Mozarts Zauberflöte in Referenzaufnahmen

  • Hallo zusammen,


    ist jemand glückseliger oder gar am Ende enttäuschter Besitzer der neuen Einspielung unter Claudio Abbado ?




    Ich habe mich erst nicht weiter für diese Einspielung interessiert, da ich mich mit Böhm und Klemperer bestens versorgt wußte. Dann machte mich René Pape als Sarastro neugierig und der ist in der Tat vorzüglich, der beste Sarastro, den ich aus der neueren Zeit kenne. Ich habe die CD bisher ( Selbstverordneter Kaufstopp ) noch nicht erworben, aber mal bei Dussmann reingehört. Alleine die Overtüre macht schon Spaß...wenig weihevoll die ersten Takte, dann fegt Abbado mit dem Mahler Chamber Orchester derart spritzig durch die Takte, dass es eine Freude ist. Alles wird mit großartigem Schwung musiziert. Größte Überraschung, da (für mich) unerwartet: Christoph Strehl als Tamino. Kannte den gar nicht, aber eine überaus höhrenswerte Leistung. Aufnahmequalität, soweit im Laden über Kopfhörer beurteilbar sehr gut. Ein Reinhören für Zauberflötenfans lohnt durchaus. Die DGG hat wohl in leidvoller Erfahrung mit der Konkurrenz des eigenen Backkatalogs den Preis ziemlich niedrig angesetzt, bei Dussmann zumindest war die Aufnahme schon für 24€ zu haben.


    Gruß
    Sascha

  • Zitat

    Original von Herbert Henn



    ....Das seltsamste : "Die Königin der Nacht singt ihre Koloraturen mit
    der Bedrohlichkeit einer mechanischen Nachtigal und im Stil des
    Erzherzog-Johann-Jodlers".


    Das ist ein Zitat von Karl Löbl.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo Melot,
    da hast Du gut recherchiert.Ich finde den Löbl gar nicht
    besonders kompetent.Außerdem darf die Königin der Nacht
    bedrohlich klingen,und den Erzherzog-Johann-Jodler kenne
    ich nicht,aber wahrscheinlich darf sie auch so klingen.
    Ich denke,daß Solti mehr von Musik verstand als Löbl.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Antracis,
    mit Klemperers und Boehms Aufnahmen ist man wahrlich gut bedient. Was Abbado dazu bieten kann, ist mir nicht klar. Mit Ausnahme von Rene Pape und Dorothea Roeschmann als Pamina, ist da wahrlich nichts, was die Aufnahme zu einer Spitzenaufnahme macht.
    Der Papageno ist stimmlich derart unsicher, dass man fragen muss, ob es da derzeit nicht bessere Saenger gibt (was ja schon die Englisch gesungene Aufnahme mit Kennlyside als Papageno beweisst). Natuerlich, wenn man vorher schon weiss, dass Abbado dirigiert, trichtert man sich schon ein, dass das gut sein muss.
    Wenn schon eine neuere Aufnahme, dann eine solche, die Kontrast zu dem traditionellen Klangbild bietet: ich bevorzuge Oestman (mit Streit und Bonney).
    Unter den zuletzt wiederveroeffentlichten Aufnahmen gefaellt mir die eigentlich unterschaetzte Einspielung unter Levine (mit dem recht heldischen Eric Tappy als Tamino und erneut Martti Talvela als Sarastro, sowie Boesch, Cotrubas, van Dam etc).


    Weiter oben wird Karl Loebl mit seiner Aussage zu Deutekoms Koenigin der Nacht zitiert. Loebl hat zwar recht, die Koloraturtechnik der Deutekom mit Jodln in Verbindung zu bringen, aber ich bevorzuge ihr durchaus dramatisches Singen dem Gekiekse so mancher Soubrette. Obwohl ich Loebls mittlerweile vom ORF abgesetzte Sendung am Sonntag Nachmittag immer gerne angehoert habe, finde ich in diesem Falle seine Aussage ziemlich beckmesserisch.


    Stefan

    Stefan

  • Zitat

    Original von stefan


    Obwohl ich Loebls mittlerweile vom ORF abgesetzte Sendung am Sonntag Nachmittag immer gerne angehoert habe, finde ich in diesem Falle seine Aussage ziemlich beckmesserisch.


    Ich weiß nicht, ob er es auch in einer Sendung so ausgesprochen hat, aber er (oder Robert Werba?) hat es im zweibändigen Hermes Handlexikon "Opern auf Schallplatten" (ECON Taschenbuch Verlag) geschrieben, das ich mir Mitte der Achtzigerjahre gekauft habe und das aber schon seit vielen Jahren bei mir irgendwo verstaubt. Ich habe auch nicht recherchiert, sondern ich habe mir das Zitat seit damals gemerkt.


    Es hat mir keine Ruhe gelassen: ich habe das Büchlein heute Mittag herausgekramt. Es werden Opernaufnahmen bis 1982 besprochen. Leider habe ich nur noch den 1. Band.



    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ich muß vorausschicken, daß ich die Abbado Aufnahme -ausser Tonschnippsel - nicht kenne.
    Sie wurde jedoch - wo immer ich nachsuchte - eher mittelmäßig bis vernichtend bewertet, sogar die Tontechnik. Ferner ist interessant, daß eigentlich nimand (?) hier im Forum die Aufnahme besitzt oder komplett gehört hat.
    Ich besitze mindestens 3 Referenzaufnahmen der Oper (Böhm/böhm/Klemperer) zahlreiches mittelmässige, und einiges was ich als "verfehlt" bzw "schlecht" klassifizieren möchte - ferner eine historische Aufnahme unter Barbirolli. - insgesamt also 9 Einspielungen. Wenn mich das was neues faszinieren soll, dann muß es schon aussergewöhnlich gut sein.....


    Eine Referenzaufnahme des Werke orte ich hier nicht.


    mfg aus Wien
    Alfred

    SPARE IN DER NOT - DA HAST DU ZEIT DAZU



  • Hallo Melot1967,
    ich kenne Auszuege aus diesem Buch, weil Absaetze daraus bei jpc als Kaufempfehlung verwendet werden. Viele der Kommentare sind ein "Krampf" und oberflaechlig.
    Der Kommentar zur ersten Decca-Zauberfloete unter Solti (es ist Soltis zweite nach der Aufnahme beim HR aus den Jahren als er GMD in Frankfurt war) ist fast fast "boesartig". Ich zaehle diese Aufnahme immer noch zu den besseren Einspielungen.
    Aus Wiener Sicht verteidigt man sicher gerne die traditionellen Versionen, und ich muss sagen, das diese mir ueberwiegend gefallen (vor allem mit Seefried, Kunz oder Berry, Dermota etc), aber deswegen muss man es nicht verteufeln, wenn es anders gemacht wird.
    Stefan

    Stefan

  • Zitat

    Original von stefan
    Hallo Melot1967,
    ich kenne Auszuege aus diesem Buch, weil Absaetze daraus bei jpc als Kaufempfehlung verwendet werden. Viele der Kommentare sind ein "Krampf" und oberflaechlig.
    Der Kommentar zur ersten Decca-Zauberfloete unter Solti (es ist Soltis zweite nach der Aufnahme beim HR aus den Jahren als er GMD in Frankfurt war) ist fast fast "boesartig". Ich zaehle diese Aufnahme immer noch zu den besseren Einspielungen.
    Aus Wiener Sicht verteidigt man sicher gerne die traditionellen Versionen, und ich muss sagen, das diese mir ueberwiegend gefallen (vor allem mit Seefried, Kunz oder Berry, Dermota etc), aber deswegen muss man es nicht verteufeln, wenn es anders gemacht wird.
    Stefan


    Ich bin der Meinung, dass die Beschreibung Wort für Wort stimmt. Man muss dabei berücksichtigen, dass Wiener Musikliebhaber der Nachkriegszeit Mozart-Opern von Ensembles zu hören bekamen, die oft über viele Jahre eingespielt waren und Mozart in einem einheitlichen Stil sangen, der durch die Internationalisierung des Opernbetriebs völlig verloren ging. Das ist heutzutage fast undenkbar, bzw. nur in Ausnahmefällen möglich (so hatte Riccardo Muti für eine Produktion der Wiener Festwochen einmal für eine Così acht Wochen Probezeit, was auch wirklich zu wunderbar homogenen Aufführungen führte; bezeichnend war, dass dies z.B. von der Deutschen Kritik fast überhaupt nicht bemerkt wurde, die die Inszenierung auf Grund ihres traditionellen Ansatzes zerpflückte! Man las in den Kritiken viel über die Inszenierung und wenig über die Musik; soviel zur Verteilung der Prioritäten...).


