Christian Thielemann - Hoffnungsträger der Tonträgerbranche?


  • Ja, das kann sein. Das kannst Du besser beurteilen. Aber man muss ja nicht nicht spielen. Man kann ja auch mal schlecht spielen oder einen Einsatz verpassen, weil einem kollektiv übel wird oder so.


    Wenn ein Intendant einen Trompeter entlassen würde, weil ihm übel geworden ist und sich - rein zufällig natürlich - ein paar Blue Notes in sein Spiel eingeschlichen haben, als es galt, in Nürnberg zum krönenden Abschluss des Konzerts jenen Marsch zu spielen, mit dem Hitler aufzutreten beliebte, dann halte ich es für wahrscheinlicher, dass am Ende der Intendant geht, während der Trompeter bleibt. Ich habe da durchaus Vertrauen in die Demokratie und in die Rechtsprechung.


    Übrigens, die Bundeswehr behandelt den so genannten "Badenweiler" wie einen Vorbehaltsfilm, das bedeutet: Aufführung nur kommentiert oder im Rahmen der historischen Darstellung oder so ähnlich.


    Hier weitere Infos (xx = tt):


    hxxp://de.wikipedia.org/wiki/Badonviller-Marsch


    Freundliche Grüße


    Heinz

  • Hallo Heinz,

    Zitat

    Man kann ja auch mal schlecht spielen oder einen Einsatz verpassen, weil einem kollektiv übel wird oder so.


    Klar, das geht alles.
    Ich muß zugeben, daß mir der Badenweiler Marsch nicht so bekannt war.
    Also gebe ich Dir recht!
    Wenn man das nicht spielen möchte oder schlecht spielt, dann kann einem keiner was-hoffe ich, denn eine Arbeitsverweigerung kann ja auch groteske Züge annehmen.
    Insofern ist meine vorige Post warscheinlich obsolet geworden.
    Es gibt natürlich Grenzen!
    Und das wäre eine.
    Thielemann hat das in Nürnberg spielen lassen?
    Na, dann dürfte das Hausverbot lebenslänglich bedeuten-zu Recht!
    Aber ein Orchester ist keine Moralinstanz-nie gewesen.
    Dafür ist dessen Position, mitunter aus Gründen, welche niemand vermuten würde, zu schwach.
    Dann geht es erst einmal darum, wer damals in Nürnberg die Gewalt über das Orchester hatte, oder wer heute die Gewalt über die Münchner Philharmoniker hat.
    Wenn das so war wie bei uns bis 2003, dann war das der GMD und nicht der Intendant!
    Das wäre sehr wichtig zu eruieren, denn nicht immer hat der Intendant das letzte Wort-zum Glück, kann ich dann auch wieder sagen.
    Denn das kann auch schief gehen.




    LG,
    Michael


  • Obwohl ich mich als Thielemann – Fan outete, bin ich dennoch nicht verblendet, sondern versuche immer Objektivität zu bewahren.
    Doch ich frage mich, auf welche Argumente du deine Aussage stützt?
    Wonach beurteilst du denn die "1. Liga"?


    Thielemanns Interpretationen sind…anders.
    Hinsichtlich der Tempi, hinsichtlich der Dynamik, etc.
    Thielemann dirigiert, interpretiert und vermittelt dies dem Orchester.
    Musizieren tun immer noch die jeweiligen Musiker, und wenn von vorne nichts rüberkommt, dann kommt auch nichts zurück.
    Auffallend dabei ist, dass die jeweiligen Orchester unter seinem Dirigat zur Hochform auflaufen, ich denke da an eine sensationelle 5. Bruckner mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin, oder einer Sternstunde mit den Wiener Philharmonikern mit der 8. Bruckner.
    Die Einspielung der 5. Bruckner aus dem Münchner Gasteig fiel leider den Filtern der Deutschen Grammophon zum Opfer, klingt etwas dunpf, die Interpretation ist aber durchaus hörenswert.
    Als ein ganz tolles Erlebnis bleibt mir auch sein Abschiedskonzert mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin in Wien in Erinnerung.
    Der Applaus wollte nicht enden.
    Die Wiener Philharmoniker letztlich spielen unter seinem Dirigat wie vom anderen Stern, ich denke auch an das Festkonzert anlässlich der Wiedereröffnung der Staatsoper.
    Letztlich ging es in diesem Thread einmal um die (= Thielemanns) Musik.



