ARABELLA bei den Osterfestspielen 2014 in Salzburg

  • Die die ARABELLA von den diesjährigen Osterfestspielen hat schon einen eigenen Thread verdient - zumal wir in einem Richard-Strauss-Jahr leben. 2014 wird sein 150. Geburtstag begangen. Es gibt schon einige Äußerungen an anderer Stelle dazu (Opernaufführungen als Übertragungen per Rundfunk und Fernsehen), vielleicht lassen die sich hier einfügen. Meine Eindrücke - ich habe die Übertragung auf 3Sat gesehen, habe ich in einer Mail an einen Musikfreund zusammengefasst. Ich glaube, er hat nichts dagegen, wenn ich hier daraus zitieren:


    "Im Freundeskreis haben wir uns früher gern mit Hilfe von Zitaten daraus (aus der Oper) verständigt, was sehr viel Spaß machen kann. Arabella ist vollgestopft mit wunderbaren zitierfähigen Stellen, die für alle möglichen Gelegenheiten passen. Ich glaube, ich kenne Text und Musik auswendig. In Salzburg kam es mir aber so vor, als seien Striche aufgemacht worden, die ich bisher nicht kannte. So gedehnt fand ich die Aufführung. Es fehlt ihr jegliche Raffinesse, jede Zweideutigkeit. Die Handlung und die Musik vollziehen sich ja wie auf der Rasierklinge. Davon spürte ich nichts. Thielemann hat kein Gespür für diesen gebrochenen Walzer in der Partitur. Er klingt für meine Ohren zu bodenständig, zu robust. Arabella halte ich für ein im guten Sinne dekadentes Werk. Dekadenz finde ich nirgends so meisterhaft ausgedrückt wie in dieser Oper. Die Musik rauscht auf und steigert sich zu einer Schönheit, als würde die Entstehung der Welt in Noten gegossen. In Wahrheit geht es um ganz banalen Dinge - einen Faschingsdienstag, einen Ball, irgendwelche gelangweilte Grafen, eine versetzte Brosche, einen der Spielsucht anheim gefallenen Rittmeister a.D. und einen Heiratsantrag. Daraus eine Balance zu finden im Orchestergraben und auf der Bühne, das ist die Kunst bei Arabella. Ich habe eigentlich nie eine Aufführung erlebt, die meinen Vorstellungen in Gänze entsprach. Diese Geschichte ist einfach genial, ist sie nicht überzeugend dargestellt, muss sie das Publikum zu Fransen langweilen. Wir, die wir das Werk kennen und lieben, können natürlich auch einer durchschnittlichen Aufführung noch etwas abgewinnen. Wir haben nicht die Wahl.


    Sängerisch ist heutzutage wohl nicht viel mehr zu erwarten. Die Fleming ist inzwischen wirklich zu reif für die Partie, wenngleich es noch immer sehr schöne Momente gibt. Ich stellte fest, dass sie gewisse Ereignisse in der Handlung, die wirklich ganz wichtig sind, offenbar gar nicht erfassen konnte. Da gibt es in ersten Akt die Stelle, wo sie aus dem Fenster blickt und von dem fremden Menschen spricht, den sie gesehen hat als sie auf dem Haus gegangen ist. Das ist eine ganz wichtige Zäsur im Handlungsverlauf und so typisch für die Oper. Gesang entwickelt sich unmerklich auf dem Rezitativ. Strauss bringt beides in seiner unverwechselbaren Meisterschaft stilistisch zusammen und entwickelt daraus etwas neues, nie dagewesenes. So etwas kann die Fleming einfach nicht umsetzen, sie weiß offenbar gar nicht, was es ist, worum es geht. Sie hat die Partie gut gelernt ohne sie zu verstehen. Deutsche Untertitel in einem deutschen Werk sagen ja auch einiges aus. Deshalb kam mir die Musik in manchen Momenten so fremd vor. Hampson? Nun ja, der geht natürlich auf keine Bärin los. Der war mir zu intellektuell. Der kam nicht aus "der Walachei". Der müsste viel hilfloser wirken und naiver in diesem Schlangennest von des Kaisers Hauptstadt, wo er auch schamlos ausgenommen wird. Der wird sich noch wundern. Aus dem alten Waldner, der ja nicht unsympathisch ist, lässt sich viel mehr machen als das Dohmen konnte, und die Adelaide ist keine Vettel wie das Frau Benackova Glauben machen musste. Sie erinnerte mich ehr an Hilde Hildebrand als Mrs. Peachum im Dreigroschenopern-Film. Am meisten haben mir Daniel Behle als Matteo und die Zdenka, der Name der Sängerin fällt mir jetzt nicht ein, zugesagt.


    Die Inszenierung fand ich nicht beleidigend aber hinlänglich läppisch. Die Sänger wurden zu oft allein gelassen. Bisschen üppiger hätte es ruhig sein können. Die Möglichkeiten der Salzburger Breitwandbühne wurden nach meinem Eindruck nicht genutzt. Und immer der Verzicht auf die Treppe am Schluss. Was sollte der mickrige Lift? Die Treppe ist es! Sie ist auch ein starkes Symbol für oben und unten und für dazwischen."


