ZitatOriginal von Alfred_Schmidt
Richtige Musik "zum Genießen" findet man aber kaum (oder doch ?)
Das Argument, Musik müsse "erarbeitet" werden oder "erlitten" kann ich für mich nicht gelten lassen, Mozart mußte ich mir auch nicht "erarbeiten" Das gilt natürlich auch für viele andere Komponisten.
Lieber Alfred,
vor kurzem habe ich mit einer Sängerin folgendes diskutiert:
vorweg zur Erklärung: sie hat zuerst Technik studiert, dann Gesang - und sie ist mit einer Gesamtaufführung der Richard Strauß Lieder beschäftigt (leider in nicht ganz professionellem Rahmen)
Ihre Behauptung war, daß gegenüber den Schwierigkeiten der Strauß Lieder es einfacher wäre, Mozart, Verdi oder Bizet zu singen...bzw. sie brachte das alte Argument, daß Musik des 20.Jh schwieriger wäre als die frühere...
ich habe widersprochen:
Der Unterschied der musikalischen Arbeit besteht IMO darin, daß die Werke des 20.Jh zwar kompliziertere Tonfolgen und Harmonien aufweisen, aber mit der richtigen Absolvierung ist es meist schon getan.
Klassische Stücke hingegen müssen interpretatorisch ausgearbeitet werden, man muß sich Aufnahmen anhören (man sollte) man muß sich stilistisch informieren, man muß interpret. Vergleiche anstellen. Und aufgrund des Bekanntheitsgrades der Stücke ist man zu wesentlich höherer Genauigkeit gezwungen. (bei einem Mozart Klavierkonzert kennt das Publikum nahezu jeden Ton)
auf dem Fettgedruckten bestehe ich!
Ausschlaggebend dafür war (leider) der Fortschrittsgedanke, der die Entwicklung der Musik "in größere Höhen" führen hätte sollen, stattdessen ist man auf dem Abstellgleis gelandet...
(nicht zu vergessen, daß diese Fortschrittsgedanken von Wagner und Liszt getragen wurden...)
Kompliziert ist eben nicht besser...
eine ähnliche Problematik gibt es jedoch bei Polyphoner Musik:
hier zählt die Größe einer Komposition auch nach der Komplexität - wer am schwierigsten schreiben kann, hat gewonnen...
Außerdem ist das Hören der polyphonen Musik nie und nimmer ein Genuß sondern erfordert konzentrierte Aufmerksamkeit...es sei denn man wartet nur auf die Einsätze des Hauptthemas und ist mit sich zufrieden, wenn man diese erkennt.... Nein, man sollte alles hören können, auch die Dinge, die gleichzeitig ablaufen...
ich glaub, auch bei Mozart gibt es soviele Feinheiten in der Struktur, den Melodien und nebenstimmen, dann auch in der Instrumentation zu hören, daß man immer wieder was neues herausfinden kann, wenn man will.. (nicht wahr, Ulli)
als kleines Beispiel, die "Quam olim Abrahae" Fuge aus dem Requiem - ich hab das Stück oft mit Chören gespielt und bin jedesmal von neuem über irgend ein Detail überrascht
um noch einen kleinen Vergleich zur Kochkunst zu wagen (liebe Moziwis!): das, was uns am besten schmeckt, ist nicht immer das gesündeste, und zur ausgewogenen Ernährung gehört manchmal auch das, was wir nicht so gerne mögen...
liebe Grüße,
Wolfgang