    Nun ja. Ich sehe das so: da ich selber Musiker bin, urteile ich in erster Linie mal nach dem, was da geschrieben steht und wie das Ganze klingt.
    Der Badonviller Marsch ist – bei all dem schlechten Ruf, den er durch seine missbräuchliche Verwendung auch hat – ein musikalisch hochwertiger und wunderbar stimmiger Konzertmarsch.
    Als ich ihn das erste Mal spielte, wusste ich nichts von den braunen Schwaden, die dieses Werk umwölken und dachte mir: toll, das klingt ja echt gut!
    Ich war damals sehr jung, und das ist nun über 20 Jahre her.
    Seither spielten wir ihn nicht mehr. Aus bekanten Gründen und weil die Kapellmeister angepasst sind.
    Preussens Gloria, Hoch Heidecksburg, etc. Ja, die kann man schon spielen (obwohl aus der gleichen Ära), da regt sich niemand auf.
    Aber um Gottes Willen doch nicht den Badonviller, das tut man doch nicht, auch nicht – und nur darum ginge es mir als Musiker – um der Musik willen.
    :no:


  • Wie so oft ist das mit dem Marsch halt auch eine Sache des Kontextes. An anderem Ort und in weniger exponieter Situation wäre es kein so großes Problem gewesen, das effektvolle Stück zu spielen, die "Rienzi"-Ouvertüre und "Les préludes" sind ja auch nicht aus dem Repertoire verschwunden. Aber in der "Stadt der Reichsparteitage" am Ende eines Silvesterkonzertes - da sieht man ja quasi von selbst die Bilder Leni Riefenstahls vor sich abrollen...

  • Naja. Ich besitze deren Buch "Die Nuba".
    Hätte ich jetzt nicht damit assoziiert.
    Spaß beiseite, du weiß was ich meine: Kunst wurde und wird halt oft von Ideologien missbraucht, überschattet und letztlich oft verdammt.
    Deine Meinung teile ich.

  • Zitat

    Original von Barbirolli
    Hallo Robert,
    ehrlich gesagt finde ich diese nimmer endende Diskussion darüber, dass etwaige linke Kreise die Diskurshoheit für sich behaupten wollen, nicht zutreffend.


    Da wir ins OT abgleiten nur der Hinweis, daß ich nicht von linker Diskurshoheit in D gesprochen habe. Ich zähle Graumann und Knobloch nicht zur Linken. Sie gehören aber dennoch zu denen, die eine Diskurshoheit ausüben (wollen) und darin meiner Meinung nach bislang sehr erfolgreich sind.

  • Zitat

    Original von Wiener Klang
    Die Wiener Philharmoniker letztlich spielen unter seinem Dirigat wie vom anderen Stern, ich denke auch an das Festkonzert anlässlich der Wiedereröffnung der Staatsoper.
    Letztlich ging es in diesem Thread einmal um die (= Thielemanns) Musik.


    Ich kann mich dem nur anschließen - ich habe erst am vergangenen Wochenende wieder einmal die DVD dieses Festkonzertes angeschaut und was Thielemann aus den Wiener Philharmonikern hervorzaubert, ja das ist schon außerordentlich.


    Ein weiteres für mich unvergessliches Erlebnis waren die Parsifal-Aufführungen an der STOP im Juni 2005. Ich habe vorher noch nie erlebt gehabt, dass die Philharmoniker ihrem Dirigenten Standing Ovations geben - und seine überlange Generalpause im 2.Akt nach Kundrys "Ich lachte" ist nach wie vor das Erschütterndste auf Aufwühlendste, was ich jemals erlebt habe.


    Ich sehe auch kein Problem darin, dass Thielemann ein relativ enges Repertoire dirigiert - ist doch besser, wenn jemand das dafür außergewöhnlich gut kann (obwohl ich einem der Diskutierer durchaus beipflichte, dass das Live-Erlebnis bei ihm bei weitem besser ausfällt als die Studioaufnahmen), als wenn jemand alles dirigiert, und dabei kaum das Mittelmaß überschreitet.