    Soweit meine Meinung.


    Gruß Rgeingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Reingold,


    ich hab ja schon in einem anderen Thread geschrieben, das mich diese Inszenierung sehr gelangweilt hat und es über Rampensingen nicht hinausging. Außerdem spielte auch der zweite Akt nicht auf dem Fest, sondern in der Hotelhalle. Gesanglich sehe ich das Ganz nicht so kritisch. Frau Fleming hat in einem Interview erzählt das sie extra wegen der Strauß Rollen die deutsche Sprache gelernt hat. Und nenn mir eine Sopranistin die zur Zeit eine bessere Arabella ist. Frau Benackova hat immer noch eine tolle Stimme für ihr Alter und sieht blendend aus. Thomas Hampson war ein guter Mandrynka, obwohl er manchmal etwas angestrengt klang. Sehr gut besetzt war der Matteo mit Daniel Behle und die Zadenka mit Hanna Elisabeth Müller. Und natürlich Diana Fally als Fiakckermilly. Nur waren grade leider bei Zadenka und Fiackermilly die Kostüme unmöglich, Das Diirigat von Thielemann war ordentlich mehr aber nicht.

  • Ein eigener Thread, sehr schön, lieber Rheingold.


    Am meisten haben mir Daniel Behle als Matteo und die Zdenka, der Name der Sängerin fällt mir jetzt nicht ein, zugesagt.

    Hanna-Elisabeth Müller - auch für mich eigentlich das Highlight des Abends. Zu den Hauptprotagonisten Fleming und Hampson ist eigentlich schon alles wesentliche gesagt.


    Gerne will ich auch nochmal meine durchaus ernst gemeinte Frage zum Regiekonzept in den Ring werfen, die an anderer Stelle lediglich ein kleines Rechenexempel zur Antwort "provozierte":


    Aber eine andere Frage drängt sich mir auf: Das Stück spielt m.W. irgendwann zwischen 1850 und 1860. Die Inszenierung schien mir um 1900 (Fin de siècle) angelegt; also immerhin gute 50 Jahre neben dem Libretto. Man kann so etwas tun, auch wenn dies bei anderen Regisseuren schon für ein "Todesurteil" ausgereicht hätte. Aber warum tut in diesem Falle Frau Klepper dies, um schlussendlich so wenig dabei herauszuholen? Denn letztlich: Die schöneren Kleider, Bilder etc. hätte man sicherlich bekommen, wäre man um 1860 geblieben.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Arabella ist auch nicht gerade meine Lieblingsoper von Strauss - ich mag eigentlich überhaupt nur Salome und Elektra wirklich, die anderen haben zwischen den "Highlights" zuviel Leerlauf. Den Beurteilungen der sängerischen Leistungen habe ich nichts hinzuzufügen - Fleming ganz ordentlich, Hampson überfordert, Hannah-Elisabeth Müller prima. Was die zeitliche Einordnung angeht:, würde ich sagen, dass alles zwischen ca. 1860 und 1914 passt. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich die hier gezeigten gesellschaftlichen Verhältnisse total verändert.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Was die zeitliche Einordnung angeht:, würde ich sagen, dass alles zwischen ca. 1860 und 1914 passt. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sich die hier gezeigten gesellschaftlichen Verhältnisse total verändert.


    Das ist zwar vom Grundsatz her richtig, jedoch als Erklärung wohl kaum ausreichend. - Dummerweise neige ich dazu einer Inszenierung stets irgendeine (gewollte) Bedeutung zu unterstellen und auch, wenn ich mich damit eigentlich zum advocatus diaboli der Regietheatergegner zu machen, ist doch der einzige Grund, den ich für den vorgenommenen Zeitversatz gefunden habe, der Fahrstuhl im zweiten Aufzug. Zumindest lt. Wikipedia (zuletzt aufgerufen am 15.04.2014) fanden Personenaufzüge in Europa erst um 1900 größere Verbreitung und insbesondere ist nicht anzunehmen, dass ein wiener Grandhotel bereits um 1860 herum mit einem solchen ausgestattet gewesen sei. Wenn denn aber der Fahrstuhl der Grund gewesen sein sollte, müsste er in der Arabella-Inszenierung doch irgendeinen ersichtlichen (interpretatorischen) Zweck erfüllen, der mir anscheinend gänzlich entgangen ist.


    Nun mag schon dies auf andere etwas piesepampelig wirken, aber ist doch mir noch nicht genug: Im Libretto heißt es in den Szenebeschreibungen u.a. (Hervorhebungen von mir)


    Erster Aufzug. Salon in einem Wiener Stadthotel. [...] Der Salon ist reich und neu möbliert im Geschmack der 1860er Jahre.


    sowie


    Zweiter Aufzug. Vorraum zu einem öffentlichen Ballsaal, prunkvoll im Geschmack der 1860er Jahre. [...]


    Jeder, der die Übertragung verfolgt hat, wird mir kaum widersprechen, dass weder der Salon "reich und neu möbliert", noch der Vorraum des Ballsaales "prunkvoll" gewesen ist; in beiden Fällen war eher das Gegenteil war der Fall.