    Außerdem gehört Christina Deutekoms gejodelte Königin der Nacht eindeutig zu den Kuriosa der Schallplattengeschichte.


    Das heißt aber nicht, dass diese Aufnahme nicht zu gefallen hat. Sie hat zweifellos ihre musikalischen Qualitäten. Aber in meiner Erinnerung gibt es mit ihr noch ein anderes Problem. Ein Musikfreund erzählte mir einmal, er habe diese Aufnahme auf Band überspielt, wobei er alle gesprochenen Texte wegließ. Auch ihm gefiel die Aufnahme musikalisch ziemlich gut, aber er konnte die Sprecher nicht ertragen...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von stefan
    Hallo Melot1967,
    ich kenne Auszuege aus diesem Buch, weil Absaetze daraus bei jpc als Kaufempfehlung verwendet werden. Viele der Kommentare sind ein "Krampf" und oberflaechlig.
    Der Kommentar zur ersten Decca-Zauberfloete unter Solti (es ist Soltis zweite nach der Aufnahme beim HR aus den Jahren als er GMD in Frankfurt war) ist fast fast "boesartig". Ich zaehle diese Aufnahme immer noch zu den besseren Einspielungen.
    Aus Wiener Sicht verteidigt man sicher gerne die traditionellen Versionen, und ich muss sagen, das diese mir ueberwiegend gefallen (vor allem mit Seefried, Kunz oder Berry, Dermota etc), aber deswegen muss man es nicht verteufeln, wenn es anders gemacht wird.
    Stefan


    Hallo Stefan,


    ich bin ganz deiner Meinung. Mir ist schon damals als Anfänger aufgefallen, dass die Urteile oft sehr subjektive Verurteilungen sind. Trotzdem habe ich mich zu einem guten Teil auf solche Kritiken verlassen. Internet gab es noch nicht, und ich hatte nur einen einzigen Freund, der Klassikfan war - der aber diese Kritiken selber sehr kritisch betrachtete (was ich bewunderte).


    Die Abbado-Aufnahme würde mich auch interessieren, nachdem ich ein paar Ausschnitte auf der JPC-Homepage gehört habe. Die Meinungen scheinen geteilt zu sein. Ich habe eine Sehnsucht nach genau diesem Schwung, den ich in den Ausschnitten hören kann. Natürlich würde mich interessieren, wie die Ensembles klingen, die drei Knaben, die Koloraturen der Königin ...
    Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es qualitativ etwas an dieser Zauberflöte auszusetzen gibt und würde gerne die Meinung von jemand lesen, der diese Aufnahme tatsächlich besitzt.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo Theophilus,
    ich fand aber die Dialoge in Soltis Einspielung garnicht so schlecht, jedenfalls viel besser als in Boehms Wunderlich-Zauberfloete.


    Noch eine Anmerkung, die auf dem zuletzt in 3sat ausgestrahlten "DaCapo"-Gespraech (aus den spaeten 80er Jahren) zwischen August Everding und Nikolai Gedda beruht:
    Gedda sagte, dass neben den Auffuehrungen der Zauberfloete an der Hamburgischen Staatsoper in der Liebermann-Aera eine Studio-Film-Aufnahme entstand, in der urspruenglich Peter Ustinov als Papageno vorgesehen war. Es kam aber dann nicht dazu, und anstelle von Ustinov sang dann der an vielen deutschen Buehnen als Papageno bekannte William Workman (ich kenne ihn noch aus Frankfurt). Gedda sagte, dass es fuer ihn eine grosse Enttaeuschung war, dass man Ustinov nicht den Papageno verkoerpern lies (ohne dass er etwas gegen Workman hatte).
    Wahrlich, das waere sicher sehr interessant gewesen.


    Stefan


    P.S.: Hat eigentlich jemand die in Italienisch gesungene Zauberfloete aus Rom unter Karajan mit Gedda, der Schwarzkopf und Taddei vollstaendig angehoert ? Ich habe Ausschnitte mit den Papageno-Szenen Taddeis auf LP: das ist grossartig, und die Pamina Arie mit Schwarzkopf konnte ich kuerzlich im Radio hoeren, allerdings war da die Figaro-Graefin (Enchante', Gnae'Frau) fuer die vorgesehene Pamina eingesprungen.

    Stefan

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Strizzi
  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich muß vorausschicken, daß ich die Abbado Aufnahme -ausser Tonschnippsel - nicht kenne.
    Sie wurde jedoch - wo immer ich nachsuchte - eher mittelmäßig bis vernichtend bewertet, sogar die Tontechnik.
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred



    Interessant, wie sich die Eindrücke je nach Quellenlage unterscheiden können. Ich habe gestern anlässlich des Posts mal im Internet gesucht, weil mich wunderte, dass die Veröffentlich eigentlich vollkommen an mir vorbei gegangen ist und bei drei Versuchen drei durchaus positive Kritiken gefunden - auf die ich jedoch nicht viel gebe (Gramophone/ClassicsToday/Rondo Magazin). ;)


    Jedoch stellt sich natürlich in der Tat die Frage, was die Aufnahme neues bietet. Schön ist, das Pape in der Sarastrorolle nun dokumentiert ist, denn er dürfte in den letzten 10 Jahren der bedeutenste Vertreter gewesen sein. Ansonsten fiel mir wie gesagt der Tamino sehr positiv auf, ohne das ich aber die z.B. von Classicstoday angestimmten Vergleiche mit Größen der Vergangenheit nachvollziehen kann. Im Klartext: Auf der Bühne würde ich mich über einen solchen Tamino wahrlich freuen, auf Platte brauche ich Ihn nicht.


    Abbados Dirigat ist spritzig, aber vermutlich alles in allem noch zu konventionell. Kommerziellen Erfolg könnte ich mir heutzutage nur noch mit Jacobs vortstellen, da ja aktuell ein wahrer Hype um Ihn herrscht und HIP-Aufnahmen immer gut ankommen, auch wenn natürlich solche bereits lange von der Zauberflöte existieren. Ansonsten sind die Chancen für das Entstehen konkurrenzfähiger Opernaufnahmen heute wohl schlecht wie nie. Auch der mit allem erdenklichem Aufwand produzierte EMI-Trsitan wird wohl kaum finanziell erfolgreich sein, weshalb es wohl die Zukunft bei Zufallsprodukten durch Livemitschnitte belassen wird.


    Gruß
    Sascha


  • Sängerisch sehr gut besetzt, leider Mono, und statt der Dialoge gibts einen Erzähler, der die Brücken zwischen den Musiknummern baut.
    Das trifft nicht ganz meinen Geschmack, Gesamtaufnahmen waren damals noch Experimentierfelder. Musikalisch wertvoll.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Siegfried,


    diese CD scheint identisch zu sein mit der Veröffentlichung bei Mytho, die ich weiter oben bereits angesprochen hatte. Sie ist ja in dem Sinne nicht als GA angelegt gewesen, sondern vom WDR für die Rundfunkausstrahlung produziert worden. Vor diesem Hintergrund habe ich die Idee, die Dialoge in eine Hörspielerzählung umzusetzen (als solche muß man das wohl ansehen, da ja untermalende Geräusche noch hinzukommen) gar nicht schlecht gefunden.


    Man kann es auch als Rundfunkinszenierung bezeichnen.


    Diese Aufnahme hat nach ihrer Ausstrahlung fast fünfzig Jahre in den WDR-Archiven geschlummert. Fabelhaft, daß der eigentliche Rudolf Schock -nämlich der Mozart-Tenor- nunmehr wieder greifbar wird (siehe auch die anderen Wallhall-Veröffentlichungen von Mozart-Opern mit Rudolf Schock).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo Santoliquido,


    ausser von Mozartopern gibt es hier auch andere sehr gute Tondokumente von Rudolf Schock. Ich hab noch den Lohengrin und die Macht des Schicksals, beidesmal auch mit Schocks künstlerischem Zwilling Josef Metternich. Doppelter Kaufgrund also. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von Paul?


