Beethoven: Klaviersonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1, CD-Rezensionen und Vergleiche (2014)


  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Yukio Yokoyama, Klavier
    AD: 2007
    Spielzeiten: 3:47-4:19-2:52-4:43 -- 15:41 min.;


    Yukio Yokoyama schlägt im Kopfsatz ein flottes Tempo an, entwickelt einen klaren, natürlichen Klang, geht dynamisch durchaus ordentlich an die Sache heran und produziert einen schön federnden Rhythmus. Sein Staccato- wie Legatospiel ist vorbildlich.
    In der Durchführung steigert er noch mal etwas die Dynamik und arbeite in der Mitte schön die wechselnden Sforzandi heraus, was den originellen Rhythmus dieser Sonate unterstreicht. Auch sein Decrescendo ab Takt 90 und das Crescendo n der Rückleitung ab Takt 97 sind sehr schön ausgeführt.
    Die rhythmisch ebenfalls sehr hoch stehende Reprise rundet, in eine ff-Kurzcoda mündend, diesen schwungvollen Vortrag ab.


    Im Adagio war ich ob der Voranzeige des raschen Tempos skeptisch, aber trotz des höheren Tempos spielt er das Adagio ganz entspannt, mit einem wunderbaren Anschlag und bringt das Klavier herrlich zum Singen. Temporal ist er ganz dicht bei Swjatoslaw Richter in dessen legendärem Moskauer Konzert vom Oktober 1976. Wenn man es so tiefsinnig spielt, ist das Tempo zweitrangig. Das gilt auch für den zweiten Teil mit der Molleintrübung. Yokoyama versteht es, aus jeder Wendung dieses Satzes emotionale Funken zu schlagen. Man fragt sich angesichts solcher Leistungen, warum der Mann bei uns so unbekannt ist. Ich werde vielleicht im entsprechenden Thread noch über ihn schreiben. Auch seine Zweiunddreißigstelbögen zwischen Takt 23 und 26 sowie die herrlich fließenden Duolen und Sextolen brauchen sich vor Kenner anderen Interpretation zu verstecken. Bis zum Schlussteil Takt 52 bis 61 mit dem wirklich brillanten Takt 56 bleibt dieses höchste Niveau erhalten.


    Im Menuetto ist mir sein Tempo allerdings fast etwas zu schnell, obwohl er, wenigstens im zweiten Teil des Menuettos ab Takt 15 den dramatischen Impetus doch merklich erhöht. Und im Trio fällt es bei dem Tempo schwer, heitere Entspanntheit zu verbreiten, im zweiten Teil ab Takt 59 gerät die Steigerung gar etwas rauschhaft.


    Das Prestissimo ist angesichts der Tempi der voraufgegangenen Sätze gar nicht mal so schnell, es ist etwa 20 Sekunden langsamer als das Serkins, der etwa auf der Linie von Richter lag. Aber es ist von hohem dramatischen Vorwärtsdrang und dynamischer Fülle. Die Achteltriolen rollen unaufhaltsam vorwärts. Er macht das sehr virtuos.
    Und der erste Teil der Durchführung ist genau so grandios wie das Adagio- jenseitiger höchster Ausdruck und musikalische Tiefe. Auch sein zweiter Teil ist sehr beeindruckend. Sofort springen die Triolen wieder an, steigert er die Sforzandi in Takt 120 bis 125 kräftig, um die Vorwärtsbewegung auch noch dynamisch zu befeuern- und es geht weiter in die dynamisch hoch stehende Reprise hinein, die er mit großem Schwung zum Ende führt.


    Eine in weiten Teilen hervorragende Aufnahme. Schade, dass wir die tolle Durchführung im Prestissimo nicht zweimal hören konnten.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Dieter Zechlin, Klavier
    AD: 1966-68
    Spielzeiten: 3:08-5:04-3:09-4:26 -- 15:47 min.;


    Dieter Zechlin wählt ein sehr schnelles Tempo, ich würde sagen "Allegro vivace", das macht er allerdings mit klarem, natürlichen Spiel und dynamisch durchaus kontrastreich, so dass ein schnell vorwärtsstürmender musikalischer Fluss entsteht, dessen dramatischer Impetus durch die dynamische Steigerung in der Durchführung noch zunimmt. Vor allem die Mitte der Durchführung gerät durch die wechselnden Sforzandi rhythmisch seh interessant, und nach dem Decrescendo ab Takt 90 und dem darauf folgenden kräftigen Crescendo ab Takt 97 folgt dann eine schwungvolle Reprise, die nach einem wieder interessanten "con espressione" in eine kräftige ff-Kurzcoda mündet.
    Ein sehr schwungvoller Satz!


    Welch einen Kontrast stellt doch das hier grandios gespielte Adagio sowohl temporal als auch dynamisch dar- ein elysischer Klang voll innerlich leuchtender Schönheit und musikalischer Tiefe. Dieser bleibt auch nach der Molleintrübung erhalten, er wechselt nur seine Schattierung. Auch im zweiten Teil bis Takt 31 singt die hohe Oktave mit den herrlichen Zweiunddreißigsteln und antworten die Zweiunddreißigstelfiguren in der Begleitung mit warmem Ton.
    Und im dritten Teil laufen die herrlichen Sextolen so wunderbar klar durch, bis zum Übergang in der rechten Hand eine überirdisch schöne Zweiunddreißigstel-Legatobogenkette die Brücke zum vierten, dem codaähnlichen Teil baut. Auch den gestaltet Zechlin meisterhaft, zuerst mit den Triolen und Duolen in Takt 54 und dann den Triolen in Takt 56- ein überragender Satz!!


    Im ersten Teil des Menuettos zieht leichte Melancholie durch, die dann im zweiten Teil dramatisch etwas mehr aufgeheizt wird. Allerdings verheißt das alles noch keinen Weltuntergang.
    Jedoch ist das Trio wieder ganz großartig, voll gelassener Heiterkeit, die sich in der Steigerung des zweiten Trioabschnitts fast zum Jubel versteigt.


    Im Finale legt auch Zechlin ein gehöriges Tempo vor, er ist sogar noch etwas schneller als Yokoyama, reicht aber nicht ganz an Richter heran. Auch dynamisch ist dieser Satz durchaus hoch stehend.
    Im ersten Teil der Durchführung ist er zwar schneller als Yokoyama, durch den intimen und in den Höhenkristallinen Klang erreicht er jedoch eine sehr anrührende Wirkung. Und im zweiten Teil ist sofort dieser dramatische Drang in den Triolen zu verspüren, der sich in der Reprise dann wieder endgültig und mit mächtiger Dynamik Bahn bricht.
    Dieter Zechlin bildet keinen unwürdigen Abschluss dieser Rezensionsreihe der ersten Beethovensonate, zu der dann, wenn sich irgendwann die Gelegenheit ergibt, höchstens noch Annie Fischer dazukommt, und von Kovacevic fehlen mir just die ersten Drei und die Nr. 24.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Das Cover lässt sich derzeit nicht posten.
    Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Stephen Kovacevich, Klavier
    AD: Januar 2003
    Spielzeiten: 3:05-4:14-2:54-4:39 -- 14:52 min.;


    Stephen Kovacevic ist m. E. im Allegro der Schnellste, den ich bisher gehört habe. Dynamisch arbeitet er sehr sorgfältig, lässt sich aber auch noch Luft nach oben. Ich weiß aber nicht, ob das dergestalt rasante Tempo noch die musikalische Tiefe erreicht, die dem Satz zusteht, oder ob über die eine oder andere markante Stelle nicht hinweg gespielt wird.
    Technisch spielt Kovacevich das allerdings einwandfrei, und in der Durchführungsmitte wirken die wechselnden Sforzandi bei dem Tempo natürlich ganz anders. Der Rhythmus ist in dem Abschnitt mehr swingend. In der Rückleitung spielt er ein schönes Crescendo.
    Je länger ich den Satz höre, fehlt mir doch etwas Tiefe. ich kann es nicht anders beschreiben. Das ist alles hoch virtuos und dynamisch ausgewogen mit einer tatsächlich bei ff anlangenden Kurzcoda, aber im Vergleich mit Gulda, wo ich von einer mozartinischen Sichtweise sprach, erreicht dieser, der sogar noch eine halbe Minute langsamer ist als Kovacevich, m. E. mehr musikalische Tiefe.


    Auch im Adagio ist Kovacevich deutlich schneller als Gulda!, und es ist m. E. auch kein Adagio, sondern ein Andante, und ich denke, wenn man als Interpret in diesem Satz einen bestimmten Zeitrahmen unterschreitet, dann kann man sich nicht mehr in die wunderbaren tiefen Gründe dieses Satzes versenken, jedenfalls wirkt die Musik dann auf mich nicht so, und insofern klingt hier ein bisschen beiläufig, was bei Gulda eine tief bewegende Wirkung auslöst.