    Schlussendlich noch eine Bemerkung dazu, ob es politisch korrekt ist, Werke gewisser Komponisten an bestimmten Orten aufzuführen. Es war schlimm, als in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts es verboten war, Werke jüdischer Komponisten aufzuführen. Aber nun gibt es Tendenzen in die andere Richtung, die meiner Meinung genau so falsch sind. Ich finde, dass man die Person des Künstlers von seinen Werken trennen muss. Ich will mir nicht bei jeder Oper/Symphonie etc. erst überlegen müssen, welche Welteinstellung der Komponist/Ausführende hat und auf dieser Basis erst darüber befinden, ob mir die Aufführung gefällt oder ob ich ein schlechtes Gewissen haben muss, dass mir das Werk gefällt oder ob ich es überhaupt hören darf...


    Und salopp gesagt, wenn ich die Einstellung des Künstlers zu politischen Dingen nicht teile - ja, dann kann ich mich noch immer an ihrem/seinem Spiel erfreuen - es zwingt mich ja niemand, danach gemeinsam mit ihr/ihm auf ein Bier zu gehen...


    Aber zum Thema Thielemann zurückzukommen - ich halte ihn für einen der charismatischsten Dirigenten der Jetztzeit, zusammen mit dem naturgemäß auch nicht unumstrittenen Nikolaus Harnoncourt! Und er ist auf jeden Fall eine "Hoffnung für die Schallplattenbranche". :yes:

    Hear Me Roar!

  • Zitat

    Original von Wiener Klang
    Thielemanns Interpretationen sind…anders.
    Hinsichtlich der Tempi, hinsichtlich der Dynamik, etc.


    Dass Thielemanns Interpretationen anders sind, empfand ich ganz stark, als ich den mir bis dato unbekannten vor fast genau 20 Jahren bei einem Repertoire-"Holländer" in Hamburg hörte. Repertoire deshalb, weil es bestimmt keine Proben gegeben hatte. Von den ersten Takten war seine Interpretation derart, dass ich gezwungen war, hinzuhören. Es "passierte" etwas, und dies durchaus im doppelten Sinn, denn die Kollektive Orchester und Chor erwiesen sich als so unflexibel gegenueber diesem Neuen, dass es vielfach zu Wackelkontakten kam, aber es war spannend, faszinierend-anders als bisher gehört.


    Ich hörte dann, dass Thielemann später (wann, ist mir entfallen) auch zur Diskussion als möglicher Generalmusikdirektor stand. Durch (ich gebe nur Gehörtes wieder) in Proben ausgedruecktes rechtsgerichtetes Gedankengut erhob sich gegen diesen Gedanken jedoch starker Widerstand, so dass er fallengelassen wurde.


    Dies sind die zwei Seiten Thielemanns : auf der einen Seite ein "ungewöhnlicher" Dirigent, auf der anderen Seite jemand, dem man eine nicht opportune politische Richtung nachsagt.


    Dass er ein recht schmales Repertoire hat und zudem (im Vergleich zu Jet-Settern) wenig dirigiert, ist (s)eine Sache, nur sollte er mit dieser Einstellung zumindest nicht an einem Opernhaus in verantwortlicher Position tätig sein. Fuer mich stellt sich auch die Frage, wie lange die "Ehe" (falls es denn dazu kommen sollte) zwischen Katharina Wagner und ihm halten wurde; ihr kuenstlerisches Weltbild scheint mir doch zu unterschiedlich zu sein.


    Mikko

  • Ich vertrete auch die Meinung das das künstlerische von dem persönlichen
    getrennt werden muß.
    .
    Ich habe ,immer wenn er dirigiert hat,Musik erlebt ,welche wunderbar zu mir herrüber
    kam.

