Beethoven: Klaviersonate Nr. 4 Es-dur op. 7 - CD-Rezensionen und Vergleiche (2014)

  • Habt beide vielen Dank für die ausführlichen Besprechungen, meine liegt leider immer noch nicht beendet herum, aber ich kann meine Notizen wenigstens dazu nutzen, um mich ein wenig an der Diskussion zu beteiligen. Ich will dies zunächst hinsichtlich des ersten Satzes machen, den ich grade noch einmal nachgehört habe,


    Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    das hört sich nicht wirklich motorisch, sondern eher ruhelos an,


    Zitat

    Die Folge davon ist eine Tendenz zur Assimilation und Uniformität – die Themenkontraste verlieren deutlich von ihrem „Setzungs“-Charakter.


    Das sehe ich auch so: aber es ist imO kein Kritikpunkt. Ein con brio darf sich auch ruhelos anhören. Ich bin einverstanden, daß es das nicht muß, aber es ruhelose-vorwärtsstrebend aufzufassen ist imO sehr überzeugend. Und die Themenkontraste ein wenig zu verschleifen halte ich ebenfalls für einen legitimen Ansatz: nimmt man den Themenkontrasten die Schärfe, ist das eine eindeutige Aussage: so unterschiedlich sie sein mögen, sie sind dem beständigen Vorwärtsdrang untergeordnet. Ein wenig langweilig und nicht optimal phrasiert ist imO de Stelle ab Takt 59, das klingt imO ein wenig belanglos.


    Zitat

    gibt es einfach nichts mehr zu verschärfen – nicht nur zu wenig, sondern auch permanent zu viel an Dynamik kann assimilierend wirken. Dazu trägt nicht zuletzt Korsticks sehr derb knalliges Forte und Fortissimo bei. Dynamische Kontraste wollen nicht nur ausspielt, sondern auch organisch in das Ganze eingefügt werden.


    Hier stimme ich Dir allerdings zu: Korstick geht beim ff mitunter zu weit, so daß ihm bisweilen die sf untergehen (z. B. Takte 283 f.), eben weil er das ff nicht mehr sauber toppen kann. Das hört sich in seinen Extremen für mich eher wie ein sehr später Beethoven an. Sehr gelungen ist aber der Ausbruch Takte 313 ff.


    Zitat

    Korsticks Lautheit dagegen ist im Ton eher tonlos hart und hässlich; seine Sforzato-Gestik hat etwas doch sehr bäuerlich Grobes, neigt zum Lärmenden, wodurch sich das Laute allein durch seine Lautstärke in den Vordergrund spielt. Das führt zu einer Rauhigkeit des Klangbildes, einer Unausgewogenheit,


    Das harte ff gehört natürlich zur Konzeption und hat bereits einige Kritiker auf den Plan gerufen. Ich würde es allerdings als "extrem", nicht als "bäuerlich-grob" umschreiben. Letzere Formulierung impliziert nämlich, daß er es nicht anders kann. Das sehe ich aber ganz anders: es ist sein Spielkonzept.


    Im Largo sehe einen leichten Mangel an schönen Phrasierungen (Holger, Du hattest, es fehlende organische Rundungen genannt, glaube ich), es fällt ihm an einigen Stellen fast auseinander.


    Ich komme allerdings zu dem Schluß, daß mich fast schon gewundert hätte, wenn, Dir lieber Holger, der Ansatz von Korstick gefallen hätte, dessen Hören doch so von ABM geprägt ist :D


    Zu den anderen Teilen tauschen wir uns sicher noch später aus, jetzt geht es erst einmal ab in die Sonne.
    Herzliche Sonntagsgrüße
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Das sehe ich auch so: aber es ist imO kein Kritikpunkt. Ein con brio darf sich auch ruhelos anhören. Ich bin einverstanden, daß es das nicht muß, aber es ruhelose-vorwärtsstrebend aufzufassen ist imO sehr überzeugend. Und die Themenkontraste ein wenig zu verschleifen halte ich ebenfalls für einen legitimen Ansatz: nimmt man den Themenkontrasten die Schärfe, ist das eine eindeutige Aussage: so unterschiedlich sie sein mögen, sie sind dem beständigen Vorwärtsdrang untergeordnet. Ein wenig langweilig und nicht optimal phrasiert ist imO de Stelle ab Takt 59, das klingt imO ein wenig belanglos.

    Lieber Jörn,


    mir ging es einfach darum, mal die Maßstäbe zurecht zu rücken. Dieser Satz ist heikel zu interpretieren und stellt alle, die sich daran versuchen, vor eine schwer zu bewältigende Aufgabe. Man kann es sicher so machen wie Korstick. Nur muß ich sagen, daß es eine ganze Reihe von Aufnahmen gibt, welche besonders der erste Satz unter der Berücksichtigung aller Aspekte überzeugender gelungen ist: dazu zähle ich neben Michelangeli Arrau, Pollini, Gilels und auch Brendel (!). Sicher kann man bei Brendel über vieles diskutieren, aber er macht sich z.B. Gedanken über die Durchführung und gestaltet sie als lyrische Episode. Im Vergleich dazu ist Korstick einfach nur verlegen. Und was das Rondo-Finale angeht ist es doch so, daß Brendel etwa diesem Satz einen Perspektivenreichtum und eine Tiefe abgewinnen kann, wozu Korstick nicht in der Lage ist. Da ist ihm schlicht nichts eingefallen, um der Musik Gewicht zu geben. Er macht sicherlich nichts falsch - aber das ist eben zu wenig für eine absolute Spitzenaufnahme.


    Das harte ff gehört natürlich zur Konzeption und hat bereits einige Kritiker auf den Plan gerufen. Ich würde es allerdings als "extrem", nicht als "bäuerlich-grob" umschreiben. Letzere Formulierung impliziert nämlich, daß er es nicht anders kann. Das sehe ich aber ganz anders: es ist sein Spielkonzept.

    Ashkenazy habe ich zweimal im Konzert gehört. Wenn er plötzlich in die Tasten langt, fährt man hoch aus dem Stuhl. Aber sein Fortissimo ist nie häßlich, sondern steht wie die Säule eines griechischen Tempels! Horowitz hatte wohl die härteste Linke aller Pianisten - aber auch sein ffff klingt immer elegant und schlank. Bei Korstick ist das einfach ein technischer Fehler - ein falscher Umgang mit dem Arm (Verteilung des Armgewichts). Und diese deutsche Derbheit und Grobschlächtigkeit zeigt letztlich einen Mangel an musikalischer Sensibilität. So etwas findet man bei Rubinstein, ABM, Gilels, Richter, Horowitz einfach nicht.


    Ich komme allerdings zu dem Schluß, daß mich fast schon gewundert hätte, wenn, Dir lieber Holger, der Ansatz von Korstick gefallen hätte, dessen Hören doch so von ABM geprägt ist

    Dann warte mal ab und wundere Dich, wenn ich Arthur Schnabel bespreche - das ist der Gegenentwurf zu ABM! ;)


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    mir ging es einfach darum, mal die Maßstäbe zurecht zu rücken. Dieser Satz ist heikel zu interpretieren und stellt alle, die sich daran versuchen, vor eine schwer zu bewältigende Aufgabe. Man kann es sicher so machen wie Korstick. Nur muß ich sagen, daß es eine ganze Reihe von Aufnahmen gibt, welche besonders der erste Satz unter der Berücksichtigung aller Aspekte überzeugender gelungen ist:


    Lieber Holger,
    ich bin auch der Meinung, daß diese Sonate nicht unbedingt die Beste ist, die Korstick vorgelegt hat, mit ein wenig Zeit werde ich meine Gedanken dazu doch zusammenzufassen versuchen. Aber ich habe die gesamte Serie mehrfach gehört und Vieles gefunden, was mich überzeugt, insbesondere, was die späteren Werke angeht.


    Zitat

    Ashkenazy habe ich zweimal im Konzert gehört. Wenn er plötzlich in die Tasten langt, fährt man hoch aus dem Stuhl. Aber sein Fortissimo ist nie häßlich, sondern steht wie die Säule eines griechischen Tempels!


    Das ist sicher richtig, Ashkenazys Dynamik ist im Konzertsaal mitunter zum Fürchten :). Aber es ist ein anderes ff, geht nicht in die Extreme, wie Korstick. Ich denke nicht, daß es bei Korstick an einer etwas verqueren Technik liegt, ich halte ihn aktuell technisch für einen der ganz großen Könner. Im ersten Satz gefallen mir allerdings auch Pollini (dessen frühen Sonaten ich sehr mag, wohingegen die späteren imO mitunter etwas abfallen), aber auch Guldas rasanter Ansatz besser.


    Zitat

    "diese deutsche Derbheit und Grobschlächtigkeit zeigt letztlich einen Mangel an musikalischer Sensibilität. "


    Eben das denke ich nicht, ich denke, es ist kein Mangel, sondern sein musikalisches Verständnis. Das muß man nicht mögen, v. a. nicht, weil man mit Beethoven so gar nichts "Grobschlächtiges" verbinden mag, aber eine ganz konsequente und vertretbare Lesart ist es schon.


    Daß Dir die Schnabel-Aufnahme gefällt, wundert mich wirklich :D
    Es sind die einzigen historischen Aufnahmen der Sonaten, die ich besitze und finde sie überwiegend grandios.


    Sei herzlich gegrüßt
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Das ist sicher richtig, Ashkenazys Dynamik ist im Konzertsaal mitunter zum Fürchten :). Aber es ist ein anderes ff, geht nicht in die Extreme, wie Korstick. Ich denke nicht, daß es bei Korstick an einer etwas verqueren Technik liegt, ich halte ihn aktuell technisch für einen der ganz großen Könner. Im ersten Satz gefallen mir allerdings auch Pollini (dessen frühen Sonaten ich sehr mag, wohingegen die späteren imO mitunter etwas abfallen), aber auch Guldas rasanter Ansatz besser.

    Lieber Jörn,


    hast Du Korsticks Liszt-Platte mit den "Annees..." Heft I (Schweiz)? Das ist interpretatorisch wirklich sehr interessant, er macht sich nur alles mit seinem unerträglichen Forte kaputt. "Orage" (das spielt sich nur im Forte-Fortissimo-Bereich ab) hört sich bei Korstick wirklich an, als ob man eine Glasplatte zersägt. Diese Pianistik, die dynamischen Extreme auszukosten, stammt ja aus der russischen Pianistenschule. Auf Wettbewerben (ich habe es mal in Düsseldorf beim Schumann-Wettbewerb leidlich erfahren) erlebt man dann, wie diese jungen Russen kommen und die Musik totspielen nach dem Motto: je schneller und lauter, desto besser. Damit wollen sie ihre überlegene Technik demonstrieren. Sie verstehen dabei aber einfach nicht, daß auch ein extremes Forte auf einem mechanischen Instrument wie dem Klavier "klingen" muß und nicht unangenehm werden darf. Das gehört auch zur Technik. Ein Walter Gieseking, der eine bäuerliche Statur hatte und wahrlich zulangen konnte wenn er wollte, vermochte es, Läufe über die Tastatur zu hauchen als seien sie nicht von dieser Welt. Das ist letztlich die ganz hohe Technik - nämlich das Mechanische des Instruments vergessen zu machen. :)


    Ich hoffe, Pollini ringt sich durch und nimmt die späten Sonaten nochmals auf. Damals war ein einfach noch ein bisschen jung. (Pollini spielte in dieser Zeit mit einem schier unglaublichen Krafteinsatz, ich habe es noch erlebt. Er hatte dabei Stehvermögen über eine lange Distanz - keine der Plattenaufnahmen von damals kann das wirklich vermitteln!)