    Das Menuetto allegretto ist nicht ganz so schnell wie das Guldas, aber immer noch, vor allem im Trio m. E. zu schnell. Hinzu kommt, dass das, was Gulda zu viel an dynamischen Kontrasten (ab Takt 24) abliefert, bei Kovacevich in die andere Richtung geht, nämlich zu wenig Kontrast, sowohl in Takt 8/9, als auch ab Takt 24, selbst im Trio ab Takt 59. So entgeht Kovacevich m. E. auch in diesem Satz nicht einer gewissen Beiläufigkeit.


    Am meisten kann mich noch der Schlusssatz überzeugen, wo er temporal wieder ein wenig langsamer ist als Gulda und hier, auch durch die Steigerung der Dynamik, eine dramatische Stimmung erzeugt.
    Der erste Teil der Durchführung ist das beste, was Kovacevich m. E. bis dahin abgeliefert hat, hier geht der Gesang auch in die Tiefe. Auch die anschließenden dunkel grummelnden Triolen kommen recht überzeugend, jedoch erreicht er bei der Sforzandokette ab Takt 120 m. E. nicht das ff in Takt 125, was vielen anderen da jedoch gelingt.
    Die Reprise nimmt auch recht ordentlich ihren ausdrucksmäßigen Lauf und endet in einer Kurzcoda nahe dem Fortissimo.
    Im Ganzen hätte Kovacevich bei seinem pianistischen Potential mehr aus dieser Sonate machen können, wenn ich daran denke, was Richter bei seinem Moskauer Konzert veranstaltet hat.
    Auch die -EMI scheint sich editorisch dem Niveau dieser Aufnahme angepasst zu haben. Wenn man die CD in den Player legt, zeigt dieser erst die beiden Sätze der Sonate Nr. 32 an, dann die zehn Bagatellen op. 119. Die Spielzeiten, zumindest dieser Sonate, werden aber korrekt angezeigt. Dafür stehen im Booklet ganz andere Spielzeiten.
    Wie dem auch sei, mit den Ergänzungslieferungen werden die Aufnahmen Kovacevichs nun zu meiner 24. Gesamtaufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :(

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  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2, Nr. 1
    Walter Gieseking, Klavier.AD: 1956
    AD: 1956
    Spielzeiten: 2:36-5:22-2:49-4:34 -- 15:21 min.;


    Nun hat also auch der vielgerühmte Walter Gieseking Einzug in meine Sammlung gefunden, und meine erste Hörsitzung beginnt gleich mit einer Enttäuschung. Er wiederholt weder die lediglich 48-taktige Exposition, noch beachtet er die zweite Wiederholungsvorschrift Beethovens am Ende des Satzes.
    Auch dynamisch bin ich nicht von Anfang an begeistert. Das Fortissimo in Takt 7 ist nicht als solches zu vernehmen, das Forte in Takt 18 kommt mir kräftiger vor. Die Sforzandi allerdings und die beiden Forte-Abwärtsgänge ab Takt 33 und 37 sind durchaus in Ordnung.
    Allerdings ist dem in der Durchführung nicht so. Die Sforzandi in Takt 57, 59, 65, 67, 69, 71, 73, 74, 75, 76, 77, 78 79 sind nicht im geringsten zu hören, erst das Sforzando in Takt 84 hat wieder einen dynamischen Akzent. Erst in der Reprise betont er die Sforzandi wieder. Allerdings dürften die Sforzandi in Takt 121 und 123 auch kräftiger sein. Das ist mir alles zu wenig.


    Das Adagio ist da schon aus ganz anderem Holz geschnitzt. Es dauert mehr als doppelt so lange wie der Kopfsatz und ist, wie ich finde, mit großem Ernst und Bedacht gespielt, es stimmt nicht nur temporal sondern auch dynamisch. Durch seine hier sehr sorgfältige Spielweise erreicht Gieseking hier auch die erforderliche musikalische Tiefe, die Duolen, Triolen und Sextolen sind im richtigen Rhythmus gespielt, und Gieseking spielt hier auch sehr schöne Legatobögen. Auch der von mir als so bemerkenswert erfahrene Takt 56 klingt hier großartig.
    Es ist mir ein völliges Rätsel, wie zwei so unterschiedlich gespielte Sätze in einer einzigen Aufnahme vorkommen können.


    Auch das Menuetto allegretto gefällt mir weitaus besser als der Kopfsatz. Hier spielt er nicht nur alle Wiederholungen, sondern er beachtet auch wesentlich genauer die Dynamik. So kommen die Fortetakte 9/10 und der Fortissimolauf Takt 24 bis 27 deutlich heraus und der Kontrast zu Beginn von Takt 24 ist außerordentlich. Auch das fortissimo im zweiten Trioteil in Takt 61 wird durchaus erreicht.


    Auch das Finale ist dynamisch durchaus aufmerksam gespielt, und hier wiederholt Gieseking wenigstens die Exposition, und die hinreißende Durchführung spielt Gieseking sogar hervorragend, womit er Einiges wieder gutmacht. Im zweiten Teil der Durchführung, in der die unruhigen Triolen die Rückkehr des Hauptthemas ankündigen, sind die zahlreichen Sforzandi sogar wie gemeißelt. Die ungestüme Reprise spielt er auch dynamisch hochstehende und mit dem richtigen Zug nach vorne.


    Ich glaube, bei den Satzzeiten Giesekings werde ich noch manche Überraschung erleben. Die nächste Prüfung wartet schon bei der Sonate Nr. 4.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Erst in der Reprise betont er die Sforzandi wieder. Allerdings dürften die Sforzandi in Takt 121 und 123 auch kräftiger sein. Das ist mir alles zu wenig.

    Gieseking hatte ja eine mächtige "Panke" und konnte wirklich zulagen, wenn er nur wollte, lieber Willi. Bei Beethoven mag er es lieber "undeutsch" behutsam. Wirklich wunderbar auf geht das z.B. in der Sturmsonate. Auch ohne Gewaltakte ist dort alles da. Hier bei den frühen Sonaten kann ich mir vorstellen (ich kenne die Aufnahme nicht), dass er Beethoven etwas zu sehr in Richtung Mozart rückt. :hello:


    Herzliche Grüße
    Holger

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  • Möglicherweise, lieber Holger. Ich habe ja auch keine Klaviernoten von Mozart. ich habe aber gelesen, dass er in seinen Klavierwerken, auch in den Konzerten, vieles dem Interpreten "ad libitum" gestellt hat, möglicherweise eben auch dynamische Einschätzungen. Aber wie weit darf ide interpretatorische Freiheit bei Beethoven gehen?


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op 2 Nr. 1
    Arthur Schnabel, Klavier
    AD: April 1934
    Spielzeiten: 3:18-6:01-3:23-4:40 -- 17:22 min.;


    Auch Arthur Schnabel, der das Allegro schon sehr schnell spielt, ebnet in der Exposition die dynamischen Vorgaben ein. Ich könnte eigentlich meine Bemerkungen zur Dynamik aus dem Posting von Gieseking abschreiben, denn auch bei Schnabel ist das Forte in Takt 18/19 lauter als das Fortissimo in Takt 8. Duplizität der Ereignisse?- Nicht ganz, denn immerhin wiederholt Schnabel wenigstens die Exposition. Auf keinen Fall aber können beide, Schnabel und Gieseking, sich mit der sorgfältigen dynamischen Behandlung des Kopfsatzes von Wilhelm Kempff messen. Ich habe mal nachgeschaut, was der Klavier-Kaiser dazu sagt:
    "Arthur Schnabel spielt die 152 Takte des ersten Satzes fast eine Minute rascher als Wilhelm Kempff...es kann sich bei solchen Unterschieden eigentlich nicht mehr um dasselbe Stück handeln. Und es handelt sich auch nicht mehr um dasselbe. Denn von Stilzitaten, von Abgeklärtheit und Delikatesse will Arthur Schnabel nichts wissen. Alles klingt wild, feurig und rasch. Expressionistische Bekenntnismusik, wo im Rausch wilden Wirbels Unterschiede zwischen Fortissimo und Piano freilich auch mal verloren gehen. Und fürs getragenen Espressivo hat der enthemmte Expressionist schon gar keine Zeit mehr. Schnabel zielt im ersten Satz auf Beethovens "neuen Ton", aber er trifft ihn nicht, macht ihn nicht plausibel."
    Auch bei Schnabel gilt, dass er dem Fortissimo erst am Ende der Exposition nahe kommt, und auch er spielt die Sforzandi im Grunde alle recht deutlich. Auch die rhythmische Gestaltung ist trotz des höheren Tempos sehr deutlich, ebenso wie die erstaunlicherweise sehr gute Durchhörbarkeit dieser über 80 Jahre alten Aufnahme, die allerdings von Mark Obert-Thorn akustisch restauriert wurde.
    Auch in der Durchführung, die in unverändertem Vorwärtsdrang gespielt wird, sind die zahlreichen Sforzandi auch in der Begleitung sehr gut zu vernehmen und erhellen die Struktur. Allerdings würde man bei einem in ähnlicher Weise vorgelesenen Text vermutlich sagen, der (die-)jenige lese "ohne Punkt und Komma".
    Typisch für die vorhin schon beschriebenen dynamische Einebnung ist z. B. auch in der Reprise die Abschnitt Takt 132 bis 139, wo die in der rechten Hand gespielten ff-Legatobögen deutlich leiser sind als die in der Begleitung gespielten Sforzandi.
    Arthur Schnabel missachtet leider auch die Schlusswiederholungsvorschrift Beethovens. Ich habe mal bei dem neuerworbenen Uhde nachgeschaut, aber er sagt zu diesen Vorschriften ebenso wenig wie Joachim Kaiser oder Siegfried Mauser. Anscheinend schleichen diese Autoren um die Wiederholungsvorschriften Beethovens, nicht nur in der Sonate Nr. 1, sondern auch in der Sonate Nr. 57, und in der Sonate Nr. 2 wird uns im Kopfsatz etwas Ähnliches begegnen, und auch dort werden vermutlich die einen es wieder spielen und die Anderen nicht.