    Insgesamt stelle ich deshalb für mich fest, die Salzburger Arabella-Inszenierung war nicht nur grob an den Vorgaben des Libretto vorbei (was ich in anderen Fällen verzeihen kann), sondern entbehrte in diesem Vorbei zusätzlich jeder plausiblen Aussagen (was ich in keinem Fall verzeihen mag).

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Immerhin kommt das Wort "Aufzug" vor...... :baeh01:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Michael,


    du unterstellst den Gegnern des Verunstaltungstheaters (ich meide bewusst den Namen "Regietheater", weil er zwar allgemein mit "Verunstaltungstheater" gleichgesetzt wird, aber nicht korrekt zutrifft), sie seien noch päpstlicher als der Papst und verlangten eine absolut wortwörtliche Umsetzung des Librettos. Ich habe das schon mehrfach als falschen Eindruck von dem, wofür wir kämpfen, herausgestellt.
    Die Handlung der Arabella ist für mich nicht unbedingt in eine feste Zeit eingebunden und könnte genauso ähnlich noch heute spielen. Und die Handlung ist vom Regisseur nach meinem Dafürhalten nicht angetastet worden. Sie könnte also durchaus auch in einem anderen Umfeld spielen. Anders sieht es aus, wenn die Handlung von Librettisten und damit auch vom Komponisten in ein historisches, mythisches oder märchenhaftes Umfeld gelegt wurde und hier vom Regisseur -. oft einer irren Phantasie entspringende - nicht nur völlig neue, zeit- und ortsverschobene Handlungen unterlegt werden, die immer im gleichen - meist öden und langweiligen - Ambiente der Moderne spielen und in vielen Fällen überhaupt nicht mit Text und Musik harmonieren. Dies lehnen wir ab und wie ja durch wissenschaftliche Untersuchungen festgestellt ist, auch die überwiegende Mehrheit derjenigen, die dem Theater noch nicht den Rücken gekehrt haben (die anderen konnten ja nicht befragt werden).
    Sicher, viele Zuschauer wie du werden in bestimmten Teilen der Darstellung und des Ambientes eine gewisse Symbolik sehen, wie hier in der Treppe statt des Aufzuges und werden dann von Einzelheiten enttäuscht sein. Für mich war der Ort der Handlung nach Libretto durchaus gegeben, auch wenn er nicht reich möbliert und prunkvoll war. Und die - in meinen Augen inhaltlich nicht zeitgebundene - Handlung war nicht entstellt. Natürlich fand ich auch nicht alle Regieeinfälle (speziell bezogen auf den Chor) gut, aber insgesamt hat die Inszenierung - vor allem im Vergleich zu dem, was man heutzutage als Unsinn geboten bekommt - einen positiven Eindruck hinterlassen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard,


    es tur mir leid, aber es wird hier oft gefordert, die Probleme des sogenannten Regietheaters doch bitte anhand konkreter Beispiele zu diskutieren. Ich will dies gerne tun, aber als Entgegnung ist mir Deine Argumentation jetzt tatsächlich etwas zu dünn. Es mag angehen, sich auf den Standpunkt zu stellen, eine Inszenierung sei dann okay, wenn sie sich im Wesentlichen an Vorgaben und Handlung des Librettos hält, wobei andererseits schon dieses "im Wesentlichen" ausreichend unscharf ist. Was Du sagst bzw. schreibst hat für mich aber die Tendenz des: alles ist okay, solange es dem "Gegner des Regie- bzw. Verunstaltungstheaters" nicht wehtut!?


    Aber zurück zum Konkreten: Wie wesentlich ist denn die Vorgabe des Arabella-Librettos bzgl. der reichen und prunkvollen Ausstattung? Und welche Aussage ergibt sich im Gegensatz dazu aus einem offensichtlich schon ziemlich vergilbten, abblätternden Interieur? Es wäre für die Herren Strauß und Hofmannsthal ja durchaus ein Leichtes gewesen, dies auch so in das Libretto zu schreiben, hätten sie es denn gewollt. Mehr noch scheint mir eine eher gebrochene Atmosphäre sogar passender für das Stück (nicht nur Ravels La Valse läß grüßen); insbesondere im Hinblick auf Arabellas Familie und deren wirtschaftliche Verhältnisse. Was ist das denn für eine Haltung, die zweite Tochter auch deshalb in Männerkleidern herumlaufen zu lassen, weil man sich keine zwei standesgemäß ausgestatteten Töchter leisten kann. Zudem scheint es mir nicht gerade ein Zeichen väterlicher Liebe zu sein, seine Tochter (auf Gedeih und Verderb?) reich verheiraten zu wollen oder besser zu müssen um der eigenen Spielsucht nachkommen zu können - der Vergleich, wenn auch unter anderen Vorzeichen, zu Daland/Senta drängt sich auf.
    Nun kann ich dass Reiche und Prunkvollen ja auch als beabsichtigten, äußeren Gegensatz zu den inneren Familienverhältnissen sehen und die Inszenierung von Frau Keppler will gerade dieses Innere sichtbar machen. Wenn es so ist, wird dies offenbar von Dir akzeptiert. Wie sähe es jedoch aus, wenn dieser Gegensatz drastischer ausgeführt würde? Oder nicht unbedingt drastischer, aber doch der Zeitversatz größer wäre, die Handlung z.B. in das 21te Jahrhundert verlegt worden wäre? Wie reagierst Du, wenn die Handlung (natürlich ohne Veränderungen an Text und Musik) von in einem Grand-Hotel in eine Jugendherberge verlegt wird?