    Eben das denke ich nicht, ich denke, es ist kein Mangel, sondern sein musikalisches Verständnis. Das muß man nicht mögen, v. a. nicht, weil man mit Beethoven so gar nichts "Grobschlächtiges" verbinden mag, aber eine ganz konsequente und vertretbare Lesart ist es schon.

    Etwas Derbes gehört auch zu Beethoven, da gebe ich Dir gerne Recht! :) Pollini z.B. spielt das aus. Nur vermag er dem einen Ausdruckssinn zu geben, den ich bei Korstick vermisse: das Emanzipatorische und Nonkonformistische, die Äußerung von Willenskraft mit einem Anflug von Wut. Die Derbheit bei Pollini ist so eben nicht häßlich. Auch Gilels (mit einer bäuerlichen Statur und Pranken wie Gieseking) hatte Sinn dafür. Ich habe ihn mit den Eroica-Variationen im Konzert erlebt. Wie er da diesen bäuerlichen Humor von Beethoven rüber brachte - grandios! :)


    Herzliche Grüße
    Holger

  • Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    hast Du Korsticks Liszt-Platte mit den "Annees..." Heft I (Schweiz)? Das ist interpretatorisch wirklich sehr interessant, er macht sich nur alles mit seinem unerträglichen Forte kaputt. "Orage" (das spielt sich nur im Forte-Fortissimo-Bereich ab) hört sich bei Korstick wirklich an, als ob man eine Glasplatte zersägt.


    Die habe ich, lieber Holger, wir können uns gern im Annees thread noch einmal genauer darüber unterhalten :) Da geht es ja wirklich in die Extreme.


    Ich hoffe, ich komme endlich dazu, mir Pollini noch einmal anzuhören (leider jeden meine Arbeitstage momentan gefühlt nie). Ich fand einfach die späteren Sonaten gegenüber den früheren etwas schwächer, sofern man auf diesem Niveau überhaupt davon sprechen kann. Mir ist Pollini bei manchen der Aufnahmen der späteren Sonaten etwas zu "glatt", aber - darüber hatten wir uns ja auch bereits ausgetauscht - das kann auch immer mit der Tontechnik zusammenhängen.


    Bei Korstick ist - das gebe ich gern zu - das Extreme wirklich extrem, das Spiel ist manchmal auf der Kippe, diese Sonate finde ich, wie gesagt, auch nicht so stark.


    Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    nämlich das Mechanische des Instruments vergessen zu machen.


    Das ist natürlich die ganz große Kunst, ich meine nur, aber: wenn das Mechanische nicht vergessen gemacht wird, kann das m. E. zwei Gründe haben:
    1) mangelndes technisches Vermögen
    2) ein Spiel, bei dem das Mechanische des Instruments bewußt nicht überspielt wird. Das kann imO auch ein Mittel des musikalischen Ausdrucks sein.
    Bei Korstick tendiere ich zu 2) :D


    Sei herzlich gegrüßt
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Zitat

    Jlang: Ich hoffe, ich kommen endlich dazu, mit Pollini noch einmal anzuhören...

    Da bin ich ja auch auf deine Meinung gespannt, liebe Jörn, denn Pollini steht ja bei mir auch noch auf der Agenda, nach Lill, Perahia und perl und vor Richter, Sokolov, Yokoyama und Zechlin, und dann hoffe ich ja noch, dass irgendwann Rudolf Buchbinder auch noch bei mir eintrifft. Die erste Zusendung ging ja nach 4 Wochen schief.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • ein Spiel, bei dem das Mechanische des Instruments bewußt nicht überspielt wird. Das kann imO auch ein Mittel des musikalischen Ausdrucks sein.
    Bei Korstick tendiere ich zu 2) :D

    Lieber Jörn,


    eine etwas kühne These finde ich! :D Korstick hat ja durchaus Spielkultur, ist finde ich durchaus kein Glenn Gould-Typ, der auf das "Pianistische" weniger Wert legt. Und wenn das extreme Forte generell eher häßlich klingt, wie mir scheint, dann ist das wohl doch eher eine allgemeine Schwäche als wohldosierte Härte? Ich finde, bei ihm lenkt das "häßliche" Forte vom Ausdruckswert mehr störend ab als es ihm dient. Berman oder Cziffra spielen "Orage" doch wahrlich hart genug (bestimmt objektiv nicht weniger laut als Korstick, nur eben nicht unangenehm). Da wäre es schön, wir könnten eine gemeinsame Hörsitzung machen! Das sind leider die Grenzen einer Forumsdiskussion! :)


    Da bin ich ja auch auf deine Meinung gespannt, liebe Jörn, denn Pollini steht ja bei mir auch noch auf der Agenda, nach Lill, Perahia und perl und vor Richter, Sokolov, Yokoyama und Zechlin, und dann hoffe ich ja noch, dass irgendwann Rudolf Buchbinder auch noch bei mir eintrifft. Die erste Zusendung ging ja nach 4 Wochen schief.

    Lieber Willi,


    ich habe noch Jonathan Biss von der ganz jungen Generation, den ich im Laufe der Woche auch noch besprechen werde (zusammen mit einem Gilels-Nachtrag). :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    eine etwas kühne These finde ich! :D Korstick hat ja durchaus Spielkultur, ist finde ich durchaus kein Glenn Gould-Typ, der auf das "Pianistische" weniger Wert legt. Und wenn das extreme Forte generell eher häßlich klingt, wie mir scheint, dann ist das wohl doch eher eine allgemeine Schwäche als wohldosierte Härte? Ich finde, bei ihm lenkt das "häßliche" Forte vom Ausdruckswert mehr störend ab als es ihm dient. Berman oder Cziffra spielen "Orage" doch wahrlich hart genug (bestimmt objektiv nicht weniger laut als Korstick, nur eben nicht unangenehm). Da wäre es schön, wir könnten eine gemeinsame Hörsitzung machen! Das sind leider die Grenzen einer Forumsdiskussion! :)


    Ach nun ja, etwas kühn vielleicht ;) , ob sie sich halten läßt, weiß ich auch nicht, aber ich werde jetzt noch einige Korstick Aufnahmen zusammentragen und dann einmal bewußt daraufhin zu hören versuchen. Mal sehen, was sich ergibt.
    Cziffra spielt sehr hart und mitunter auch mit einem "hässlichen" Ton, wie ich finde. Es stimmt, daß natürlich da die Grenzen der Forumsmöglichkeiten erreicht werden, aber ich hörte schon Lust, mich einmal wieder mehr über Liszt auszutauschen (ich hatte ja eine lange Liszt-Pause und erst vor Kurzem wieder angefangen, ihn zu hören)


    Zitat William B. A.

    Zitat

    Da bin ich ja auch auf deine Meinung gespannt, liebe Jörn, denn Pollini steht ja bei mir auch noch auf der Agenda, nach Lill, Perahia und perl und vor Richter, Sokolov, Yokoyama und Zechlin, und dann hoffe ich ja noch, dass irgendwann Rudolf Buchbinder auch noch bei mir eintrifft. Die erste Zusendung ging ja nach 4 Wochen schief.


    Bei Pollini gefallen mir ja in der Regel die frühen Beethoven Sonaten viel besser, als die Einspielungen der späten. Ich versuche auf jeden Fall noch Korstick und Pollini beizusteuern. Das sollte meine Zeit noch hergeben (erstmal wartet aber am Wochenende noch mein Beitrag zum Opernführer). Auf Buchbinder wäre ich ja auch neugierig, seine Klavierkonzerte finde ich sehr gut. Aber es gibt dann auch noch andere CD’s die gekauft werden möchten und so muß er noch warten. Perl habe ich gar nicht, wenn ich mich recht entsinne, ich habe nur eine Doppel-CD mit den bekanntesten, weiß gerade gar nicht, ob die Nr. 4 da überhaupt dabei ist.


    Euch beide grüßt herzlich
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)


  • Jonathan Biss – den ich bislang gar nicht kannte, ist eine wirklich positive Überraschung für mich! :) Man hört einen durchaus jugendlich frischen Beethoven – aber nie vordergründig grob. Biss gehört zu den Wenigen, die Sinn für Klassizität haben. Bei ihm „klopfen“ die Achtel in der Einleitung – ein gewisser Vitalismus, den sich die großen historischen Tastentitanen freilich nicht erlauben. Und man kann sich fragen, ob das etwas hastige Vorwärtsdrängen wirklich „con brio“ – also leidenschaftlich bewegt – ist. Das Beglückende an Bliss´ Vortrag ist aber die stets unaufdringliche, klassische Entspanntheit. Die Musik entwickelt sich stets mit einer ungezwungenen Selbstverständlichkeit und Lockerheit. Der frühe Beethoven – bei Bliss klingt er locker leicht, so als wäre Beethoven ein Zwillingsbruder von Joseph Haydn. Der schwierige erste Satz ist schön anzuhören – als Kritikpunkte wären anzumerken: Das Seitenthema wirkt etwas zu „transitorisch“ und daher ausdruckslos. Insgesamt wird das Problem des etwas flotten Tempos deutlich, das auf Kosten einer Profilierung der Gegensätze der Themencharaktere geht. In der Coda sind die Sforzati zu undifferenziert – das wirkt ein bisschen eindimensional einfallslos. Auch bei Biss zeigt sich ein Grundproblem so vieler Interpretationen: Die Durchführung fehlt die Prägnanz und der Sinn einer dramatischen Kontrastschärfung. Auch hier bleibt er locker entspannt. Bei allen „Mängeln“ muss man aber die Stärke von Biss hervorheben: Er wahrt durchgehend die Klassizität – eine an Haydn erinnernde Gelöstheit und Entspanntheit.


    Das Largo ist zu Beginn zwar nicht wirklich con gran espressione gespielt, dafür aber mit schönem runden Ton und feiner Spielkultur. Die Steigerungen kann man sicher gewichtiger und emotional aufwühlender spielen – aber Biss bleibt sich auch hier treu: ein hoch kultiviertes Klavierspiel, Beethoven klassisch geläutert mit der Leichtigkeit Haydns. Bezeichnend bleibt bei ihm das Fortissimo Takt 20, 21 elegant und locker, fern jeder plumpen Lärmigkeit wie etwa bei Korstick. Die Portato-Passage mit vielleicht etwas zu fröhlich-vitalistischen Tupfen hat aber durchaus dramatische Züge. Die mysteriöse Stelle mit den Vorschlagsfiguren im Diskant ist ihm sehr gut gelungen – das ist nachdenklich gespielt und hat durchaus „Aura“. Manchmal vermisst man bei dieser Haydn-haften Leichtigkeit doch ein wenig so etwas wie Getragenheit, einen Anflug von sostenuto. Aber oberflächlich ist das nie! Der Abschnitt mit den tänzelnden Dreierfiguren (T. 74 ff.) tritt etwas in den Hintergrund der sehr dominierenden Basslinie gegenüber. Das Ausklang – sehr schön!