    Im Adagio ist Schnabel ungefähr um so viel schneller als Kempff, als er langsamer ist als Gieseking.
    Das wusste ich ja noch, ohne zu hören. Aber als Schnabel dann mit dem Adagio begann, war ich sofort fassungslos, und die Noten verschwammen vor meinen Augen, und zwar von Anfang bis Ende.
    Das ist derart überragend, dass ich keine Worte finde, und die Schauer laufen mir immer noch über den Rücken, während ich dieses schreibe.
    Kaiser hebt in seinem Buch das Adagio des jungen Barenboim hervor, das ich auch ganz toll fand, noch ehe ich Kaiser überhaupt gelesen hatte. Vermutlich hat sich Kaiser das Adagio Schnabels gar nicht mehr angehört, nachdem er vom Kopfsatz so enttäuscht war. Nun, auch Kempff hat ein tolles Adagio gespielt, aber ich finde, der Höhepunkt von Schnabels Adagio besteht aus 61 Takten.


    Im Menuette zeigt Schnabel, dass er auch das kann. Vor allem stimmt hier die Dynamik. Und er nimmt sich, wie im Adagio, Zeit. Und ich höre zum ersten mal in dieser Sonate ein veritables Fortissimo von ihm (Takt 24ff.). Das ist alles so schlüssig, ein himmlisches zweiteiliges Trio mit dem wunderbaren Höhepunkt in den Takten 59 bis 62 mit einem weiteren Fortissimo. Ein großartiger Satz!


    Im Finale verhält es sich schon etwas anders als im Kopfsatz, zumindest in dynamischer Hinsicht. Zwar erreicht er auch hier nicht ganz das Fortissimo, aber der dynamische Verlauf ist hier klar erkennbar. Schnabel wiederholt auch hier die Exposition, und vor allem, er überdreht hier nicht, und der erste Teil der Durchführung (der Ersatz für das "fehlende" lyrische Seitenthema aus der Exposition) ist, ähnlich wie das Adagio und das Trio aus dem Menuetto, eine Offenbarung. Auch die Änderung im zweiten Teil der Durchführung, quasi die Rückführung zur Reprise hin, gelingt Schnabel, wie ich finde, hervorragend.
    Diese spielt er auch dynamisch ausgewogen und versehen mit einer schönen Schlusssteigerung. Leider negiert er auch hier die Schluss-Wiederholungsvorschrift Beethovens, die hier vielleicht noch schlüssiger wirkt als im Kopfsatz, weil sie wieder mit dem lyrischen Seitenthema beginnt.
    Alle, die Schnabel nur für einen Hauruck- und Immer voran-Strategen halten, sollten sich mal die Binnensätze dieser Aufnahme anhören. Sie werden aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen.


    By the way, ich bin mal gespannt, wann ich das erste Mal von meinen drei Autoren oder von wem auch sonst noch immer ich das erste Mal etwas über Beethovens Wiederholungsvorschriften lese.


    Liebe Weihnachts-Grüße


    Willi :thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Anne Oland, Klavier
    AD: 2001
    Spielzeiten: 3:36-5:06-4:08-5:03 -- 17:53 min.;


    Anne Oland, die ich nun auch in meiner Sammlung habe, beginnt die erste Sonate mit klarem, natürlichen Klang und rhythmisch sehr ausgeprägt, jeweils die erste Taktzeit schwungvoll betonend. Ihr dynamisches Konzept ist in der Exposition auf das Ende, Takt 47 ausgerichtet, in dem sie ein veritables Fortissimo erreicht. Auch sie stellt gleich unter Beweis, dass ihr sowohl Legato als auch Staccato liegen. Die kleineren dynamischen Akzente übersieht sie aber auch keinesfalls. Sie wiederholt die Exposition.
    Die bewegte Durchführung versieht sie mit einem gehörigen dramatischen Impetus, wobei ein ständiger Antrieb die besonders hervorgehobenen Sforzandi, die auch synkopisch gesetzt sind. In der Rückleitung zur Reprise setzt sie ein schönes Crescendo.
    Die dynamisch im Forte stehende Reprise spielt sie sehr energisch und erreicht nun auch sofort in Takt 107 (entsprechend Takt 7) das Fortissimo, von dem aus sie den zweiten Teil der Reprise mit nochmals leicht gesteigerter Dynamik in die höchst bewegte kurze Coda führt. Sie hätte uns ruhig noch die Wiederholung von Durchführung und Reprise gönnen können, denn ihr Vortrag ist brillant.


    Zu dem Vortrag des himmlischen Adagios fällt mir nur ein Wort ein: grandios!! Sie zeigt hier mit einer augen (ohren)scheinlichen Selbstverständlichkeit, dass sie sich nicht nur auf den dramatischen Fluss des Kopfsatzes versteht, der in ihrer Interpretation schon ziemliche Nähe zu der "großen" f-moll-Sonate hat, sondern dass sie sich auch meisterhaft auf den lyrischen Ausdruck versteht, den sie hier in überreichem Maße ausstreut. Diese wunderbaren Triolen-Passagen (Takt 29 ff, 35 ff, 43ff, 54 und 56 sind doch für ernsthafte PianistInnen, zu denen ich sie schon jetzt zähle, ein Grund, sich besonders ins Zeug zu legen.


    Im Menuetto lässt sich Anne Oland alle Zeit der Welt, um das zunächst melancholische musikalische Geschehen zu entfalten. Dabei achtet sie auch hier wieder auf die dynamische Entwicklung, die sich in den ersten beiden Abschnitten steigert. Im Trio schließlich wandelt sich die Stimmung ins Positive. Dabei fällt mir auf, dass sie die Schwerpunkte im Trio unterschiedlich gewichtet. Während in den ersten vier Takten die obere Oktave im Mittelpunkt steht, wechselt es von Takt 45 an in die Begleitung. Ich weiß nicht, warum mir das bis jetzt nicht aufgefallen ist, aber Hauptsache, dass es mir überhaupt aufgefallen ist. Im zweiten Teil des Trios spielt sie die Höhepunkttakte 59 bis 62 in der Wiederholung noch etwas ausgeprägter, insgesamt wieder mit viel Ausdruck. Anne Oland beachtet im Menuetto sämtliche Wiederholungsvorschriften, auch das da capo.


    Anne Oland bleibt auch im Prestissimo in ihrem moderaten Tempokonzept, wie auch in ihrem zupackenden Dynamikkonzept. Sie nutzt dort durchaus die Spannweite von Piano bis Fortissimo in der Exposition aus, die sie übrigens auch wiederholt. Allerdings wird sie, wie viele andere auch, die Vorschrift Beethovens, die Durchführung und die Reprise auch zu wiederholen, nicht beachten. Dabei ist das so schade. Bei einem so hohen interpretatorischen Niveau hätte man sich doch gerne die Wiederholung gewünscht, zumal sie hier im Finale mehr als Sinn macht, wie ich in der ersten 35 Rezensionen mehr als einmal begründet habe.
    Die wunderbare Durchführung, die hier das fehlende Dolcethema darstellt, spielt sie natürlich auch mit tiefem Ausdruck, bis hin zur zweiten Hälfte, in dem das Geschehen in den Triolen zum dramatischen Hauptthema zurückgeführt wird, das dann in der Reprise mit ganzem Ungestüm wieder auf den Plan tritt wenn auch mit leicht geänderten musikalischen Figuren. Die durchlaufenden Triolen lassen auch in der Lesart Anne Olands keine Ruhe aufkommen, sondern gehen gnadenlos dem Ende zu. Durch die Auslassung der Wiederholung verliert natürlich auch hier die Fermate in Takt 196 ihre Bedeutung- Schade!