    Gerne will ich meinen grundlegenden Einwand nochmals zusammenfassen: M.E. klafft zwischen Libretto und Umsetzung eine wesentliche Diskrepanz, die hier nach meinem Gefühl und eigentlich für mich unverständlich hingenommen wird, weil es einfach nicht so auffällt. Zudem behaupte ich, dass die selbe Regie, trüge sie den Namen z.B. Christopher Loys einen Sturm der Empörung - wahrscheinlich sogar unter der Verwendung sehr ähnlicher Argumentationslinien - hervorgerufen hätte.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Mir geht es ähnlich wie Mme.Cortese: Elektra und Salome sind interessant. Der Rosenkavalier mit Einschränkungen. Ansonsten kann ich mit Strauss nicht viel anfangen. Ich habe die Solti Aufnahme der Araballa - und leider bisher nie zu Ende gehört; es langweilt mich schnell. Die Salzburger Aufführung habe ich zwar durchgestanden, aber freiwillig würde ich mir das nicht nochmal antun. Ich empfinde diese Oper - wie eigentlich alles nach dem Rosenkavalier (und dort auch schon teilweise) - als extrem artifiziell. Da geht es um Personen und "Probleme", die mich nicht interessieren. Und die Musik - sicher gekonnt gemacht, aber letztendlich Bombast; viel Lärm um nichts.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Mir geht es ähnlich wie Mme.Cortese: Elektra und Salome sind interessant. Der Rosenkavalier mit Einschränkungen. Ansonsten kann ich mit Strauss nicht viel anfangen.

    Mir geht es da anders: Ich halte "Salome", "Der Rosenkavalier" und die zweite Fassung (mit Vorspiel) der "Ariadne auf Naxos" für die gelungensten Opern von Richard Strauss, habe aber auch große Sympathie "Die schweigsame Frau", "Capriccio" und Teile von "Die Frau ohne Schatten" (Kaiser, das ganze Falknerhaus-Bild, Kaiserin und Barak, weniger das ständige Gekeife von Färberin und Amme) - mit "Elektra" (Stichwort: Gekeife) kann ich hingegen ebensowenig anfangen wie mit "Arabella" oder "Daphne", von der "Liebe zur Danae" ganz zu schweigen. "Friedenstag" und "Die ägyptische Helena" sind hingegen gar nicht so schlecht, wenn auch keine so großartigen Meisterwerke wie die drei eingangs genannten.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Richard Strauss ist für mich nie uninteressant. Man muss sich nur etwas mehr damit befassen und sich einhören. Unter "gar nicht schlecht" möchte ich die bisher noch nicht genannte "Feuersnot" reihen.


    Aber nun zum Hauptthema: Wir können endlich wieder auf einen hohen Niveau meckern. Zuwenig Plüsch, Chor schlecht aufgestellt, Treppe und noch anderes .... Aber endlich wieder eine Inszenierung, die auch eine ist - und kein RT! Welch ein Unterschied zwischen "Arabella" und "Lodengrün", gottseidank.

  • Zitat

    Zitat von Erich Ruthner: Aber endlich wieder eine Inszenierung, die auch eine ist

    Lieber Erich,


    deswegen sollten wir auch nicht auf hohem Niveau meckern. Mich interessiert weder die Treppe noch der Plüsch. Und wenn der Chor schlecht aufgestellt war, eine Kleinigkeit, die wahrhaftig zu verschmerzen ist. Wesentlich ist doch, dass wir endlich wieder mal eine Inszenierung erlebten, die nicht durch Verdrehung der Handlung verunstaltet, scheußlich anzusehen oder durch alberne Erfindungen des Regisseurs entstellt war. Endlich ein Wegweiser zur Vernunft! Hoffentlich folgen weitere.


    Liebe Grüße
    Gerhard :hello:

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Endlich ein Wegweiser zur Vernunft!


