BLACHER, Boris: ABSTRAKTE OPER Nr. 1

  • Boris Blacher (1903-1975):


    ABSTRAKTE OPER NR.1
    Kurzoper in einem Akt mit sieben Szenen - Text und Idee von Werner Egk


    Uraufführung am 28. Juni 1953 als Übertragung des Hessischen Rundfunks
    Szenische Erstaufführung am 10. Oktober 1953 im Nationaltheater Mannheim


    AUSFÜHRENDE


    Angst (Sopran, Tenor, Bariton)
    Liebe I (Sopran, Tenor)
    Schmerz (Sopran)
    Verhandlung (Tenor, Bass)
    Panik (Sopran, Tenor, Bariton)
    Liebe II (Tenor)
    Gemischter Chor in kleiner Besetzung
    Instrumentarium bestehend aus Klavier, Kontrabass, Bläser und Schlagzeug



    WERKINFORMATIONEN


    Es gibt keine erzählbare Handlung; in den Szenen des einzigen Aktes sind von den Solisten emotionale Situationen in lautmalerischer Kunstsprache gestisch darzustellen. Der Kritiker Hans Heinz Stuckenschmidt schrieb, dass „Egk […] die Entgegenständlichung“ vorantreiben wollte und den Versuch unternahm, an die Stelle „zusammenhängender Dialoge frei kombinierte Silben und Laute einer Phantasiesprache“ zu stellen. Und: "Das Wort wird, extremer Fall einer poésie pure, nur nach melodischen und rhythmischen Richtlinien behandelt. Symbol ersetzt Logik. Jede Szene ist Ausdruck einer typischen Situation: Liebe, Angst, Schmerz, Panik, Verzweiflung […] Was Egks Text gelingt und was Blachers fluktuöse, mit klanglichen und metrischen Mitteln den Jazzstil sublimierende Musik verstärkt, ist Röntgenblick in den psychischen Mechanismus der Oper schlechthin.“


    Die szenische Uraufführung am 17. Oktober 1953 im Mannheimer Nationaltheater endete in einem Theaterskandal. 1957 ließen Blacher/Egk eine Neufassung ihres Werkes folgen.


    Die Eröffnungsszene, mit „Angst“ überschrieben, die mit einem furiosen Schlagzeug-Solo beginnt (und mich unwillkürlich an den genialen Gene Krupa denken lässt), ist ein „Dialog“ von drei Solisten (Sopran, Tenor und Bariton), der nur aus Lauten der Buchstaben „A“ und „O“ besteht. Der Chor äußert rhythmische Laut-"Kommentare", die an Gegacker erinnern.


    In der Szene „Liebe I“ wird am Ende eine Schneiderpuppe (durch den Sopran) erschossen.


    In „Verhandlung“ führen ein russischer und ein amerikanischer Diplomat (der erste ein Bariton, der zweite ein Tenor) eine kindisch wirkende Diskussion, die eindeutig an mangelndem Interesse, das sich aus Kommunikationsschwierigkeiten ergibt, scheitert. Es fallen aber auch deutliche vernehmbare Silbenlaute wie „Na - zi, A - mo - na - zi“.


    Am Ende, nach „Schmerz“, das mit einem sirenengleichen Posauneneffekt aufwartet, nach „Panik“, in dem das gesamte Instrumental-Ensemble explosionsartig auftrumpft, bleibt nur noch ein Gefühl verzweifelter Angst über die Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins in der modernen Welt übrig.



    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2015
    unter Hinzuziehung des Klavierauszuges von Bote & Bock, Berlin (heute Boosey & Hawkes)
    Rezensionen nach der szenischen Erstaufführung in Mannheim:
    Frankfurter Allgemeine Zeitung, Der Spiegel

    .


    MUSIKWANDERER

    Einmal editiert, zuletzt von musikwanderer ()