbekannten Besteller" ein vollständiges Werk übergeben mußte, da er durch seine Anzahlung ein Recht auf ein vollständiges Werk erworben hatte. Wie aus einem Brief des Schülers von Albrechtsberger und von Haydn und Mozart geschätzten Universal-Musikers Joseph Eybler vom 21.12.1791 hervorgeht, erhielt er die Fragmente des Requiem zur Vollendung. Er begann mit der Vollendung des Dies irae, Tuba mirum, Rex tremendae, Recordare, Confutatis und notierte den Anfang des Lacrimosa. Seine Ergänzungen sind direkt in Mozarts Autograph zu finden. Die Gründe, weswegen er seine Arbeit ebenfalls unvollendet ließ sind heute unbekannt.
Die Partitur kam dann zu dem damals 25-jährigen Schüler Mozarts F.X. Süßmayr. Da Eybler direkt in Mozarts Autograph gearbeitet hatte, schrieb Süßmayr ab dem Dies Irae eine neue Partitur und knüpfte kaum an die Arbeit Eyblers an. Von Süßmayrs Partituren wurden dann Kopien angefertigt, wovon eine zu Breitkopf & Härtel ging und so verbreitete sich das Werk in der ganzen Welt.
Es ergeben sich nun drei prinzipielle Möglichkeiten der Aufführung:
Erstens: man nimmt den durch Süßmayr überlieferten Notentext oder zweitens: man begnügt sich nicht mit den deutlichen Mängeln der Ergänzung von Süßmayr (wie Beyer), dann müßte aber konsequenterweise alles ab dem Sanctus neu komponiert werden, denn ab da ist nicht einmal mehr das musikalische Gerüst von Mozart oder Süßmayr wiederholt einfach Teile aus dem ersten Teil des Requiem. Diese Konsequenz ist aber heute nicht zu erfüllen.
Die dritte Möglichkeit ist, Mozarts Absichten so nahe wie möglich zu kommen, das geht nur, wenn man die Arbeit Eyblers nicht außer Acht läßt. Zu dieser Ansicht ist auch der von mir hochgeschätzte Musikwissenschaftler H.C. Robbins Landon gekommen, der vor einiger Zeit seine Version vorstellte. Der Vergleich zwischen den von Eybler begonnenen Teilen und Süßmayrs Bearbeitung zeigt, daß Eybler wesentlich mehr Mut zur Ergänzung hat- also auch musikalisch strukturelle Hinzufügungen, (z.B. komplementäre Rhythmen der Bläser) kommen Mozarts Absichten sicher näher, wenn man andere Spätwerke dabei vor Augen hat. Süßmayr instrumentiert die vorgegeben Linien und -und das ist der Unterschied zu Eybler- hat den Mut dort weiterzuschreiben, wo es absolut keine Note mehr von Mozart selbst gibt. Hier ist der Grund wahrscheinlich für Eyblers Verzicht auf die Vollendung zu suchen.
Allein der Versuch, eine auch nur halbwegs vollständige Diskografie des sehr häufig eingespielten Werkes zu erstellen, würde den Rahmen dieses Forums sprengen:
Die Aufnahmen reichen, auf Ausdruck und Gestus des Werkes bezogen, vom „Rumpeln des Leichenkarrens 3. Klasse“ bei Kuijken bis zum „Staatsbegräbnis“ bei Giulini.
Leider ist meine Lieblingsaufnahme unter Roy Goodman mit Gundula Janowitz schon lange gestrichen.
Ausserdem besonders geschätzt von mir werden:
Grundlagen für diese Zusammenstellung waren die Arbeiten von HC Robbins Landon und ein Text von
Prof. Hartmut Haenchen