    PS: ach ja - im Sommer war ich in St. Margarethen im Steinbruch und sah die Zauberflöte - war für Kinder adaptiert (nicht schlimm)
    war echt gut :)


    Von der St.Margarethner Aufführung existiert auch eine DVD, leider arg gekürzt, damit man mit einer Scheibe auskam. Von der Ausstattung her war das eine sehr gelungene Vorstellung mit schönen Märchen- und Zaubereffekten, die weit besser waren als vieles, was man in Theatern sonst zu sehen bekommt. Robert Herzl, der die Inszenierung besorgte, ist eben ein erfahrener Profi. Gesungen wurde überraschend ordentlich, Erika Miklosa als Königin der Nacht erschien in schwindelnder Höhe und sang ihre Koloraturen alle sehr sauber (was auch nicht allen Königinnen gelingt), wenngleich ohne viel Dämonie, die anderen hatten zum Teil ganz schöne Momente, die drei Knaben (von drei Damen gesungen) erinnerten zwar optisch eher an Emil und die Detektive, spielten aber nett und, vor allem, sie klangen sehr erfreulich. Michael Lessky ist ein guter Mozartdirigent. Insgesamt sozusagen beachtliche Repertoirequalität, obwohl das bei Festspielen natürlich paradox ist.
    Hervorzuheben auch die große Wortdeutlichkeit fast aller Darsteller.


    Bei Otto Klemperer sollte man nicht vergessen, daß von ihm auch eine "Zauberflöte" aus seiner Budapester Zeit vorliegt, 1949 in ungarischer Sprache (von den Mitwirkenden ist Julia Osváth einigen wenigen im Forum wahrscheinlich ein Begriff), trotz Remastering in relativ mäßiger Tonqualität natürlich, aber trotzdem sehr hörenswert. Wenn ich da hineinhöre, habe ich dasselbe Gefühl wie bei Fricsay, nämlich daß das d i e überzeugende Art ist, Mozart zu interpretieren - obwohl ich z.B. Böhm und Krips als Mozartdirigenten ebenso schätze. Klemperer arbeitet auch hier die Feinheiten subtilst und so klar heraus, daß man beinahe glaubt, ein ganz neues Hörgefühl zu bekommen. Die Dialoge sind auf ein Minimum reduziert, das nimmt man dafür in Kauf. Die 2 CD-Ausgabe bietet nach meiner Erinnerung Amazon-Frankreich um ein Schweinegeld an, ca. 37 Euro; ich hatte Glück und grub unlängst in einem nicht unbekannten Laden neben unserer Oper ein Exemplar mit beschädigter Hülle aus, das mich nur 7,50 kostete. Wer kennt die Aufnahme noch?


    Das Urteil über Levines MET-"Zauberflöte" kann ich auf Grund der DVD nur bestätigen. Die Battle als Pamina überstrahlt alles, Moll als Sarastro produziert zwar schöne Töne, aber irgendwie reißt er nicht mit, ebenso der Dirigent. Levine dirigiert zwar Mozart so, daß man sagt, ja, ist in Ordnung, er weißt, wie es geht. Aber letztlich bleibt es zu sehr Routine wie die ganze Aufführung. Für Araiza gilt Ähnliches: Achtbar und fad (übertrieben gesagt selbstverständlich - nach längerer "Zauberflöten"-Abstinenz würde ich vermutlich milder urteilen). Die Ausstattung hat ihre besseren und ihre schlechteren Seiten. Wenn die Regielis sich nach dieser Aufführung in die Brust werfen, und sagen, wegen solcher Leistungen seien sie für Neuerungen, kann ich ihnen ausnahmsweise nicht so heftig widersprechen.


    LG


    Waldi

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Die Zauberflöte mit einem "Erzähler" zu versehen, diese Tradition hat sich bis in unsere Tage gehalten, die (IMO schreckliche) Aufnahme unter Harnoncourt ist ein abschreckendes Beispiel dafür.


    Diese Aufnahme werde ich bei gelegenheit mal im Opernführer rezensieren - da bleibt kein Stein auf dem andern.....


    Im Gegensatz dazu ist die Keilberth-Aufnahme geradezu vorbildlich: Obwohl in Köln entstanden, hat sie genau jene Klangfarbe und jenes Tempo, welche ich mir von einer "Zauberflöte" erwarte.


    Anzumerken wäre, daß die Zauberflöte generell ein Problem für die Schallplatte(CD) darstellt. Die eher hölzern gespreizten Texte sind wohl nur inm Zusammenhang mit einer ädiquaten optischen Ausstattung erträglich- bzw passend.


    mfg aus Wien


    Alfred

    SPARE IN DER NOT - DA HAST DU ZEIT DAZU



  • Hallo!


    Gibt's auch Disreferenzen? Da hätte ich noch eine anzubieten:


    [jpc]6666677 [/jpc]


    Tamino - Stefan Dahlberg
    Pamina - Ann Christine Biel
    Sarastro - László Polgár
    Königin der Nacht - Birgit Louise Frandsen
    Papageno - Mikael Samuelson
    Papagena - Birgitta Larsson
    usw.


    Chor und Orchester des Drottningholm Schloßtheaters
    Arnold Östman


    Liveaufnahme von 1989 [bloß nicht zu verwechseln mit der fabelhaften als CDs erhältlichen Studioaufnahme].


    Über Birgit Louise Frandsen ist im Booklet zu lesen:


    Zitat


    Die dänische Sopranistin [...] studierte in Aarhus und in Salzburg Gesang und begann ihre Karriere im schwedischen Göteborg. Schon früh entwickelte sich die Königin der Nacht zu einer ihrer Glanzrollen, mit der sie auch an der Königlichen Oper Stockholm brillierte.


    Glanzrolle? Brillierte? Äh... Wir reden vom Planeten Erde, oder? Wenn dies ihre Glanzrolle ist, möchte ich anderes lieber gar nicht er hören wollen... Bereits die erste von zwei Arien nimmt sie im Allegroteil dermaßen lahm, daß man die Noten mitschreiben kann. Und dann rächt sich Östman offenbar mit "Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen...", welches er beinahe im Presto anschlägt. Frandsen kommt nicht mit - singt in einem völlig anderen Taktgefüge und Östman muß bei den Koloraturen das Tempo deutlich merkbar zurücknehmen, um dann wieder Gas zu geben.


    Also nee... :no: :kotz:


    Die übrigen Protagonisten übrigens gefallen mir sehr, sehr gut. Besonders Tamino [Stefan Dahlberg, der übrigens auch in dieser Rolle in diesem Theater debütierte] sowie László Polgár als Sarastro. Die Inszenierung selbst ist nicht sonderlich aufregend - etwas zu statisch und freimaurerisch für meinen Geschmack, zu wenig märchenhaft. Fabelhaft auch Mikael Samuelson als Papageno und Ann Christine Biel in der Rolle Paminas.


    Aber diese Königin der Nacht versaut mir den ganzen Spaß.


    Zudem empfinde ich es als blödsinnig, die "Handlung" im 2. Akt umzustellen: Das eigentliche Terzett Nr. 19 "Soll ich dich Teurer nicht mehr sehn?", vorgesehen nach dem "O Isis"-Chor, folgt bereits nach der "O Isis"-Arie des Sarastro zu Beginn des zweiten Aktes... wozu?


    ?(


    Ich hab mich dumm und dämlich geblättert, weil ich nicht mehr wußte, wo wir nun dran sind... :D


    Daß die beiden Priester während des Vortrages der Geharnischten allerdings mit den speziellen und einmaligen Drottningholm-Birnchen illuminierte "Fackeln" tragen, fand ich wiederum grandios-spitzfindig!


    :jubel:


    Aber leider läßt die Tonqualität dieser Aufzeichunng sehr, sehr viele Wünsche offen - ein Leyerkasten ist eine Wonne dagegen [stellenweise jedenfalls...].


    :boese2:


    Noch so eine "Zauber"-Flöte und ich dreh meinen eigenen - perfekten! - Film. :beatnik:


    Ulli

    You might very well think that. I couldn't possibly comment.“ (Francis Urquhart)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Die übrigen Protagonisten übrigens gefallen mir sehr, sehr gut. Besonders ... László Polgár als Sarastro.


    Selten habe ich einen Baß gehört mit einem so schönen, warmen Timbre wie Polgár. Das erste Mal, daß ich Polgár hörte, war 1987, als ich Händels Ariodante kaufte. Der Mann hat eine einmalige Stimme.


