1. Ich bin als Opernseher und Opernhörer nicht verpflichtet, mich um die Karriere von Sängern zu kümmern.
Aha, also ein Ignorant...
2. Die meisten Rollen haben ein ausgeprägtes Profil, das der Komponist sehr im Auge hatte.
Und was soll uns das sagen? Die Mehrheit der Komponisten waren Opernpraktiker, die das wesentlich realistischer einschätzten als du. Einem Verdi war klar, dass die Traviata niemals von einer ca. Zwanzigjährigen gesungen werden würde und auch Strauss wusste, dass niemals ein Teenager die Salome singen könnte, von Puccini und seiner Butterfly ganz zu schweigen...
4. Von Sängermangel kann keine Rede sein, wir haben ein Überangebot, auch von jungen kompetenten Sängern.
Die aber keine Chance haben, eine komplexe Strauss-Partie einigermaßen adäquat auf die Bühne zu bringen - dafür braucht es Jahre an Rollenstudium.
5. Wenn ich von adäquater Rollenbesetzung spreche, rede ich von Weltbühnen wie Baden-Baden, Wien, Salzburg, MET, Berlin, Paris. Die könnten sich die Sänger aussuchen und auch adäquat besetzen. Tun sie aber nicht, weil sie Stars als Attraktion brauchen, die dann mehr Geld bringen.
Können sie eben nicht. Kein Mensch fährt zur "Weltbühne" Baden Baden um dort Weltklassepreise für eine völlig unbekannte Besetzung zu zahlen.
Beispiele: Johan Botha in Salzburg als Parsifal, geht natürlich gar nicht, er ist aber berühmt.
Geht sogar sehr gut. Du wirst gesanglich kaum Besseres finden...
Magdalena Kozena in Paris als Mélisande, ist natürlich erheblich zu alt, aber die Frau vom Dirigenten.
Unwahrheit vergeht nicht, auch wenn du sie wiederholst. Frau Kozena singt in Paris die Mélisande vielleicht deshalb, weil sie diese Rolle in der Inszenierung von Martinoty schon 2007 aus der Taufe gehoben hat - da war sie 34! Seither ist das eine ihrer wichtigen Opernpartien. Zuletzt sang sie diese Rolle meines Wissens in Verbier 2012 unter Dutoit - mit 39. Mit Simon Rattle ist mir davor nur New York bekannt - und Berlin 2008. Und in drei Wochen wird sie 41 - du wirst Mühe haben, eine jüngere Mélisande der Spitzenklasse zu finden...
Renée Fleming als Arabella: die singt sie, als wäre es die Marschallin. Aber: Weltstar. Gerade hier gibt es Dutzende von jungen Sopranistinnen, die das hervorragend singen und spielen könnten
Wie oben. Jung zu sein und gut singen zu können befähigt noch lange nicht, eine Strauss-Partie überzeugend auf die Bühne bringen zu können. Dazu gehört enorme sängerische Erfahrung. Der Wunsch nach einer mehr jugendlichen Arabella ist durchaus verständlich, aber ich habe z.B. in den letzten Jahren nichts von einer derartigen Anwärterin vernommen, die Frau Fleming in dieser Rolle beim Publikum den Rang ablaufen würde.
Luciano Pavarotti als Rodolfo: ein korpulenter Mensch als Hungerleider, aber auch Weltstar.
Aber es gab vom korpulenten Pavarotti eben Bohème-Aufführungen, die seinerzeit alles andere in den Schatten stellten. Auch Caruso, Gigli und Bergonzi waren keine Zahnstocher...
Die Netrebko als Susanna in Salzburg (?) - die schlechteste Susanna, die ich je gesehen habe (nicht weil sie nicht singen kann, aber sie konnte die Susanna weder singen noch spielen)
Am Gesang der Frau Netrebko gab es nichts auszusetzen, für die in der Tat sehr statische Darstellung musst du den Regisseur prügeln. Frau Netrebko hat schon in genügend Rollen bewiesen, dass sie darstellerisch zu sehr ausdrucksstarken Leistungen befähigt ist. Wenn du darüber nichts weißt, solltest du vor derartigen Fehlurteilen Abstand nehmen.
6. Fazit: von den großen Bühnen erwarte ich in jeder Rolle adäquate Besetzungen, weil die sich das auch leisten können. Star alleine genügt mir nicht.
Das Publikum erwartet von den großen Bühnen, Stars präsentiert zu bekommen. Und da diese Gesangsstars in der Regel vier bis fünf Jahre im Voraus gebucht werden müssen, ist es für die großen Bühnen natürlich auch immer ein gewisses Glücksspiel. Man kann nicht immer abschätzen, wie sich ein aktueller Star in vier oder fünf Jahren präsentieren wird...