  • Liebe Leute,


    ich habe Thielemann mehrfach in Berlin gehört und bin ihm gegenüber äußerst zwiespältig eingestellt.
    Ich habe große Momente erlebt (Die Frau ohne Schatten am Neujahrstag), reichlich heruntergekurbeltes Repertoire an der DOB und auch eine gruselige Bruckner-Fünfte mit den Berliner Philharmonikern.
    Letztere hat mich denn schon an der künstlerischen Ernsthaftigkeit Thielemanns zweifeln lassen. Hopser für das Auditorium und eigenwillige Ruderbewegungen waren die Show, eine breiig-zerdehnte, strukturlose Bruckner-Fünfte das musikalische Resultat des Abends.
    Ganz gleich, wie weit seine politische Verirrung tatsächlich reicht, die andauernd und überall bemüht bedeutungsschwangere Selbstinszenierung (ich denke an die Profilaufnahmen von CT und Wagners Büste in der Biographie) als mißverstandener Wertkonservativer, der trotz des Kulturbetriebs noch ein West-Berliner Junge von nebenan geblieben ist, ist in meinen Augen nur armselig zu nennen.
    Aber manches kann er einfach, insbesondere da, wo Rhythmisierung nicht die Hauptrolle spielt.


    LG,



    Christian

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  • Sängerisch habe ich es ja auch eher mit der Langsamkeit, also kann ich solche Schlagseiten durchaus nachvollziehen :D :D


    Ich kann allerdings diese eigenartige politische Selbstinszenierung wirklich nicht ausblenden. Bei Wagner haben wir ja in den vielen Diskussionen auch dieses Phänomen, und man kommt ja durchaus irgendwie zu Rande damit. ich finde es nur ernsthaft befremdlich, dass ein junger, begabter Gegenwartskünstler - pardon - irgendwie wieder den gleichen Mist macht.


    LG


    Ulrica

  • Hallo.



    Ebenso zwiespältig wie Du, Christian, sehe ich den Kappellmeister letztlich auch. Die Fünfte habe ich zwar nicht in so gruseliger Erinnerung, aber die "Eigenwilligkeiten" beim Dirigieren sind natürlich augenfällig. Nun können nur wenige Dirigenten meines Erachtens Eleganz-Preise beanspruchen, aber Thielemann wirkt vielleicht auf seiner Größe (und zunehmenden Masse) ohnehin leicht unbeholfen bis täppisch. Doch haben mich ehrlich gesagt weniger seine - zumeist gegen den Takt angesetzten - Ruderbewegungen oder Hopser, als vielmehr sein ständiges Einwirken auf die Musiker befremdet. Das ist schon teilweise ein Vorbuchstabieren der Partitur, ein Gestalten-Wollen, das den Musikern (zumindest scheinbar) kaum noch eigenen Raum lässt. Verglichen beispielsweise mit Rattle, der das Orchester schon mal laufen lässt, ist das ungewöhnlich. Ein wenig wirkt das dann so, als ob Thielemann klarstellen wollte, dass die eigentliche interpretatorische Leistung allein von ihm stammt. Inwieweit da ein weniger schönes Debüt-Erlebnis eine Rolle spielt (damals sollen ihn die Berliner Philharmoniker ziemlich düpiert haben - so berichtete jedenfalls Eleonore Büning einmal in der FAZ), ist schwer zu ermessen.
    Im Übrigen stimme ich Dir auch zu, dass er manches einfach kann. Und bei dem, was er kann, höre ich ihm auch weiter gern zu.


    :hello:


    Gruß, Ekkehard.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • In diesen Tagen ist er 50 Jahre alt geworden.


    Aus diesem Anlass bringt der Norddeutsche Rundfunk heute abend in seinem Donnerstags-Opernkonzert eine Sendung mit dem Dirigenten:


    NDR Kultur - Opernkonzert | 02.04.2009 20:00 Uhr
    Der preußische Romantiker
    Der Dirigent Christian Thielemann.


    Zitat

    "Kapellmeister" lässt er sich gerne nennen – die Tradition gilt ihm viel. Christian Thielemann zählt zu den charismatischsten Dirigenten unserer Zeit. Der gebürtige Berliner sammelte als Assistent von Herbert von Karajan Erfahrungen. Er ging dann in führenden Positionen nach Düsseldorf, Nürnberg und zurück nach Berlin als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper. Schwerpunkte waren Werke von Wagner, Pfitzner und Strauss. 2000 debütierte Thielemann mit überwältigendem Erfolg bei den Bayreuther Festspielen, wo er seitdem regelmäßig auftritt und auch für die künstlerische Leitung im Gespräch war. 2004 wurde Thielemann Chef der Münchner Philharmoniker. NDR Kultur gab der Dirigent jetzt in Berlin anlässlich seines 50.Geburtstages ein exklusives Interview.


    Ich kenne ihn aus seiner Zeit als Kapellmeister in Düsseldorf und kann ihm nichts abgewinnen. Er war damals schon ein ziemlicher Ehrgeizling, dem die persönliche Karriere über alles ging. Da hat sich wohl bis heute nicht viel daran geändert.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • In Wien hat Thielemann ein Publikum das ihm zu Füßen liegt - mir inklusive :jubel: :jubel: :jubel:


    Sein Tristan, Meistersinger, Parsifal an der STOP waren unglaublich packend dirigiert und der aktuelle Beethoven-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern wird auch was ganz Besonderes werden. Die Philharmoniker lieben ihn und dementsprechend spielen sie auch :yes: Bei uns erhält er mehr Auftrittsapplaus als so mancher andere nach der Aufführung.. :pfeif:

    Hear Me Roar!

  • Zitat

    Original von Dreamhunter



    Sein Tristan, Meistersinger, Parsifal an der STOP waren unglaublich packend dirigiert und der aktuelle Beethoven-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern wird auch was ganz Besonderes werden. Die Philharmoniker lieben ihn und dementsprechend spielen sie auch :yes: Bei uns erhält er mehr Auftrittsapplaus als so mancher andere nach der Aufführung.. :pfeif:



    Lieber Dreamhunter,


    Ich war bei den ersten 4 Symphonien im Musikverein und teile deine Meinung leider gar nicht. Die ersten beiden waren wenn man Thielemanns Verwurzelung in der dt. Romantik bedenkt erwartungsgemäß bereits voll und ganz romantisch interpretiert. Die erste Symphonie wurde somit eher schwerfällig, leichter wenn auch ungleich dramatischer die Zweite. Aber letzte Woche übertrieb er es mit den Nummern 3 und 4 deutlich.
    Ich habe alle Kritikpunkte, die hier geäußert wurden, bestätigt gefunden. Die Grundlautstärke war Forte, lauter war gleichbedeutend mit fff und leiser war automatisch Pianissimo. Andere Abstufungen gab es nicht. Dadurch wurden die Symphonien zu Bruckneresken Ungetümen, die nicht mal Karajan so dirigiert hätte.
    Zudem spickte er vor allem die Dritte mit einem Übermaß an Manierismen, die ich nicht als Interpretation gelten lasse. Leisere Stellen wurden immer auch langsamer, schnelle immer lauter. Dabei trat er vor allem im 2. und 4. Satz der Dritten des öfteren völlig grundlos auf die Bremse und brachte den ganzen Satz zum Stillstand. Was mich noch mehr gestört hat, war aber seine Inkonsequenz mit der er dieses tat. Mal war ein Thema im Tempo unverändert, dann derselbe Komplex verlangsamt. Der Marcia Funebre war im Grundtempo so langsam, dass er, wenn er wieder langsamer wurde, zu "verkleben" drohte (er stellte mit dem Tempo sogar Bernstein deutlich in den Schatten).


    Klanglich war es sicher ein Erlebnis, die Wiener at their best, wobei das Holz oft gegen die Streicherbatterien (laut Presse 16 Primgeigen!) chancenlos war, was vor allem im Finale der Eroica schade war.


    Alles in allem fand ich das Konzert äußerst mühsam und werde es mir 3 mal überlegen ob ich zu den nächsten Konzerten gehe. Warum dieser Zyklus auch für die Nachwelt auf DVD festgehalten wird, ist mir zudem schleierhaft.



    LG
    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Auch hier will ich mich mal kurz einmischen:


    Ob ein Dirigent eine politische Einstellung hat und welche, ist zuallererst seine Privatsache. Und welche menschlichen Qualitäten er hat oder nicht, dreimal. Solange er damit nicht hausieren geht oder seine musikalische Popularität missbraucht, um eine politische Meinung zu verkaufen. Ob man selbst diese politische Meinung teilt oder nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt.