    LG, Paul

  • Sagitt meint:


    Über die Zauberflöte von Harnoncourt werden wir hier wohl streiten müssen. Nicht wegen der Zwischentexte- geschenkt, höre ich die Originaltexte lieber ??
    Nein, wegen der Sänger !
    Um mal mit einer " sicheren Bank" anzufangen: Die Gruberova liefert eine der besten Königinnen, die ich je gehört habe. Nicht nur perfekte Koloraturen, sondern auch entsprechende Emotionen. Eine Dame mit Unterleib und nicht nur eine Stimmbesitzerin des dreigestrichenen F. Diana Damrau in ihrer neuesten Aufnahme dieser Arie überzeugt vielleicht noch mehr, aber wer sonst ?
    Dass ich Hans Peter Blochwitz für einen fabelhaften Tamino halte, wird in diesem Forum niemanden verwundern. Er nimmt die Partie mit seiner leichten Stimme sehr Rollen-adäquat. Tamino ist ja kein Held, sondern ein doch sehr angepasster Prinz, der erst durch die Prüfungen reift. Blochwitz hat dafür eine ideale Stimme.Leicht,lyrisch, eben gar nicht heldisch.
    Barbara Bonney war nicht umsonst DIE Pamina über eine lange Zeit auf alle Bühnen der Welt Auch wenn ich die Stimme der Battle noch mehr schätze, ist die Bonney ein vollkommen adäquate Besetzung.


    Allein wegen dieser Drei würde ich doch gerne wissen, warum hier kein Stern auf dem anderen bleiben wird ??

  • Zitat

    Original von sagitt
    Allein wegen dieser Drei würde ich doch gerne wissen, warum hier kein Stern auf dem anderen bleiben wird ??


    Hallo!


    ...weil neben den Sternen - dererbezüglich ich Dir sehr gerne beipflichte - auch ein Mond dabei ist. Ich kenne die Aufnahme zwar nicht, aber allein, wenn ich mir die "Drei-Pforten-Szene" im Notentext anschaue, packt mich das nackte Grauen, was NH daraus machen könnte.


    Die beste Königin der Nacht, die ich je hörte, war Lyubov Petrova. Allerdings singt sie den Umständen entsprechend in englsicher Sprache. Und ob diese Performance nicht irgendwie "getürkt" ist, weiß ich auch noch nicht. Es ist jedenfalls umwerfend.


    :faint: *


    Ulli


    *einer sei erlaubt!

    You might very well think that. I couldn't possibly comment.“ (Francis Urquhart)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Strizzi
  • Hallo Uli,


    hör doch mal die Gruberova und die Damrau und entscheide dann .


    Wäre doch einen Versuch wert !


    Schöne Grüsse aus Bremen


    Hans

  • Hallo Hans,


    ich glaube Dir - wie oben bereits geschrieben - daß die Stimmen phänomenal sind. Auch sind mir diese nicht gänzlich unbekannt - nur eben in diesem Zusammenhang nicht.


    Ich werde jedenfalls keinen müden €uro in NH investieren. Das ist bei mir Gesetz, sorry.


    :hello:


    Ulli

    You might very well think that. I couldn't possibly comment.“ (Francis Urquhart)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Ich kenne die Aufnahme zwar nicht, aber allein, wenn ich mir die "Drei-Pforten-Szene" im Notentext anschaue, packt mich das nackte Grauen, was NH daraus machen könnte.


    Hallo Ulli,


    lese ich richtig? Du verurteilst eine Aufnahme, weil Du daran denkst, was XY (oder in dem Fall NH) daraus machen könnte???


    Jetzt glaube ich Deine so hübsch provokativ formulierte Ablehnung Rossinis in dem gerade wieder aufgelegebten Thread zu Rossini vs. Paisiello endlich etwas besser zu verstehen.


    Kann es sein, dass Du Rossini nicht schätzt, weil Du daran denkst, was er sonst gemacht haben könnte, Du das aber nie wirklich überprüft hast, weil Du schon vorher "wusstest", was dabei rauskommen dürfte?


    Mag ja sein, dass mir hier ein sehr hintergründiges Stück Humor entgeht, aber ich fürchte, ich kann und will Dir dahin nicht mehr folgen.


    :hello: Rideamus

  • Salve,


    Zitat


    lese ich richtig? Du verurteilst eine Aufnahme, weil Du daran denkst, was XY (oder in dem Fall NH) daraus machen könnte???


    Ja, das verstehst Du ganz richtig - ich glaube NH mittlerweile so gut zu kennen, daß ich mir das garnicht mehr erst antun werde. Möglicher Weise zehre ich auch noch an dem traumatischen Erlebnis der jüngsten Live-Übertragung im TV der "Zauberflöte"... Das hat aber rein garnichts mit:


    Zitat

    Jetzt glaube ich Deine so hübsch provokativ formulierte Ablehnung Rossinis in dem gerade wieder aufgelegebten Thread zu Rossini vs. Paisiello endlich etwas besser zu verstehen.


    zu tun. Da ziehst Du wohl den falschen Rückschluß. Die Angelegenheit um NH ist mir bitterernst, die um Rossini ist scherzhaft gemeint und hat auch in diesem Thread überhaupt nichts zu suchen. Dennoch kurz: Rossinis Musik liegt mir nicht besonders - einige frühe Gehversuche [meinerseits] mit Cenerentola und dem Barbier schlugen fehl... was aber nicht heißt, daß ich ihn deswegen gleich vollständig ahlehne. Kommt Zeit, kommt Rossini.


    Für NH ist die Zeit jedenfalls bei mir definitiv abgelaufen. Der hatte genügend Chancen wie ich finde...


    Liebe Grüße


    :hello:


    Ulli

    You might very well think that. I couldn't possibly comment.“ (Francis Urquhart)

  • Diese Plattenaufnahme der Zauberflöte war lange Zeit eine der Referenzaufnahmen:



    Das Ensemble des Schwarzen Theaters Velvets (Vorbild ist das bekannte Prager Theater) hat diesen Soundtrack zur Basis einer eigenen Inszenierung genommen, die in diesem Monat im ZDF-Theaterkanal gezeigt wird:
    DIE ZAUBERFLÖTE
    Oper in zwei Aufzügen von Wolfgang A. Mozart
    Schwarzes Theater Velvets , Wiesbaden 1989
    Musiktheater
    BRD
    Tamino - Peter Schreier/Frank Debo
    Pamina - Anneliese Rothenberger/Dana Bu
    Papageno - Walter Berry/Bedrich Hanys
    Papagena - Olivera Miljakovic/Gabi Ewert
    Königin der Nacht - Edda Moser/Dagmar Schwarzbach
    Monostatos - Willi Brokmeier/Sandra Dorn
    Sarastro - Kurt Moll/Johannes Pannen
    Erster Priester - Wilfried Badorek/Brigitte Klei
    Zweiter Priester - Günter Wewel/Gabi Ewert
    Erste Dame der Königin - Leonore Kirschstein/Dana Bufko
    Zweite Dame der Königin - Ilse Gramatzki/Gabi Ewert
    Dritte Dame der Königin - Brigitte Fassbaender/Dagmar Sc
    Erster Geharnischter - Wilfried Badorek/Sandra Dorn
    Zweiter Geharnischter - Günter Wewel/Brigitte Klein
    Drei Knaben - Walter Gampert/Sandra Dorn
    - Peter Hinterreiter/Gabi Ewert
    - Andreas Stein/Dagmar Schwarzba


    Chor: Bayerische Staatsoper München
    Fernsehregie: Thomas Land
    Inszenierung: Wolf-Dieter Ludwig
    Libretto: Emanuel Schikaneder
    Musikalische Leitung: Wolfgang Sawallisch
    Orchester: Bayerische Staatsoper München
    Szenenbild: Ursula Gielnik


    Zitat

    Sie ist eines der fürwahr schillerndsten Stücke der gesamten Opernliteratur, Mozarts letzte Oper "Die Zauberflöte": ein archaisches, fast mittelalterliches Mysterienspiel mit den Verwandlungseffekten des barocken Kulissen- und Zaubertheaters, Märchen und Lehrstück der Aufklärung in einem, leichtes unterhaltsames Singspiel mit gesprochenen Dialogen und "große Oper". Kein Wunder, dass sich schließlich ein Ensemble aus der Schule des Prager Schwarzen Theaters - mit seinen disparaten Stilelementen der sinnlichen Pantomimen- und Puppentheater-Ästhetik einerseits und der zauberkünstlerischen Maskierung und Abstraktion andererseits - des Stücks bemächtigte. Für die inzwischen in Wiesbaden beheimateten "Velvets" hat der frühere Mainzer Intendant Wolf-Dieter Ludwig 1989 die Oper eingerichtet und inszeniert.


    Termine im ZDF-Theaterkanal:
    Fr, 04.01.2008 15:00 Uhr
    Mi, 09.01.2008 15:00 Uhr
    So, 13.01.2008 10:00 Uhr
    Fr, 18.01.2008 10:00 Uhr
    Mo, 21.01.2008 15:00 Uhr
    Mi, 23.01.2008 10:00 Uhr
    Sa, 26.01.2008 15:00 Uhr
    Do, 31.01.2008 15:00 Uhr

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • An alle VerZauberten


    Ein Tamino-Klassikforum verdient es, sich etwas ausführlicher mit der Zauberflöte zu beschäftigen. Hier mein Versuch.