    Ach, lieber Freund Gerhard, wenn diese Inszenierung der Wegweiser in die Zukunft gewesen sein soll, dann müssen wir uns wohl auf sehr langweilige und quälende Zeiten gefasst machen. Nur die Abwesenheit von Versatzstücken und Gerümpel aus dem Arsenal des so genannten Regietheaters, das diesen Namen eigentlich gar nicht verdient, ist aus meiner Sicht doch noch keine Lösung des Problems. "Arabella" ist nun mal auch die symbolträchtige Treppe und der Plüsch - Fin de Siècle in Reinkultur. Wird das herausgefiltert, dann bleibt nicht viel übrig. Bei einigen Strauss-Werken ist es noch schwieriger als bei Wagner, an den Texten und ihrer historischen Verortung vorbei zu inszenieren. Die Salzburger Aufführung fehlte in diesem Sinne doch fast alles, sie blieb die die überzeugende Antwort auf die Frage schuldig, warum man dieses Stück heutzutage überhaupt noch auf die Bühne stellen sollte. Ich habe mich selten so gelangweilt wie hier. Nein, diese Aufführung hat der Oper als Kunstform keinen großen Gefallen getan, weil man sich letztlich doch nicht zum Stück bekannte sondern sich lediglich von den Auswüchsen auf den Opernbühnen absondern wollte. Eine Inszenierung, die niemanden weh tun wollte.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    du maghst dich ja gelangweilt haben. Dafür aber haben sich viele, mit denen ich inzwischen über die Arabella gesprochen habe, eben nicht gelangweilt. Erst gestern habe ich zwei Damen aus dem Freundeskreis zu Besuch gehabt, die ganz begeistert waren, endlich mal wieder eine nicht vom Regisseur entstellte Oper gesehen zu haben. Und an dem jubelnden Applaus - ich habe mir das in der Aufnahme noch einmal angehört, scheint sich ja kaum jemand gelangweilt zu haben.
    Nun: "Wat dem eenen sin Uhl is dem annern sin Nachtigall". Einige werden immer etwas auszusetzen haben. Für mich und für viele war das nach vielen sehr öden und langweiligen verunstalteten Opern, die in letzter Zeit übertragen wurden, endlich wieder einmal ein Lichtblitz am Himmel. Und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Nachzutragen ist noch, dass in der Tat die Inszenierung der Grund war, warum ich bis zum Ende "durchgehalten" habe, obwohl mir "Arabella" nicht sonderlich gefällt. Übrigens habe ich jüngst "Guntram" erworben und da war der erste Höreindruck (ganz gehört habe ich das Werk noch nicht) durchaus vielversprechend. Aber das ist ja auch noch kein "typischer" Strauss. ;)

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Was ist denn ein "typischer Strauss"? Schon "Salome" und "Rosenkavalier" sind dermaßen unterschiedlich, dass ich keinen "typischen Strauss" erkennen kann. Aber auch bei Mozart, Wagner, Verdi oder Puccini könnte ich nicht ein einzelnes Werk benennen, das für den jeweiligen Komponisten "typisch" ist.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die Handlung der Arabella ist für mich nicht unbedingt in eine feste Zeit eingebunden und könnte genauso ähnlich noch heute spielen.


    Lieber Gerhard, da dieses Thema auch an anderer Stelle noch einmal angeschnitten wurde, möchte ich hier etwas dazu sagen. "Arabella" ist eine der Opern, die wie kaum eine andere einen genauen historischen Hintergrund hat, und der ist nicht nur damit abgetan, dass 1860 als Zeit angegeben wird. Hofmannsthal baut in seinen Text sehr viele entsprechende Bausteine - Begriffe und Ortsnamen - ein, die auf die Verortung und die Zeit hinweisen. Da hat zwar auch etwas ironisch-spielerisches, aber es dürfte kein Zufall sein. Einige dieser Beispiele möchte ich nennen:


    Zdenka: "Lass in Görz die Tante sterben."
    Matteo: "Dann stünd' ich morgen beim Rapport und bäte um Versetzung nach Galizien..."
    Arabella: "... ein Fremder halt aus Ungar oder aus der Walachei... "
    Adelaide: "Zur Tante Jadwiga."
    Welko: "Es ist in Ordnung, Gospodar."
    Mandryka: "Viertausend Unertanen beten, dass ich glücklich bin."
    Mandryka: "Welko ruf' ich, hol' mir den Juden, na! Wie heißt der Jud in Sissek, der meinen Wald will kaufen? ... denn morgen fahr' ich in dem Kaiser seine Hauptstadt... Es war ein schöner Wald: Einsiedler waren drin, Zigeuner waren drin..."
    Mandryka: "Teschek, bedien' dich!"
    Arabella: "Wie kommt man eigentlich da drunten in Slowenien zu einem Bild von mir?"
    Adelaide: "Moët-Chandon, halb herb, halb süß - der war es bei meiner Verlobung!"
    Fiakermilli: "Eljen! Wir sind Ihre Gäste!"


    Wenn also die Geschichte so ähnlich noch heute spielen könnte, frage ich mich, wie man derlei feinsinnige Anspielungen dann verstehen sollte? Ich will jetzt nicht beckmesserisch sein. Aber der Verzicht auf das Jahr 1860 und diese Feinheiten kommt einem völligen Unverständnis für dieses ganz besondere Stück, das sehr stark von solchen Einzelheiten und sprachlichen Anspielungen lebt, gleich. Dann es lieber gar nicht spielen. "Arabella" ist und bleibt "ein Fall von andrer Art" - ein ganz besonderer Fall: Wenn Regisseure die Handlung in eine andere Zeit verlegen, muss es schon wohl begründet sein. Ich bin nicht dagegen. Bei "Arabella" geht das aber nicht so leicht. Die ist halt zeitlich in ihr festes Korsett gepresst. Leider kann ich lesen. ;) Bei schlecht gesungenen Aufführungen gehen die Zitate natürlich unter. Dann fällt es nicht so auf. Also hat die miese Diktion wie bei der Salzburger Aufführung am Ende doch noch ihren Sinn. :) Mich wundert sehr, dass gerade Du, der gern vom "Verunstaltungstheater" spricht, hier plötzlich so großzügig bist. Hast Du etwas die Seiten gewechselt? ;)