    Ich würde auch DRINGEND musikalische und sonstige persönliche Qualität zu trennen empfehlen!!!!! Sonst hätten wir nicht nur ein Problem mit Herrn Pfitzner, sonder auch mit Herrn Klemperer (nach dem Schlaganfall), Hern Wagner (!!!!!), Herrn Beethoven, Herrn Bruckner..... Das waren alles Menschen, die im persönlichen Umgang nicht gerade, nunja, als einfach oder warmherzig bekannt waren.....


    Oscar Wilde: Dass einer Wechsel fälscht, besagt nichts über sein Geigenspiel!!


    Versöhnende Grüsse


    Martin

  • Ich würde auch DRINGEND musikalische und sonstige persönliche Qualität zu trennen empfehlen!!!!! Sonst hätten wir nicht nur ein Problem mit Herrn Pfitzner, sonder auch mit Herrn Klemperer (nach dem Schlaganfall), Hern Wagner (!!!!!), Herrn Beethoven, Herrn Brucker..... Das waren alles Menschen, die im persönlichen Umgang nicht gerade, nunja, als einfach oder warmherzig bekannt waren.....
    Einverstanden. z.B. ich mag die Musik Pfitzner, obwohl er ein fürchrterlicher Antisemit gewesen ist und blieb (auch nach dem 2. Weltkrieg)
    Thielemanns Einstellung sind mir ziemlich schnuppe (solange sie nicht in Rechtslastigkeit umschlagen, aber das tun sie nach meiner Vermutung nicht).
    Mich stören bei Thielemann aber die laangweiligen + zähen Wiedergaben: in Wien, Bayreuth oder München. Am schlimmsten sind der Bayreuther Ring, die Meistersinger oder seine Beethoven-Wiedergaben... und Bruckner S. 8 in Berlin 2008 empfand ich nur als sehr durchschnittlich...
    :hello:

  • Ich habe EINMAL Thielemann dirigieren sehen.
    Und ich muß gestehen, daß mir ein unangenehmer Schauer über den Rücken runter rann - ich weiß nicht warum.
    Aber das KLANGLICHE Ergebnis war UNVERGLEICHLICH


    Kommen wir zu der Frage warum Thielemann gerade in Wien so hohes Ansehen geniesst, während er in Deutschland - wie mir scheint - doch etwas kritischer gesehen wird.


    Ich würde vermuten, daß seine Klangvorstellungen sich mit jener der Wiener, sowohl der Philharmoniker als auch des Publikums besser vertragen als das in Deutschland (über andere Länder liegen mir leider keine Ergebnisse vor) der Fall ist.
    Er ist einer der wenigen, die ihren eigenen Weg gehen, und dessen Vorstellungen deshalb stets ausverkauft sind.
    Der vorwärts drängende Stil vieler heutiger Dirigenten - hier im Forum fast ein Dogma - ist vielen Wienern (natürlich nicht allen) widerwärtig, sie sehnen sich geradezu nach ausladenden Tempi, Schönklang in dem man baden kann und einem fülligen Klangteppich.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred ,



    sich nach ausladenden Tempi , Schönklang und einem fülligen Klangteppich Sehnen ist doch ein soweit ich weiss ubiquitäres Phänomen , das nicht erst seit jetzt besteht .


    Wir erinnern uns beide doch an die späten Aufnahmen etwa der Brahms - Symphonien durch Carlo Maria Giulini und den Wiener Philharmonikern .


    Oder Maestro Giulinis späten Deutungen mit feinsinnger , scharf analysierter Herausarbeitung dessen , was in den Partituren steht unter Berücksichtigung gerade eines ganz persönlchen Klanggesamatbildes einer Symphonie .


    Möglicherweise bedarf es aber der Qualität auch gerde eines Orchester wie der der Wiener Philharmoniker , um Deine - berechtigen Vorstellungen und Ansprüche - realisieren zu können .


    Beste Grüsse Dir und nach Wien !