    Referenzaufnahmen der Zauberflöte, das ist in Bezug auf Opernaufnahmen wohl eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt. Es beginnt damit, daß der eindeutigen Beliebtheit der Oper der vieldeutige und endlose Streit um scheinbare oder reale Widersprüchlichkeiten des Textes bzw. der handelnden Personen und die Art, wie dies alles musikalisch umzusetzen sei, gegenüber steht. Erinnert sei nur an die Wandlung der guten Königin der Nacht, welche in Sorge um ihre Tochter Tamino und Papageno mit magischen Instrumenten ausstattet, zu einer Inkarnation des Bösen.


    Was die einen als stehengebliebene Reste bei der Bearbeitung der Erstfassung begreifen, deutet z. B. Attila Csampai als „sozialen, ideologischen und ästhetischen Frontwechsel des Stücks“, was denn auch Dirigenten, Sänger und Musiker „zu einer Veränderung ihrer inneren Einstellung zur Musik“ nötigt. Jenseits der Frage, ob Csampais Distanzierung von der „Ideologie“ der Eingeweihten von Mozart getragen wird, welch überirdische Leistung wird hier von allen Beteiligten gefordert. Das, was er im Auftritt Sarastros aufgezeigt sehen möchte, die Beugung der Macht der Musik durch die Macht der Vernunft, daran kränkelt Csampai selbst. Er steckt die Musik Mozarts in ein enges ideologisches Konzept, wobei sich dies primär auf seine Tempovorstellungen auswirkt – seine Empfehlungen zu Mozartopern zeichnen sich vor allem durch schnelle Tempi aus. Wem dies nicht gefällt, der ist den „Fassaden von morbidem Schönklang“ verfallen. Ganz folgerichtig ist dann Toscaninis letzte, weit vom Schönklang entfernte Bühnenproduktion von 1937 „trotz erheblicher technischer und teilweise sängerischer Mängel substanziell unerreicht geblieben“. Daß z.B. Jarmila Novotnas Pamina nicht überzeugen kann, liegt aber gerade daran, daß sie von Toscanini regelrecht durch die Szene gehetzt wird. Mein Gott, ich habe mich auch schon über ein allzu pathetisches Gedröhne Sarastros geärgert, aber daraus muß man doch keine Weltanschauung machen, welche angeblich die Oper dominiert. Das kann am Sänger liegen und natürlich auch am Tempo des Dirigenten. Toscanini zwingt übrigens Alexander Kipnis in „ O Isis und Osiris“ durch sein langsames Tempo in dieser Arie zum Luftholen, was das Pathos eher verstärkt. Was Csampai betrifft, seine Ausführungen stammen aus der rororo-Zauberflöte (1982), so ist für ihn immer noch entscheidend, ob die „Abkehr von der sarastrofreundlichen Rezeption der letzten 150 Jahre“ gelungen ist, und so ist denn sein Vorwurf an die Abbadoaufnahme im fono forum die „dezidiert unpolitische und ideologiefreie Leseart“. Pikanterweise ist es nach seiner Auffassung neben Christoph Strehl der Sarastro von Rene Pape, der „ein wenig authentische Mozartatmosphäre einbringt, - Papes Einschätzung teile ich.


    Aber was soll diese Einengung einer so vielschichtigen Oper, der es auf ihren verschiedenen Ebenen als Märchen, Volksstück, Parabel, Mysterienspiel gerade durch diese Vielschichtigkeit gelingt, allgemeines menschliches Fühlen und Handeln auszudrücken. Das heißt ja nicht, daß man über die verschiedensten Aspekte nicht lustvoll diskutieren kann. Vor allem aber ist es doch sehr überheblich, Dirigenten wie Böhm, Walter oder Furtwängler mit dem Vorwurf eines sarastrofreundlichen Schönklangs in die Tonne zu treten, als ob sich diese unreflektiert von einer einseitigen Perspektive leiten ließen. Furtwängler z.B. schreibt in seinen Gedanken zur Zauberflöte: „Die Zauberflöte ist das Leben selbst; hier versagt jede Klassifizierung. Es ist eine arge Verkennung, wenn man ihr – in Bezug auf die Saratroszene – ein Bühnenweihespiel á la Parsifal sehen will.“


    Ich bekenne mich generell zur Sängeroper, ohne die Bedeutung von Dirigenten und Orchestern leugnen zu wollen. Ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe, aber es war Verdi, der meinte, noch schlimmer als die Sängeroper wäre die Dirigentenoper. Natürlich gehören Sänger geführt, aber aus dem Geist der Musik und nicht aus einer außermusikalischen Ideologie. Was hätte er wohl zur heutigen Dominanz des Regietheaters in der Oper gesagt? Unterstützt wird diese Dominanz durch eine ziemlich abgehobene Kritikerkaste. Dies führt dann dazu, daß dann ein Schulmeister wie Nikolaus Harnoncourt mit seinen Kopfgeburten seit Jahren als Mozartpionier gefeiert wird. Nur so ist zu erklären, daß z.B. der Salzburger Figaro in der veröffentlichten Meinung zu einer Produktion von „schmerzlicher Intensität“ verklärt wurde (Jan Brachmann WAMS). Harnoncourt vermeldet, daß der Wahnsinn des Figaro nicht in der äußerlichen Geschwindigkeit zu suchen sei, sondern in der inneren Dichte, Claus Guth hat Strindberg und Ibsen gelesen, und fertig ist ein ziemlich zäher Figaro. Den Wahnsinn im Figaro suche ich noch heute.


    Nach einer Phase der Politisierung scheint nun die Psychologisierung von Mozarts Opern dran zu sein. In diese Richtung zielt auch die Neuinszenierung der Zauberflöte durch das Gespann Harnoncourt/Kusej in Zürich: Verdrängung, Neurosen, Pathologien allerorten. Es gilt zu sezieren, zu dekonstruieren, bis die Zauberflöte entzaubert ist. Harnoncourt zerdehnt die Musik bis zum Unerträglichen, unterbrochen von nervenden orchestralen Paukenschlägen. Während die Regie bei der Kritik nicht unwidersprochen bleibt, wagt kaum ein Kritiker den ‚Mozart-Gott‘ Harnoncourt in das Visier zu nehmen. Joachim Lange in der FR: „Wenn Nikolaus Harnoncourt seinen Mozart umpflügt, wird daraus kein routiniertes Arien-Abhaken und schon gar keine gefällige Hitpräsentation. Er hat sein eigenes, forderndes Verständnis von Präzision und Tempo, gelegentlich verblüffend neben dem eingängig Etablierten. Seine Zauberflöte nimmt er in Zürich jetzt eher dunkel romantisch.“ Peter Hagmann in der NZZ räumt zwar ein, daß die Tempi zur Langsamkeit neigen, „was vielleicht dem Fortgang im Wege steht, was aber auch Gelegenheit gibt, sorgsam in die Partitur hinein zuhören. Und dabei zu entdecken … wie überhaupt weniger der runde Gesamtklang als das Geflecht der Stimmen im Vordergrund steht. Kammermusik in grosser Besetzung.“ Oder Walter Weidringer in der Presse: „Sein Mozart gleicht einem Holzschnitt, dessen Kerben er mit den Jahren immer tiefer schnitzt, und hat deshalb auch nichts von der alten Widerständigkeit verloren“ Tja, die Harnoncourt-Statue steht. Und dennoch höre ich hoffnungsvoll ein gewisses Unbehagen heraus, welches sich z.B. bei Manuel Brug (Die Welt) so äußert: „Wohl artikuliert und kalkuliert bis ins meist sinnfällige Detail; aber seine sich stark ziehende Art samt den querständigen Tempi wirkt bisweilen erbsenzählerisch. So mancher seiner gelehrigern Schüler dirigiert das heute ebenso aufgeklärt, aber organischer“. Die gelehrigen Schüler, das wäre ein Thema für sich. Den einzigen Verriß habe ich in der SZ gefunden bei Reinhard Brembeck gefunden: „Die Rätsel mehren und mehren sich im Verlauf des Abends, zumal auch Dirigent Harnoncourt wie gewohnt nichts an Magie, Unbeschwertheit, Eleganz und Eros dazugibt. Sein Mozart bleibt der Erde verbunden, der Dirigent setzt konzise und knarzig die Noten in den Raum, und betreibt wie sein Regisseur Entzauberung.“ Aber ich will nicht allzu sehr meine Harnoncourt-Allergie ausleben. Worauf ich hinaus will ist, daß m.E. die Zauberflöte in der Tat eine der am schwersten aufführbaren Opern der Musikgeschichte ist, daß aber gerade deswegen alle Konzepte zum Scheitern verurteilt sind, welche zu sehr vom Kopf her angegangen werden oder sich nur aus dem Grad der Neuartigkeit speisen. Und das beschränkt sich eben nicht nur auf Inszenierungen, denn, wie Alfred ausführt, sind die „Meinungen wie man sie zu realisieren hat“ auch „hörbar.“