    Beim Scherzo erweist sich sein Zugriff einfach als klassisch-treffsicher: im moderaten Tempo ausgewogen und ausgeglichen in jeder
    Hinsicht: Das hat Anmut! Den Mittelteil trägt er vor mit schön singendem, verhaltenem und zugleich fein abgestuftem Ton. Auch der Minore-Teil gelingt vortrefflich, federnd leicht gespielt mit wiederum deutlich genug aber unaufdringlichen Fortissimo Einschlägen. Beim wehmütigen Ausklang hebt sich die Melodiestimme etwas zu wenig ab dem grummelnden Baß gegenüber. Und schließlich zum Rondo kann man sagen: Endlich einmal jemand, der das grazioso wirklich Ernst nimmt! Die Interpretation von Jonathan Biss verkörpert gleichsam der Gegenentwurf zu Alfred Brendel: Während Brendel diesen Satz – besonders in der 1995iger Aufnahme – romantisiert und mit existenziellem Tiefsinn auflädt, erscheint er bei Biss als die leibhafte Unschuld – ein leicht tänzelndes lieto fine, aber keineswegs ohne Sensibilität gespielt, mit Sinn für die ganz leisen, zart-verletzlichen Töne. Der Fortissimo Teil – auch er verliert das Graziöse nicht: Das erklingt motorisch leicht und rhythmisch präzise, völlig „ungrimmig“ aber mit angemessenem dynamischen Vorwärtsdrang. Die darauf folgende Reprise des Rondo-Themas ist wunderbar zart ausgesungen und der letzte Auftritt des Rondo-Themas (Takt 155 ff.) in leiser Erinnerung in schön blühendem Ton gespielt. Die Vorschläge in der Coda – da ist mal jemand, bei dem sie nicht „klappern“, sondern zart und differenziert ausgestaltet werden. Der Ausklang dieser Sonate intim und anmutig – beglückend! Die op. 7 hat bei Jonathan zwar nicht die Monumentalität einer „großen“ Sonate, beeindruckt aber durch ihre immer locker-gelöste Klassizität und hohe Spielkultur.
    :) :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Das ist eine sehr interessante Rezension, lieber Holger, auch interessant für diesen Thread, dass junge Leute nachkommen, sind doch die "Jüngsten" z. B. in meiner Sammlung in der Tat Michael Korstick und Alfredo Perl, die den Großteil ihrer Interpretationen in den letzten 20 Jahren, Korstick sogar in diesem Jahrtausend, aufgenommen haben, und mit den jüngsten Aufnahmen fehlt mir ja immer noch Rudolf Buchbinder, den ich jetzt ein zwestes Mal bestellt habe. Aber Buchbinder ist auch kein junger Mann mehr. Ein weiterer aus der jungen Garde wäre Paul Lewis, den ich aber auch nicht komplett habe.
    Eine weitere vielversprechende Pianistin, die ihre ersten sechs Beethoven-Sonaten (op. 90 bis 111) erst kürzlich aufgenommen hat, ist Dina Ugorskaja, die Tochter von Anatol Ugorski. In einem der nächsten Threads werde ich eine aus den letzten sechs Sonate auswählen, allerdings nicht das op. 111, das möchte ich bis zum Schluss aufbewahren.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Eine weitere vielversprechende Pianistin, die ihre ersten sechs Beethoven-Sonaten (op. 90 bis 111) erst kürzlich aufgenommen hat, ist Dina Ugorskaja, die Tochter von Anatol Ugorski.


    Lieber Willi,


    ich habe Dina Ugorskaja sogar gehört hier in Bielefeld (Detmold, die Wirkungsstätte der Ugorskys, ist ja gewissermaßen nebenan) ! :) Das war vor etlichen Jahren anläßlich einer Tagung für den Soziologen Richard Grathoff, den meine Frau und ich persönlich sehr gut kannten - der leider kürzlich verstarb und bei dessen Beerdigung wir waren. Dort spielte sie die Balladen op. 10 von Johannes Brahms, das gehörte zum kulturellen Rahmenprogramm.


    Alfredo Perl ist ja Arrau-Schüler - ich kenne allerdings leider nur seinen Liszt und nicht den Beethoven! :(


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Von Jonathan Biss gibt es bereits drei CD's einer langsam wachsenden Gesamtaufnahme. Er will sich dafür insgesamt 10 Jahre Zeit lassen, es ist also kein Schnellschuss. Ich bin von den bisherigen Aufnahmen beeindruckt, auch wenn mir nicht alles gefällt. Aber er verfügt über einen äußerst wandlungsfähigen Anschlag und sucht für jede Sonate weitgehend einen individuellen Zugang. Sehr lesenwert ist sein Buch über seine lebenslange (also seit seiner Jugend) Annäherung an Beethoven und über Vorbilder wie Serkin und Schnabel - Biss hat auch schon für die EMI eine Beethoven-CD aufgenommen, aber die neuen Aufnahmen sind besser. Vor allem aber muss man sagen: das ist perfektes Klavierspiel im 21. Jahrhundert, äußerst genau, gleichzeitig aber auch mit einem eigenen Zugriff.



    Das Buch gibt es als Kindle-Download, ist nicht besonders lang, aber in jedem Fall lesenswert.


    Pauls Lewis' Aufnahme ist mit ziemlich viel Hall aufgenommen, seine eher lyrisches Konzept geht bei dieser Sonate nicht so gut auf, finde ich.


    Viele Grüße,
    Christian

  • Von „Größe“ bei einer musikalischen Interpretation zu sprechen, damit sollte man vorsichtig sein – und ich bin in dieser Hinsicht im allgemeinen auch sehr zurückhaltend. Bei Emil Gilels´ Aufnahme ist solche Vorsicht aber unangebracht. Hier zeigt sich wahrhaft überragende Qualität in mehrfachem Sinne: des Vergleichs, auch die vielen guten und sehr guten Aufnahmen zu überragen, der Qualität in pianistischer Hinsicht von technischer Perfektion und seltener Klangschönheit, in der Fähigkeit, das Spielen von Musik voll und ganz in ein seelisch-geistiges Geschehen zu verwandeln, ihr bis dahin ungehörte Ausdrucksdimensionen abzugewinnen sowie einer unerhörten Vielschichtigkeit, die aber ein harmonisches Gleichgewicht bildet, von geradezu monolitischer Geschlossenheit ist. Die Aufnahme von Gilels – die einzige, die von ihm mit dieser Sonate existiert – ist nicht nur unvergleichlich, man mag sie auch nicht mit anderen überragenden wie die von Michelangeli vergleichen. Wie stets dann, wenn Vollendung erreicht ist, ruht sie in sich und spricht für sich selbst.


    Schon die Einleitung verblüfft mit einer Mischung aus Klarheit und Vielschichtigkeit. Gilels´ Spiel zeigt eine kaum glaubliche Flexibilität und Feinsinnigkeit – da gibt es keinerlei Stereotypen der Gestaltung im vermeintlich Selbstverständlichen. Kontrastierungen auf kleinstem Raum – eine pochende Achtelfigur, die durch eine feine melodische Linie abgelöst wird, Gewichtsverlagerungen in der Betonung der Stimmen, ein durchgehender, leise pulsierender Rhythmus. Die Musik „antwortet“ bei Gilels, ist sozusagen hellhörig auf ihre Umgebung. So modifiziert er in der Reprise die Einleitung. Die pochenden Achtel in der linken Hand sind deutlich zarter, das Sforzato, das beim ersten Auftritt deutlich artikuliert war, wird nun dezent zurückgenommen. Nicht nur, dass er eine nahezu ideale Balance von durchgängiger Bewegung und der Geschlossenheit der Periodenarchitektur hinbekommt und die dynamischen Abstufungen von Einleitung und Exposition wirklich „stimmen“ – der Fortissimo-Themeneinsatz ist wirklich ein solcher, welcher mit der Einleitung kontrastiert. Faszinierend, wie er das Fortissimo nicht einfach in die Tasten haut, sondern in dieser Extremdynamik auch noch zu phrasieren imstande ist sowie dabei den „Ton“ nicht verliert, es versteht, ihm Fülle und Gewicht zu geben. Gilels ist ein Meister darin, dem Unscheinbaren Bedeutung zu geben, Kleinigkeiten hervorzuheben, eine leise Verzögerung, ein Atemholen, welche deutlich Wirkung entfalten, aber immer organisch sich einfügend in das Ganze. Die Musik wird geradezu liebevoll bis in den letzten Winkel ausgehorcht. Wo andere die Themencharaktere nivellieren, werden sie bei Gilels ungemein plastisch und eindringlich, ohne dass der Fluss darunter leidet. Der Coda nimmt er ihre mechanische Eindimensionalität, indem er die Melodiestimme quasi staccato herausarbeitet, so dass ein Klangrelief entsteht – Vordergrund (die lauten Sforzati), Mittelgrund (die Melodiestimme) und Hintergrund (die Sechzehntelbewegung). Viele scheitern an der Durchführung, die bei Beethoven formal bedingt regelrecht kümmerlich geraten ist. Gilels arbeitet hier keineswegs mit brachialer Gewalt, bleibt eher zurückhaltend – und trotzdem erfüllt dieses rudimentäre Durchführungsgeschehen seine Funktion der Kontrastschärfung durch die auf engen Raum zusammengedrängte motivisch-thematische Mannigfaltigkeit, die Gilels mit seiner Feinsinnigkeit in ihrer Vielgestaltigkeit herauszuarbeiten versteht. Eindrucksvoll ist nicht nur der Stimmungswechsel zu Beginn der Reprise sondern vor allem der Schluss: Fern jeder klassizistischen Glätte kommt hier auf einmal Unruhe und Ungeduld auf, welche den Hörer überrascht, so als habe die Musik noch nicht alles ausgesprochen und „durchgeführt“ – ein zweideutiges, durchaus fragliches Ende also.


    Das Largo ist ein „Meisterstück“ von Gilels, in das man sich nahezu unendlich vertiefen kann. Er beginnt mit vollem Ton, mit leicht gehaltenen Vierteln. Das ist schwer und zugleich schlicht, eine Innerlichkeit ohne sentimentalisches Schwelgen, geradlinig, charakterfest gefasst und tief zugleich. Wie er gerade hier wiederum den Details Bedeutung verschafft (etwa den expressiv eindringlichen Sforzati), lässt sich kaum in eh viel zu kurze Worte fassen. Das Portato ist eine Spezialität von Gilels und die Passage entsprechend betörend gestaltet mit feinsinniger Wandelbarkeit des Anschlags. Berührend, wie er das Portato zunächst ins weiche pp zurücknimmt, um dann die Steigerung zum ff aufzubauen. Auf das sehr massige – aber eben nicht trocken-harte – Forte Takt 37 folgt ein um so aufregenderes Piano, ein zugleich klar, ohne Romantisierung und hintersinnig gespielte Passage mit den Misterioso-Vorschlagsfiguren. Wie er danach die absteigenden Figuren mit den punktierten Achteln und Sforzati individualisierend gestaltet – das kann man nur bewundern. Wie schon im Kopfsatz überrascht der Schluss: Wo den Pianistenkollegen eigentlich nichts mehr Substantielles einfällt, die Musik nur noch „ausläuft“ zum Ende hin, da überrascht Gilels den Hörer mit einem nicht zu erwartenden, neuen Ton: Im feinen Rubato der rhythmisch-tänzelnden Figuren kommt Verhaltenheit und Zögern auf – ein leiser Ausbruch von Leidenschaft. Atemberaubend!