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Offenbar steht ein Bruch zwischen den Münchener Philharmonikern und ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann bevor. Die Stadt München hat die Bedingungen Thielemanns für eine Vertragsverlängerung über 2011 hinaus abgelehnt. Insbesondere das von Thielemann für sich geforderte endgültige Entscheidungsrecht über das Engagement von Gastdirigenten und deren Programme soll nach dem Willen der Stadt bei Orchesterintendant Paul Müller bleiben. Auch im Orchester macht sich immer mehr Unmut über Thielemann breit. Die Unlust Thielemanns zu prestigeträchtigen Gastspielen und Auslandstourneen, nicht realisierte Plattenaufnahmen sowie jüngst erst die aus heiterem Himmel kommende Ablehnung eines Solohornisten, der die volle Unterstützung des Orchesters genießt, haben die Stimmung offenbar nachhaltig verschlechtert.


    "www.br-online.de/bayern4klassik/leporell…news-thielemann"


    "www.hornline.at/hl_v005/index.php?m=news&id=125&d"


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • 'Die Weigerung, Thielemanns Forderung nach absoluter Programmhoheit nicht zu entsprechen, bedeute nicht, "dass wir ihn künstlerisch nicht schätzen", hieß es in Stadtratskreisen weiter. Er könne auch weiter als Gastdirigent mit den Philharmonikern arbeiten.'


    (BR-online, Bayern 4, 21. Juli 09)



    Welch Großmut seitens des musikalisch sicherlich durchwegs überaus verständigen Stadtrates...


    Nun ist Thielemann mit Sicherheit keine einfache Person, dennoch scheint niemandem in diesem dafür denkbar ungeeignetem Entscheidungsgremium auch nur annähernd bewusst zu sein, welche musikalische Größe er ist.
    Und leider offenbar auch im Orchester nicht - Zwistigkeiten wegen Besetzungsfragen sind sicherlich einem guten Verhältnis zum Dirigenten nicht unbedingt zuträglich, doch haben die Musiker früher ja auch solch herrschende Figuren wie Fritz Reiner überlebt und die Ergebnisse sprechen noch heute für sich.
    Auch seitens des Orchesters sollte man dem charismatischen GMD, dessen Interpretationshaltung erfreulich eigenständig und markant ist, mehr Rückendeckung geben - gerade gegen solche Entscheidungsträger wie einen Stadtrat.
    Immerhin ist er mit Sicherheit ein Glücksfall für München und die Philharmoniker, gerade wegen seiner Eigenständigkeit und seinem Repertoireschwerpunkt, der ja an sich kongruent mit dem des Orchesters ist.


    'Thielemann ist seit 2004 Chef des weltberühmten Orchesters der bayerischen Landeshauptstadt, das auf die Werke von Anton Bruckner spezialisiert ist.'


    (BR-online, Bayern 4, 21. Juli 09)


    Gerade hier kann ich mir derzeit kaum einen adäquten Nachfolger vorstellen, das Spektrum an guten Bruckner-Dirigenten ist doch recht überschaubar und mit einem weiteren Entschlackungsanalytiker im Geiste von Norrington wäre der derzeit überwältigend guten, spannungvollen Brucknerspielweise, die Thielemann etabliert hat - so anders als Celibidache und dabei genauso gut - sicherlich kein Gefallen getan.



    Ich habe noch keinen Überblick über mögliche Nachfolger, doch ich bezweifle schon jetzt, dass man sich aus Münchner Sicht mit der Ablehnung einer Fortsetzung der Ära Thielemann einen Gefallen tut.
    Ich habe ihn schon desöfteren gehört, jedesmal mit größter Begeisterung und Freude darüber, dass sich jemand traut, die Möglichkeiten des großen, wagnerianischen Orchesterklanges im besten Sinne zu nutzen - und dabei immer mit Präzision, Spannung und Klangschönheit.




    Selbst wenn der Nachfolger Thielemann auf welche Art auch immer gleichkommen sollte, so ist es doch schade, dass man diese tolle Zusammenarbeit vorzeitig beendet hat - besser wird es wohl kaum.


    Da muss man wohl in diesem Zusammenhang den großen Wiener Architekten Adolf Loos zitieren:


    'Eine Veränderung, die keine Verbesserung ist, ist eine Verschlechterung'

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Dresden wird es freuen, wenn er nun doch kommen sollte.
    Und den Kritikern sei gesagt: Schlimmer als Luisi ist er auch nicht!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • @ Alfred

    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Der vorwärts drängende Stil vieler heutiger Dirigenten - hier im Forum fast ein Dogma - ist vielen Wienern (natürlich nicht allen) widerwärtig, sie sehnen sich geradezu nach ausladenden Tempi, Schönklang in dem man baden kann und einem fülligen Klangteppich.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred


    Nicht nur die Wiener :D


    Wo es passt und wenn es gut umgesetzt ist, sprich mit der nötigen Präzision und Beherrschung dieser Klangmassen, ist dieser Ansatz zumindest bei romantischen Orchesterwerken einfach herrlich und mit Sicherheit nicht weniger richtig als das, was derzeit als 'modern' im Sinne von 'historisch belegt' kolportiert wird.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Bürger und Musikliebhaber Sachsens,


    schützt euch vor Thielemann!


    Geht auf die Barrikaden, verhindert seine eventuellen Ambitionen, Chef der Staatskapelle zu werden!


    Allerdings hoffe ich auf eine Vielzahl von Musikern in der Staatskapelle, die gegen diese Kandidatur stimmen.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Bürger und Musikliebhaber Sachsens,


    schützt euch vor Thielemann!


    Geht auf die Barrikaden, verhindert seine eventuellen Ambitionen, Chef der Staatskapelle zu werden!


    Ist das denn nun Ironie oder bitterer Ernst ?


    :hahahaha: oder :no:??

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Selbst wenn man Thielemann nicht mag: So viele Alternativen gibt es ja auch nicht. Die Frage wird sich aber zunächst München stellen müssen, wenn sie ihn quasi rauswerfen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • ...wenn es stimmt, was ich gestern vor 18.00 ("Kultur heute", DLF) gehört habe...
    (Thielemann will auch die Oberhoheit über die Programme "seiner" Gastdirigenten)
    ... so halt ich das für ein bisserl größenwahnsinnig


    - damit würde er IMO sich quasi selbst rauswerfen...


    :yes:
    micha

  • Vielleicht will Thielemann einfach doch aus München weg, was er natürlich nicht zugeben würde, deswegen sein quasi provozierter Rauswurf.
    Ein wenig auffällig ist es ja schon, daß er dann 2011 ginge, und 2012 der GMD-Posten in Dresden frei würde.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Gerade kam es in den Nachrichten:


    Zitat

    Münchner Stadtrat trennt sich von Generalmusikdirektor Thielemann
    München: Die Landeshauptstadt München und der Dirigent Christian Thielemann gehen ab 2011 getrennte Wege. Der Stadtrat hat soeben in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, den Vertrag mit Thielemann als Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker auslaufen zu lassen. Das bestätigte Kulturreferent Küppers dem Bayerischen Rundfunk. Nach Vertragsende könne Thielemann aber noch als Gastdirigent tätig sein. Die Mehrheit des Münchner Stadtrats hielt Thielemanns Bedingungen für inakzeptabel. Er hatte gefordert, auch über die Programme von Gastdirigenten weitgehend frei bestimmen zu können.

    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Ich würde mir Herrn Thielemann als Chef nicht ans Bein binden. Der Ärger wäre damit vorprogrammiert. Außerdem wäre da noch die Frage, ob Dresden sich Thielemann überhaupt finanziell leisten kann. Als Gastdirigent dagegen ist er sicherlich eine Bereicherung für jedes Orchester.


    Allerdings kann ich seine Argumentation hinsichtlich der Programmplanungskompetenz nicht wirklich verstehen. Ein professionelles Orchester sollte doch in der Lage sein, seinen Klang dem jeweiligen Stil des Komponisten (bzw. auch des Dirigenten) anzupassen. Dahinter steckt m.E. eher Thielemanns unbedingter Wille, alleiniger Hahn auf dem Mist zu sein. In Bayreuth hat er es ja auch geschafft, so eine Art "GMD" zu werden mit der Folge, dass andere Spitzendirigenten dort nicht eingeladen werden, um ihm nicht Konkurrenz zu machen.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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