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    all die von dir zitierten Textstellen sprechen nicht unbedingt für eine Verlegung der Handlung ins Heute, aber auch nicht unbedingt gegen eine "Verlegung" nach "um 1900", weil es da den von Wien aus regierten Habsburger Vielvölkerstaat ebenfalls noch gab, wenn auch inzwischen Venedig "abhanden" kam und vielleicht noch einiges andere mehr, was aber nichts am besonderen Spezifikum der skizzierten Situation ändert.


    Ich glaube, kein Befürworter größtmöglichster Werktreue würde aufschreien, wenn ein Regisseur den "Tannhäuser" um 40 Jahre nach vorne oder hinten "verschieben" würde. 8-)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Rheingold,


    du magst Recht haben, wenn du auf solche Textstellen abhebst, obwohl ich nicht bei allen diesen Textstellen, ähnlich wie Stimmenliebhaber, eine Begründung sehe, dass Plüsch auf der Bühne sein muss und eine Treppe vorhanden sein muss. Mir ist natürlich auch eine Aufführung lieber, die in der Zeit, in der sie angesiedelt ist, bleibt. Dennoch war ich froh, wieder einmal eine Aufführung zu sehen, die man noch mit ruhigem Gewissen anschauen konnte. Wenn du aber so auf den Text achtest, dann müsstest du eigentlich alle heute modischen Inszenierungen verdammen, bei denen neben dem Text auch die vollständige Handlung nicht mehr passt. Oder bist du jetzt auch ins andere Lager gewechselt? Dann beglückwünsche ich dich dazu.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Meine lieben Freunde,


    die genannten Zitate passen alle in den süd-östlichen Raum der Österr.-Ungarischen Monarchie, die damals dort ihren festen Bestand hatte. Nur würde ich 1860 nicht als Handlungsjahr ansehen wollen, die die "Fiakermilli", mit bürgerlichem Namen Emilie Turecek (30.06.1848 - 13.05.1889) damals erst zwölf Jahre alt gewesen sein müsste. Bis 1914 wäre die Handlung jederzeit logisch einzuordnen, würde man sich aber auf die originale Fiakermilli berufen, nur bis 1889.


    Sie starb an einem Leberleiden infolge von Alkoholexzessen.


    Erich

  • Meine häufig geäußerte Kritik, Rollen mit Stars zu besetzen, die von der Statur und vom Alter nicht passen, erhalte ich auch hier aufrecht. Renée Fleming ist einfach keine Arabella. Und wenn man das negiert und sagt, es geht doch, Hauptsache sie singt gut: was wollt ihr dann dem Regietheater entgegensetzen, die ja mit der gleichen Argumentation arbeiten? Werktreue heißt auch adäquate Rollenbesetzung, was durchaus nicht 1:1 bedeutet, wie mir immer entgegengehalten wird. Also muss die Mélisande nicht 17 sein, das war sie sicher bei der Uraufführung auch nicht. Aber über 40 auch nicht, nur weil die Frau vom Dirigenten da mitsingen muss.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Meine lieben Freunde,


    die genannten Zitate passen alle in den süd-östlichen Raum der Österr.-Ungarischen Monarchie, die damals dort ihren festen Bestand hatte. Nur würde ich 1860 nicht als Handlungsjahr ansehen wollen, die die "Fiakermilli", mit bürgerlichem Namen Emilie Turecek (30.06.1848 - 13.05.1889) damals erst zwölf Jahre alt gewesen sein müsste. Bis 1914 wäre die Handlung jederzeit logisch einzuordnen, würde man sich aber auf die originale Fiakermilli berufen, nur bis 1889.


    Lieber Erich, liebe Freunde, 1860 als Handlungsjahr steht nun einmal im Text. Es ist nicht meine Erfindung. Mit der Fiakermilli wollte Hofmansthal dem berühmten Vorbild ein Denkmal setzen. Das ist ja auch gelungen. Das Auftreten der Figur in der Oper ist also nicht zu verstehen als historisches Indiz für die Zeit der Handlung. In einschlägigen Briefwechseln ist das - wenn ich mich nicht irre - nachzulesen. "Arabella" ist keine historische Oper, in der Emilie Turecek in Erscheinung tritt. Rein theoretisch könnte "Arabella" tatsächlich bis 1914 spielen. Vergleicht man aber das Verhalten der Personen, ihre Biographien, den Handlungsverlauf, ja die Geschichte an sich mit jeweiligen zeitgenössischen Vorgängen zwischen 1860 und 1914 in der Literatur etc., dann kommt man zu schlüssigen Einsichten. Da ist zum Beispiel ja auch noch der Schlitten vom Elemer. Ich hatte - um nicht zu langweilen - nur ein paar Zitate eingestellt in meinen Beitrag. Ich erlaube mir also, bei meiner Auffassung zu bleiben. Es gibt keinen Grund, die Oper dreißig oder vierzig Jahre später spielen zu lassen. Mit der gleichen Lässigkeit könnte man sie auch um 1832 ansiedeln. Warum das nicht möglich ist, behalte ich jetzt aber mal lieber für mich. :) Dem Text selbst ist auch das zu entnehmen. Es soll aber jetzt kein Rätsel werden.