    Auch beim Scherzo gelingt Gilels ein Wunder. die Balance aus klassischer, schwereloser Leichtigkeit und einer fast schon humoristischen Derbheit zu finden. Das Bindeglied ist Gilels Verhaltenheit – weil dieses Scherzo nichts übertrieben Verspieltes hat, passen dazu die „deutsch“-derben Einschläge, die in ihrer rhythischen Präzision von Grobschlächtigkeit weit entfernt sind. (Willis Eindruck des pastoralen Tons ist hier sehr treffend finde ich – eine ästhetisierte und nicht prosaische Bäuerlichkeit.). Der Mittelteil ist zugleich schön und polyphon gespielt. Gilels setzt immer wieder (in der Reprise des Scherzo überraschend neue, bis zum sf gehende) Akzente, indem er die melodischen Stütztöne betont, die Verwirklichung des klassischen Kontrastprinzips schon im kleinsten motivischen Element. Der Minore-Teil besticht durch seine Verhaltenheit – ein im Ton volles pp mit deutlichen ff-Einschlägen ohne jede Brutalität. Dies ist spannender als jeder drängende Impuls, weil man einen Ausbruch erwartet, der dann aber nicht kommt. Statt dessen gibt es einen lyrischen Abgesang – den Gilels mit schön schwebender Melodiestimme vorträgt, die sich bei den meisten Kollegen dem Baß gegenüber nicht durchzusetzen vermag und entsprechend untergeht. Das Scherzo endet kräftig – wodurch der Einsatz des Rondos zum eindrucksvollen Kontrast wird. Das Rondo-Thema in seinem leise singenden Ton ist ein Wunder an Balance – die Kunst von Gilels ist hier sein sehr dezentes Rubato. Das ist ein Ausdruck von Innerlichkeit, ohne allerdings die Musik jemals romantisierend zu verzärteln. Wie er die aufsteigenden Forte-Vierundsechzehntel im Baß zugleich jegliche Härte nimmt, aber ihnen das „Forte“-Wesen lässt, ist geradezu das Möglichwerden eines Unmöglichen: Ein grazioso auch im kontrastierend Ungraziösen, bäuerlich-pastoral Auftrumpfenden. Die Figuren werden individualisiert und erreichen Vielschichtigkeit durch Gilels´ feine und flexible Akzentuierung. Das Rondo-Thema in seinem wiederholten Erscheinen changiert in seiner melodischen Kraft – ohne jemals süßlich zu wirken, dazu nie ohne „Antwort“ durch seine motivischen Gegenspieler. Der Fortissimo-Teil bei Gilels ist rhythmisch beschwingt, hat eine gewisse Abstraktheit, hat aber durchaus „Grimm“ (sehr kurz gespielte Staccatos!), ohne aber dabei durch irgendwelche Gewaltsamkeit das grazioso zu durchbrechen. Wunderbar feinsinnig läuft diese rhythmische Episode im Pianissimo aus. Nach dem Amelodsch-Rhythmischen fällt die Reprise des Rondo-Themas um so melodischer aus nach dem klassischen Kontrastprinzip. Vor der letzten Erinnerung des Rondo-Themas baut Gilels dramatisch Unruhe auf. Und Gilels wäre nicht Gilels, wenn er nicht auch diesem letzten, endgültigen Schluss eine überraschende Wendung geben könnte: Die Bassfiguren spielt Gilels nun trocken und die Sforzati extrem kurz. Die Musik erstirbt so am Schluß nicht nur in lauter Schönheit, sondern behält etwas Unbequemes, vielleicht sogar hintergründig Widerborstiges. Das ist Ausdruck von Subjektivität in subtiler Andeutung. Gilels musikalischer Blick – er entdeckt in dieser Sonate Komplexität und seelische Regung auch dort, wo scheinbar nichts ist, was nur die Kunst eines großen Künstlers vermag. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    schönen Dank für diese intensive und treffende Charakterisierung von Gilels wirklich überragenden Interpretation, die ich genauso empfunden habe. Er versteht es wie kaum ein anderer, der aus dem slawischen Kulturraum kommt, die "russische Klavierschule" in eine Synthese der dynamischen Extreme zu transformieren und gerade in dieser Sonate, die als kaum fassbares "Frühwerk" Beethovens schon zu solcher Vollendung gereift ist, durch kluge Disposition seiner dynamischen Fähigkeiten zu solcher Ausdrucksgröße zu gelangen. Da hört man und ist ergriffen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    Die op. 7 hat bei Jonathan zwar nicht die Monumentalität einer „großen“ Sonate, beeindruckt aber durch ihre immer locker-gelöste Klassizität und hohe Spielkultur.
    :) :)


    Lieber Holger, auch in diesem thread mein Dank für die Vorstellung. Biss war mir bisher überhaupt kein Begriff, aber ich habe die Klavierszene auch nicht mehr wirklich exakt verfolgen können. Eine locker gelöste Klassizität kann einer großen Sonate ja sehr gut anstehen. Deine Beschreibung hört sich für mich ein wenig so an, wie ich Pollini im Ohr habe, der diese Sonate auch mit einer hohen Spielkultur angeht (wobei ein Vergleich natürlich hinkt, weil Pollini ein Maß an Spielkultur besitzt, das ihm so leicht niemand nachmacht).
    Ob das Lob für die Anschaffung auch dieser Interpretation reicht ... ich weiß es nicht.


    Zitat

    Gilels musikalischer Blick – er entdeckt in dieser Sonate Komplexität und seelische Regung auch dort, wo scheinbar nichts ist, was nur die Kunst eines großen Künstlers vermag.


    Lieber Holger, da bin ich ganz bei Dir, Gilels hat ja eine Reihe ganz großer Interpretationen der Beethoven Sonaten vorgelegt. Man kann vielleicht im Vergleich zu Brendel sagen: Brendel stellt fest: es gibt an gewissen Stellen für ihn nichts bzw. nicht genug, also gestaltet er, sucht er einen Weg, das, was ihm zu wenig ist, zu gestalten. Gilels gestaltet im wahrsten Sinne des Wortes spielender als Brendel. Damit meine ich keinen Vergleich der pianistischen Fertigkeiten, sondern ein unterschiedliches Werkverständnis. Brendel "misstraut" vielleicht stärker einer Aussage der Musik, die über die Zeit Beethovens hinaus geht, er meinst sie im hier uns jetzt gestalte zu müssen, um ihr Bedeutung zu geben, Gilels vertraut der Musik und sich ihr vollkommen an. Ich finde Brendel daher interessanter, Gilels überwältigender.
    Sei herzliche gegrüßt
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Deine Beschreibung hört sich für mich ein wenig so an, wie ich Pollini im Ohr habe, der diese Sonate auch mit einer hohen Spielkultur angeht (wobei ein Vergleich natürlich hinkt, weil Pollini ein Maß an Spielkultur besitzt, das ihm so leicht niemand nachmacht).
    Ob das Lob für die Anschaffung auch dieser Interpretation reicht ... ich weiß es nicht.

    Lieber Jörn,


    Pollini ist ein eigenes ganz großes Kaliber - die Aufnahme mag ich sehr! :) Die CD habe ich im Pollini-Thread besprochen - hier müßte ich sie mir nochmals gezielt vornehmen. Es wartet also wieder Arbeit auf mich! Christian hat mich schon vorgewarnt, daß die Mondscheinsonate bei Bliss doch nicht ganz so gut ist wie seine op. 7. Da muß ich mich erst noch einhören!


    Brendel "misstraut" vielleicht stärker einer Aussage der Musik, die über die Zeit Beethovens hinaus geht, er meinst sie im hier uns jetzt gestalte zu müssen, um ihr Bedeutung zu geben, Gilels vertraut der Musik und sich ihr vollkommen an. Ich finde Brendel daher interessanter, Gilels überwältigender.

    Das finde ich gut charakterisiert und bringt mich zum Nachdenken. :) Kempff 1940, Michelangeli (vor allem der betörende Mitschnitt aus Bonn), Brendels erste Vox-Aufnahme haben diesen Zug des Schwelgens im Schönen, sie verzaubern uns um uns in eine andere Welt zu entführen. Giilels´ Schönheit ist dagegen ganz unschwelgerisch, puristisch klar, "junonisch" mit Hölderlin, alles Blendende und "Faszinierende" des schönen Scheins ausschaltend. Dafür versenkt er sich aber ungeheuer in die Tiefe. :hello:


    Herzliche gute Nacht Grüße
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 4 Es-dur op. 7
    John Lill, Klavier
    AD: ?
    Spielzeiten: 8:04-8:51-5:19-7:10 – 29:24 min.;


    Dann darf ich jetzt noch einen in Deutschlang großen Unbekannten ins Spiel bringen, von dem ich von Mal zu Mal mehr zu der Meinung neige, dass hier eine ganz große Gesamtaufnahme entstanden sein könnte. John Lill hat 1970 den Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau gewonnen, 4 Jahre nach Grigory Sokolov und vier Jahre vor Andrei Gawrilow, und wer den Tschaikowsky-Wettbewerb gewonnen hat, der ist ja, wie der Bayer sagt, „nicht gerade auf der Brennsuppen daher geschwommen“.


    John Lill schlägt im Allegro molto ein eher schnelleres Tempo an und beginnt auch dynamisch ausgewogen. Allerdings stolpere ich in Takt 25 bis 32 über eine dynamische Abweichung, die ich so noch nicht gehört habe:
    Er spielt die ersten Fortissimo-Akkorde und die nachfolgend ansteigenden Achtel/dreiachtel ganz normal ff-pp, die zweite Folge ab Takt 29 aber ff-mf. Ich weiß nicht, warum. Das ist dies in der sechzehnten Hörsitzung das erste Mal, dass ich das so gehört habe. Das bringt m. E. die musikalische Architektur dieser Phrase in eine Schieflage.
    Der zweite Teil der Exposition mit den Sforzandi in den Takten 41, 43 51 und 53 und dem sich anschließenden lyrischen Teil ab Takt 59 kommt dann wieder so werkgetreu, wie man das von Lill gewohnt ist. Auch das lange Crescendo mit den anschließenden ff-Takten 79 und 80 un den folgenden Pianissimi kommt ganz ausgezeichnet, desgleichen die beiden großen Steigerungen ab Takt 97 und 105. Auch die Folge der Oktavverschiebungen ist ganz glänzend, die zur Überleitung zur Wiederholung der Exposition führt.
    Leider macht er diese Extravaganz in Takt 30-32 noch einmal. Stand das so in seiner Partitur?
    In der Durchführung spielt er die Achtelläufe von Takt 141 bis 152 ganz zauberhaft, auch die Sforzando-Kette, die nicht dynamisch nach oben ausreißt, wie ich überhaupt sagen muss, dass er dynamisch durchaus einen klassischen Mittelweg wählt.
    Der zweite Teil der Durchführung zwischen den beiden Doppelstrichen ist m. E. großartig.
    Auch die Reprise, die dynamisch höher steht, aber auch von ihm keine Auswüchse erfährt, ist ohne Fehl und Tadel. Die Steigerungen in der Wiederholung der lyrischen Sequenz, moderat, fließend, sehr eindrucksvoll! Auch die Oktavverschiebungen und die Überleitung zum dynamisch noch mal ansteigenden Codateil gefallen mir ausnehmend.
    Bis auf diese o. a. ominöse Stelle ist dieser Kopfsatz durchaus lyrisch betont und dynamisch moderat angelegt, organisch fließend und unter einem großen Bogen.


    Das Largo beginnt großartig, auch er retardiert die Kerntakte 5 bis 8 leicht, weil sie in dieser Phrase zweifellos den Höhepunkt darstellen, m. E. sogar einen Höhepunkt des ganzen Satzes. Das kann natürlich, wie bei Korstick, noch extremer verzögert werden, was nicht jedem gefällt, aber m. E. bei Korstick dennoch nicht dazu führt, dass diese Phrase auseinanderfällt, sondern zu einem ungeheuren Spannungshöhepunkt führt.
    Nun, das möglicherweise Auseinanderfallen der Phrase ist bei Lill nicht zu befürchten, der trotz allem diese Stelle schneller spielt als Korstick und auch als Gilels. Allerdings sind auch bei Lill die jeweils drei ff-Akkorde in den Takten 20 und 21 sehr rustikal gestaltet. Das hat fast einen Effekt wie im Andante von Haydns Sinfonie mit dem Paukenschlag; aber das passt auch ganz gut zu Beethoven.
    Das sempre tenute-sempre staccato ist auch ganz glänzend gespielt, und auch die Weiterführung mit den hohen Trillern- hohe Kunst! Desgleichen ist die nachfolgende Sequenz gestaltet mit den Sforzandofolgen und dem Decrescendo-Abstieg, der in das tenute mündet.
    Auch in der Wiederholung spielt er die Schlüsselstelle Takt 55 bis 58 genauso expressiv. Sehr schön auch das Sforzandopiano ab Takt 64, das er dann im Rinforzando ab Takt 67 deutlich anhebt. – Dann wieder die rustikalen ff-Schläge, das machen andere aber auch so, das ist aber ein sonores Fortissimo. Vollends geht es dann aber ab Takt 74 ins Elysium.
    Die Coda ab Takt 78 haut mich dann endgültig vom Hocker- formidabel!


    Entspannt spannend geht es im Allegro weiter- auch hier klassische Mitte, pianistische Spitze. Auch hier übertreibt er es dynamisch nicht. Auch das Mancando beachtet er moderat.
    Im Minore kontrastiert er dynamisch stärker als mancher Andere, die Fortissimopiani kommen satt und im zweiten Teil ab Takt 111 ist ein deutlicher dynamischer Unterschied zu Takt 96 zu hören, ganz, wie es in der Partitur steht. Dieses Minore ist kein Gesäusel. Auch in diesem Satz stellt, sprich im Allegro, stellt Lill einmal mehr unter Beweis, welch ein großer Lyriker er am Klavier ist.


    Das Rondo Poco Allegretto ist wieder mal ein veritables Allegretto, ganz ätherisch gespielt, durchaus aber auch in den häufigeren dynamischen Kontrasten durchaus zupackend, eine natürliche dynamische Steigerung des Allegros. Alles steht unter einem großen Bogen. Beethoven- nicht nur ein großer Dramatiker, sondern auch ein großer Lyriker und natürlich, wie jemand mal ganz richtig sagte: der größte Rhythmiker aller Zeiten!
    Und wenn ein Pianist im Finale nicht gleich im Raketentempo loslegt, kann er sich auch erlauben, im Durchführungsteil ab Takt 63, temporal deutlich zuzulegen und trotzdem die Zweiunddreißigstel mit den zahlreichen Sforzandi mit dem nötigen Gewicht zu versehen und auch die Zweiunddreißigstelpausen präzise zu spielen.
    Auch das Rondo spielt John Lill wie die ganze Sonate aus einem Guss. Eine große Aufnahme!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    John Lill ist bei mir auch so ein "blinder Fleck" - nach Deiner vielversprechenden Rezension wird sich das bei mir wohl ändern müssen! :)


    Herzliche Grüße
    Holger

  • Nun also mein leider durch die Diskussion etwas veralteter Korstick Bericht. Ich habe versucht, ihn an der ein oder anderen Stelle auf die Diskussion abzustimmen. Im Gegensatz zu Brendel befolgt Korstick erwartungsgemäß alle dynamischen Notationen. Holger hatte ja bereits darauf verwiesen, daß Korstick den ersten Satz von Benedetti Michelangeli als zu langsam empfindet. Bei Korstick ist es ein wirkliches Allegro molto e con brio. Wo ABM den Kopfsatz in seiner Struktur sichtbar gemacht hat, treibt Korstick das Spiel durch die Achtel der linken Hand beständig nach vorn, bleibt aber im Drängen hinter Gulda zurück. Mir gefällt der Ansatz des nach Vorne Treibens recht gut. Einzig ab Takt 59 wirkt der Zugriff ein wenig etwas belanglos, und die sforzati sind mir zum Teil ein wenig zu hart auf die Tasten geknallt. Insgesamt hat Korstick nach meinem Empfinden bei der Dynamik des Satzes ein wenig das Problem, daß aus seinem ff beispielsweise sforzati nicht mehr akzentuiert hervortreten können (ab takt 173 ab 281 ff), runder ist der Ausbruch Takt 313.
    Dem schnellen Angang des ersten Satze setzt Korstick ein langsamst ausgespieltes Largo, con gran espressione entgegen. Hier ist er weitaus langsamer als Brendel 1977/1995 oder ABM. An wenigen Stellen ist der Satz kurz davor, auseinanderzufallen, aber Korstick hält ihn zusammen. Trotz des tief bewegenden Ausdrucks erreicht er dennoch nicht ganz die schlichte Eleganz und intelligenten Phrasierungen von Brendels Spiel. Bei den ff des Satzes kann man geteilter Meinung sein: sie durchbrechen das nach meinem Empfinden beseelte Spiel im pp und p. Nun ist die Frage: müssen die ff wirklich beseelte Töne sein oder sollen sie die Beseelung als heftige „häßliche“ Ausbrüche durchbrechen? Ich halte beide Möglichkeiten für möglich, entscheidet man sich für die zweite, rückt man m. E. die Sonate jedoch stärker in die Richtung der späten Sonaten. Und ob man das ohne Weiteres machen kann, weiß ich nicht. Natürlich ist auch meine Idee eines „häßlichen Tons“ als Ausdrucksmittel mindestens diskutabel, aber dafür sind wir ja auch hier ;) .
    Der Kontrast des folgenden Allegro ist nicht allein der Zeit geschuldet, die sich Korstick für das Largo läßt, sondern ebenso der Tatsache, daß er das Allegro wieder schneller angeht. Bei aller Transparenz des Spiels geht dem Satz allerdings ein wenig die Leichtigkeit ab (die ich etwa in der Aufnahme Pollinis so sehr bewundere). Das Minore ist bei Korstick weniger ein düsteres Gemurmel als ein Brodeln. Im abschließenden Rondo: poco allegretto e grazioso gefällt mir der eruptive Mittelteil sehr gut, der Rest hat keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Natürlich ist alles sehr präzise gespielt, aber es hat mich nicht gepackt. Mir fehlt insbesondere das breite Spektrum an Klangfarben, das hier eine Brendel (Aufnahme 1995).
    Ich habe ja mittlerweile alle Sonaten des Korstick Zyklus mehrfach gehört, die vorliegende Sonate gehört m. E. nicht zu den stärksten. Das ist aber für mich kein Grund, von der hohen Wertschätzung, die ich der Einspielung aller Sonaten insgesamt entgegenbringe, abzurücken.
    Mit bestem Gruß
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Schönen Dank, lieber Jörn,


    für den sehr aufschlussreichen und viele Aspekte beleuchtenden Bericht über Korsticks Interpretation.
    Was mir an deiner Rezension besonders gefällt, sind die verschiedenen Hinweise, dass bestimmte Schlüsselstellen in der Sonate tatsächlich verschiedene Deutugnen zulassen und man über sie ohne Weiteres verschiedener Ansicht sein kann.
    Ich hatte z. B. bei Korsticks Deutung des Largos, das ich aus meiner Sicht überragend fand, geschrieben, dass ich mich verschiedentlich in den langsamen Satz der Hammerklaviersonate versetzt fühlte, nicht wegen der tonalen Ähnlichkeiten, sondern wegen der musikalischen Struktur. Für mich ist deswegen dieses Largo Beeethvoens in dieser "frühen" Sonate unheimlich modern, weit in die Zukunft vorausweisend. In seinen Sonaten hatte er ja die Entwicklung, wie ich finde, viel weiter vorangetrieben als in den Symphonien, wo er zu ähnlichen Entwicklungssprüngen viel später kam. So war er ja in der Weiterentwicklung der Sonatensatzform bzw. in ihrer Auflösung eben z. B. hier im op. 7 oder in den opp. 26 und 27 weiter fortgeschritten als zeitgleich bei den Symphonien, wo er den ersten Variationensatz erst im op. 55 brachte.
    Aus diesem Grunde finde ich es gut, dass Korstick in dieser frühen Sonate schon zeigt, wie nahe Teile aus ihr den späten Sonaten sind.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 4 Es-dur op. 7
    Murray Perahia, Klavier
    AD: 1978
    Spielzeiten: 8:10-8:35-4:51-6:37 – 28:13 min.;


    Murray Perahia fasst m. E. den Kopfsatz auch als Allegro molto e con brio auf. Auch er geht die Sforzandi und die Crescendi moderat an, lässt die Musik fließen und betont lediglich die beiden ff-Stellen energisch, aber ohne die Decke einstürzen zu lassen. Auch im zweiten Abschnitt der Exposition ab Takt 40 lässt er die Sforzandi moderat hervortreten, bleibt im p-Grundton und schließt nahtlos den lyrischen Seitengedanken an. Lediglich im großen Crescendo ab Takt 76 greift er zu, geht aber nach den beiden ff-Takten subito zum pp zurück, führt die Sforzandi in Takt 93 bis 96 und die beiden Steigerungen ab Takt 97 und 105 im natürlichen Fließen aus, und auch seine Oktavverschiebungen kommen schön zur Geltung.
    In der Durchführung vergrößert auch er die dynamischen Kontraste, werden, auch in der Sforzando-Kette, die dramatischen Züge deutlicher, aber schnell ist diese Spuk wieder vorbei. In einem schönen Abschwung leitet er zum zweiten Teil zwischen den beiden Doppelstrichen über: diese Stelle gestaltet er aus dem pianissimo heraus, das noch einmal von zwei kernigen Fortissimi unterbrochen wird.
    Die Reprise steigt auch bei Perahia noch ein wenig an, auch die Steigerungen, aber alles ist folgerichtig. Auch här fließen die Achtelfiguren wieder munter im Piano dahin, nur von den wenigen Sforzandi markiert, die den Fluss keineswegs unterbrechen. Hier fällt auch auf, dass sich die beiden ff-Takte der allgemein gestiegenen Dynamik anpassen, wieder die schönen Oktavverschiebungen mit den markanten Sforzandi, nicht zu laut. Im Codateil erhebt Beethoven (Perahia) die Stimme noch einmal etwas lauter, aber mit unverändertem Vorwärtsdrang.
    Dieser Satz ist sehr leuchtend und optimistisch gespielt, wie ich finde.


    Das Largo gehört zu den Schnelleren im Lande, worunter aber m. E. der Ausdruck nicht leidet. Er spielt das mit tiefem Ernst. Er betont wohl die dynamischen Gegensätze etwas mehr, als ich es schon verschiedentlich gehört habe, so ist das Rinforzando in Tat 17 kräftig, desgl. Die sonor klingenden Fortissimi.
    Natugemäß muss dann auch das zweite Thema ab Takt 25 rascher sein, um das Zeitgefüge organisch zu belassen, doch verhehle ich nicht, dass mir alles etwas langsamer noch besser gefällt. In der Wiederholung des wiegenden zweiten Themas steigert er in Richtung der hohen Triller doch sehr, was doch einen ordentlichen dynamischen Kontrast darstellt und den Trillern etwas Überraschendes verleiht. Die Sforzando-Kette in Takt 45 und 46 führt auch er als Crescendo aus etwa von mp bis f/ff, was wiederum den Kontrast zur absteigenden Sechzehntelkette enorm vergrößert. Er setzt diese großen Kontraste wohl als bewusstes Gestaltungsmittel ein. Wenn man das etwas höhere Tempo Perahias mal außer Acht lässt, spielt er das Largo-Thema und den Übergang mit den Sechzehntelfiguren, die jeweils die Oktave an Anfang haben, und auch die Coda atemberaubend.
    Auch ist noch zu bemerken, dass sein Spiel sehr klar und transparent ist, auch in der Begleitung.


    Auch das Allegro ist mir etwas flott, aber wohl Perahias temporalem Konzept geschuldet. Bei dem Tempo kann er natürlich nicht mehr auf das Mancando achten.
    Im Minore, dass er dann ja auch sehr forsch angeht, hebt er aber beim ffp nicht einen, sondern drei Töne an, im zweiten Teil dann aber nicht.


    Das auch im Rondo etwas höhere Tempo stört mich aber nicht, weil Perahia das Stück mit vollendeter Grazie spielt, was hier, wie ich finde, zu Recht im Vordergrund steht. Im Durchführungsteil setzt er nicht nur einen dynamischen, sondern nochmals einen deutlichen temporalen Kontrast. Das hat etwas ungeheuer vorwärts Drängendes, ja Rastloses geisterhaft Mendelssohnsches. Und auch hier greift er im Übergang wieder zu einer überraschenden Wendung: nach diesem Vorwärtsstürmen spielt er tatsächlich das Ritartando, in Takt 92 angedeutet und in Takt 93 dann deutlich und bildet so einen nicht erwarteten temporalen Kontrast.
    Im Reprisenteil, der dann wieder rasch vorwärts schreitet, kann man trotz des Tempos dank Perahias kristallinem Spiel und seiner konstanten Beachtung er dynamischen Feinheiten sehr viel von der Struktur aufnehmen. Nun ist es natürlich hilfreich, wenn man wie ich vorher schon sechzehn andere Interpretationen gehört hat, aber auch diese siebzehnte hat wieder Überraschendes, neues, Brilliantes.
    Perahia nutzt die in der Partitur stehende dynamische Spannweite voll aus, ohne selbst in den in der Begleitung mehrfach vorkommenden Forte-Zweiunddreißigstel-Tonleitern bäuerlich-derb zu wirken, sondern beethovensch kraftvoll. Auch in seinem im Codateil ab Takt 166 nochmals leicht gesteigerten Tempo bringt er es fertig, das sich über mehrere Takte hinziehende Ritartando am Schluss deutlich zu formulieren.
    Eine Interpretation, die mein Verständnis für eine schnellere Lesart deutlich wecken konnte!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nun ist die Frage: müssen die ff wirklich beseelte Töne sein oder sollen sie die Beseelung als heftige „häßliche“ Ausbrüche durchbrechen? Ich halte beide Möglichkeiten für möglich, entscheidet man sich für die zweite, rückt man m. E. die Sonate jedoch stärker in die Richtung der späten Sonaten.

    Lieber Jörn,


    ich erlaube mir mal aus dem Klassiker zu diesem Thema, der Ästhetik des Häßlichen von Karl Rosdenkranz (Königsberg 1853) zu zitieren:


    "Dem Reizenden entgegengesetzt ist das Scheußliche als die Ungestalt, die in ihrer häßlichen Bewegung nur immer neue Mißformen, Mißtöne und Mißworte hervorbringt. Das Scheußliche hält uns nicht, wie das Erhabene, in ehrfürchtiger Ferne, sondern stößt uns von sich ab; es zieht uns nicht, wie das Gefällige, lockend zu sich heran, sondern macht uns vor sich schaudern. Es befriedigt uns nicht, wie das vollkommen Schöne, durch absolute Versöhnung in dem Innersten unseres Wesens, sondern wühlt vielmehr aus den Tiefen desselben die äußerste Entzweiung hervor. Das Scheußliche vornehmlich ist dasjenige Häßliche, dessen die Kunst gar nicht entbehren kann, will sie nicht auf die Darstellung des Bösen verzichten und in einer oberflächlichen und beschränkten Weltauffassung sich bewegen, deren Ziel nur die angenehme Unterhaltung wäre."


    Die Problematik ist, daß das Häßliche zunächst einmal nur privativ zu verstehen ist als ein Nicht-Schönes. Als solches ist es einfach unschön und hat keinerlei positive Bedeutung, ist etwas, was man zu meiden und vermeiden hat in der schönen Darstellung der Kunst. Rosenkranz betont nun aber zugleich die Notwendigkeit des Häßlichen für die Kunst - sonst wäre das Unternehmen einer Ästhetik des Häßlichen nämlich schlicht sinnlos. Die positive, ästhetisch relevante Dimension des Häßlichen besteht darin, daß das Häßliche einen Ausdruckswert bekommt (den das reine Schöne nicht hat) - ohne diesen bliebe die schöne Kunst oberflächliche Unterhaltung. Dies ist wie Rosenkranz hier andeutet der Ausdruck innerer Zerrissenheit, des Bösen und des Komischen. Mit Rosenkranz sage ich deshalb: Häßlichkeiten des "Tons" eines Pianisten, die keinen Ausdruckswert besitzen, sind schlicht privitav, eine Fehlleistung! Bei ihnen kann man so nämlich keine ästhetische Relevanz erkennen, die aus dem Negativen und Privativen zugleich etwas Positives macht. Mich überzeugt deshalb auch kein Versuch einer "Apologie" von Korsticks häßlichem Forte. ;) Zunächst einmal ist es fragwürdig, ob man die Kraftausbrüche des späten Beethoven überhaupt im Sinne einer Ästhetik des Häßlichen verstehen darf. Bei Rosenkranz deutet sich die Alternative an: Das Unschöne kann man auch im Sinne des Erhabenen auffassen, weil es durch seine übermenschliche Gewalt und Größe die klassischen Formen sprengt. Das Erhabene ist aber nicht das Häßliche. Beim späten Beethoven (und in Ansätzen auch beim frühen) gibt es freilich unbestreitbar eine Tendenz zur Elementarisierung, der Ausdruck wird zu dem purer Kraft und physischer Energie - wie beim Auftakt der Hammerklaviersonate. Das ist sehr gewaltsam, aber nicht häßlich - weil: Es fehlt das Schmerzliche und Zerrissene. Ob etwas passend oder unpassend gestaltet ist, das kommt letztlich auf den Kontext an. Im Largo von op. 7 darf es für mein Empfinden sehr wohl Kraftausbrüche geben (da steht ja auch Fortissimo notiert!), aber keine Häßlichkeit. Das ist einfach unpassend. Dies widerspricht nämlich der Getragenheit, dem choralhaften Ton in diesem Satz, auch der Intimität, einem Ton, der fast schon etwas Numinos-Feierliches hat. Dem Kraftausbruch im Largo etwas Böses und Häßliches zu verleihen, dafür läßt sich schwerlich finde ich ein wirklich überzeugendes Argument finden, das der Kritik standhält.


    Deshalb bleibe ich bei meiner Meinung: Korstick kannte Gilels ja persönlich, besuchte seine Konzerte und bedankte sich wie er einmal schreibt nachher bei ihm für die Einsichten in Beethoven, die er ihm vermittelt habe. Ich bin mir sicher, daß ihn bei Gilels das Ausreizen der Dynamik faszinierte und daß er sich Gilels in dieser Hinsicht zum Vorbild nahm. Der junge Gilels hat Rubinstein damals einen fast schon panischen Schrecken eingejagt mit seinem extrem dynamischen Spiel. Gestern noch hörte ich Aufnahmen von Gilels aus den 50igern. Da ereignet sich ein wirkliches Erdbeben - diese Kraftakte auf dem Flügel sind wahrlich eine Urgewalt und nicht zu toppen. Das "Wunder" ist aber, daß bei Gilels der Flügel auch dann, wenn er nur so brüllt und wie ein Vulkan explodiert, trotzdem nie häßlich klingt! Das hängt eben mit der Körperhaltung und der Verteilung des Armgewichtes zusammen. Schau Dir mal Videos mit Gilels an. Er arbeitet mit dem Arm, aber es gelingt ihm, das Gewicht ganz vorne in die Fingerkuppen zu übertragen und eben nicht einfach von oben auf die Tasten zu hauen und dem Flügel quasi erpresserisch einen lauten Ton abtrotzen zu wollen, den er nicht hat. Korstick ist in diesem Punkt nur ein unvollkommener Nachahmer von Gilels. Der kaum erträgliche häßliche Ton kommt daher, weil bei ihm das Zusammenspiel von Körper, Arm und Fingern eben nicht so perfekt austariert ist wie bei Gilels. :hello:


    Ich hatte z. B. bei Korsticks Deutung des Largos, das ich aus meiner Sicht überragend fand, geschrieben, dass ich mich verschiedentlich in den langsamen Satz der Hammerklaviersonate versetzt fühlte, nicht wegen der tonalen Ähnlichkeiten, sondern wegen der musikalischen Struktur. Für mich ist deswegen dieses Largo Beeethvoens in dieser "frühen" Sonate unheimlich modern, weit in die Zukunft vorausweisend. In seinen Sonaten hatte er ja die Entwicklung, wie ich finde, viel weiter vorangetrieben als in den Symphonien, wo er zu ähnlichen Entwicklungssprüngen viel später kam.

    Das kann man ja auch bei der Aufnahme von Gilels nachvollziehen, lieber Willi. Die Aufnahmen der Hammerklaviersonate und der op. 7 sind schließlich kurz nacheinander entstanden. Den langsamen Satz der Hammerklaviersonate spielt Gilels auch sehr, sehr langsam. Ich glaube, hier liegt es nahe, daß sich Korstick an Gilels orientiert. :)


    Ich wußte gar nicht, daß Perahia eine Aufnahme der op. 7 gemacht hat. Sehr spannend, Deine Rezension! Das macht mich neugierig, weil ich Perahia sehr schätze (der hier im Forum finde ich ein bisschen stiefmütterlich behandelt wird!). :hello:


    Herzlich grüßend zum Sonntag
    Holger

  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Das kann ich auch bei der Aufnahme von Gilels nachvollziehen, lieber Willi.

    Und das ist es eben, lieber Holger: bei Korstick habe ich, zumindest, was das Largo betrifft, ähnlich empfunden.
    Aber ich habe heute ein ähnliches Erlebnis gehabt (siehe nächsten Beitrag).


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 4 Es-dur op. 7
    Alfredo Perl, Klavier
    AD: 1994
    Spielzeiten: 8:04-9:14-5:03-7:17 -- 29:38 min.;


    Alfredo Perl ist ähnlich wie sein großer Landsmann Claudio Arrau im Kopfsatz etwa eine Minute schneller als im Largo, ähnlich wie auch Giles, aber auf einem etwas höheren temporalen Gesamtniveau als die beiden, wohl aber vergleichbar im temporalen Binnenverhältnis. Noch in Weiterem ähnelt er den beiden Genannten, in der klassischen Linie, im sonoren Klangbild, dem natürlichen Fluss und der natürlichen Musizierhaltung. Die Fortissimi ergeben sich hier aus dem Fortgang der Musik, sie brechen nicht wie Pistolenschüsse plötzlich in das Geschehen ein. In seinem selbstgewählten dynamischen Rahmen beachtet er sehr genau die dynamischen Vorschriften.
    Er setzt alle Sforzandi deutlich, aber nicht aufdringlich, sowohl in den Takten 93 bis 104 als auch 111 bis 131. Er kann m. E. durchaus auch den Pianisten mit hochstehenden lyrischen Fähigkeiten zugerechnet werden. Dies zeigt auch hier schon das lyrische Seitenthema ab Takt 59 sowie generell sein runder Klang.
    (Dass er auch ganz anders kann, beweist er in der Arietta von op. 111, als er in meinem Wohnort gastierte und dort die Schlusstrias spielte. Dieser Auftritt hat mich veranlasst, nach und nach seine Gesamtaufnahmen der Sonaten zu erwerben. Seitdem habe ich noch keinen Pianisten getroffen oder gehört, der die „Boogie-Woogie-Variastion“ so mitreißend und im Originalrhythmus gespielt hat wie er).
    Auch seine Gestaltung der Durchführung passt in dieses Bild von der „Klassischen Mitte“, die ja nur dann nicht langweilig wirkt, wenn sie spannungsreich und durchaus akzentuiert vorgetragen wird. Und das ist m. E. bei Perl der Fall. Sein Name ist in diesem Kopfsatz Programm.
    Auch hier im zweiten Abschnitt der Durchführung zwischen den zwei Doppelstrichen fließt es trotz der Moll-Eintrübung lyrisch dahin, und auch hier sind die nicht übertriebenen ff-Akkorde wohl integriert.
    In der Reprise dosiert er den dynamischen Anstieg wohlüberlegt und gleitet so nahtlos in die nächste lyrische Sequenz ab Takt 215, und auch hier führt dieser Abschnitt mit den Achtelfiguren wieder wunderbar in die Wiederholung des lyrischen Seitenthemas ab Takt 239 hinein. Auch hier in der Wiederholung- maßvoller Umgang mit den dynamischen Kontrasten, die gleichwohl deutlich zu Tage treten, auch in der zweiten, wiederum überlegen gestalteten Oktavverschiebung und dem Codaabschnitt ab Takt 311, in dem trotz aller dynamischen Kontraste der lyrische Charakter wieder schön hervortritt.


    In seiner Largo-Interpretation, langsamer als der mittlere Brendel, aber schneller als Gilels, überrascht er mich mit einer neuen Variante von Takt 5 und 6, wo er weniger als z. B. Korstick das Tempo verlangsamt, eigentlich kaum merklich. Auch das hat eine ungeheure Wirkung (auf mich).
    Auch hier kommen die ff-Schläge in Takt 20 und 21 zwar kräftig, aber dennoch sehr rund daher. Vor allem im zweiten Thema steigert sich die Expressivität durch das langsamere Tempo eminent, die bei zu rascher Lesart doch ziemlich abnimmt. Auch im nächsten Abschnitt wird der dynamische Kontrast zwischen der Steigerung ab Takt 35 und den f-Schlägen in Takt 37 und 38 auf der Eins zu den himmlisch gespielten hohen Trillern ganz kolossal. Das ist ein absoluter Höhepunkt dieses Largos.
    Auch bei ihm tropfen die Sechzehntel in dem Abstieg ab Takt 47 nach der Sforzandokette bedächtig, aber sehr wirkungsvoll.
    Auch im Reprisenteil ist das Thema wieder überragend gespielt, die Rinforzandi maßvoll, der Übergang zur Coda sehr spannungsreich und die Coda führt direkt ins Elysium!!!


    Das Allegro fließt wunderbar weich und dynamisch ausgewogen dahin, alle dynamischen Kontraste sind wiederum auf einem maßvollen Level, und beinahe selbstverständlich, dass er das Mancando im Takt 39 bis 42 spielt, eine Tatsache, die unter den Pianisten ja nicht unbedingt selbstverständlich ist. Auch hier verbinden sich lyrischer Ausdruck und dynamischer Zugriff wieder organisch miteinander.
    Das Minore hat einen geheimnisvollen Anstrich bei gleichzeitig ordentlicher Betonung der ffp-Akkorde und Beachtung der Crescendi und ohne den Übergang zum da capo des Allegros zu sehr zu verzögern.


    Auch im Rondo überzeugt seine dynamische Behandlung der Partitur. Besonders fiel mir das dieses Mal auf in den Takten 31 bis 33, wo der die jeweils gleiche Kombination aus Legato-Zweiunddreißigsteln und Staccato-Sechzehnteln wunderbar abstuft. Auch der Übergang zur Wiederholung des Hauptthemas etwa ab Takt 40 ist grandios gespielt.
    Nach dieser lyrischen Exposition ist die Durchführung unter den Händen Perls wahrhaft dramatisch und nimmt dem Satz vollends jegliche Kehrausmentalität und Beiläufigkeit. Aber nach dem angedeuteten Ritartando in Takt 93 ist das Elysium wieder erreicht. Dass aber dennoch die „Erdgeister“ immer noch aktiv sind, zeigen die wunderbar integrierten Zweiunddreißigstel-Forte-Läufe in der Begleitung.
    Auch im Reprisenteil verlässt Perl sein Konzept des „so viel Lyrik wie möglich – so viel Dynamik wie nötig nicht und erreicht auch in diesem Satz eine ideale Ausgewogenheit. Dies kommt auch dem Codateil zu Gute, wo er den lebendigen, aber immer gemäßigt-unaufgeregten Fluss des musikalischen Geschehens aufrecht erhält bis hin zu dem Decrescendo/Ritartando-Schluss.


    Die Gesamtaufnahme Perls scheint sich m. E. immer mehr zu einer absoluten Spitzenaufnahme zu mausern, was auch vor knapp 20 Jahren dem „Klavierpapst“ Joachim Kaiser aufgefallen war, der damals schon Perl unter die 10 größten lebenden „Beethoven-Pianisten“ einordnete, und damals lebten so Giganten wie Richter und Gulda noch, und – Perl sagte einmal, er sei kein geborener Virtuose, er habe sich alles hart erarbeiten müssen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat Holger Kaletha

    Zitat

    Mit Rosenkranz sage ich deshalb: Häßlichkeiten des "Tons" eines Pianisten, die keinen Ausdruckswert besitzen, sind schlicht privitav, eine Fehlleistung! Bei ihnen kann man so nämlich keine ästhetische Relevanz erkennen, die aus dem Negativen und Privativen zugleich etwas Positives macht. Mich überzeugt deshalb auch kein Versuch einer "Apologie" von Korsticks häßlichem Forte. ;)


    Lieber Holger, hab vielen Dank für Deine Ausführungen, die mir auch einleuchten. Natürlich ist genau die ästhetische Relevanz der entscheidende Punkt des Diskussion. Ich hatte ja genau in diese Richtung argumentiert: das Hässliche als Ausdruck zu nennen. Aber ich habe sofort eingeräumt, daß auch dieses Konzept fragwürdig ist. Wenn es auch nicht überzeugen man, so kann es doch zur Schärfung der Diskussionsinhalte beitragen :). Ich habe mich dem "Hässlichen" natürlich bisher einzig von der visuellen Seite genähert und kenne mich daher auch einzig in diesem Bereich ein wenig aus. Ich sehe schon ein, daß sich die Konzepte natürlich nicht einfach übertragen lassen, obgleich zwischen den Medien häufig mehr Gemeinsamkeiten bestehen als man gemeinhin denken könnte. Ich bleibe also dran.


    Zitat

    Zitat

    Das "Wunder" ist aber, daß bei Gilels der Flügel auch dann, wenn er nur so brüllt und wie ein Vulkan explodiert, trotzdem nie häßlich klingt! Das hängt eben mit der Körperhaltung und der Verteilung des Armgewichtes zusammen. Schau Dir mal Videos mit Gilels an. Er arbeitet mit dem Arm, aber es gelingt ihm, das Gewicht ganz vorne in die Fingerkuppen zu übertragen und eben nicht einfach von oben auf die Tasten zu hauen und dem Flügel quasi erpresserisch einen lauten Ton abtrotzen zu wollen, den er nicht hat. Korstick ist in diesem Punkt nur ein unvollkommener Nachahmer von Gilels. Der kaum erträgliche häßliche Ton kommt daher, weil bei ihm das Zusammenspiel von Körper, Arm und Fingern eben nicht so perfekt austariert ist wie bei Gilels.


    Das klingt für mich zunächst überzeugend, aber ich werde jetzt die Aufnahmen von Korstick, derer ich habhaft werden kann zusammentragen. Dann könnte man nämlich eine Vorstellung davon gewinnen, ob Korstick ein "hässliches forte" deshalb spielt, weil er spieltechnische Mönge hat (ich glaube, das, wie gesagt eher nicht), oder weil er die Töne – wie auch immer man das bewerten möchte - bewußt hässlich spielt.


    Zitat William B. A.

    Zitat

    Ich hatte z. B. bei Korsticks Deutung des Largos, das ich aus meiner Sicht überragend fand, geschrieben, dass ich mich verschiedentlich in den langsamen Satz der Hammerklaviersonate versetzt fühlte, nicht wegen der tonalen Ähnlichkeiten, sondern wegen der musikalischen Struktur. Für mich ist deswegen dieses Largo Beeethvoens in dieser "frühen" Sonate unheimlich modern, weit in die Zukunft vorausweisend. In seinen Sonaten hatte er ja die Entwicklung, wie ich finde, viel weiter vorangetrieben als in den Symphonien, wo er zu ähnlichen Entwicklungssprüngen viel später kam. So war er ja in der Weiterentwicklung der Sonatensatzform bzw. in ihrer Auflösung eben z. B. hier im op. 7 oder in den opp. 26 und 27 weiter fortgeschritten als zeitgleich bei den Symphonien, wo er den ersten Variationensatz erst im op. 55 brachte.
    Aus diesem Grunde finde ich es gut, dass Korstick in dieser frühen Sonate schon zeigt, wie nahe Teile aus ihr den späten Sonaten sind.


    Lieber Willi, hab Du erst einmal vielen Dank für deine weiteren Besprechungen. Wenn ich diese lese, werden mir meine Lücken im Bestand immer stärker bewußt. Ich teile im Übrigen die Ansicht, daß Beethoven das Neue insbesondere in seinem Instrument, dem Klavier, voranbrachte, absolut. Die Interpretation Korsticks, im langsamen Satz spätere Entwicklungen zu erkennen, resultiert natürlich zwingend aus der Sicht später Geborenen, eine andere Möglichkeit besteht ja gar nicht. Man kann ja nicht so tun, also ob man die Sonaten nach op. 7 nicht kenne. Ich halte diese Möglichkeit daher für ebenso legitim, wie Versuche, die Sonate als Entwicklungsschritt der vorherigen Werke zu sehen (mir scheint Pollini eher in diese Richtung zu gehen).


    Seid herzliche gegrüßt
    Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 4 Es-dur op. 7
    Gerhard Oppitz, Klavier
    AD: 28. 05. 2005
    Spielzeiten: 8:28-9:17-5:52-7:40 -- 31:18 min.;


    Gerhard Oppitz, den ich bisher nur mit einigen Sonaten in meiner Sammlung hatte, ist jetzt komplett vertreten, da habe ich die aktuelle Sonate aufgelegt. Da ich auch einen neuen Computer habe, dessen DVD-Player eine ganz andere dynamische Auslegung hat als das alte Geräte, muss ich die Dynamik jetzt mächtig runterregeln.
    Wie dem auch sei, Oppitz ist zwar temporal etwas gemäßigter im Kopfsatz, aber er greift schon beherzt zu, aber es ist ein frisches und klares Spiel mit echten dynamischen Spitzen in den Fortissimi und den Sforzandi, die aber zu der etwas höheren Dynamik passen.
    Nach dem explosiven ff-Doppeltakt 79/80 kommt das etwas langsamere Tempo in den Takten 81 bis 84 einem Atemholgen gleich, das aber auf mich eine positive Wirkung ausübt, desgleichen der sonore Klang seines Instrumentes.
    Auch die Sforzando-Stufen ab Takt 93 nimmt er mit deutlichen dynamischen Akzenten. Das ist mehr kraftvoller und weniger lyrischer Beethoven als schon gehört.
    Da erreicht er dann am Ende der Sechzehntel-Steigerungen ab Takt 97 und 105 in der Tat ein Fortissimo, warum denn auch nicht. Auch die Oktav-Verschiebungen sind kraftvoll und klar.
    Seine Behandlung des Durchführungteils zeitigt dann auch mehr Drama und nach den Sforzandi in Takt 161-163 spielt er dann in Takt 164 auch ein deutliches Fortissimo, um dann in Takt 165 ebenso deutlich ins Piano zurückzugehen. Er erreicht aber durchaus auch im zweiten Teil der Durchführung ab Takt 169 ein Pianissimo und spielt anschließend eine dynamisch bewegte Reprise. Auch sein lyrisches Seitenthema gefällt mir gut. Sein langes Crescendo ist natürlich gottvoll. Auch sein sehr bewegter codaähnlicher Schlussteil atmet Kraft und findet doch zu einem sehr kontrastreichen pp-Durchatmen ab Takt 343 bis hin zum kraftvollen Schluss.


    Sein Largo ist nun ein um so deutlicher Kontrast als Ganzes zum bewegten Kopfsatz, nicht so langsam wie Gilels und Korstick, aber voller Ruhe, Gelassenheit und auch schlüssigem Verhalten in den Takten 5 und 6. Nichts desto trotz setzt er auch hier die Rinforzandi und die Fortepiani sehr deutlich, desgleichen die beiden Fortissimo-Takte. Auch das zweite Thema ab Takt 25, das er, wie ich finde, schneller spielt als vergleichbare Kollegen und mit mehr dynamischer Energie, fast durchführungshaft, und durchaus auch zu einem kräftigen Forte reichend, schlägt dynamisch durchaus einen Bogen zum Kopfsatz. Auch die hohen Triller haucht er nicht, er spricht sie! Und von seiner sehr kräftigen Sforzandokette (bis zum ff) macht er allerdings einen gewaltigen Abschwung bis zum Pianissimo. Seine Wiederholung des Hauptthemas ab Takt 51 ist wieder grandios. Und seine Überleitung zur Coda ab Takt 74 (Coda ab 78) ist noch eine Steigerung des Ausdrucks- fabelhaft!!
    Spätestens mit diesem Satz hat mich Oppitz, den ich vor vielen Jahren an meinem damaligen Wohnort Coesfeld-Lette in einem gemeinsamen Beethoven-Sonaten-Projekt mit Olli Mustonen, Bruno Leonardo Gelber und Alfredo Perl erlebt habe, für sich eingenommen.


    Für das Allegro nimmt er sich, wie Gilels alle Zeit der Welt, und das tut diesem 3/4 - Takt so gut. Allerdings, man ahnt es schon, vergisst er auch hier nicht, die Sforzandi entsprechend zu betonen.
    Er erstirbt nicht im Pianissimo sondern spielt ein deutliches Dolce. Und er spielt das Mancando! Auch hier nimmt er alle dynamischen Regungen wahr, das geht ja immerhin im Takt 68 bis 79 vom pp bis zum ff.
    Das Minore bildet in Oppitz' Darstellung einen starken temporalen Kontrast und auch vom Ausdruck her ist das sehr stark.


    Auch das Rondo kann sich bei Oppitz ganz natürlich entfalten. Man hat Zeit, diesen herrlichen Satz in all seiner Grazie zu genießen. Doch man merke," grazioso" muss nicht gleichbedeutend sein mit "pianissimo", obwohl er dies in einer besonders schönen Sequenz von Takt 31 (f) bis 35 (pp) wunderbar entfaltet.
    Seiner dynamischen Entfaltung kommt natürlich der Durchführungsteil prächtig entgegen. Hier hebt er natürlich auch das Tempo an und spielt diesen Satz furios. Und- erspielt das Ritartando!
    Im Reprisenteil geht er natürlich zu seinem moderaten "Allegretto"-Tempo zurück und lässt auch hier die lyrischen hohen Themensequenzen wunderbar fließen, und auch der Codateil mit den Sechzehntel-Vorschlagnoten kommt seinem Tempo wunderbar entgegen und so gestalte er diesen immer langsamer werdende Coda grandios!! - Ein prächtiger Einstand!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    zwei wirklich sehr schöne Besprechungen! Gerhard Oppitz kommt hier im Mai wieder einmal nach Bielefeld (vor Jahren spielte er das Reger-Konzert) mit dem 1. Klavierkonzert von Brahms. Ich bin schon gespannt! Seinen Beethoven kenne ich leider gar nicht - er war ja Schüler von Wilhelm Kempff. Von daher wundert natürlich seine Natürlichkeit nicht, die Du hervorgehoben hast! :hello:


    Herzliche Grüße
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 4 Es-dur op. 7
    Maurizio Pollini, Klavier
    AD: 2012
    Spielzeiten: 7:28-7:16-4:28-6:26 -- 25:38 min.;


    Maurizio Pollini schlägt ein rasches Tempo an und zwar durchweg in der ganzen Sonate, was aber hier im Kopfsatz besser passt als möglichweise im Largo oder im Finale. Ähnlich wie Michelangeli bleibt er hier im ersten Teil der Exposition eher im niedrigen dynamischen Bereich, was die lyrischen Momente dieseTeils sehr unterstreicht, aber die Fortissimo-Akkorde tun natürlich hier einen gewaltigen Kontrast auf. Das ist mir dann doch schon bald des Guten ein wenig zu viel. und in den beiden ff-Takten 79 und 80 legt er gegenüber den ff-Akkorden in den Takten 25 und 29 noch einmal etwas zu in Richtung Fortefortissimo. In diesem zweiten Abschnitt gestaltet er auch die Sforzando-Ketten ab Takt 93 dynamisch sehr hochstehend und zieht auch die Takte 101 bis 104 voll ff durch. Auch in den Sechser-Sechzehnteln ab Takt 111 bleibt er mindestens im mf. Ich sage nicht, dass mir das nicht gefällt, es ist mir nur aufgefallen. Es entspricht ja auch durchaus den dynamischen Vorzeihen. Nur, es ist schon gewaltig viel Sturm und Drang in dieser Exposition. und das ist wiederum bei Michelangeli oder Kempff, ja auch bei Gilels oder Arrau ganz anders.
    In der Durchführung ist da eine temporal-dynamisch-dramatische Steigerung gar nicht mehr möglich.
    Im Gegenteil, hier im zweiten Teil zwischen den beiden Doppelstrichen verhält er, holt er musikalischen Atem, den er dann auch für die dynamisch ja immer höher stehende Reprise auch braucht. Was mir allerdings hier wieder, in der Exposition (T. 79/80) schon mal, auffällt, ist die Tatsache, dass er nach den beiden ff-Takten 259/260 und den vier nachfolgenden pp-Takten die Oktav-Läufe in der rechten Hand deutlich terrassendynamisch anhebt. Andere Kollegen machen das anders, z. B., wie es in den Noten steht. Dieses An- und Abschwellen macht er nicht, und auch die vier Sforzandotakte 273-276 hebt er terrassendynamisch an, so dass man den jeweiligen Sforzando-Akkord auf Eins nicht als solchen wahrnimmt. Die dynamischen Gestaltung der Takte bis 276 würde ich so sehen: T. 261 - 264: pp, T. 265 bis 272: mf, Takt 273 bis 276 : ff.
    Eine dynamische Steigerung des sogenannten Codateils ab Takt 311, wie sie in vielen von mir bisher gehörten Beispielen zu hören war, kommt hier dann leider nicht mehr so zum Tragen, weil er die dynamischen Spitzen in der Reprise schon vorher ausgelotet hat (s.o.)


    Im Text des Booklets von Paolo Petazzi klingt das noch anders:
    Zitat: Nach der breit angelegten Exposition nutzt die straffere Durchführung geschickt die Möglichkeiten der Motive des Hautthemas. Den großen Proportionen des Satzes entspricht das Gewicht der abschließenden Coda.


    Der erste Abschnitt des Largos ist temporal vielleicht gerade noch tolerabel, dynamisch ebenfalls. Aber spätestens das zweite Thema ab Takt 25 ist m. E. viel zu schnell, und es ist mit "sempre tenute-sempre staccato" überschrieben. Ich bin zwar Laie, aber von staccato höre ich da nichts. Dafür langt Pollini dynamisch wieder voll hin: in Takt 34 ist er an der Stelle "f" m. E. schon im "ff" und kann nach dem nicht als solchen vernehmbaren Sforzando in Takt 35 auf der Eins den Crescendo-Pfeil nicht mehr beachten, tut er auch nicht, das wäre höchstens in Richtung "FFF" noch möglich gewesen. Da können auch die hohen Triller nichts mehr retten.
    Wenn man dann nach der Sforzandokette in Takt 45/46 den Abschwung in den Sechzehnteln hört, dann fragt man sich: "Warum nicht mehr davon, Maestro Pollini? Und er gibt selbst die Antwort: jetzt, in diesem Reprisenteil, kommt endlich jene (immer noch etwas rasche) himmlische Ruhe auf, diese ausdrucksstarke Melodik, dieses atemberaubende Pianissimo in der Coda. Hat er den Schluss an einem anderen Tag gespielt?


    Im Allegro wieder das alte Lied. kann man das Tempo gerade noch tolerieren, so kommen mir doch wieder gravierende dynamische Eigenheiten zum Vorschein . Taktübergreifend ab Takt 15 erscheinen drei Figuren mit 4 gebundenen Achteln und einer Dreiachtel-Sforzando-Note. Die hört man in der Dynamik nicht, weil die Figuren jeweils von Anfang an im Forte gespielt werden. Abgesehen davon, dass das dort nicht so steht, geht mir auch der Rhythmische Effekt verloren, der durch diese , wie ich meine, typisch Beethovensche Erscheinung erzielt wird. Der zweite Teil des Allegros ist dann ausgewogener.
    Das Minore ist sicherlich am besten gelungen.
    Im da capo des Allegros spielt er leider ab Takt 15 bis 18 wie gehabt. - Schade!!


    Das Rondo ist sicherlich temporal am wenigsten zu beanstanden, sicher, es atmet nicht die Ruhe eines Arturo Benedetti Michelangeli , eines Claudio Arrau oder eines Emil Gilels, aber es ist doch hier und da Grazie zu verspüren, wenn auch hohe dynamische Figuren wie die Forte-Zweiunddreißigstel immer noch herausstechen. Aber auch die Staccati sind jetzt doch deutlich zu vernehmen. Natürlich rückt dann die Durchführung, die sich ja temporal noch mal von dem Expositionsteil abheben muss, gefährlich in die Nähe eines "Presto". Ganz erstaunlich ist aber, und darüber freue ich mich wirklich, dass er in diesem permanenten Vorwärtsdrang noch an das Ritartando ab Takt 92 gedacht hat. Auch nach der Durchführung ist die Reprise eigentlich in einem zwar raschen, aber doch organischen Fluss und auch dynamisch im Lot und das Beste am ganzen Rondo ist die Coda, die tatsächlich auf vorher hohem temporalen Niveau ein schönes Ritartando aufweist.


    Im Ganzen lässt mich diese Aufnahme aber mit Fragezeichen zurück.


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • So konnte ich doch nicht ins Bett gehen, und so habe ich aus meiner Neuen GA diese Sonate aufgelegt:

    Da mich Rudolf Buchbinder in den zahlreichen Livekonzerten, die ich von ihm schon erlebt habe, nie enttäuscht hat, bin ich davon ausgegangen, dass er es auch dieses Mal nicht tun würde. Und es war so. Diese Aufnahme ist doch ganz etwas Anderes als die zuvor gehörte. Aber darauf werde ich noch in der genauen Betrachtung zu sprechen kommen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    eine Frage zu Oppitz: ich kenne eine andere Aufnahme aus seinem Beethoven-Zyklus, aber die ist so verhallt und der Flügel so weit weg, dass mich das davor abgehalten hat, weitere Aufnahmen zu erwerben. Wie ist das bei der Einspielung von op. 7, ist der Klang hier für dich ok?


    Viele Grüße,
    Christian

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