    Die letzten 20 Jahre sind neben der ewigen Suche nach dem Gesamtkonzept durch die generelle Suche nach der historischen Aufführungspraxis bei Mozart gekennzeichnet, nicht nur bei ihm. Hier beginnt der unglückselige Aufstieg Harnoncourts zum zentralen Mozartdeuter. Mozart wird zu einem Refugium von Barockspezialisten, Leuten die den Umgang mit den Klangmasen und Möglichkeiten eines modernen Orchesters nicht beherrschen und z.B. Transparenz durch Ausdünnung erzeugen. Vor allem wird Mozart Dirigenten anvertraut, welche nicht darin geübt sind, Musik in einem großen Bogen zu erfassen, das Einzelne in das Ganze einzuordnen. Sie sind es gewohnt, das Kleinteilige, das Szenische, das Gestische herauszuarbeiten. Die Geste geht vor der großen Linie, was bei Händel akzeptabel ist, muß in der Wiener Klassik scheitern. Und die Kritikerkaste hat ein neues Thema gefunden, Maßstab einer Aufführung wird die Umsetzung der historischen Aufführungspraxis, welche, zugespitzt formuliert, die eigentliche Interpretation oft ersetzt. Auf der Ebene des Gesangs hat dies zur Folge, daß auch relativ kleine Stimmen im Verbund mit der Mikrophontechnik zum Einsatz kommen können. Die Diskrepanz zwischen Studio und realer Aufführung wird dann allerdings, z.B. bei einem Vergleich zwischen der Studioproduktion des Figaro von Rene Jacobs und einem Mitschnitt auf DVD, nur allzu deutlich, der Klang ist erbärmlich, zum Wimmern wie die Instrumente. Leider haben auch die Schallplattenfirmen auf diesen Trend gesetzt. Zwischen Norrington, Östman, Christie, Gardiner und Kuijken ragt dann nur noch Solti II (1990) als Studioproduktion heraus.


    Die etwas umständliche Einleitung sollte vermitteln, daß mir die Konzentration auf einen ausgefeilten dramaturgischer Plan in dieser Oper, wie auch in manch anderer, ziemlich schnurz ist. Die Zauberflöte ist von der Musik her zu deuten. Schikaneders unbefangene Zusammenführung verschiedenster literarischer Vorlagen, die Einarbeitung freimaurerischer Thematik, konnte und sollte doch nicht die relative Geschlossenheit der da-Ponte-Opern erreichen. Das Nebeneinander von menschlich allzu menschlichen und idealistischen Elementen hat auf jeden Fall Mozart veranlaßt, wunderbare Musik zu schreiben. Die Frage, ob die Königin der Nacht mit „O zittre nicht“ dem ahnungslosen Prinzen etwas vorspielt oder tatsächlich das „tiefgebeugte Mutterherz“ spricht, wird für mich durch die Musik Mozarts beantwortet und nicht durch die Rachearie von vornherein in Frage gestellt. Nein, für mich besteht die Schwierigkeit, Referenzaufnahmen der Zauberflöte zu benennen vor allem darin, Aufnahmen mit sechs gleichwertigen Sängern zu benennen.


    Von den frühen Aufnahmen, die ich besitze, ist m.E. die bereits im Forum erwähnte Aufnahme unter Beecham der Toscaninis bei weitem vorzuziehen, vor allem wegen des wunderbaren Dirigats. An den Tamino kann ich mich nicht gewöhnen, das liegt aber mehr am leicht nasalen Timbre Roswaenges, seine Auffassung ist feurig, heldisch könnte man sagen. Die viel gerühmte Pamina der Lemnitz kann ich nicht entdecken, sie wirkt auf mich aufgesetzt und künstlich. Gerhard Hüschs Papageno erfüllt alle Erwartungen, die von diesem großartigen Liedsänger zu erhoffen sind. Ich kann nur Alfreds Wertung unterstreichen: „Hier ist der Beweis erbracht, daß ein Papageno auch ohne künstlich aufgesetzte Lustigkeit und ohne Wiener Dialekt optimal realisierbar ist.“ Für mich neben Berry die Wahl.


    Auch aus dem Jahre 1937 stammt die Rundfunkaufnahme unter dem ausbalancierten, aber dennoch frischen Dirigat von Keilberth mit dem besten Sängerensemble der drei Aufnahmen. Zuvorderst Walther Ludwig, der sowohl den lyrischen wie auch den heldischen Charakter der Rolle erfaßt, der wunderbar mit dem lebendigen Papageno von Karl Schmitt-Walter und der jugendlichen Stimme von Trude Eipperle als Pamina harmoniert. Lea Pilti, damals die Königin der Nacht der Wiener Staatsoper, gefällt mir weitaus besser als die etwas dünnstimmige Erna Berger bei Beecham, trotz einiger Überforderungen. Wunderbar auch Josef von Manowardas volltönender Sarastro. Die Aufnahme ist preiswert (Line) bei JPC zu erwerben.


    Die erste Studioaufnahme nach dem Krieg unter Karajan (1950) sollte man schnellstens abhaken. Er bringt es tatsächlich fertig, das seinerzeit beste Ensemble zu ruinieren. Der Mann hat kein Zauberflötengefühl. Das zeigt auch die italienische Rundfunkaufnahme von 1952, nur wegen Gedda und Taddei zu empfehlen, weniger wegen der allzu damenhaften Pamina der Schwarzkopf. (An Stefan: die Aufnahme (Walhall) gibt es günstig bei jpc)


    Der Gegenbeweis wird (1952) durch Furtwängler angetreten, der fast dasselbe Wiener Ensemble Karajans geradezu zum Blühen bringt, obwohl seine Tempi bzw. seine Temporückungen die Sänger manchmal an ihre Grenzen führen. Ich weiß, Furtwängler, zumal als Operndirigent, ist out – für Freunde historischer Aufführungspraxis ein Greuel. Stefan spricht noch zurückhaltend „von einer äußerst weihevollen Zauberflöte“. Ich meine, das trifft es nicht. Es ist eine vergeistigte Zauberflöte, welche hinter den textualen Brüchen, den zeitgebundenen frauenfeindlichen, pseudoreligiösen, aufklärerischen Elementen, ganz im Musikalischen, ja ich wage das Pathos, letzte Geheimnisse des Menschseins anspricht. Furtwänglers Empfindsamkeit für diese Musik führt zu einer Art wiedergefundenen zweiten Naivität, nachdem wir jene unmittelbare naive Begeisterung, die wir als Kinder für dieses Märchenspiel empfanden, verloren haben (meine erste Oper). Wie macht er das? Ich weiß es nicht, bin halt kein Fachmann. Ich weiß nur, wenn er langsam ist, ist er nie schwer, wenn er schnell ist, ist er nie gehetzt und dies alles mit feiner Agogik. Die Dehnung des Zeitmaßes ist bei ihm, wie auch bei Klemperer, im Gegensatz zu Harnoncourt erfüllt mit Spannung und Ausdruck. Den Charakter jeder Szene treffend entsteht dennoch ein organisch Ganzes.


    Vergleicht man beispielsweise ab „Schnelle Füße, rascher Mut“ Furtwängler mit Christie, so geht Christie die Szene mit einem deutlich schnelleren Tempo an, - nur, die Sprache über „schnell“ und „rasch“ implizieren noch nicht schnelle Musik. Wir sind im Märchen und nicht im Actionfilm, uns wird erzählt/gesungen was jetzt angesagt wäre. Der reale Abgang wird von Furtwängler mit einer Beschleunigung des Tempos begleitet, eine Steigerung, zu der Christie trotz seines bereits eingeschlagenen Tempos zwar fähig ist, aber zu Lasten Monostatos, dem es in dem Gehusche gar nicht mehr möglich ist dramatisch aufzutrumpfen. Ganz abgesehen davon, daß Steven Cole nicht Peter Klein ist. Zum anschließenden Glockenspiel kommt Christie ganz unwesentlich von diesem Tempo herunter, so daß das Innehalten der Sklaven musikalisch nicht erfaßt wird. Genausowenig ist zu hören, warum dies „so herrlich“ und „so schön“ ist. Da muß wie bei Furtwängler schon Raum gegeben werden für das tänzerische Genießen und Auskosten dieser seltsamen Töne. Christie versucht diesen Effekt durch Zartheit zu erreichen, mir ist das zu schnell und zu anämisch. - Vielleicht ist der Vergleich mit Christie unfair, aber nehmen wir einen sehr guten Mozartdirigenten wie Böhm (1959) und die Bildnisarie, Wiener und Berliner Philharmoniker, Dermota und Wunderlich, und konzentrieren uns ganz auf das Orchesterspiel zu Beginn der Arie. Ich kann leider nicht beschreiben, was Furtwängler da im Einzelnen macht, aber für mich ist es der Unterschied zwischen einem ausgezeichnetem Dirigenten und einem Genie, der mich allein bei der Konzentration auf die Orchesterstimme tief berührt. Ich weiß, das ist eine unbefriedigende Erklärung, aber wer hören will der höre. Diese „Begleitung“ führt wahrscheinlich zu einer so eindringlichen Leistung Dermotas, daß ich ihn meinem früheren Top-Tamino Wunderlich gleichstellen mußte.


    Natürlich kommt das beste Dirigat nicht ohne die entsprechenden Sänger aus. Überflüssig, im Detail auf sie einzugehen, stellt euch einfach vor, daß Furtwängler das Maximale aus ihnen herausholt und laßt ihre Namen auf eurer Zunge zergehen: Irmgard Seefried, Anton Dermota, Erich Kunz, Wilma Lipp, Josef Greindl und Paul Schöffler als Sprecher. Eine Besetzung, die zusätzlich garantiert, daß Schikaneder bzw. das Wienerisch-Komödiantische sein Eigengewicht behält. Das wäre also meine erste Referenzaufnahme.


    Ein Wort aber noch zu Wilma Lipp. Alfred schreibt: „Wilma Lipp war in jener Zeit ‚die‘ Königin der Nacht an der Wiener Staatsoper, wenngleich heute sicher übertroffen.“ Ich könnte dem zustimmen, wenn ich nur die Studioaufnahmen unter Karajan (1950) und Böhm (1955) zur Verfügung hätte. Aber ist es vorstellbar, daß Josef Krips in der berühmten Premiere (Januar 1948 ) die als Zweitbesetzung der Papagena vorgesehene Lipp als Königin durchgesetzt hätte, wenn sie, vor allem unter Karajan, wie eine bessere Koloratursoubrette geklungen hätte. Ich weiß nicht woran das liegt, an der Auffassung des Dirigenten, an der Raumakustik?? In den Live-Aufnahmen unter Furtwängler (1949, 1951) klingt sie voll dramatischer Intensität, mit einigen glasklaren Staccati, mit Spitzentönen, welche auf einer anständigen Mittellage und Tiefe fundieren und mit ganzem Körpereinsatz angegangen werden. Für mich gehört sie immer noch zu den führenden Interpretinnen dieser Rolle. Als das Damrau-Recital herauskam, habe ich gleich „O zitt’re nicht“ mit der Lipp (Furtwängler 1950, Brahmssaal, Wien) verglichen. Die Lipp hat mich weitaus mehr berührt, obwohl oder vielleicht weil Diana Damrau den Text sehr bewußt singt. Abgesehen davon daß z.B. „mein lieber Sohn“ nicht süß sondern süßlich klingt, phrasiert sie viel zu stark, so daß manchmal der Fluß verloren geht. Deutlich ist die Überbetonung von „vermag am besten“ oder „auserkoren", manchmal verspüre ich ein leichtes Unbehagen bei den Koloraturen im zweiten Teil, erinnert ein wenig an manche Passagen bei der Deutekom, was aber nichts mit der Treffsicherheit zu tun hat. Natürlich sind meine Einschränkungen marginal, die Damrau ist eine Königin der Nacht, leider mit einem dürftigen Originalklangorchester gestraft. Noch nie hat die Ankunft der Sternenkönigin so armselig geklungen. - Aber ich merke, das wird ein viel zu langer Text. Darum will ich mich jetzt kürzer fassen und meine weiteren Referenzen benennen.


    Auf die inzwischen veröffentlichten Rundfunkaufnahmen unter Keilberth (1954) und Solti (1955) ist bereits von Thomas Pape hingewiesen worden. Seine hohe Einschätzung von Gottlob Frick kann ich teilen, ich ziehe seine lebendigere Gestaltung des Sarastro in dieser Aufnahme derjenigen unter Klemperer vor. (Vergleiche „In diesen heil’gen Hallen“). Frick soll in der Aufnahme unter Klemperer gesundheitlich angeschlagen gewesen sein und ist hier in Topform. Frick ist trotz Crass oder Moll mein Referenzsarastro. Ich bevorzuge einen schönen schwarzen Baß. Talvela (Solti II) ist weniger ausdruckstark.


    Seiner Auffassung von Grümmers Pamina als eher „melancholisch und schicksalsergeben“, kann ich allerdings nicht folgen. Die g-Moll-Arie ist halt abgrundtief traurig, aber man höre sich „Schnelle Füße an“, da ist ein Lachen in der Stimme, das höre ich sonst nirgendwo. Der seltene Fall einer Stimme, welche absolut klar ist, und dennoch voller Wärme. Bei „Männern, welche Liebe fühlen“ mag sie zunächst etwas verhalten sein, aber ihr Partner (Günther Ambrosius) ist ja auch nicht so inspirierend, allerdings entfaltet sie sich am Ende des Duetts (reichen an die Gottheit an) auf „an“ in der Höhe mit einer Natürlichkeit, über die eine Lisa della Casa (Szell), Gundula Janowitz (Klemperer), Ruth Ziesak (Solti II) oder Dorothea Röschmann nicht verfügen. Gleiches gilt eben auch für „Ach ich fühl’s“. Viele interpretieren diese Arie von ihrem Ende her, so daß die Todesgefühle von Anfang dominieren. Das kann zwar schön gesungen sein, verschenkt aber die in Text und Musik gegebene Abwärtsbewegung von der Trauer bis zur Hoffnungslosigkeit. Dadurch daß die Grümmer die Arie zwar traurig, aber durchweg bewegt gestaltet, ist sie in der Lage diese Traurigkeit zum Ende hin zu steigern und uns durch feine Abstufungen „so wird Ruhe im Tode sein“ in einen erschütternden Abwärtssog zu ziehen. Übertroffen wird vor allem die finale Phrase nur noch von ihr selbst auf den Salzburger Festspielen im gleichen Jahr. Leider ist davon nur diese Arie erhalten, sonst wäre dies mit Dermota, Berry, Köth, Frick und Schöffler gewiß eine Referenzaufführung. In den mir bekannten Aufnahmen gelingt eine ähnliche Leistung nur noch Rosa Manion, allein schon ihretwegen ist darum die Aufnahme unter dem Dirigat Christies (1995) ein Anschaffungsmuß.


    1959 ist allerdings in Salzburg eine Referenzaufführung mitgeschnitten worden. Unter Szell singen Lisa della Casa, Leopold Simoneau, Walter Berry, Erika Köth, Kurt Böhme, Graziella Sciutti und Hans Hotter. Eine luxuriöse Besetzung. Über Simoneau wurde im Forum schon alles gesagt. Berry bietet hier m.E. seinen besten Papageno und Hotter bei bester Stimme einen ausdrucksvollen Sprecher. Beide haben in Ihren Rollen Referenzstatus. Das Diktum von der „kühlen Eleganz“ Lisa della Casas durch Kesting ist nicht nachzuvollziehen, auf mich wirkt sie eher verwundbar. Bei der Köth verläßt Kesting anläßlich dieser Aufnahme seine negative Einstellung und attestiert ihr neben technischer Brillanz „eruptive Ausdrucksmusik“. Dem ist nichts hinzuzufügen, auch wenn ich in dieser Rolle eine Stimme mit mehr Körper vorziehe.


    Über die beiden Böhm-Aufnahmen ist im Forum alles gesagt worden. Trotz Wunderlich, Crass, Hotter und den beiden Geharnischten als ideale Verkörperungen ihrer Rollen, kann ich in der zweiten Aufnahme den Ausfall der beiden Damen nicht verschmerzen, so daß keine Referenz herauskommt. Wunderlich hat zusammen mit Dermota Referenzstatus. Manchmal, vielleicht stimmungsabhängig, ist mir Wunderlich zu strahlend, nur Licht, zu wenig Schatten. Ich könnte mir aber vorstellen, daß dieses Mehr an Interpretation noch gekommen wäre. Vielleicht kann ein Beispiel veranschaulichen, was ich meine. In der ersten Aufnahme Furtwänglers (1949) singt Walther Ludwig den Tamino, von der Anlage her eher heldenhaft, aber nobel. Nachdem der Sprecher Tamino belehrt hat, bleibt dieser einen Moment ganz allein, auf sich selbst zurückgeworfen. „O ew‘ge Nacht“ nimmt Ludwig die Stimme ganz zurück, fast sprachlos, aber erschütternd gesungen.


    Mit Klemperer (1964) ist meine dritte und letzte Referenzaufnahme erreicht. Das Wort luxuriös trifft die Besetzung nicht mehr. Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig, Marga Höffgen als die drei Damen! Aber ich will es kurz machen, denn im Forum wurde ja schon Einiges zu dieser Aufnahme gesagt. Nicolai Gedda liefert wie immer Qualitätsarbeit, musikalisch und technisch perfekt, aber nicht mit dem jugendlichen Zauber eines Wunderlich Die Janowitz ist wunderbar. Noch nie dürfte z.B. das Duett „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ im Zusammenklang mit ‚dem‘ Papageno Walther Berrys so perfekt gestaltet und gesungen worden sein. Natürlich spielt bei all dem die „Begleitung“ durch Klemperer eine zentrale Rolle: Mozart durch ein Brennglas, keine vergessene Note, dadurch äußerste Expression und unerhörte Schönheiten zu entdecken. – Und dann: Lucia Popp als unübertroffene sternflammende Königin: Leuchtkraft und Wärme des Ausdrucks verbunden mit hochdramatischem Koloraturgesang, - eigentlich ein Unding, da Volumen die Beweglichkeit bremst, und ein hochbeweglicher leichter Sopran ohne entsprechende Fülle kein Drama entfesseln kann.


    So logisch es Mozart schien, den Gegensatz Königin/Sarastro auch stimmlich auszudrücken, er geht zu Lasten der Sängerin, die die Königin verkörpert. So leicht man etwaige unsichere Tiefen dem Sarastro nachläßt, vom dreigestrichenen f der Königin können anscheinend Karrieren abhängen. Sichere Koloraturen sind sozusagen Voraussetzung, reichen aber keineswegs aus, große stimmliche Kraft und dramatische Intensität müssen hinzukommen. Lucia Popp allerdings und mit leichten Abstrichen Wilma Lipp oder Edda Moser (Sawallisch 1972) konnten in dieser Rolle Prachtklänge entfalten. Beeindruckend auch die metallische Attacke der Christina Deutekom. Stimmen mit dieser metallischen Leuchtkraft fallen allerdings, naturgemäß, Wärme oder das Spiel mit den Farben nicht in den Schoß. Auf die Koloraturtechnik wurde ja im Forum bereits eingegangen, John Steane weist darauf hin, daß die Deutekom ihre außerordentliche Flexibilität dadurch erreicht, daß sie die Noten einer Skalenpassage trennt, wobei sie Konsonanten dazwischen schiebt. Nichtsdestotrotz meint er: “A predatory night-bird with a curiously sinister suggestion of clockwork. In some respects, it is the Queen of Night one has always wanted to hear.”


    Ganz kurz noch, warum einige im Forum genannte Aufnahmen nicht zu meinen Referenzaufnahmen gehören. Generell ist halt das Bessere Feind des Guten. In Solti I (1969) singen Stuart Burrows und Martii Talvela bei guter Stimme schön, könnten aber engagierter sein, Prey forciert mit der Zeit die Lustigkeit des Papageno und Pilar Lorengar tremoliert zu sehr. Auch Solti II hat eine gutes Ensemble beisammen und dirigiert wesentlich inspirierter, aber bis auf Kurt Moll reichen die Sänger nicht an die Spitzenvertreter ihres Fachs heran. Sawallisch (1972) wird z.T. Opfer seines eigenen Drives (Details!). Anneliese Rothenberger ist zu leicht und wirkt bei ihrem Bemühen die Rolle zu dramatisieren überanstrengt, Peter Schreier ist mir, obwohl musikalisch und stilistisch gut, zu leicht, zu wenig sinnlich. Berry hat seinen Papageno weiter ausgefeilt, Moll steht am Beginn einer Entwicklung, die er unter Solti II krönt. Karajan II(1980), Haitink (1981) und Davis (1984) überspringe ich und komme zu Harnoncourt (1987). Zum einen sind da erratische Temposchwankungen, denen ja vielleicht irgendwelche philologische Erkenntnisse zugrunde liegen, mir erschließen sie sich nicht. Auf solche Erkenntnisse, die nicht musikalisch plausibel vermittelt werden können, kann man verzichten. Im Bemühen um Originalklang werden die Bläser in den Vordergrund gerückt und die Streicher angehalten, das Instrumentarium des 18. Jahrhunderts zu imitieren bei Verlust aller Geschmeidigkeit. Ansonsten durchweg kleine Stimmen, bis auf die dramatische Edita Gruberova und Matti Salminen, der aber nicht in Form ist. Natürlich sind Barbra Bonney und Hans-Peter Blochwitz innerhalb ihrer stimmlichen Grenzen ausdruckfähige Sänger, aber stimmliche Grenzen sind auch Grenzen des Ausdrucks; abgesehen davon, daß beide später bei Östman (Bonney) und Christie (Blochwitz) besser aufgehoben sind. Ausgesprochen unsinnig ist es, einerseits eine Erzählerin die Handlung zusammenzufassen zu lassen und andererseits die Akteure mit einzelnen Sätzen dennoch in das Spiel zu bringen. Sehr komisch, da singt Papageno hochdeutsch und verfällt mit seinen Einwürfen ins Wienerische.


    Ich breche hier mal ab, vermutlich ist der lange Text eh schon eine Zumutung.


    arimantas :hello:

    2 Mal editiert, zuletzt von arimantas ()

  • Zitat

    Original von arimantas
    ...vermutlich ist der lange Text eh schon eine Zumutung.


    arimantas :hello:


    Ist er nicht. Im Gegenteil: ich habe ihn mit wachsender Hochachtung gelesen und als Ansporn, auch mal wieder so genau hinzuhören und zu vergleichen. Im Augenblick bin ich einfach nur entwaffnet und bei keiner Deiner besonders positiven Wertungen zum Widerspruch aufgelegt. Wobei ich allerdings gerade mal die Hälfte der von Dir eingebrachten Einspielungen kenne und überprüfen könnte. Ich werde aber demnächst mal wenigstens in die Aufnahmen von Fricsay und Gardiner hinein hören, die Du (noch?) unerwähnt gelassen hast.


    Deshalb nur ein schlichtes :jubel:


    :hello: Rideamus

  • Lieber arimantas,


    ein wunderbarer Text! :jubel:


    Zitat

    Original von arimantas
    [...] Karajan II(1980), Haitink (1981) und Davis (1984) überspringe ich [...]


    Gerade zu Karajan II hätte mich ein (kurzer) Kommentar interessiert, da ich nur Karajan I kenne. :untertauch:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber arimantas,


    solch ein chirurgisch präziser Text kann gar nicht zu lang sein, sondern wächst stetig an Substanz!


    Auch ich kenne nicht alle Deine Referenzaufnahmen, kann mich aber in dem, was ich parat habe, Dir fast überall voll und ganz anschließen! Abweichend ist etwa meine Einschätzung von Talvela als Sarastro (den ich mit Emanuel List ganz nach oben setzen würde). Deine Präsentation der Klemperer-Zauberflöte kann ich Zeichen für Zeichen so übernehmen!


    Als Schellack-Forums-Fetischist möchte ich noch ein paar alte Namen fallenlassen:


    Richard Tauber als Tamino: nicht so natürlich-prachtvoll wie Wunderlich, dafür mit spannenderer Dramaturgie


    Frieda Hempel als Königin: Die müheloseste Bewältigung bei gleichzeitigem gleißenden Feuer, nie keifend (dafür fehlt der böhmisch gefärbte Opaque-Ton Popps)


    Gerhard Hüsch als Papageno (taucht schon sehr früh in diesem Thread auf, s. Alfred zur Beecham-Flöte)



    Den Furtwängler muß ich mir dringend besorgen!



    LG,


    Christian

  • Hallo!


    Eine kurze Zwischenfrage sei mir gestattet:
    Ist die Zauberflöte-Aufnahme aus der Met mit Pinza unter Bruno Walter, die jetzt bei Andromeda rauskam, ähnlich epochal wie der Don Giovanni in ähnlicher Besetzung? Oder eher vergleichsweise verzichtbar?



    Viele Grüße,
    Pius.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Strizzi