München: La Forza del Regietheater am 5. Januar

  • Tja, Zweiterbass,

    Verdi mag gläubig gewesen sein - das wird so genau wohl Niemand wissen - als scharfer Kritiker... kann er aber nicht religiös gewesen sein.
    Reguiem - das trägt, nicht nur m. E., sehr deutlich opernhafte Züge.

    das sehe ich absolut nicht. Ganz im Gegenteil. Luther war ein sehr scharfer Kritiker der katholischen Kirche - und dem kann wohl keiner nachsagen, nicht religiös gewesen zu sein.


    Bei Verdi nehme ich auch an, dass er kein so scharfer Kritiker der Kirche gewesen wäre, wenn sie ihm nicht so wichtig gewesen wäre. Und wenn ich an das Requiem und die Quattro pezzi sacri denke ... also, um auf einen anderen Thread zurück zu kommen: Ich glaube nicht, dass man gläubig sein muss, um ein geistliiches Werk zu interpretieren. Aber um eines zu schreiben, wohl schon ...


    Sycorax
    "Und warum sollte man geistliche Werke schreiben, wenn man Agnostiker ist?"



  • Verdi war - genauo wie der von ihm hochgeschätzte und bewunderte Alessandro Manzoni - ein scharfer Kirchenkritiker und hatte mit Sicherheit seine eigene Auffassung von Religiosität. Nach all dem Leid, das er in seinen noch jungen Jahren erfahren musste, war er ebenso jemand, dem die kirchenübliche Antwort auf die Frage nach dem Warum des Leidens nicht genügte und der - anders als seine Frau Giuseppina Strepponi - den Glauben im herkömmlichen Sinne nicht praktizierte. Es wäre aber bei weitem zu kurz gegriffen, wenn man ihn schlicht und einfach zum Atheisten oder auch nur Agnostiker erklären würde. Dazu hat er sich nicht nur in seinen Briefen, sondern auch in seinen Werken immer wieder zu stark mit der Religion auseinandergesetzt. Gerade in der Forza wird ja auch deutlich, wie sehr die Kirche mit ihren "Universallösungen" versagt. Leonora glaubt, durch strenge Buße und einem Leben als Eremitin ihre "Schuld" sühnen zu können und erkennt in der großartigen Pace-Arie, dass genau dies ein Irrtum war, da ihre "Schuld" darin bestanden hatte, Alvaro zu lieben, was in ihrem Umfeld und ihrer Familie zwar als Vergehen betrachtet wird, aber faktisch alles andere als dies ist.


    Zitat

    Come il dì primo
    Da tant'anni dura
    Profondo il mio soffrir.


    "Der Schmerz ist so tief wie am ersten Tag, obgleich so viele Jahre dahingegangen sind."


    Zitat

    L'amai, gli è ver!
    Ma di beltà e valore
    Cotanto Iddio l'ornò.
    Che l'amo ancor.
    Né togliermi dal core
    L'immagin sua saprò.


    "Ja, es ist wahr, ich liebte ihn! Aber Gott machte ihn so schön und wertvoll, dass ich ihn noch heute liebe, und sein Bild auch niemals aus meinem Herzen veschwinden kann."


    Interessant ist, dass sie erkannt hat, dass ihre Liebe ewig ist und dies nicht mehr als "Vergehen" betrachtet, sondern die Geschehnisse der letzten Jahre als Folge tragischer Entwicklungen sieht.


    Zitat

    Oh Dio, Dio, fa ch'io muoia;
    Che la calma può darmi morte sol.


    Sie bittet Gott demzufolge auch nicht um Vergebung (wofür auch ?), sondern um den Tod, damit sie den ersehnten Frieden finden kann.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Man sollte aber auch nicht vergessen, dass die Libretti nicht von Verdi geschrieben wurden.
    Die russische Fassung der Uraufführung schrieb Francesco Maria Piave,
    und die Fassung der italienischen Erstaufführung stammte von Antonio Ghislanzoni.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Danke für die Stellungnahmen - allerdings unterscheide ich streng (und m. E. auch viele Menschen, früher wie jetzt) zwischen Religion und Glauben.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Man sollte aber auch nicht vergessen, dass die Libretti nicht von Verdi geschrieben wurden.
    Die russische Fassung der Uraufführung schrieb Francesco Maria Piave,
    und die Fassung der italienischen Erstaufführung stammte von Antonio Ghislanzoni.


    :hello: Herbert



    Richtig, trotzdem hat Verdi nichts vertont, was ihm nicht gepasst hätte.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Und sogar (in zunehmendem Maße) massiven Einfluss auf seine Librettisten genommen, bis hin zu sehr konkreten Vorgaben im Detail, die etwa ein Ghislanzoni dann eins zu eins in das "Aida"-Textbuch hat einfließen lassen.


    Kurios ist der Fall beim "Trovatore": Cammarano wollte das Krude und Wirre der literarischen Vorlage, also des Guitiérres-Schauspiels, ausmerzen, aber Verdi bestand darauf, dass dieser "abenteuerliche" Charakter der Handlung so erhalten bleibt, wie er auch im erfolgreichen, also vielgespielte Schauspiel wirkte.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Liebe Strano Sognator,
    das ist ein Irrtum.
    Die meisten Werke Verdiis waren Auftragskompositionen.
    Auch z.B. in Don Carlo sind religiöse Praktiken der Katholiken enthallten.
    In Aida sind religiöse Themen der Ägypter enthalten.
    In Nabucco sind sind religiöse Themen der Israeliten enthalten.
    In Otello sind religiöse Gebete der Christen enthalten. u,s,w.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Ja, und der "Irrtum" ist meines Erachtens, zu denken, dass ihm diese religiösen Themen nicht "gepasst" hätten. Verdis Verhältnis zu Religion war eine Art Hass-Liebe, die eben aus beidem besteht: aus Hass wie aus Liebe. :)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"