    Nun will ich auch nicht kleinlich sein. "Arabella" ist nun aber mal eine meiner liebsten Opern.


    Mit besten Empfehlungen grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nur wer von den Opernbesuchern kennt denn überhaupt die geschichtlichen Hintergründe der Oper die sie besuchen? Die meisten wollen einfach nur einen schönen Abend haben. Das heisst wenn ich z.B. die Oper Andrea Chenier besuche müsste ich vorher sattelfest sein in den Ereignissen der französischen Revolution. Das höchste der Gefühle wird sein, dass wenn die jungen Leute heute in die Oper gehen, dass sie vorher infos über Wikipedia abrufen.

  • Meine häufig geäußerte Kritik, Rollen mit Stars zu besetzen, die von der Statur und vom Alter nicht passen, erhalte ich auch hier aufrecht. Renée Fleming ist einfach keine Arabella. Und wenn man das negiert und sagt, es geht doch, Hauptsache sie singt gut: was wollt ihr dann dem Regietheater entgegensetzen, die ja mit der gleichen Argumentation arbeiten? Werktreue heißt auch adäquate Rollenbesetzung, was durchaus nicht 1:1 bedeutet, wie mir immer entgegengehalten wird. Also muss die Mélisande nicht 17 sein, das war sie sicher bei der Uraufführung auch nicht. Aber über 40 auch nicht, nur weil die Frau vom Dirigenten da mitsingen muss.


    Das meinst du doch wohl nicht ernst. Es wäre auch m.E. gar nicht durchführbar. Die meisten Sopran - und Tenorpartien sind halt junge Mädchen bzw. Männer. Die Alten sind ja meistens Mezzos und Bässe. Deine Forderung würde also bedeuten, dass Soprane und Tenöre so mit ca. 40 Jahren ihre Karrieren beenden müssten und somit bestenfalls Karrieren von ca. 15 Jahren hätten. Und die Bässe und Mezzos dürften dann erst mit ca. 40 Jahren ins Engagement gehen. Unter solchen Umständen würde die Oper wahrscheinlich in kürzester Frist am Sängermangel zugrunde gehen. Im übrigen sind es gerade die RT-Regisseure, die auf die Physique de role achten und den gesanglichen Aspekt vernachlässigen, meistens wohl, weil sie, wenn sie vom Schauspiel, Film oder wie jetzt in Berlin vom Ballett kommen, davon ohnehin nichts verstehen. Aber na ja, wenn man halt den Belcanto nicht mag....dann muss ja wohl wenigstens dem Auge was geboten werden?

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Zitat von Rodolfo: Nur wer von den Opernbesuchern kennt denn überhaupt die geschichtlichen Hintergründe der Oper die sie besuchen?

    Lieber Rodolfo,


    wenn sie in Andrea Chenier oder Arabella gehen, werden sich wohl die meisten Opernbesucher (vielleicht nicht alle) vorher über den Inhalt informieren. Und doch besteht zwischen beiden Opern für mich ein gewaltiger Unterschied: Bei Andrea Chenier weiß ich aus dem Inhalt im Opernführer, dass das Geschehen in der Zeit der französischen Revolution abläuft und erwarte auch, dass die Inszenierung mich in diese Zeit versetzt. Bei Arabella kann ich außerhalb der Inhaltsangabe allenthalben im Opernführer - soweit das für den Handlungszusammenhang überhaupt wesentlich ist - lesen, dass die Geschichte um 1860 angesiedelt ist, die aber von der Handlung her ansonsten jederzeit ablaufen könnte. Wie viele Opernbesucher aber werden das Libretto lesen und sich - so wie Rheingold - auch noch so intensiv mit dem Text und seinen Hintergründen auseinandersetzen, so dass für sie eine zeitliche Verschiebung völlig inakzeptabel erscheint? Ich kann aber auch in dem meisten von Rheingold angeführten Zitaten nicht unbedingt einen Hinweis auf 1860 finden. Wohl die Wenigsten werden jeden Satz des Librettos auf solche Hinweise untersuchen. Das Ganze scheint mir doch im Zusammenhang mit diesem Thema sehr bewusst gesucht.
    Allerdings muss ich dann noch einmal betonen, dass jemand, der sich auch bei anderen Opern so mit dem Text im Einzelnen auseinandersetzt und ihn mit dieser Präzision interpretiert, keine einzige der modischen Entstellungen der Oper befürworten dürfte.
    Bei Arabella aus Salzburg kann ich nicht unbedingt eine Entstellung der Handlung entdecken und alle Opernliebhaber, mit denen ich bisher über diese Inszenierung gesprochen habe, fanden die Inszenierung endlich wieder einmal als kurze Erholung von der grassierenden Seuche der Interpretitis und Deuteritis.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • lesen, dass die Geschichte um 1860 angesiedelt ist, die aber von der Handlung her ansonsten jederzeit ablaufen könnte.