    Dennoch ist das eine große Aufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Annie Fischer, Klavier
    AD: 1977/78
    Spielzeiten: 3:36-5:12-2:58-4:18 -- 16:04 min.;


    Annie Fischer hat im Vergleich zu Anne Oland eine höhere Grundlautstärke, schon in der Nähe von mp, und sie erreicht auch durchaus schon in Takt 7 das Fortissimo. Allen sonstigen dynamischen Bewegungen spürt sie akribisch nach, und ihr rhythmisches Pendel schlägt auch stets präzise zwischen Staccato und Legato hin und her. Sehr eindrucksvoll ist das Crescendo von Takt 31 bis 33, das ich noch nicht von vielen so kraftvoll gehört habe.
    Auch die bewegte Durchführung gestaltet sie dynamisch an der oberen Grenze und setzt die Sforzandi wie Marksteine, erreicht eine sehr große Intensität. In der Rückleitung spielt sie wiederum ein bemerkenswertes Crescendo zur Reprise hin. Diese spielt sie in den etwas geänderten musikalischen Strukturen wie die Exposition. In einem dramatischen Furor geht es dem dynamischen Höhepunkt zu, der kurzen Coda, die sie auch mit großer Kraft spielt. Leider enthält sie uns, wie auch schon Anne Oland, die Wiederholung vor. Auch temporal stimmt sie vollkommen mit Anne Oland überein.


    Auch Annie Fischer spielt ein grandioses Adagio, von einer Klarheit und tiefen Empfindung, dass es eine große Rührung in mir hervorruft. Die Triolen und Duolen und die Wiederholung des Themas sind mitreißend musiziert, desgleichen die Sextolen ab Takt 37, und durch ihre Art, Melodie und Begleitung gleichberechtigt zu spielen, wird uns die Struktur ganz klar vor Augen (Ohren) geführt. Der emotionale Höhepunkt ist auch bei Annie Fischer für mich der Takt 56 mit den überirdisch schönen Zweiunddreißigstel-Triolen. Auch im Adagio stimmt sie temporal fast genau mit Anne Oland überein.


    Im Allegretto ist sie allerdings sehr deutlich schneller und auch im zweiten Abschnitt dynamisch deutlich höher, was ein Zeichen ist, dass die Sonate auch unterschiedlichen dynamischen Pegeln gerecht wird. Im Trio setzt sich diese hohe dynamische Bewegung fort, temporal ist das aber m. E. hart an der Grenze. Etwas mehr von innen strahlende Gelassenheit wäre vielleicht wünschenswerter gewesen.


    Im Prestissimo brechen dann endgültig alle Dämme. Einen größeren Kontrast als den zwischen dem beseligenden Adagio und diesem Prestissimo kann es kaum geben. Sie brennt ein temporales und dynamisches Feuerwerk der absoluten Extraklasse ab, ist von der Expressivität her eigentlich schon mitten im Finale der großen Schwestersonate. Für die Exposition benötigt sie gerade mal 57 Sekunden. Die Exposition wiederholt sie, lässt aber auch die finale Wiederholung außer Acht. Die Triolen in der Begleitung schnurren nur so dahin.
    Die hochlyrische Durchführung ist klanglich überwältigend, aber vieleicht wären hier mit etwas weniger Tempo noch größere Ausdruckstiefen möglich gewesen. Im zweiten Teil der Durchführung ist der dramatische Furor sofort wieder erreicht.
    Die Reprise steuert dann im gleichen temporalen und dynamischen Rahmen unaufhaltsam auf das Ende zu. Leider bleibt uns ein weiterer gigantischer Kontrast versagt, den alle diejenigen Pianisten geliefert haben, die die Wiederholungsvorschrift Beethovens in Takt 196 beachtet haben und von dort wieder in den beseligenden Takt 59 der Durchführung zurückgesprungen sind.
    Das wäre das Herausragende an dieser großartigen Interpretation gewesen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Jacob Lateiner, Klavier
    AD: 11. 1. 1977, live
    Spielzeiten: 6:05-6:00-3:57-6:45 -- 22:47 min.;


    Jakob Lateiner spielt das Allegro langsamer als Claudio Arrau und erst recht als Michael Korstick. Er hat einen sehr feinen Anschlag und beachtet auch die dynamischen Akzente, obwohl er zu Beginn moderat verfährt. Fas Forte in Takt 18 kommt aber schon kräftig und das Fortissimo in Takt 47 erst recht. Wenn ich die Spielzeiten betrachte, gehört Lateiner auch zu jenen, die alle Wiederholungsvorschriften Beethovens beachten. Auch rhythmisch scheint sein Spiel über jeden Zweifel erhaben. Sein Ton ist klar und transparent, so kann man zum Beispiel di wechselnden Achtelintervalle in der Begleitung sehr schön unterscheiden.
    Die Durchführung gestaltet er dynamisch und rhythmisch sehr kontrastreich, was vor allem in den synkopierenden Sforzandi in der Begleitung zum Tragen kommt. Nach der sehr schön decrescendierten, dann crescendierten Rückleitung nimmt auch er die Reprise dynamisch hoch stehend in Angriff, mit kräftigen Sforzandi und über die langen ff-Legatobögen ab Takt 132 in die ebenfalls kräftige ff-Coda mündend,
    Lateiner zeigt schon in diesem ersten Satz, dass er sich die Zeit nimmt, um die Strukturen dieser Sonate klar aufzuzeigen, wobei er sich sorgsam an die Vortragsbezeichnungen und Wiederholungsvorschriften hält.


    Das Adagio spielt Lateiner schlichtweg grandios, wobei er auch hier genau auf die dynamischen Zeichen achtet, und nicht nach dem Motto verfährt, dass ein Adagio an der unteren Hörgrenze entlang führt. So kommt das Crescendo in Takt 9 deutlich, und auch das Rinforzando ab Takt 14 auf der Drei stellt er kräftig in den Raum. Das Seitenthema ab Takt 17 mit Auftakt ist atemberaubend, vor allem die langen Zweiunddreißigstel-Legatobögen hört man selten so ausdrucksvoll- wunderbar auch die Sechzehntel-Triole und di anschließenden Duolen in Takt 29, desgleichen in Takt 36. Sehr schon lässt er auch die Sextolen in der Begleitung ab Takt 37 laufen, dann wiederum die Duolen in Takt 43 und 44 und der Takt 54 mit den Triolen in der oberen und Duolen in der unteren Oktave, all das von sanft fließenden Zweiunddreißigstelbögen umgeben, letztlich der absolute Höhepunkt, Takt 56 mit zweiunddreißigstel-Triolen in beiden Oktaven und der sehr intime Schluss. Jakob Lateiner zeigt in seinem gemessenen Tempo und mit seiner superben Anschlagskultur die volle Schönheit und Größe dieses Satzes.


    Lateiner ist auch in diesem Satz langsamer als Arrau und Korstick, wobei ja ein Allegretto nicht so schnell sein muss. Denken wir doch nur mal an das Allegretto aus der 7. Symphonie.
    Auch im Allegretto legt Lateiner Wert auf jede Einzelheit, beachtet aufs Genaueste die dynamischen Akzente und die subito piano oder pianissimo-Stellen Takt 10, 21oder 35.
    Auch das Dur-Trio spielt er in beiden Teilen sehr anrührend und wiegend im Dreiertakt sowie die wunderbare Steigerung in Takt 59 bis 62. Dann schließt er das allegretto da capo an.


    Im Prestissimo ist Lateiner dann doch deutlich schneller als Arrau, sogar etwas schneller als Ashkenazy, aber nicht so schnell wie Korstick. Wunderbar lässt er die endlosen Achtelketten vorwärts perlen und lässt die dynamischen Akzente ganz organisch einfließen. Natürlich wiederholt Lateiner auch im Finale alles. Hier stimmt einfach alles: Tempo-Dynamik-Rhythmus. Und auch in diesem Gewusel ist das Klangbild noch transparent und kann man die einzelnen Stränge gut verfolgen.
    Die überirdische erste Hälfte der Durchführung spielt er auch mit großem Ausdruck und zartem Anschlag- ganz große pianistische Kunst!
    in der zweiten Hälfte, die den Stimmungsumschwung bringt, lässt er die Achteltriolen leise rumoren und die originelle Sforzandopassage Takt 120 bis 124 folgen. Die Reprise gestaltet er temporal und dynamisch so wie die Exposition, und er wiederholt dann, nach einer Fermatenpause in Takt 196, die Durchführung und die Reprise, wie von Beethoven vorgeschrieben.


    Eine große Aufnahme, die in mir nur das große Bedauern auslöst, dass die Beethoven-Sonaten-Aufnahmen von Jakob Lateiner an einer Hand abzuzählen sind.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Eine große Aufnahme, die in mir nur das große Bedauern auslöst, dass die Beethoven-Sonaten-Aufnahmen von Jakob Lateiner an einer Hand abzuzählen sind.


    Hallo Willi,


    Wie Du Dir vorstellen kannst, habe ich Deine so ausführliche und spannende Besprechung von BEETHOVEN's Sonate Nr. 1, op. 2 Nr. 1 durch JACOB LATEINER mit allergrößtem Interesse gelesen, und ich danke Dir dafür , daß Du nun auch diesen großartigen Pianisten mit bei Deinen Besprechungen berücksichtigt hast, nachdem ich in der Vergangenheit schon immer wieder neue Anläufe durch verschiedene Beiträge unternommen hatte, um auf diesen so herausragenden BEETHOVEN-Interpreten in unserem Forum aufmerksam zu machen.


    So überrascht mich im Grunde Deine Begeisterung über diese Interpretation auch nicht wirklich, und ich fühle mich vielmehr durch Dein so positives Urteil nur bestätigt. Nicht umsonst wurde LATEINER in den USA auch in Bewunderung "Mr. BEETHOVEN" genannt, und nicht von ungefähr wurde sein BEETHOVEN-Spiel auch mit dem hoch geschätzen ARTHUR SCHNABEL verglichen. Man pries vor allem das stets äußerst kontrollierte, ausgefeilte, schlanke und schnörkellose Spiel LATEINERs, und seine seltene Kunst, Steigerungen herauszuarbeiten und in imposanter Weise auf den Höhepunkt eines Werkes hinzuarbeiten.


    Obwohl JACOB LATEINER in Konzerten sehr oft BEETHOVEN auf seinem Programm hatte, gibt es tatsächlich vergleichsweise wenige Aufnahmen mit ihm. Ich wurde das erste Mal auf ihn aufmerksam durch seine wunderbare Einspielung von BEETHOVEN's
    Klavier-Trio op. 1,1 mit seinen kongenialen Partnern HEIFETZ und PIATIGORSKY, eine wirklich fabelhafte Aufnahme dreier großer Künstler, für mich ganz klar eine Referenzeinspielung.


    Unter seinen am bekanntesten gewordenen Einspielungen sind abgesehen von dieser BEETHOVEN-Sonate und dem Klavier-Trio op. 1,1 zu nennen:


    BEETHOVEN's Sonaten op. 31,2, op. 53 und op. 111, die Bagatellen op. 126, sein Klavierkonzert Nr. 5, von DVORAK das Klavier-Quintett op. 81, von BRAHMS die Händel- und PAGANINI-Variationen und die Klavier-Trios, von SCHUBERT das Klavier-Trio op. 100, ebenfalls mit Heifetz und PIATIGORSKY, von TSCHAIKOWKY das Klavierkonzert (unter ABRAVANEL), und schließlich die Einspielung des so schwierigen Klavierkonzerts von CARTER unter LEINSDORF, das CARTER extra für ihn komponiert hatte.


    Jedenfalls freue ich mich, daß auf diese Weise die hohe Klavierkunst eines JACOB LATEINER hier nun doch weiter thematisiert wird, und wie ich zu meiner Überraschung nun gesehen habe, hast Du, lieber Willi, über LATEINER nun sogar einen eigenen Thread verfaßt, den ich mir schon gespannt als nächstes als Lektüre vornehmen werde.


    Viele Grüße
    wok

  • Dann darf ich dir als Drittes, leiber wok, die Lektüre meiner Rezension über die Waldstein-Sonate empfehlen, die ich nun auch beendet habe. Was übrigens den Vergleich Lateiners durch die Amerikaner mit Arthur Schnabel betrifft, so meine ich, zumindest, was die erste Sonate betrifft, dass Jacob Lateiner da Schnabel, was Akkuratesse und Pianistik, aber auch Tempo- und Dynamikgefühl betrifft, in den Schatten stellt. Nun habe ich ja auch Schnabels Waldstein-Interpretation noch vor mir. Es ware vielleicht interessant, die jetzt hinterher zu bringen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Mir war noch eine Passage aus dem Einführungstext zum Jacob-Lateiner-Thread eingefallen, die sich mit den ungewöhnlichen Wiederholungsvorschriften in den Beethoven-Sonaten befasst:

    Zitat

    Leslie Gerber (Übers. William B.A.): Jacobs Einsetzen für die Intentionen des Komponsiten führen dazu, dass er alle Wiederholungsvorschriften beachtet, wie hier in den Beethoven-Sonaten...)


    Konkret waren mir diese Vorschriften bisher aufgefallen in den beiden f-moll-Sonaten Nr. 1 (Kopfsatz und Finale) und Nr. 23 (Finale) und Nr. 2 A-dur (Kopfsatz). Es geht darum, dass nicht nur die Exposition, sondern auch Durchführung und Reprise wiederholt werden.
    Jacob Lateiner ist erst der zweite Pianist, der etwas dazu gesagt hat bzw. über den etwas dazu gesagt wurde. Der erste war András Schiff, der sich im Booklet der Appassionata dazu geäußert hat und es als richtig ansah, die Wiederhollungsvorschrift zu beachten (ich berichtete im Appassionata-Thread darüber). Schiff hat auch in allen drei Sonaten die entsprechenden Vorschriften beachtet.
    Es ist mir auch weiterhin ein Rätsel, warum sich bis jetzt noch kein Pianist darüber geäußert hat, warum er die Vorschriften nicht beachtet.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Maria Grinberg, Klavier
    AD: 1966
    Spielzeiten: 3:34-4:03-2:46-4:28 -- 14:51 min.;


    Maria Grinberg beginnt diese Sonate mit klarer natürlicher Tongebung, aufmerksamer rhythmischer Gestaltung der Staccati und der Legatobögen und beachtet auch die rhythmischen Angaben in der Partitur. Sie wiederholt auch die Exposition.
    Auch den Eigenheiten der Durchführung geht sie aufmerksam nach, beachtet sehr schön die Oktavwechsel der Sforzandi und spielt am Schluss der Durchführung in der Rückleitung ein kräftiges Crescendo.
    In der Reprise nimmt sie auch die dynamische Änderung war, denn hier geht es wesentlich lauter zur Sache als zu Beginn der Exposition, Auch am Ende der Reprise spielt sie das con Espressione sehr schön und spielt eine kraftvolle Kurzcoda, wiederholt aber leider die Durchführung und Reprise nicht.


    Maria Grinberg spielt das Adagio etwas rascher als Brendel in den 70er Jahren. Aber sie spielt es so klar und mit dennoch weicher Tongebung und mit, wie ich meine, sehr tiefer Empfindung.
    Auch das Seitenthema in moll spielt sie klar und natürlich. Auch in der Hinwendung zum Dur spielt sie die hohe Oktave ab Takt 21 grandios, ebenfalls die Duolen und Triolen im Takt 29..
    Desgleichen ist die Themenwiederholung ab Takt 30 an Ausdruckstiefe kaum noch zu überbieten. Doc auch sie bringt es noch zu einer Steigerung in den Sechzehntel-Triolen und -duolen in Takt 54 sowie im Höhepunkt dieses Satzes, den Zweiunddreißigstel-Triolen in Takt 56.
    Welch ein großer Satz!


    Das Menuetto Allegretto ist dann doch fast ein wenig rasch, aber dynamisch ohne Fehl und Tadel. Mit dem Trio in all seiner Anmut und Gelassenheit verwischt sie diesen Eindruck jedoch wieder. vor allem die ff-Steigerung im zweiten Teil des Trios ist grandios.
    sie schließt da capo das Menuetto an.


    Das Prestissimo birst vor Energie und dramatischem Impetus. Sie wiederholt natürlich die Exposition und nutzt die gesamte dynamische Spannweite voll aus.
    Den ersten Teil der Durchführung mit dem "eigentlichen" lyrischen Seitenthema, auch und vor allem in der Oktavierung spielt sie atemberaubend. Auch der organische Übergang zur zweiten, dunkleren Hälfte ist grandios- großartig die Sforzandokette ab Takt 120 bis 125!
    In der Reprise geht sie wieder mit dem anfänglichen Brio zu Werke. Leider wiederholt sie die Durchführung und die Reprise auch hier nicht. Das wäre die Sahnehaube auf dieser großartigen Interpretation gewesen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Glenn Gould, Klavier
    AD: 9. August 1976
    Spielzeiten: 3:54 - 7:02 - 2:57 - 4:19 -- 18:12 min.


    Glenn Gould spielt den Kopfsatz sehr langsam. Er spielt ihn ebenfalls komplett ohne Wiederholungen. Er ist fast eine Minute langsamer als der von mir früher schon als langsam bezeichnete Wilhelm Backhaus. Er spielt viele Akkorde als gebrochene Akkorde, obwohl sie nicht als solche notiert sind. Er spielt genau 152 Takte, und Solomon, der hier einen überragenden Satz spielt, spielt wie vorgeschrieben alle 304 Takte in gerade mal einer Minute mehr.
    So scheint dieser Satz, ähnlich wie der Kopfsatz aus der tonartlichen großen Schwester, der Appassionata, von Gould wohl absichtlich als eine Parodie gespielt zu sein.
    Joachim Kaiser hatte ihn schon gar nicht mehr auf dem Schirm, er schien wohl von der neune Jahre zuvor von Gould aufgenommenen Appassionata noch die Nase voll zu haben.
    Auch mit der Dynamik nimmt es Gould keineswegs genau. Weder trifft er das FF in Takt 7 (bestenfalls mp) noch das Forte in Takt 18 (s. o.), noch kommen die Sforzandi Takt 22 und 24 gescheit rüber, erst in den Takten 33 und 37 spielt er ein ordentliches Forte, dazu sind die Sforzandi in Takt 37 bis 38 endlich akzeptabel, das Fortissimo in Takt 47 ist nicht mehr als ein Pianosäuseln.
    Die Wechseloktaven im Durchführungskern ab Takt 55 (wie schon zuvor ab Takt 20 in der Exposition) stufen diesen Kopfsatz auf das Niveau eines täppischen Bauerntanzes herab.
    Joachim Kaiser sagt zum Tempo (S. 47): "Das Tempo muss, der Wildheit und Dringlichkeit des Kopfsatzes entsprechend, rasch sein", und an anderer Stelle (S. 48): "Diesem ersten Satz scheint eine allzu besonnene, souveräne, sorgfältig distanzierte Interpretation denkbar unangemessen". Gould geht weit über das "allzu besonnen" hinaus.


    Temporal scheint am ehesten noch das Adagio angemessen interpretiert, auch dynamisch trifft er hier im Großen und Ganzen den Ton, wenngleich es hier ihm rhythmisch suspekt erscheint, dass in beiden Oktaven Legatobögen notiert sind. die Begleitung ab Takt 9 spielt er m. E. nicht legato, sondern er buchstabiert hier (absichtlich?). Ähnliches ist im zweiten Thema festzustellen, wo er mitten mi langen Legatobogen in den Zweiunddreißigsteln ab Takt 24 in Takt 25 vom reinen Legato abweicht und bestenfalls portato spielt, so dass rhythmisch in Takt 26 die Legato-Zweiunddreißigstel von den vier letzten als Portatonoten notierten Sechzehntel nicht zu unterscheiden sind.
    Es sind auch überragende Passagen dabei, immer dann, wenn es ganz langsam wird und legato bleibt wie z. B. in Takt 28 die Begleitung, oder die Triolen und Duolen in Takt 29, desgl. die Triolen in Takt 35 und die Duolen in Takt 36. Auch die Sextolen in Takt 37 und 38 sind so, dass man ausrufen möchte: "Wäre doch der ganze Satz so!" Auch die Takte 43 und 44 spielt er grandios. Auch ab Takt 49 hält er sich größtenteils an die rhythmischen Vorschriften, herausragend auch sein Takt 56, und +überraschenderweise spielt er in den Takten 57 und 58, wo die erste Hälfte portato notiert ist, durchgehend legato. Und wie sollte es anders sein, hat er auch im letzten Takt 61, noch eine Überraschung bereit: die beiden kurzen Achtelakkorde spielt er wieder gebrochen.


    Im Menuetto wiederholt er im Allegretto wie Backhaus nur die erste Hälfte, aber im Trio, im Unterschied zu Backhaus, auch nur die erste Hälfte. Ansonsten ist es dynamisch auch hier festzustellen, dass er das Fortissimo meidet wie der Teufel das Weihwasser. Weder in Takt 24 noch in Takt 61 erreicht er ansatzweise auch nur ein Forte. Auch hier ist sein Hang festzustellen, Begleitnoten oftmals statt legato nur portato oder gar staccato zu spielen. Dabei steht auch dieser Satz größtenteils im Legato.
    Wenigstens legt er im Menuetto Da Capo dynamisch etwas zu. In Takt 39 spiet er wieder einen gebrochenen Akkord und in Takt 40 bestenfalls eine Achtel.


    Im Prestissimo spielt er zur Abwechslung wenigstens mal Legato, und auch die dynamische Akzente sind diesmal nahezu am Original. Natürlich wiederholt er selbstverständlich die Exposition nicht.
    In der lyrischen Durchführung mit dem "zweiten Thema" zeigt er endlich mal, über welch lyrischen Ausdrucksfähigkeiten er verfügt, wenn er denn will. Aber in der zweiten Hälfte, wo sich das Prestissimo-Thema wieder Bahn bricht, spielt er wieder zu betulich. Auch die Sforzandokette in Takt 120 bis 125 hat in diesem Tempo nicht den nötigen Biss. Wenigstens erreicht er in der Reprise dynamisch das Ziel und grummelt ordentlich in den Bässen. Allerdings erreicht er am Schluss wieder nicht das Fortissimo. Es bleibt nicht das Einzige, was er nicht erreicht.


    Liebe Grüße


    Willi :(:(

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  • Das scheint wieder mal, lieber Willi, das Beispiel für eine Gouldsche "Dekonstruktion" zu sein. Ich habe speziell diese Aufnahme leider nicht - aber ich vermute mal stark, er will zeigen, dass der frühe Beethoven ein Bruder von J.S. Bach ist. :D


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Jetzt doch!


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S. Das wäre eine Beleidigung für Bach, wenn "So ein Beethoven" sein Bruder wär. So ist die Interpretation eine Beleidigung für Beethoven.

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  • P.S. Das wäre eine Beleidigung für Bach, wenn "So ein Beethoven" sein Bruder wär. So ist die Interpretation eine Beleidigung für Beethoven.


    Jedenfalls, lieber Willi, ist das ein Parade-Beispiel für Goulds Exzentrik! :D Das Verrückte dabei ist, dass er die Musik ja sehr Ernst nimmt - aber in etwas Anderes transformiert, als sie ist. Insofern ärgert mich das gar nicht - anders als bei Lang Lang heute etwa, wo es nur noch um virtuosen Zirkus und Effekthascherei geht. Gould erlaubt sich einfach die "Frechheit", Beethoven in einen barock-polyphonen Geist zu übersetzen. Den ersten Satz spielt er aufreizend langsam. Dadurch wird das Neue bei Beethoven einfach unhörbar gemacht: das Denken in kontrastierenden Blöcken. Gould linearisiert, spielt eine barocke durchlaufende Bewegung - immer glasklar, aber eben ohne Zäsuren. Dazu gehört die Betonung der Verzierungen, die Arpeggierungen von Akkorden, die dem Klaviersatz wohl barocke Fülle verleihen sollen und die - klassische - Betonung der Vertikale aufheben und den Akkord in der sukzessiven Brechung in die barocke Horizontale versetzen. Der langsame Satz ist wunderbar beseelt gespielt - auch da gibt es diese Gould-typischen Portatos. Und eine Begleitfigur ist für ihn einfach keine Begleitung, sondern eine "Figur", welche die Bewegung vorantreibt. Auch das ist wieder eine Transformation ins Barocke. Dem Menuett nimmt er jede Eleganz, spielt sie mit einer fast schon orgelhaften Fülle. Hier purifiziert er - alles "Gefällige", Unterhaltsame, irgendwie "Gesellschaftliche" der Musik wird radikal reduziert zu einer Zwiesprache des Interpreten mit dem Werk (er singt deutlich hörbar mit, ohne Rücksicht auf die Zuhörer). Im Finale vermeidet er jeglichen virtuosen Gestus - Prestissimo ist das nicht. Hier zeigt er aber, dass er ff spielen kann, wenn er nur will.


    Das ist wieder so ein Fall, der einen ins Grübeln bringt: ein hochintelligentes, totehrliches Musizieren, aber eben höchst eigenwillig. Man fragt sich: Was bringt uns diese Transformation von Beethoven ins Barocke? Was ist der Erkenntnisgewinn? Den kann ich hier nicht wirklich entdecken. So bleibt diese Aufnahme lediglich ein Zeugnis davon, wie Gould Beethoven spielen will - ein Zeugnis von Gould-Beethoven. :D


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Ich komme gerade aus meinem Stammcafé "Rose's" und lese mit Gewinn deine Beitrag, lieber Holger. Vieles von dem, was du sagst, kann ich nur unterstreichen. Wenn er denn wirklich so ehrlich "seinen" Beethoven musiziert, wie du sagst, ist er dann nicht einer grandiosen Fehleinschätzung unterlegen?
    Wenn er nun den umgekehrten Weg gegangen wäre, von Beethoven kommend, als ein aufgrund seiner Fähigkeiten überragender Beethoven-Pianist Bach so spielen zu wollen wie Beethoven, das hätte auch nicht funktioniert. Wenn ich daran denke, wie wir bei der Vorbereitung des Weihnachtsoratoriums an den Chorälen gefeilt haben, bis sie klangen wie "Bach", und wie erfüllend nicht nur die Vorbereitung, sondern auch die Aufführung war.
    Und Gould hat ja auch gezeigt, dass er Beethoven ganz anders spielen kann, in den Konzerten, und wenn in den über zwanzig Sonaten eine dabei ist, die mir über die Maßen gefällt, werde ich nicht zögern, das heraus zu stellen. Im Moment warte ich noch auf die Nr. 24 und 29. Nachher werde ich mir die Nr. 2 vornehmen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich komme gerade aus meinem Stammcafé "Rose's" und lese mit Gewinn deine Beitrag, lieber Holger. Vieles von dem, was du sagst, kann ich nur unterstreichen. Wenn er denn wirklich so ehrlich "seinen" Beethoven msuiziert, wie du sagst, ist er dann nicht einer grandiosen Fehleinschätzung unterlegen?


    Ich hoffe, lieber Willi, Du hast da das richtige Bier genossen! (In dieser Hinsicht ist Münster ja nicht schlecht, sage ich als herkunftsmäßig Bier-verwöhnter Düsseldorfer!) :D Das Verrückte bei Gould ist, dass er sich - Humorist wie er war - zu solchen "Fehleinschätzungen" bekennt. Ihm geht es letztlich darum, so zu spielen, wie das "wahre" Musizieren für ihn ist. Ob er dem Komponistenwillen Gewalt antut, ist ihm von daher ziemlich egal. Auch bei Bach interessiert ihn im Grunde nur die Polyphone. Mit dem anderen - barock-affektiven - Bach kann er sich dagegen gar nicht identifizieren. Die Chromatische Phantasie - was für ein eindrucksvolles Werk! - mag er nach eigenem Bekunden nicht und hat sie auch kaum gespielt. Wenn für ihn die Musik nicht "wahr" und "authentisch" genug ist - in die "falsche Richtung" geht - dann wird sie eben in die richtige eigenmächtig gezwungen. Auf diese Weise hat Goulds Exzentrik viel Erhellendes zum Vorschein gebracht - hier allerdings gerade nicht, finde ich. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

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  • Die Frage ist, lieber Holger, ob Glenn Gould in der Position ist, zu entscheiden, ob eine Musik "wahr" oder "authentisch" ist oder "in die falsche Richtung" geht, oder ob er das nur glaubt. Mir ist kein anderer Fall eines Interpreten bekannt, der sich so "über die großen Komponisten" erhoben hat. Wir müssen Mozart ja auch zu ihnen zählen, wenn wir nur an das einleitende "Andante con variazioni" der A-dur-Sonate denken, oder an das, was er über Mozart gesagt hat.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Die Frage ist, lieber Holger, ob Glenn Gould in der Position ist, zu entscheiden, ob eine Musik "wahr" oder "authentisch" ist oder "in die falsche Richtung" geht, oder ob er das nur glaubt. Mir ist kein anderer Fall eines Interpreten bekannt, der sich so "über die großen Komponisten" erhoben hat. Wir müssen Mozart ja auch zu ihnen zählen, wenn wir nur an das einleitende "Andante con variazioni" der A-dur-Sonate denken, oder an das, was er über Mozart gesagt hat.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Ich glaube, da tust Du Gould, dem Exzentriker - vielleicht dem einzig wahrhaftigen, den es gibt - ein wenig Unrecht. Gould würde Dir wohl antworten: Ich spiele nicht Beethoven, sondern diese wunderbare Musik, die von Beethoven stammt. Den "wahren Kern" dieser Musik möchte er herausschälen. Das darf er, finde ich. Wir sind doch letztlich der Musik verpflichtet und nicht dem Komponisten! Es gibt für mich einen großen Unterschied von Gould etwa zu Ivo Pogorelich. Auch so ein Exzentriker, der bisweilen das Gegenteil tut von dem, was der Komponist vorschreibt. Doch bei Pogorelich vermisse ich da den "Sinn". Bei Gould haben wir dagegen eine "Dekonstruktion" (ich benutze hier bewußt den Ausdruck von Jacques Derrida). Er versucht, die "Syntax" der Musik offenzulegen in ihrem Sinn oder ihrer (vermeintlichen) Sinnwidrigkeit. Dieses Unternehmen geht hier schief - aber man erkennt darin doch die Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung von Musik, das ehrliche Bemühen, einen Sinn zu finden. Letztlich ist es der Interpret, der diese nun schon sehr alte Musik verlebendigen muß durch seinen Geist. Ohne diese Verlebendigung ist sie tot. Also darf er das - und wir dürfen ihn anschließend kritisieren, ob dieses Experiment das einlöst, was es verspricht. :D :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Ich hörte gerade die Aufnahme von Murray Perahia und bin sehr angetan - eine vergeistigte Klarheit, leise Intimität und Wärme, die berührt. Das ist ein Beethoven ohne jede Gewamtsamkeit - Mozart darin wesensverwandt. Und trotzdem wird nichts unterschlagen. Einfach beglückend zu hören! :)


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Ich habe gerade noch mal nachgeschaut, lieber Holger. Ich hatte am Ende meiner Rezension auch Mozart ins Spiel gebracht und sprach von der "mozartinischen Sicht". Das ist wirklich eine außergewöhnliche Aufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich hatte am Ende meiner Rezension auch Mozart ins Spiel gebracht und sprach von der "mozartinischen Sicht". Das ist wirklich eine außergewöhnliche Aufnahme.


    Ja, lieber Willi - das trifft es genau! Deine schöne Rezension habe ich gerade noch einmal gelesen! :)


    Herzlich grüßend
    Holger

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  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Rudolf Buchbinder, Klavier
    AD: 1983
    Spielzeiten: 3:25-5:28-2:56-4:41 -- 16:30 min.;


    Rudolf Buchbinder hat in dieser frühen Aufnahme von 1983 eine ähnliche Zeiteinteilung wie 27 Jahre später. Verglichen mit meinen beiden Referenzen John Lill und Solomon Cutner liegt er etwa in der Mitte zwischen dem raschen Solomon und dem etwas ruhigeren John Lill. Auch in dieser frühen Aufnahme wiederholt Buchbinder wohl die Exposition, nicht aber die Durchführung und die Reprise.
    Dynamisch steigert er die Exposition zum Ende hin, den ersten , gebrochenen ff-Akkord in Takt 7 spielt er maximal im mf. Das con espressione spielt er rhythmisch und dynamisch sehr bewegt, sowie er die Staccato- und Legatopassagen m. E. generell sehr eindrucksvoll spielt.
    Auch die kurze, aber sehr bewegte Durchführung spielt er großartig, wobei er die die Oktaven wechselnden Sforzandi besonders sorgfältig betont und auch das in der späteren Aufnahme von mir angemahnte Decrescendo ab Takt 90 hier einwandfrei spielt..
    In der Reprise spielt er dann den gebrochenen Akkord, hier in Takt 107, im Fortissimo. Weiter spielt er sie dann dynamisch so hochstehend, wie die Partitur es verlangt, einschließlich der kraftvollen Kurzcoda, Takt 146 bis 152.


    Gefiel mir schon in der Aufnahme von 2010 das Adagio wesentlich besser als der Kopfsatz, so möchte ich dieses Adagio noch höher ansiedeln, in dem mir der überirdische Gesang, im Tempo nunmehr mit Solomon nahezu gleich, noch gelassener entfaltet wird und der durchführende Teil ab Takt 17 noch mehr "anpackt". Traumhaft auch die Takte 24 bis 26 in den Zweiunddreißigsteln sowie der Takt 29 mit der Triole und den Duolen. Und dieses Höchstniveau hält Buchbinder mühelos auch in den herrlichen Sextolen ab Takt 37 und wiederum in den Duolen ab Takt 43. Über die himmlischen Zweiunddreißigstelbögen Takt 49 bis 51 führt er uns zum beseligenden Höhepunkt, den Zweiunddreißigstel-Triolen in Takt 56 und schließt den Satz auf adäquaten Höchstniveau ab.
    Ganz herausragend!!


    Auch das Menuetto gefällt mir besser als in der späteren Aufnahme. Hier lässt er dem Allegretto mehr Gelassenheit angedeihen und die Luft zum Atmen. Auch dynamisch spielt er das der Partitur entsprechend höchst kontrastreich. Auch das Trio gefällt mir ausnehmend mit seinem schön wiegenden Dreier und der wunderbaren Steigerung im zweiten Teil.
    Das Allegretto schließt er Da Capo an.


    Im Prestissimo wiederholt er wiederum die Exposition, lässt aber leider die zweite Wiederholung der Durchführung und Reprise aus. Temporal liegt er hier auf er Linie Solomons, und dynamisch führt er durchaus die Partitur aus.
    Die Durchführung, die ja hier das "fehlende" lyrische Seitenthema "ersetzt", spielt er ebenfalls grandios. Im zweiten Teil spielt er auch die Rückwandlung ganz organisch aus, wobei er über die Sforzandokette ansatzlos zum Fortissimo kommt. In der Reprise setzt er sein kontrastreiche Spiel fort, wobei sowohl die dynamischen als auch die rhythmischen Kontraste überzeugen.


    Eine großartige Aufnahme, in der m. E. nur die Wiederholungen im Kopfsatz und im Finale fehlen, um sie zu einer "großen" zu machen. Jedenfalls hat er sich m. E. mit der Aufnahme von 2010 nicht weiterentwickelt, eher einen Rückschritt gemacht.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Alexej Gorlatch, Klavier
    AD: Oktober 2011
    Spielzeiten: 5:26-5:56-3:17-7:06 -- 21:45 min.;


    Alexej Gorlatch spielt diese Aufnahme im Jahre 2011 im Alter von 23 Jahren, also in einem Alter, als Barenboim seine erste Gesamtaufnahme begann. Temporal liegt er hier etwa in der Mitte zwischen dem schnelleren Solomon und dem langsameren John Lill. Diese habe ich wieder herangezogen, weil sie in Bezug auf die Erste meine Referenzen sind.
    Alexej Gorlatch überzeugt schon hier mit einer m. E. erstaunlichen künstlerischen Reife und einer inneren Abgeklärtheit. Sein Rhythmusgefühl und die dynamische Behandlung der Partitur sind fabelhaft, jedenfalls in der Exposition. Er gehört übrigens zu dem immer noch kleineren Teil meiner Beethoven-Pianisten, die die Wiederholungsvorschriften in dieser Sonate alle beachten.
    Auch in der kurzen Durchführung überzeugen seine Rhythmik und seine dynamischen Kontraste- herrlich, wie er mit den Sforzandi strukturiert und sein betörendes Decrescendo ab Takt 90.
    Auch in der Reprise überzeugt sein dynamisch kontrastreiches Spiel, vor allem in den Staccati ab Takt 109 und den darauf folgenden Triolenfiguren, die er sogar ins Pianissimo setzt- wunderbar!
    Auch die beiden ff-Achtel-Abwärtsgänge und das con espressione sowie die Kurzcoda spielt er äußerst konturiert und kraftvoll. Dann wiederholt er Durchführung und Reprise.


    Das Adagio, temporal etwas langsamer als Solomon und zeitgleich mit John Lill, spielt er in einem sehr anrührenden Pianissimo, intim und äußerst zart in der Tongebung. Im zweiten Thementeil, der im Diskant weit nach oben gewandert ist, spielt er aus dem Pianissimo eine schöne Steigerung, aber auch in der Spitze moderat, geht dann wieder ins Pianissimo, sodass das Rinforzando gleich wieder einen ordentlichen Kontrast abgibt. Der nächste Abschnitt, ab Takt 6 mit Auftakt, zunächst in d-moll, verbleibt in dieser ätherischen Tongebung und wandelt sich dann in der hohen Oktave nach C-dur.
    Wunderbar lässt er in dieser Passage sein Instrument singen, bevor es über die Zweiunddreißigstel-Bögen in die Bassoktave geht, aber auch das sanft im pp schwebend. Herrlich abwärts gleitend in Takt 29 die Sechzehntel-Triolen und die Duolen, bevor das himmlische Thema wiederholt wird und es nach den Sechzehntel-Portatonoten in der Sechzehntel-Sextole und den anschließenden Duolen in Takt 36 rhythmisch variiert wird. Das ist eine wunderbare Schlüsselstelle dieses Satzes, hier kongenial interpretiert.
    Wunderbar lässt er auch anschließend die Sechzehntel-Sextolen in der Begleitung ab Takt 37 laufen.
    Erneut wird dann nach dieser sanft fließenden Sequenz das Thema durch die Duolen in Takt 43 und 44 von Gorlatch wunderbar rhythmisch variiert. Der nächste Höhepunkt folgt schon in den langen Zweiunddreißigstelbögen Takt 49 bis 51, bevor es sich musikalisch immer weiter steigert über den Takt 54, wo sich Triolen und Duolen gegenüberstehen zum Takt 56, indem die Zweiunddreißigstel-Triolen das musikalische Dach bilden und letztlich zwei wunderbare Zweiunddreißigstel-Portatobögen den Schluss einleiten mit den abschließenden zwei Pianissimoakkorden. All das spielt Alexej Gorlatch m. E. herausragend!


    Im Menuetto Allegro behält Gorlatch den leisen Grundton bei und steigert zum zweiten Teil hin, wo er im Fortissimobogen ab Takt 25 mit Auftakt das dynamische Dach setzt. Stimmungsmäßig verbleibt des Allegretto in einer latenten Melancholie.
    Im Trio schafft er einen prächtigen Stimmungskontrast, der in der ff-Steigerung im zweiten Teil ab Takt 59 führt. Das Allegretto schließt er dann Da Capo an.


    Das Prestissimo spielt er temporal wiederum zwischen dem nun schnelleren John Lill und dem etwas langsameren Solomon. Wunderbar lässt er die Achtel-Triolen laufen und spielt dynamisch von Anfang an am Anschlag. Das ist rhythmisch und dynamisch sicherlich schon ziemlich weit auf dem Weg zur Vollendung.
    Die Durchführung im Stile des "lyrischen Seitenthemas" spielt er grandios, beseligend singend in der hohen Oktave
    Dann lässt er im Übergang die Achteltriolen wieder "brodeln" und lässt eine präzise Sforzandokette folgen.
    In der Reprise nimmt er sofort den dramatischen Impetus wieder auf. Die Achteltriolen geben den zielstrebigen Takt vor. Im eiligen Auf und Ab der letzten acht Takte streben sie dem Ende des ersten Durchlaufs zu. Dann wiederholt Gorlatch, was mit Wiedereinsetzen der Durchführung im lyrischen Thema so unendlich viel Sinn macht- und im Umkehrschluss so unendlich wenig Sinn macht, es nicht zu wiederholen.


    Eine herausragende Aufnahme eines jungen Himmelstürmers, die ich John Lill und Solomon Cutner an die Seite stellen möchte.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Holger,


    ja, die habe ich. Die Pathetiique kommt auch noch dran. Ich sitze gerade im Café, deshalb kann ich nur en bloc schreiben.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Bin wieder zu Hause, schon repariert! :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1
    Friedrich Gulda, Klavier
    AD: 1954
    Spielzeiten: 3:30-4:32-2:43-4:37 -- 15:22 min.;


    Friedrich Gulda spielt den Kopfsatz in mittlerem Tempo, ganz genau kann ich es erst am Ende sagen, weil er die zweiten Wiederholungsvorschrift Beethovens nicht beachtet. Dynamisch bewegt er sich im Rahmen der Partitur und auch der Rhythmus entspricht den Vorgaben.
    Auch die dynamisch abwechslungsreiche Durchführung spielt er ohne Fehl und Tadel, am Ende zur Rückleitung zur Reprise hin sehr schön descrescendierend. und zur dynamischen Gegenbewegung kommend.
    Die Reprise spielt er mit den etwas geänderten musikalischen Figuren auch dynamisch sehr kontrastreich. Am Ende nach der Kurzcoda ergibt sich, dass er sogar geringfügig langsamer ist als die Referenzen Lill und Lateiner und sogar erheblich langsamer als die weitere Referenz Solomon.


    Beim Adagio verhält es sich genau anders herum, da ist er erheblich schneller als Lill und Lateiner (4:32 zu 6:00) und immer noch erheblich schneller als Solomon (4:32 zu 5:38). Trotz des höheren Tempos spielt er entspannt, es klingt nicht gehetzt und dynamisch geachtet er sehr genau die Akzente. Auch die Feinheiten dieses Satzes, z. B. den Takt 29 mit der Sechzehntel-Triole und den Sechzehntel-Duolen spielt er ganz ausgezeichnet, desgleichen den Duolen-Takt 35 und die Sextolen von Takt 36 bis 43 sowie die Duolentakte 43 und 44. Auch die Zweiunddreißigstel-Bögen sind wunderbar, ebenso wie die Triolen und Duolen in Takt 54 sowie als Krönung der überirdische Takt 56!


    Das Allegretto spielt er ebenfalls deutlich schneller als seine Kollegen, so an der Grenze, dynamisch allerdings nach wie vor großartig. Das Gleiche gilt für das Trio, in dem mir auch im zweiten Teil die Achtel-Steigerung zum Fortissimo hin besonders gefällt. Er schließt das Menuetto Da Capo an.


    Beim Prestissimo kann ich auch erst am Schluss Genaueres über das Tempo sagen. Dynamisch und rhythmisch ist das natürlich wieder großartig. Die Achteltriolen in der Begleitung lässt er herrlich dunkel grummeln. Die Exposition wiederholt er natürlich.
    Die Durchführung in der Art eines lyrischen Seitenthemas spielt er atemberaubend. In der zweiten Hälfte, als sich das Hauptthema wieder einschleicht, besticht er durch rhythmisch exaktes, mitreißendes Spiel in der Sforzandokette.
    In der Reprise langt er dynamisch wieder ordentlich zu. Am Ende ergibt sich, dass er langsamer war als Lill und Lateiner und nur wenig schneller als Solomon. Schade, dass wir nicht in den Genuss der ganzen Sonate gekommen sind.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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