    Lieber Gerhard,


    jederzeit könnte die Geschichte keinesfalls ablaufen, jedenfalls nicht heutzutage. Zwar haben sich heute Jungen und Mädchen bzw. junge Mädchen und Männer in Haartracht und Kleidung weitgehend einander angeglichen, aber dass Eltern eine Tochter zwingen, sich als Junge auszugeben, weil man nur eine Tochter "standesgemäß" ausstatten kann, damit sie einen reichen Ehemann einfängt, das ist doch wohl heute kaum denkbar - außer vielleicht bei RT-Regisseuren, die entweder den Text nicht gelesen haben oder denen ohnehin alles egal ist - Hauptsache "innovativ".


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Liebe Mme.Cortese,


    in diesem Detail muss ich dir allerdings Recht geben, das ließe sich heute kein Jugendlicher mehr bieten und das würde auch in unserer Gesellschaft kaum mehr möglich sein. Aber die modischen Regisseure hätten es wohl fertig gebracht, auch das in ihre irren Ideen zu verdrehen.
    Fast alle schon geschriebenen Opern, die ich kenne, können kaum noch im Heute spielen, aber das biegen die Regisseure schon hin, auch wenn dann absolut nichts mehr passt, und das wird dann auch noch "Kunst" genannt. Wie schon gesagt, wie man der Mona Lisa keine Brille anmalen sollte (sie ist ja schon sehr alt und kann sicher ohne Brille nicht mehr sehen!), so sollte man keine Oper gewaltsam aktualisieren. Aber wir müssen ja schon froh sein, wenn es so wenig auffällig geschieht wie bei Arabella in Salzburg.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich für meinen Teil finde es interessant, Libretti auf ihren Realitätsbezug zu überprüfen. Doch sollte man den Verfassern eine gewisse künstlerische Freiheit einräumen und nicht beckmesserisch dabei vorgehen. Wo da die Grenze liegt, muss jeder für sich festlegen.



    Erich

  • Das meinst du doch wohl nicht ernst. Es wäre auch m.E. gar nicht durchführbar. Die meisten Sopran - und Tenorpartien sind halt junge Mädchen bzw. Männer. Die Alten sind ja meistens Mezzos und Bässe. Deine Forderung würde also bedeuten, dass Soprane und Tenöre so mit ca. 40 Jahren ihre Karrieren beenden müssten und somit bestenfalls Karrieren von ca. 15 Jahren hätten. Und die Bässe und Mezzos dürften dann erst mit ca. 40 Jahren ins Engagement gehen. Unter solchen Umständen würde die Oper wahrscheinlich in kürzester Frist am Sängermangel zugrunde gehen.


    Das meine ich absolut ernst!
    1. Ich bin als Opernseher und Opernhörer nicht verpflichtet, mich um die Karriere von Sängern zu kümmern.
    2. Die meisten Rollen haben ein ausgeprägtes Profil, das der Komponist sehr im Auge hatte.
    3. In der Provinz kann man etwas toleranter sein.
    4. Von Sängermangel kann keine Rede sein, wir haben ein Überangebot, auch von jungen kompetenten Sängern.
    5. Wenn ich von adäquater Rollenbesetzung spreche, rede ich von Weltbühnen wie Baden-Baden, Wien, Salzburg, MET, Berlin, Paris. Die könnten sich die Sänger aussuchen und auch adäquat besetzen. Tun sie aber nicht, weil sie Stars als Attraktion brauchen, die dann mehr Geld bringen.
    Beispiele: Johan Botha in Salzburg als Parsifal, geht natürlich gar nicht, er ist aber berühmt.
    Magdalena Kozena in Paris als Mélisande, ist natürlich erheblich zu alt, aber die Frau vom Dirigenten.
    Renée Fleming als Arabella: die singt sie, als wäre es die Marschallin. Aber: Weltstar. Gerade hier gibt es Dutzende von jungen Sopranistinnen, die das hervorragend singen und spielen könnten (z.B. Svetlana Ignatovic und die ganze Riege der jungen Sopranistinnen der Rheinoper).
    Luciano Pavarotti als Rodolfo: ein korpulenter Mensch als Hungerleider, aber auch Weltstar.
    Die Netrebko als Susanna in Salzburg (?) - die schlechteste Susanna, die ich je gesehen habe (nicht weil sie nicht singen kann, aber sie konnte die Susanna weder singen noch spielen)
    6. Fazit: von den großen Bühnen erwarte ich in jeder Rolle adäquate Besetzungen, weil die sich das auch leisten können. Star alleine genügt mir nicht.


    Und da ist die Parallele zum Regietheater: wenn Zeit und Ort verändert und verlegt werden, wenn die Handlung zerstört wird, dann schreit ihr auf. Aber wenn es wegen des sängerischen Startums keine adäquate sängerische und schauspielerische Besetzung gibt, scheine ich hier der einzige zu sein, der das moniert.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose